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Soxen 5
Opera Gramusfink eröffnete die intergalaktische Diskrepanzen Audienz mit einem formalen Furz, der von keinerlei Rassen als feindselig oder direkt freundschaftlich interpretiert wurde.
Kurzum: Es handelte sich um einen neutralen Furz.
Gedämpfter Applaus, respektive viertausend anderer Laute, die einem klatschen mit Händen gleichkamen, folgten.
"Sehr geehrte ständige Mitglieder des Universums", begann er hiernach ohne Umschweife seine Rede zu eröffnen, wobei einige seiner Diener den unaufhörlich aus den Achseln quellenden Jiquata mit Tüchern aufwischten.
"Dieses Jahrmillion ist nicht besonders gelaufen, wie einige von Ihnen sicher, und andere ganz bestimmt nicht wissen. Die ortotalen Vorbereitungen der Vernichtung der auf folgender Liste aufgelisteten Sternsysteme, teils natürlich, teils mit Waffengewalt, hat die Interstellare Aktienbörse um mehr als drei Punkte auf 10 hoch 24 Punkte geschwächt, weshalb ich hiermit die Entlassung von achthundert Planeten ankündige. Ruhe da hinten!"
Ein kleiner Zwergkummba hatte sich durch energisches Husten in eines der Teleprompter Mikrofone galaxisweites Gehör verschafft und trommelte aufgeregt mit seinen Stutzfingern auf das geschliffene Gurdurapolster des Sessels.
"Ich will, will, will aber nicht ruhig sein."
Aufgeregtes Gemurmel, geschnattere, gepiepse und nicht zuletzt Echolauten durchdrang den 5000 Kilometer langen und zwanzig Meter breiten Saal.
Echolauten war dem Opera immer besonders unangenehm, konnte es doch, in der richtigen Tonlage ausgeführt, zu einer Erschlaffung des Schließmuskels führen und in bestimmten - sehr seltenen Fällen - jegliches Leben in einer Galaxis auslöschen. Doch dies war bislang nur in theoretischen Planspielen des Militärs vorgekommen.
Ein Bordoa Froschwesen streckte seine Zunge aus und leckte dem Zwergkummba kumpelhaft über den Nacken.
"Ich verlange, diese leckeren Kummbas importieren zu dürfen", sagte das Froschwesen dann.
Des Operas Jiquata lief rot an, was bei den Dienern ein gewisses Unbehagen auslöste.
"Es ist eine Ungeheuerlichkeit, wie mir hier ins Wort gefallen wird. Ich verlange ... die Audienz ist somit beendet." - Opera Gramusfink spieh einen Schallwellen Gwangtas auf die vorderen Teilnehmer, die sich sogleich in Wohlgefallen und jede Menge stinkenden Schleimes auflösten, und verließ die Bühne.
Das Buffet war eröffnet, und Gramusfink, Herrscher des Universums, stand eine Stunde lang für Autogramme oder kurze Denkanstöße zur Verfügung.
Nicht aber für beides.
Anschließend wurde das Fazit der Diskrepanzen Audienz verkündet, welches von allen Teilnehmern mit großer Spannung erwartet wurde, die nicht von der Ambulanz behandelt werden mussten (manche Rassen lernten einfach nie, dass es bei einem universalen Buffet Speisen gab, von denen sie besser ihre wie auch immer gearteten Gliedmaßen lassen sollten, und auch einige Fälle von unbeabsichtigtem Kannibalismus - so leckeres Fleisch habe ich ja noch nie gegessen - standen wie üblich auf der Tagesordnung).
Das Fazit lautete: "Es besteht nach wie vor Diskrepanz. Die Audienz ist für heute beendet; wer jetzt noch vom Buffet isst, wird erschossen, beziehungsweise einer dem jeweiligen Organismus angepassten Bestrafung unterworfen, die zum Tode, oder zum Leben führt, je nachdem, welche Rassenzugehörigkeit vorliegt. Bis in eine million Jahre. Der Opera wünscht Ihnen eine angenehme Heimreise."
Soxen 5 kroch müde in Richtung Ausgang, den Notizblock halbherzig hinter eine Schuppe gesteckt.
"Hach", jammerte er.
Sein Heimatplanet lag zwölf Quadrolichtdoppeljahre entfernt. Immer dasselbe. Fünfhunderttausend Jahre hin, einen Tag ausspannen, und dann früh morgens in aller Eile zur nächsten Audienz aufbrechen, um nicht zu spät zu kommen.
Irgendwie wunderte es ihn nicht, dass seine Frau sich ihm über die Jahrmillionen hinweg ein wenig entfremdet hatte. Immerhin war das heute bereits seine zweihundertste Diskrepanzen Audienz gewesen.
Doch als er in das Raumschiff stieg, die fröhliche Musik von drinnen lauter werden hörte, und leckeren Exkrement-Cocktail roch, vergaß er seine Melancholie gleich wieder.
***
Einhunderttausend Jahre später - Soxen 5 dachte über die Audienz nur noch gelegentlich nach - geschah plötzlich etwas Unfassbares.
Das Schiff machte einen schweren Rechtsschlenker, sodass sich die Sterne hinter dem Fenster verschoben, und die künstliche Unschwerkraft aussetzte. Soxen 5 plumpste auf den Boden und verschüttete die harten Exkremente in seinem Glas.
Dann ging der Alarm an.
Wir stürzen ab, ging es ihm durch den breiteren Oberschlupf.
"Achtung, eine Durchsage. Der Kapitän hat beim Ton-Asteroiden-Schießen gerade kein so glückliches Händchen gehabt und eine Supernova ausgelöst. Wir notlanden in Kürze auf einem unbekanntem Planeten. Die Entfernung beträgt nur noch zehn Lichtjahre, also schnallen sie sich bitte sofort ..."
Ein leichtes Rumpeln.
"Wir sind soeben notgelandet."
Die Tür ging auf, der Kapitän entschuldigte sich knapp, aber freundlich für die kurze Verzögerung. Die Flugbegleiterin spendierte einen Exkrement-Cocktail, und Soxen 5 ärgerte sich maßlos darüber, dass er nach der Ankunft auf seinem Heimatplaneten nur noch einen halben Tag zum Ausspannen haben würde. Möglicherweise noch weniger.
Hoffentlich konnte er seiner Frau wenigstens noch einen Kuss geben, ehe er wieder los musste.
Dann sah Soxen 5 die Nuss.
Wenn es eine gültige Regel im Chaos des Universums gab, dann jene: Ein Planet mit Nüssen ist kein Wüstenplanet.
Denn in der Wüste gibt es keine Nüsse.
Soxen aß die Nuss und sah sich um.
Es gab hier auch Häuser, und primitive Fahrzeuge auf, wie hieß es gleich ... Rollen!
Arme Irre, dachte Soxen. - Alle Erfinder der Rollen weisen in der Geschichte der unterschiedlichen Universen schließlich stets die gleichen Merkmale auf: Sie töten sich gegenseitig, holzen Wälder ab, lassen die Armen verhungern, und führen Kriege ... aber verdammt! Sie haben Nüsse!
Soxen kroch weiter, dem Horizont entgegen.
Dann, völlig unverhofft, wollte er seiner Frau gar keinen Kuss mehr geben.
Er wollte auch auf keine weitere Diskrepanzen Audienz mehr.
Alles Scheiße.
"Wir können, is alles repariert", rief der Kapitän von weit her.
Schnell grub Soxen ein (aus seiner Sicht) tiefes Loch und schlief prompt ein. Hier gab es Nüsse.
Das Raumschiff flog ohne ihn weiter. Die Flugbegleiterin vergoss einige Tränen, schließlich hatte sie sich in den vielen Jahren ziemlich an Soxen 5 gewöhnt.
Doch dann mixte sie wieder Cocktails.
***
Zwei Tage später wurde er unsanft von einem Fußtritt geweckt.
"Wat ham wa denn da, wa? Heil Hitler!"
"Isn Wurm, wa?"
"Nen Hitlerwurm. Wir haben den Kampfwurm jefunden."
"Lass den ma Polen überrennen, und ..."
"Schnauze ... ich sach dat is der Endsiegwurm. Wir graben nach dem verlörenen Bunker, und wat finden wa? Wa, den Endkampfwurm!"
"Komm ma her, mein kleiner, damit ..."
"Sachte, sachte. Da sind bestimmt Giftstoffe drin. Hach, mein Führer, hätteste den denn noch zum Einsatz jebracht."
"Ich fass ihn an."
"Finger weg!"
"Isch wollt ja bloß ..."
"Meine lieben Freunde. Wir haben hier wat jefunden, dafür würde uns der Obermächtige dankbar sein, und der Wurm wird keinesfalls, auch nur im Jeringsten ..."
Soxen 5 blinzelte mit seinem Auge.
"Hallo, mein Name ist ..."
"Er ... er redet!"
Die drei Humanoiden sprangen zurück.
"Soxen 5."
"Wat hatta jesagt, Jackson 5? Dat passt ja mal gar nicht."
"Ruhe im Puff! Wir müssen ihm Zeit geben. Wo isser hin? Verfluchte Endkacke!"
Soxen kroch weiter und war gepannt auf die Dinge (Nüsse), die ihn auf diesem Planeten noch erwarten sollten.