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Spann den Wagen an

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21.06.2005
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Spann den Wagen an

Gethas Rücken schmerzt. Ihre Hände, schwielig wie sie sind, haben neue Blasen entwickelt. In der drückenden Hitze des frühen Abends liegt der Geruch nach Pferden, Schweiß und frisch geschnittenem Getreide schwer über den Feldern. Vom langen Sommer fettgewordene Fliegen surren hektisch umher, setzen sich für einen Wimpernschlag auf Augen und Ohren und heben schon wieder ab, ehe sie weggeschlagen werden können. Sonst regt sich nichts. Kein Windhauch bringt Kühlung, kein Vogel ist zu hören oder zu sehen.

Getha lehnt sich auf ihre Sense. Erschöpft wischt sie sich mit der Hand den Schweiß aus den Augen, der in salzigen Rinnsalen über ihr Gesicht läuft und sich in der Kuhle an ihrem Hals sammelt. Wie immer, wenn sie einen Moment innehält, lässt sie ihren Blick besorgt über den Horizont schweifen. Sie haben mit der Ernte lange gewartet, und die schwüle Hitze und ein Dunstschleier am Horizont kündigen ein Unwetter an. Noch kann sie nicht sicher sein, wann es kommt. Aber die flimmernde, glühende Luft ist geladen, jeder spürt das. Die Pferde haben es zuerst gemerkt: Schon seit dem Morgen sind die sonst so gelassenen Tiere unruhig, streitbar und ungeduldig. Und unter dem Geruch nach Pferdeschweiß, gekappten Halmen und schwerer Arbeit stinkt es nach Metall und verrottenden Blättern – und nach etwas Undefinierbaren, Unbekannten, das Getha unwillkürlich Schauer über den schmerzenden Rücken jagt. Sie presst die Lippen zusammen. Ihr wäre es lieber, sie könnte das nahende Unheil sehen.

„Wir hatten Glück dieses Jahr, der Sommer hat lange gehalten“, sagt Gethas Mann, Johan, der ruhig und stetig neben ihr gearbeitet hat. Er streckt ihr eine Lederflasche entgegen. Dankbar nimmt Getha ein paar Schlucke des warmen, leicht salzigen Wassers. Johan winkt den Kindern zu. Sie sitzen mit wichtigen Mienen auf dem Wagen und nehmen die goldenen Getreidebündel entgegen, die die alte Magd mit knotigen Händen zusammenbindet. Die arbeitet heute langsam: die schwulstigen, alten Narben auf ihrer linken Hand sehen entzündet aus, rot und heiß und wütend. Aber sie beklagt sich nicht. Etwas weiter hinten im Feld rechen die zwei jungen Knechte das Getreide zusammen. Gethas Älteste, Marga, bringt es der Magd.
Sie kommen gut voran, und das Unwetter scheint sich Zeit zu lassen. Woher kommt also ihre unbestimmbare Furcht? Getha gibt Johan das Wasser zurück und streicht dabei liebevoll über seine Finger. Johan lächelt sie an. Aber in seinen Augen sieht Getha ihr eigenes Unbehagen gespiegelt.

Hinter ihnen stampft eines der Pferde nervös auf. Besser keine zu langen Pausen machen, denkt sie; besser, den Wagen bald nach Hause zu lenken. Grimmig packt Getha ihre Sense und macht sich wieder ans Werk. Johan fällt im gleichen Rhythmus ein: Ausholen, Schnitt, Schritt, Ausholen, Schnitt. Für eine Weile verliert Getha sich im Singen der Sensen, dem Schaben der Rechen und dem Surren der Fliegen. Die Geräusche verdichten sich zu einem Klangteppich, zu einem Lied, und Getha beginnt in ihrem Kopf zu singen: Hey. Ausholen. Ho. Schritt. Spann den Wagen an. Schritt. Denn der Wind treibt Tränen über’s Land. Ausholen. Tränen über’s Land. Schnitt. Hey, ho. Schritt. Tränen. Schnitt.

Sie zuckt zusammen, als Johan ihr die Hand auf die Schulter legt. „Regen, Getha, es heißt: Treibt Regen über’s Land.“ Johans Gesicht kommt ihr unendlich weit entfernt vor. Nein, es muss Tränen heißen, nicht Regen. Sie weiß es ganz sicher. Und hat sie wirklich laut gesungen? Sie räuspert sich und setzt die Sense wieder an. … denn der Wind trägt Tränen übers Land … hol die goldnen Garben, hol die goldnen Garben … Tränen übers Land … Tränen …

„Getha.“ Sie hebt den Blick und erkennt die Welt nicht wieder. Vor ihr steht eine Wand aus Wolken, schwarz und brodelnd. Darunter eine Flut aus Regen, die alles wegzuschwemmen droht: Den Hof, das Dorf, die Kirche, sogar den Wald. Und in der kochenden Wolkenmauer flackert eine Fratze auf. Erst hier, dann da, dann an vielen Stellen gleichzeitig. Die Fratze trägt eine Miene festgefrorener Fröhlichkeit, das enorme Maul zu einem grausamen Lachen verzogen. Und im Heulen des Sturms, der das Wolkenungetüm vorantreibt, wogt ein Singsang, einlullend trotz seiner tosenden, unbarmherzigen Gewalt. Tränen übers Land … Hey ho … irgendjemand da? Gold und Blut und Tränen biet‘ mir an …

„Mama!“ Die Stimme ihrer ältesten Tochter reißt Getha aus ihrer Trance. Margas Hand liegt in ihrer, und ihr kleines Gesicht ist erschrocken. Gethas Blick wandert verwirrt umher: Der Horizont liegt frei vor ihr, nur der graue Dunstschleier ist etwas weiter in die Höhe gewachsen. Ihre Familie steht um sie herum, ein Gesicht besorgter als das andere. Sogar die beiden Knechte – selbst beinahe noch Kinder – stehen neben Johan, die Hände zu Fäusten geballt und die Münder offen in einem Ausdruck aus Sorge und Schreck. „Du singst … du hast gesungen… von Blut?“ Margas Augen sind riesig. Gold und Blut und Tränen biet‘ mir an saust es in Gethas Ohren. Die alte Magd flüstert: „Die Wilde Jagd.“ Ihr Gesicht sieht dabei besorgt aus, aber in ihren alten Augen regt sich etwas. Etwas Beunruhigendes. Aber sie ist eine verwirrte, alte Frau. Trotzdem, die Worte der Alten rufen etwas in Getha wach. Fetzen aus einer Geschichte, die ihre Großmutter ihr erzählt hat, wenn sie im Spätsommer dabei halfen, das Getreide zu Garben zu bündeln. Ein boshafter Geist, Frauen aus Gold.

Noch einmal schweift Gethas Blick über den Horizont. Was gerade noch ein Dunstschleier gewesen war, sieht jetzt solide aus, schwarz und bedrohlich – wenn auch noch immer sehr weit entfernt. Getha blickt auf ihre Familie, den beladenen Wagen und das Feld, das nur noch zu weniger als einem Viertel gemäht werden muss … „Wir gehen. Johan, nimm die Pferde. Wir müssen nach Hause gehen.“ Die alte Magd nickt. Ihr Nicken kann Zustimmung sein oder etwas ganz Anderem gelten.

Johan sieht sie überrascht an. „Das Unwetter ist noch meilenweit entfernt. Wir haben noch genug Zeit, das ganze Feld zu mähen und rechtzeitig zurück auf dem Hof zu sein, ehe auch nur ein Tropfen fällt.“ Getha schüttelt energisch den Kopf. „Jetzt, wir gehen jetzt, los!“ Getha sieht ihre drei Kinder an und ihr Herz zieht sich zusammen. Sie drückt Margas warme Hand, die noch immer in der ihren liegt. „Spring auf den Wagen, Marga, und nimm deine Geschwister mit.“ Marga zittert – ihre Tochter beginnt sich zu fürchten. Aus den Augenwinkeln sieht sie, dass die alte Magd die letzten gebundenen Garben den beiden Knechten in die Arme drückt. Die beiden hieven sie gehorsam oben auf den Wagen und schnallen alles fest.

Bleibt nur Johan zu überzeugen. Getha wendet sich ihrem Mann zu. Auch er sieht besorgt aus, und Getha weiß, dass diese Besorgnis ihr mehr gilt als dem Unwetter, dessen fernes Grollen in der schwülen Stille des Abends zu hören ist. Johan streicht ihr eine nasse Haarsträhne aus dem Gesicht. „Getha, wir brauchen das Getreide, das weißt du. Willst du dich einen Moment setzen? Vielleicht ist es diese fürchterliche Hitze…“ Das nächste Donnergrollen klingt für Getha wie das Lachen eines Mörders, dem man nicht entkommen kann. „Spann den Wagen an, sieh, der Wind treibt Tränen über’s Land…“ Die krächzende Stimme der alten Magd lässt Getha und Johan herumfahren. Die Alte sitzt bereits auf dem Wagen. Sie ist nicht direkt verrückt, aber sie ist auch nicht mehr ganz bei sich. Das war schon damals so, als Getha auf den Knien ihrer Großmutter diese Geschichte gehört hat, mit dem bösen Geist und dem Getreide. Wie ging nur diese Geschichte? „Johan, lass uns gehen, etwas Fürchterliches wird passieren!“ Getha mag den flehenden Ton nicht, den ihre Stimme angenommen hat. Aber sie weiß, weiß einfach, dass sie sich in Gefahr befinden auf diesem Feld, ohne Unterschlupf. Johan schüttelt den Kopf. Er ringt sichtbar mit sich. Getha ist sich sicher, dass er das Metall und diesen unbestimmbaren, süßlich-verwesenden Duft auch riechen kann.

Ein heißer Windstoß hebt Getha beinahe von den Füßen. Er schiebt sie voran und zerrt an ihren Haaren. Schürze und Rock wickeln sich um ihre Beine, sie strauchelt beinahe. Der Geruch nach Eisen und Verwesung kriecht in ihren Hals, und sie würgt. Als sie wieder sicher auf beiden Füßen steht, schreien die Kinder, und Johan ist blass. Die Pferde sind kaum noch zu halten: Die Knechte müssen je eines der riesigen Tiere am Halfter halten, damit sie nicht samt des Wagens davonrennen. Die schwere Luft regt sich nicht – außer Getha hat niemand die plötzliche Böe gespürt. Aber gesehen haben sie sie alle, und was sie mit Getha gemacht hat.
Johan packt ihre Hand, und die beiden rennen zum Wagen. Getha springt zur Magd und den Kindern auf den Wagen und klettert oben auf das Getreide. Johan hilft Peter und Paul, die Pferde zu beruhigen. Die großen Tiere drängen nervös voran, sie wollen in den Stall. Aber der Wagen ist schwer, und die Fracht kostbar.

Die langsame Fahrt ist eine Qual. Mit dem unheimlichen Unwetter, mit der grässlichen Fratze im Rücken, jagt Getha ein Schauer nach dem anderen über den Körper. Schützend drückt sie ihre Kinder an sich: die Jüngste weint, der Junge zittert, und Marga starrt wie gebannt auf die schwarze Masse, die jetzt atemberaubend schnell näher kommt und sich höher und höher in den Himmel reckt.
Der nächste Windstoß, warm und ölig, packt nicht nur Getha: Er wirbelt Weizen und Stroh durch die Luft, reißt Blätter von den Bäumen, und singt, singt sein grausiges Lied in Gethas Ohren.

Die Tropfen beginnen zu fallen, als die Pferde mitsamt des Wagens in die Scheune traben. Getha springt ab und zerrt mit Johan und den Knechten an den Scheunentoren. Der Wind hält dagegen, presst die Tore immer wieder auf. Der Regen brennt auf Gethas Haut. Er schmeckt salzig auf ihren Lippen. Tränen, denkt sie. Dann fallen die Tore endlich zu, Johan schmeißt den Riegel vor und alle laufen zurück in die Dunkelheit der Scheune. Draußen heult der Wind, als ob er enttäuscht wäre. Er zischt durch die Ritzen in den Holzwänden und wirbelt Staub, Heu und Stroh auf. Der salzige Regen fällt jetzt dicht und tosend auf das Scheunendach.

Die Knechte haben die Pferde abgespannt und in ihre Box gebracht. Sie bleiben bei ihnen und streicheln ihre angstgeweiteten Nüstern. Getha kauert sich zu den Kindern und der alten Magd, während Johan im Dunkeln nach einer Öllampe sucht. Ein Blitz faucht über den Himmel, und einen Moment lang wirft er sein Licht durch die Ritzen in den Wänden. Schatten zittern über den Wagen, die Pferde und die Menschen. Licht und Dunkelheit malen grässliche Fratzen auf jedes Gesicht, das sie treffen.

Der Wind stößt gegen die Tore, und die Stöße klingen wie das Klopfen mit einem riesigen Türklopfer. Hey ho. Irgendjemand da? Gold und Blut und Tränen biet‘ mir an. Diesmal hört nicht nur Getha das grausige Singen. Sie alle, wie sie hier sitzen, hören es, und ihre Haare stellen sich auf. Die Kinder weinen, und Johan und die Knechte haben die großen Hände zu Fäusten geballt. Die Öllampe flackert und erlischt, und niemand hat den Mut, sie neu zu entzünden.
„Er wird keine Ruhe geben, bis er hat, was er will.“ Die Magd sieht Getha mit Augen an, die wacher wirken als in all den Jahren, die sie auf dem Hof gelebt hat. Getha braucht nicht zu fragen, wen sie meint. „Hey Ho, irgendjemand da? Gold und Blut und Tränen biet‘ mir an“, singt die Alte.
„Wir haben kein Gold“, erwidert Getha. Die alte Frau flüstert, ganz nah an Gethas Ohr: „Die goldenen Frauen. Die goldenen Frauen können es richten.“ Gethas Gedanken rasen. Die goldenen Frauen. Wieder drängen sich ihr Teile dieses alten Märchens auf, zu dem das Lied gehört. Gold. Blut. Tränen.

Im kalten Licht der flackernden Blitze beginnt Getha fieberhaft zu arbeiten. Sie nimmt ein Bündel Getreide nach dem anderen vom großen Stapel. Die alte Magd nickt, und holt Schnüre. Getha und die alte Magd formen die Garben zu drei großen Bündeln, schmal oben, breit unten. Die Ähren sprießen oben in einem wilden Strauß auseinander. Wie drei Frauengestalten stehen die Garben da. Goldglänzend, wann immer ein Blitz seinen Schein durch die Scheunenbretter wirft. „Gold“, flüstert Getha.

Die alte Magd und Getha sehen sich an. Getha nickt, es muss sein. Die Magd zückt noch einmal das Messer, mit dem sie die Schnüre geschnitten hat, und geht auf Getha zu. Johan springt erschrocken auf. Aber ehe er seine Frau erreichen kann, hat die Alte Getha bereits in die Handfläche geschnitten. Der Schnitt sieht aus wie der, der die Hand der Magd ziert. Das Blut fließt üppig. Viel üppiger, als ein Schnitt in die Hand es tun sollte. Es läuft über ihre Fingerspitzen und sammelt sich zwischen ihren Füßen in einer schwarzen, glänzenden Pfütze. Getha schwankt und muss sich setzen. Die alte Magd fängt das Blut in beiden Händen auf.

„Seid ihr beiden wahnsinnig geworden?“, brüllt Johan. Getha versteht seine Angst, aber sie weiß, was sie tun muss, egal, wie das für ihren Mann aussehen muss. Sie stoppt ihn mit einer Bewegung ihrer blutigen Hände. Die Magd reibt Blut auf jede der drei Garben-Gestalten. „Blut“, flüstert Getha, und merkt, wir ihr schwarz vor Augen wird. Sie sinkt zurück auf den kalten Boden.
Die alte Magd reißt ihre Schürze herunter und wirft sie Johan zu, der neben Getha am Boden kniet. Die alte Frau ruft etwas in Richtung der Kinder und der Knechte, und beginnt, die goldenen Garbenfrauen in Richtung des Scheunentors zu schieben. Weder Getha noch Johan können ihre Worte hören. Das Lied braust jetzt in ohrenbetäubender Lautstärke durch die Scheune. „Gold und Blut und Tränen biet mir an.“ Johan reißt die Schürze in Stücke und verbindet Gethas Wunde. Tränen aus Angst und Sorgen laufen über sein Gesicht und fallen auf die Stofffetzen, die er aus ihrer Schürze gerissen hat. Marga taucht in Gethas Blickwinkel auf. Marga, die immer schon verstanden hat, was zu tun ist. Sie nimmt drei der Streifen, auf die Johans Tränen gefallen sind. Getha schließt die Augen, nur ganz kurz, nur einen Moment.

Ein stechender Schmerz in ihrer Wange lässt sie nach Luft schnappen und die Augen aufreißen. Johans Hand schwebt noch in der Luft – hat er sie geschlagen? Verwirrt flackern Gethas Augen durch die Scheune. Jemand hat den drei Garbenpuppen Stoffstreifen um den Kopf gewickelt – sie sehen aus, als trügen sie Augenbinden. „Tränen“, denkt Getha.

„Hilf mir auf“, krächzt sie Johan zu. Johan drückt sie fest an sich, Erleichterung auf seinem Gesicht. Er stützt sie vorsichtig in eine sitzende Position. Und Getha sieht, wie die Knechte die Scheunentore öffnen. Triumphierendes Geheul übertönt das Lied und den Donner. Aber ehe der Sturm mit der Fratze eines boshaften Geistes hereinfegen kann, haben die alte Magd und die Knechte die drei goldenen Puppen in den Scheuneneingang geschoben. Die Puppen trotzen dem Wind: Kein Halm bewegt sich im tosenden Sturm, der die Haare der Knechte zaust. Ohne Anstrengung gleiten sie in den Hof. Ein Blitz kracht herunter, scheint direkt in die Gestalten aus Stroh und Blut und Tränen zu fahren. Und da tanzen sie, die goldenen Frauen, tanzen direkt hinein in den Sturm. Tanzen hinein in das riesige Maul der Geisterfratze.
Dann wirft der Sturm die Scheunentore zu, und es bleibt nichts als Stille und stockschwarze Nacht.

Am Morgen weht eine sanfte Brise. Sie spielt in den Nadelbäumen, die um den Hof stehen, und sie säuselt sanft durch die Dachbalken der Scheune. Getha erwacht zwischen ihren Kindern und Johan, die alte Magd und die Knechte schlafen an die Pferde gekuschelt. Mit weichen Knien und einer brennenden Hand öffnet Getha die Scheune. Die drei Getreidefrauen sind nicht mehr da. In der Tanne neben dem Haus hat sich ein Fetzen ihrer Schürze verfangen und flattert im Morgenwind.

Rotgold leuchtet der Himmel vor ihr, die Luft ist klar und kühl. Der Herbst kommt.

 

Hallo ardandwen,

ich konnte mich sehr schnell gut in die Stimmung deiner Geschichte hineinversetzen, doch hätte ich nach den ersten paar Absätzen beinahe aufgehört zu lesen. Es ist zwar von Anfang an deutlich, dass etwas Besonderes passieren wird, doch es zieht sich mMn zu lange hin.
Was mich dann doch am Text gehalten hat, ist Dein sehr angenehmer Schreibstil, der sich leicht und locker liest und gleichzeitig sehr präzise beschreibt.
Einige Flüchtigkeitsfehler, die mir beim ersten Lesen aufgefallen sind:

Erschöpft wischt sich mit der Hand den Schweiß aus den Augen, der in salzigen Rinnsalen über ihr Gesicht läuft und sich in der Kuhle an ihrem Hals sammelt
wischt sie sich

Selbst die beiden Knechte – selbst beinahe noch Kinder
Kleinkram, aber es liest sich nicht schön. Wie wärs mit "sogar"?

Im kalten Licht der flackernden Blitze beginnt fieberhaft an zu arbeiten.
Da fehlt was.

Vielleicht könntest Du noch ein bisschen mehr über das Märchen schreiben, an das Getha sich erinnert? Sind die drei Garben-Frauen eine Opfergabe? An wen oder was genau? Dann gäbe es etwas mehr Anhaltspunkte für Gethas unbestimmbare Angst, auch wenn ich natürlich sehe, dass hier so einiges offen bleiben soll...
Trotzdem hatte ich Spaß beim Lesen dieses Textes, er hat mich an den enorm trockenen Sommer dieses Jahr erinnert.

Gruß
Broodje

 

Hola @ardandwen,

meinen Glückwunsch zu diesem Text. Der hat mich gepackt, gefesselt, mitgerissen; ich habe gebangt, ob sie noch unbeschadet den Hof erreichen und war tatsächlich erleichtert, als sie es geschafft hatten.

Auch die Wahl des Themas ist ein kluger Entschluss – dem Autor bleiben Freiheiten, die er bei einem RL-Thema nicht hätte. So bekommt der Text eine zusätzliche Dimension, die Du auch ‚schöpferisch ausgeschöpft’ hast.

Dazu kommt: Ich habe mehr Lesevergnügen und kann mich dem voll hingeben, denn bei Fantasy bleibt dem Autor unbenommen, wie weit er geht. Und ich muss nicht alles in Frage stellen, was mir nicht einleuchtet. Außer:

Vom langen Sommer fettgewordene Fliegen ...
Ist deren Lebensdauer nicht kürzer als ein langer Sommer?

Im kalten Licht der flackernden Blitze beginnt fieberhaft an zu arbeiten.
?
Wie drei Frauengestalten stehen die Garben da.
Gut gesagt. In manchen Gegenden werden zusammengestellte Garben mit ‚Puppen’ bezeichnet.

Der Text ist gut strukturiert. Obwohl er Länge hat, gelingt es Dir, die Spannung zu halten – und mit zunehmend Fantasy sogar noch zu erhöhen. Wunderschön! (Wenn man nicht an die schmerzenden Rücken der Schnitter denkt).
Kurzum: Hat mir ganz toll gefallen und mich soll der Teufel holen, wenn ich etwas zu meckern hätte.

Beste Grüße!
José

 

Hallo @ Broodje

vielen Dank erstmal für deine konstruktive Kritik!
Die Flüchtigkeitsfehler habe ich gleich mal ausgemerzt.

Ich verstehe auch deinen Einwand, dass der Anfang zu lang ist - ich habe ihn vor dem Posten nochmal zusammengestrichen, aber kann mir gut vorstellen, dass nicht alles notwendig ist, was noch da steht. So ganz kann ich den Finger nicht drauf legen, was sich so zieht - hast du einen Tipp?

Und natürlich freue ich mich, dass du trotzdem Spaß hattest und bis zum Ende dabeigeblieben bist :)

Danke und LG
Ardandwen

 

Hallo José,

und auch dir vielen Dank - dein dickes Lob freut mich natürlich ungemein!
Die Flüchtigkeitsfehler sind raus.

Wegen der Fliegen ... ich weiß tatsächlich gar nicht, wie lange die großen Landfliegen so leben :) Kann mir nur vorstellen, dass sie größer werden, wenn sie mehr Zeit zum Fressen haben ... ich recherchiere das mal nach :)

Viele liebe Grüße und danke nochmal fürs Lesen und Kommentieren,

Ardandwen

 

Hallo ardandwen,

was ich Dir jetzt "anstreiche" sind Stellen, die wirklich sehr gut geschrieben sind und es ist auch oft klar, was Du mit ihnen ausdrücken wolltest (heiße, trockene Sommerstimmung, Figurenverhältnisse, etc.). Allerdings habe ich sie beim ersten Lesen ungeduldig überflogen, weil nichts passiert, und ich doch wissen wollte, wie es weitergeht. Also tut es mir wirklich Leid, dass hier was eingekürzt werden sollte, damit die Spannung erhalten bleibt. Sei mir bitte nicht böse:shy:.

„Wir hatten Glück dieses Jahr, der Sommer hat lange gehalten“, sagt Gethas Mann, Johan, der ruhig und stetig neben ihr gearbeitet hat. Er streckt ihr einen ledernen Flakon entgegen. Dankbar nimmt Getha ein paar Schlucke des warmen, leicht salzigen Wassers. Johan winkt den Kindern zu, und Getha lächelt: Ihr kleines Mädchen und der Junge sitzen mit wichtigen Mienen auf dem mit goldenen Getreidegarben beladenen Wagen und nehmen die Bündel entgegen, die die alte Magd mit knotigen Händen zusammenbindet.
Kannst Du Gethas Familie irgendwie kürzer einführen? Vlt. wird später im Text auch sowieso klar, dass sie Mann und Kinder hat?

Die Pferde haben es zuerst gemerkt: Schon seit dem Morgen sind die sonst so gelassenen Tiere unruhig, streitbar und ungeduldig.
Hm, dass die Pferde unruhig sind, schreibst Du später nochmal...

Aber letztendlich musst Du selbst wissen, was Du in Deinem Text unbedingt behalten möchtest oder nicht. Lass Dir von mir bloß nichts vorschreiben:D, ich hab versucht zu verdeutlichen, wo ich stolpere.

Genieß das Restwochenende!
LG
Broodje

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo, Broodje,

danke für deine nochmalige Auseinandersetzung mit dem Text! Ich habe mich daran versucht und nochmal gekürzt und gestrafft.

Ganz liebe Grüße,
Ardandwen

 

Mir gefällt die Geschichte sehr gut, liebe Ardandwen. Ich bin “mittendrin”, das fesselt mich.
Manchmal, wie auch der Vorredner gesagt hat, bin ich bisschen unschlüssig, weil die Vorstellungskraft hier andere Wege geht.
Das kalte Licht der flackernden Blitze - gleißend würde ich verstehen, kalt eher nicht.
Und kalt und ... beginnt fieberhaft zu arbeiten“ fieberhaft passt mE gar nicht (hört sich bisschen an wie ‚in kalter Milch fieberhaft rühren‘, verstehst du, was ich damit sagen will? Da streikt mein Hirn...
Ansonsten, prima ?, gratuliere. Freue mich immer über Deine Geschichten, auch wenn ich sie fast nie kommentiere.

 

Hallo sig4sig,

freut mich, dass die geschichte dich fesseln konnte!

Das kalte Licht der flackernden Blitze - gleißend würde ich verstehen, kalt eher nicht.
hm, verstehe - für mich ist das Licht von Blitzen in meiner Vorstellung immer bläulich, als eher "kalt" vom Farbton her. Ich schau mir die Passage nochmal an.

beginnt fieberhaft zu arbeiten“ fieberhaft passt mE gar nicht (hört sich bisschen an wie ‚in kalter Milch fieberhaft rühren‘, verstehst du, was ich damit sagen will? Da streikt mein Hirn...
Wie meinst du das? Bedeutet etwas"fieberhaft" zu tun nicht, dass man etwas hektisch und fahrig, aber voller Entschlossenheit tut?

Freue mich immer über Deine Geschichten, auch wenn ich sie fast nie kommentiere.
Das hört man gerne! Wie sieht es denn bei dir mal wieder aus? :)

LG Ardandwen

 

„Hejo spann den Wagen an
seht, der Wind treibt Regen übers Land
Holt die goldenen Garben!
Holt die goldenen Garben!“
Volkslied​

Für eine Weile verliert Getha sich im Singen der Sensen, dem Schaben der Rechen und dem Surren der Fliegen. Die Geräusche verdichten sich zu einem Klangteppich, zu einem Lied, und Getha beginnt in ihrem Kopf zu singen: Hey. Ausholen. Ho. Schritt. Spann den Wagen an. Schritt. Denn der Wind treibt Tränen über’s Land. Ausholen. Tränen über’s Land. Schnitt. Hey, ho. Schritt. Tränen. Schnitt.

Reine Poesie über das Landleben, wie es neben der industrialisierten Landwirtschaft in Reservaten sicherlich noch geben wird (wie sich ja auch im Amazonasbecken noch indigene in der Steinzeit leben und sich sicherlich nicht einfach wegfackeln lassen, oder die Ran (früher Buschmänner) ihre Traditionen immer noch pflegen und zugleich als Attraktion den Touristen vorleben oder die 500 native nations sich zum Pow Wow versammeln (ließe sich fortsetzen),

Ardandwen,

und so bistu in Deinem 14. Jahr die Entdeckung für mich in meinem zwölften. Aber es sind auch noch ein paar Flusen zu tilgen, wie bereits hier

Vom langen Sommer fettgewordene Fliegen surren hektisch umher, setzen sich für einen Wimpernschlag auf Augen und Ohren[...] und heben schon wieder ab, ehe sie weggeschlagen werden können.
Die Konjunktion ersetzt das Komma zwischen gleichrangigen Satzteilen.
Weg mit ihm!

Wie immer, wenn sie einen Moment inne hält, lässt sie ihren Blick …
„innehalten“ ein Wort

denn der Wind trägt Tränen übers Land … hol die goldnen Garben, hol die goldnen Garben … Tränen übers Land[...]Tränen …
Da rutschen einmal die Auslassungspunkte direkt ans Wort … (solltestu nochmal alle abklopfen, auch mir kann was durchgehen)

Aber sie ist eine verwirrte alte Frau.
Hier meine ich, gehöre ein Komma zwischen die gleichrangigen Adjektive im Attribut und die Gegenprobe mit „und“ „verwirrte und alte Frau“ spricht nicht dagegen ...

Was gerade noch ein Dunstschleier gewesen war, sieht jetzt solide aus, ...
Nix falsch, aber ohne „war“ klingt's poetischer – probier einfach mal aus.Die Grammatik lässt mehr zu, als die Schulgrammatik zugeben will ...

Ihr Nicken kann Zustimmung sein, oder etwas ganz Anderem gelten.
Auch hier: Komma weg vorm „oder“

Ihre Schürze und ihr Rock wickeln sich um ihre Beine, sie strauchelt beinahe
Die Pronomen lassen sich reduzieren und der Satz wird poetischer: „Schürze und Rock wickeln sich um ihre Beine ...“

Der Geruch nach Eisen und Verwesung …
Dass Eisen röche ist ein weitverbreiteter Irrglaube

De Knechte müssen …

..., damit sie nicht samt dem Wagen davonrennen.
„samt“ des Wagens, samt und mitsamt (kommt etwas weiter unten) verlangen den Genitiv!
Die Tropfen beginnen zu fallen, als die Pferde mitsamt dem Wagen in die Scheune traben

Die Magd zückt noch einmal das Messer, mit dem sie die Schnüre geschnitten hat[,] und geht auf Getha zu.
Komma, weil das „und“ den Hauptsatz weiter und zu Ende führt, der eingeschobene Nebensatz zu Ende ist

„Hilf mir auf“[,] krächzt sie Johan zu.

Gern gelesen vom

Friedel

 

Hallo @ardandwen ,

Mein spontaner Eindruck: Hier ist ein Autor, der sein Handwerk versteht. Einer, der seinen Wortschatz ausschöpft und doch stilistisch diszipliniert und präzise formuliert. Das gefällt mir, auch weil dieser Stil zum Sujet passt. Der Blick in eine vergangene Welt, wo die Naturgewalt personifiziert mit den Menschen kämpft, ist in Märchen und Sagen vielfältig überliefert.

Keine Überraschung für mich ist, dass mir Bilder der Zerstörung einfallen, wie sie ganz aktuell der Hurrikan "Dorian" auf den Bahamas hinterlassen hat. Schon immer hat mir der Ausdruck "Auge des Orkans" Schauer über den Rücken gejagt.

Die Länge des Textes stört mich nicht. Ähnlich ist es ja bei Gewittern, wenn aus einem grauen Streifen in der Ferne sich Wolken über Wolken türmen, das Wetterleuchten quälend lange braucht, bis sich Blitz, Donner und Sturm austoben und schließlich in sanftem Regen ausklingen. Von einem sicheren Ort aus sind Gewitter großartige Schauspiele, die trotzdem vielen Menschen Schrecken einjagen. Ich erinnere mich an eine Lesebuchgeschichte, wo es auch um die Rettung der Ernte ging, bevor der Großvater beruhigt sterben konnte. Leider fällt mir der Titel nicht mehr ein. Der Autor könnte Rosegger oder Anzengruber sein. Die Geschichte war im Realismus des 19. JH.s angesiedelt.
Die eine oder andere Anmerkung hätte ich noch:

stinkt es nach Metall und verrottenden Blättern – und (nach) etwas Undefinierbaren, Unbekannten,

hier würde ich "nach" einfügen, obwohl deine Formulierung grammatikalisch richtig ist, auch wenn das Wort dann dreimal hintereinander verwendet wird. Ist die Drei nicht eine magische Zahl? ;)

ledernen Flakon

Vorschlag: lederne Flasche. Flakon ist meistens mit Glas verknüpft. Außerdem eher ungebräuchlich im bäuerlichen Umfeld.

ihr kleines Gesicht ist erschrocken und ernst.

ein erschrockenes Gesicht ist doch immer ernst, oder?

Mit dem unheimlichen Unwetter, mit der grässlichen Fratze im Rücken jagt Getha ein Schauer nach dem anderen über den Körper

einfacher: Das unheimliche Unwetter mit der grässlichen Fratze jagt Getha einen Schauer nach dem anderen über den Rücken.

Sie sinkt zurück, sinkt auf den kalten Boden.

Sie sinkt zurück auf den kalten Boden.

Das Pathos braucht es hier mMn nicht, die Fakten sind eindrucksvoll genug.

Wiederum eine schöne Geschichte. Bin gespannt, was noch kommt.

Freundliche Grüße
wieselmaus

 

Hallo Friedel,

danke für deinen Kommentar, deine Kritik und das Ausmerzen der Flusen - ich habe das natürlich sofort in Angriff genommen.

Einzig beim Eisen widerspreche ich dir:

Dass Eisen röche ist ein weitverbreiteter Irrglaube
Doch, erst gestern beim Metallschleifen hatte ich ihn wieder in der Nase ... ;) Auch der Geschmack ist sehr intensiv, wie jeder der schon einmal Eisentropfen nehmen musste bestätigen kann.

Freut mich sehr, dass meine Geschichten nach all der Zeit doch Anklang bei dir finden!

LG Ardandwen


Hallo Wieselmaus,

danke auch dir für deinen Kommentar, deine Kritik und dein Lob! Ich habe deine Anmerkungen umgesetzt.

LG Ardandwen

 

Du schreibst:
Einzig beim Eisen widerspreche ich dir:
...
Doch, erst gestern beim Metallschleifen hatte ich ihn wieder in der Nase ... Auch der Geschmack ist sehr intensiv, wie jeder der schon einmal Eisentropfen nehmen musste bestätigen kann.
Ich aber weiß schon spätestens seit der Ausbildung zum Chemielaborant
Dass Eisen röche ist ein weitverbreiteter Irrglaube

Ich zitier mal das „Spektrum der Wissenschaft“ (wenn ein Facharbeiterbrief nicht genügt)

»"Pecunia non olet!" – "Geld stinkt nicht!" An diesem überlieferten Ausspruch des römischen Kaisers Vespasian (9-79), der nicht davor zurückschreckte, die Latrinen des Reichs als ergiebige Steuerquelle zu nutzen, könnte etwas dran sein. Denn was soll an einer Geldmünze auch stinken? Sie besteht schließlich aus einem nicht flüchtigen Feststoff, der nur schwer seinen Weg in die Nase finden kann.

Und dennoch! Irgendetwas an einem Stück Eisen riecht "metallisch", manche empfinden es eher als "muffig". Und Gusseisen oder Stahl scheint sogar einen knoblauchartigen Duft zu verströmen. Riecht Metall?

Nein, lautet die schlichte Antwort. "Dass wir Metall an sich riechen, ist eine Illusion", betont Dietmar Glindemann. Zusammen mit Kollegen vom Virginia Polytechnic Institute und der Universität Leipzig spürte der Chemiker das Geheimnis des Metallgeruchs auf. Wie die Forscher herausfanden, besteht die metallische Duftnote aus nichts anderem als – zersetztem Schweiß.
...« (vollständiger Artikel unter „Riecht Metall?“)

Ich weiß, dass es schwer wird, sich von liebgewonnenen Gewohnheiten zu trennen ... Aber Du wirst es überstehn,

behaupte ich mal.

Schönes Wochenende und bis bald

Friedel

 

Hi Friedel,

Wie die Forscher herausfanden, besteht die metallische Duftnote aus nichts anderem als – zersetztem Schweiß.
...« (vollständiger Artikel unter „Riecht Metall?“)

Wenn das so ist, dann riecht Metall doch nach eben dem: zersetztem Schweiß. Dass das tatsächlich zersetzter Schweiß ist, und nicht das Metall, ist dem Riecher meist gar nicht bewusst - er riecht etwas, assoziert es mit Metall/Eisen und sagt: Ah! Ich rieche Eisen. Und nachdem Getha ja nicht weiß, dass Eisen nicht riecht (Ich gehe davon aus, dass die den Artikel nicht gelesen hat :)) glaubt auch sie, dass sie Eisen riecht. Noch wichtiger: Der Leser weiß, welchen Geruch sie meint - sogar du, lieber Friedel, hattest beim Lesen einen bestimmten Geruch in der Nase, gib's zu, von dem du nur eben weißt, dass es nicht Eisen ist. :)

Ich gebe also zu: Eisen riecht nicht. Und ich habe wieder was gelernt - auch dafür Danke! Aber als Beschreibung für einen Geruch taugt's dennoch.

Ganz viele liebe Grüße und bis bald,

Ardandwen

 

Hallo ardandwen.

Wenn das so ist, dann riecht Metall doch nach eben dem: zersetztem Schweiß.

Dieser Schluss liegt nahe, da Friedrichards Zitat eine wichtige Tatsache des zitierten Artikels (die Entstehung des Geruchs) ausgespart ließ. Daher empfehle ich den einfachen Selbsttest, eine nicht all zu verdreckte Münze mit den (nicht all zu verdreckten) Fingerspitzen unter (keinesfalls an) die Nase zu halten. Das Ergebnis sollte sein, so die Münze nicht allzu frisch Hände gewechselt hat: kein Geruch.

Halte dann mal selbige Fingerspitzen unter die Nase.

Und unter dem Geruch nach Pferdeschweiß, gekappten Halmen und schwerer Arbeit stinkt es nach Metall

Als Leser wusste ich nicht, was du mit Metallgestank meinst. Hier blieb ich ratlos.

Getha ist sich sicher, dass er das Metall und diesen unbestimmbaren, süßlich-verwesenden Duft auch riechen kann.

Verwesungsduft? Naja, wie dem auch sei. Hier gelang es mir im Kontext des Satzes (Verwesung) zum in der Literatur viel genutzten Geschmack von Eisen/Metall im Mund (ergo Blut) aufzuschließen. Aber wieso dann nicht gleich Blut schreiben? (Blut riecht zwar ebensowenig wie Metall, die Formulierung hätte mir aber die Assoziationstour erspart :))

Ich nehme mal an, du wolltest nicht, dass ich an beiden Stellen den Geruch von Klimpergeld in der imaginären Nase habe, oder? Wenn doch, hoffe ich, dass du auch an die Zukunft gedacht hast. Bargeldlose Bezahlung und so. Irgendwann kann das keiner mehr assoziieren.

Gruß Analog

 

Hi Analog,

okayokay, ich seh zu dass ich es anders schreibe:

Ich nehme mal an, du wolltest nicht, dass ich an beiden Stellen den Geruch von Klimpergeld in der imaginären Nase habe, oder?
denn nein, das will ich nicht.
Wenn doch, hoffe ich, dass du auch an die Zukunft gedacht hast. Bargeldlose Bezahlung und so. Irgendwann kann das keiner mehr assoziieren
Aber so lange, fürchte ich, wird sich die Story nun auch net halten :D

Es nach Blut riechen zu lassen finde ich aber auch komisch. Es ist ja keins da. Aber du kennst doch diesen Gewitterduft? Vor dem Gewitter? Wie würdest du den beschrieben? In meinem (in Metallgeruchschemie ungebildeten) Kopf hielt ich das eben immer für einen metallischen Geruch. Aber ein Geruch "Nach Haut, auf der sich Metall im Schweiß zersetzt hat" ist schon a wengerl klobig :)

Hast du eine Idee, abgesehen vom Blut?

Danke und LG
Ardandwen

 

Oh,

ardandwen,

daran hätte ich nun gar nicht gedacht. Schön, dass du dich nochmal zurückgemeldet hast.

Frei übersetzt* aus der englischsprachigen Wikipedia:

"1785 führte der niederländische Chemiker Martinus van Marum Experimente mit elektrischen Funken über Wasser durch, als er einen ungewöhnlichen Geruch bemerkte, den er den elektrischen Reaktionen zuschrieb, ohne zu erkennen, dass er in Wirklichkeit ..."

*Trommelwirbel*

"... Ein halbes Jahrhundert später bemerkte Christian Friedrich Schönbein den gleichen stechenden Geruch und erkannte ihn als den Geruch, der oft einem Blitz folgte. 1839 gelang es ihm, die gasförmige Chemikalie zu isolieren und nannte sie "Ozon", aus dem griechischen Wort ozein (ὄζειν), das "riechen" bedeutet."

Also:

"Und unter dem Geruch nach Pferdeschweiß, gekappten Halmen und schwerer Arbeit stinkt es nach Ozon und verrottenden Blättern" (das Durchgestrichene würde ich weglassen, der Satz ist schon stark genug.)

"Getha ist sich sicher, dass er das Ozon (hier würde ich es ganz streichen) und diesen unbestimmbaren, süßlich-verwesenden Duft auch riechen kann."

--

Ich finde, dass man grundsätzlich auch ganz banal schreiben kann, dass die Luft nach Gewitter riecht, wenn die Luft nach Gewitter riecht :D

Gruß vom Analog,
der nicht den geringsten Schimmer von Metallgeruchschemie hat,
aber gerne kuriose Sachen recherchiert.

_______________________________________________________________________________________________________
* mit freundlicher Genehmigung des besten Übersetzungswerkzeugs des Sonnensystems: Deepl

 

Hi Analog,

Sorry, dass es so lang gedauert hat!
Danke für deinen Tipp, so mach ich‘s!

Ich finde, dass man grundsätzlich auch ganz banal schreiben kann, dass die Luft nach Gewitter riecht, wenn die Luft nach Gewitter riecht :D

Doh! Du hast komplett Recht ???
Danke für das Recherchieren!
Und ja: Deepl for President! Rettet mir fast täglich den Allerwertesten.

LG Ardandwen

 

Ihre Hände, schwielig wie sie sind, haben neue Blasen entwickelt. In der drückenden Hitze des frühen Abends liegt der Geruch nach Pferden, Schweiß und frisch geschnittenem Getreide schwer über den Feldern.

Gerade der Anfang einer Geschichte sollte möglichst exakt und direkt formuliert sein. Gleich der zweite Satz ist umständlich und zu lang konstruiert. Drei Worte weniger, bei gleicher Aussage: Ihre schwieligen Hände haben neue Blasen gebildet. (entwickelt)
Der dritte Satz ist ebenfalls aufgeblasen. Vier Adjektive, im Grunde genommen sind zwei davon entbehrlich, wenn nicht gar drei: In der Hitze des frühen Abends liegt der Geruch nach Pferden, Schweiß und (frisch) geschnittenem Getreide über den Feldern.

MfG, Manuela :)

 

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