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Spaziergang im Dunkeln
Die Tür fällt hinter mir zu und vor mir liegt der beleuchtete Gehweg. Beim Nachbarn bellt der Hund hinter der Tür und mein Atem zieht eine lange Fahne hinter mir her als ich losgehe. Der Schal ist bis zu den Ohren um meinen Hals gewickelt, die Mütze ist tief in meinem Gesicht. Die kalte Luft findet keine Lücke um mich frieren zu lassen. Es ist ein angenehmes Gefühl zu wissen, man wird nicht frieren während man geht.
Ich gehe den Weg entlang und blicke heimlich in beleuchtete Wohnungen, in denen ich aber niemanden erkennen kann. Die Beleuchtung des Weges endet hier und ich trete ins Dunkle hinaus. Von der Dunkelheit geblendet, kneife ich die Augen zusammen um Dinge im Dunkeln zu erkennen. Übriggebliebene Schneereste leuchten am Rand des Weges um ihm folgen zu können. Das Haus auf der rechten Seite ist völlig finster. Ich erahne es nicht einmal. Es verschwindet im schwarzen Hintergrund. Aber ich weiß dass es dort ist.
Im Graben, in dem das Wasser hoch steht, höre ich wie etwas ins Wasser springt. Das glatte Wasser war nicht zu sehen. Doch jetzt spiegeln sich die Wellen im spärlichen Licht.
Der Himmel ist trübschwarz und sternenlos. Ich bleibe kurz stehen und recke den Hals um nach oben zu sehen.
Vor mir ein klapperndes Geräusch. Den Kopf immer noch im Nacken schließe ich die Augen. Ich erkenne das lose Schutzblech am Fahrrad des Nachbarjungen. Es klappert in einiger Entfernung von links nach rechts.
Dann ist Stille. Der Schnee dämpft das Grundrauschen. Es ist nichts zu hören. Doch meinen Ohren fehlt nichts. Ich fühle meinen Puls, der ein gemütliches Tempo eingenommen hat. Mein Gesicht wird kalt und ich öffne die Augen. Dicke Schneeflocken fallen auf mich herab. Ich sehe nach vorn. Die Natur hat es sich bequem gemacht und lässt gemächlich Watte vom Himmel fallen.
Ich gehe weiter durch die Felder. Am Rand sind Bäume, die mich vor der herabfallenden Nässe schützen.
Die Frau mit dem Hund an der Leine huscht schnell an mir vorbei und sieht mich einen winzigen Moment an. Sie hat Angst in der Finsternis.
Ich stehe an der Ecke eines Feldes auf dem im Sommer Mais wächst. Ich will gar nicht laufen. Ich will die angenehme Kälte genießen.
Ich drehe mich um und sehe auf die beleuchtete Siedlung. Ich kenne jeden Menschen der in seinem Haus wohnt und ich weiß was jeder einzelne von ihnen gerade tut. Ich kenne jeden der dort wohnt und ich weiß was sie tun. Jeden einzelnen.
Wenn ich ausatme, kann ich den Übergang vom Zigarettenrauch zur Atemluft schwer unterscheiden. Doch es beruhigt und der Schnee unter meinen Schuhen sieht nur im Dunkeln weiß aus. Er ist schmutzig und grau. Wie die Häuser der Siedlung und die Menschen die in Ihnen wohnen.
Im Gehen rauche ich zu Ende.
Meine Sachen verstaue ich in der Garderobe.
Und ich werde Dinge tun, von denen die Menschen in den anderen Häusern genau wissen dass ich sie tue.