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Soraya
Soraya
An das Leben vor der Sklaverei konnte Soraya sich kaum noch erinnern.. Ihre Mutter war die Frau eines der Nomadenführer gewesen, doch da ihr Vater sich dem Begh von Madkesch widersetzt hatte, wurde er getötet und seine Familie in die Sklaverei entführt. Sie dachte während des Gemüseschälens oft an ihre Familiengeschichte und ihre inzwischen verstorbene Mutter.
"Hör auf zu träumen und pack deine Sachen." Die Stimme des Küchenmeisters holte sie aus ihren Träumen. "Du wurdest ausgesucht als persönliche Magd der Hauptfrau des Beghs und ihrem Sohn in die Wüste zu ziehen." Also tat Soraya wie ihr geheißen und machte sich dann auf den Weg zu den Dienstbotengemach des Harems. Dort angekommen wurde sie gleich eingespannt, da die Herrschaften zu Speisen wünschten. Vor ihr waren noch andere Dienstboten mit schweren Platten, sie selbst trug eine schwere Schale mit Obst. Als ein Mädchen mit dem heißen Fleisch voran gehen wollte entfuhr es ihr: "Nein! Man kann doch nicht das Fleisch vor dem Brot auftragen!"
Sie erwartete für diese Unverfrorenheit eigentlich eine Ohrfeige, doch die blieb aus. Statt dessen fragte die Herrin sie darüber aus, woher sie solche Feinheiten der Etikette wußte und woher sie denn stamme. Soraya antwortete wahrheitsgemäß und wurde dann entlassen, wobei ihr ein Stein vom Herzen fiel.
Am nächsten Tag ging es in die Wüste und Soraya wurde die Ehre zuteil mit in der Sänfte der Herrin zu reisen um sie dort zu bedienen. Soraya brauchte eine Weile um sich an den schaukelnden Gang des Kamels zu gewöhnen, doch dann ging es. Ihre außergewöhnlich guten Manieren waren aber nicht der einzige Grund, warum die Begha Soraya in der Sänfte wollte. Ihr war die Gefahr zu groß, dass ihr Sohn die Schwarzhaarige Schönheit für sich beanspruchen könnte. Das Mädchen mit seiner bronzefarbenen Haut, dem ebenmäßigen Mund und den dunklen, dicht bewimperten Augen entsprach aber auch zu genau dem Geschmack des Sohnes. Sie kannte Hassim auch gut genug um zu wissen, dass er sie dann auch nicht nur als Sklavin behandeln würde, mal davon abgesehen, dass er der Tochter eines Einflußreichen anderen Beghs nicht die genügende Menge Aufmerksamkeit zollen würde, obwohl die Hochzeit schon arrangiert war. Auf dieser Rundreise sollte Hassim auch gleich seine Braut heim führen und ihr einen Teil der Ländereien zeigen. Doch alle Vorsichtsmaßnahmen der Begha waren umsonst!
Sie waren schon zwei Wochen unterwegs und rasteten in einer Oase, als der junge Hassim wieder das Lied vernahm, jenes Lied, was er schon jede Nacht zuvor gehört hatte. Die Nachtwache erzählte ihm, dass die schöne Sklavin seiner Mutter ihnen jede Nacht vorsang um ihnen die Zeit zu vertreiben. Hassim beschloss die nächste Nacht selbst an der Wache teilzunehmen.
Lange mußte er warten. Es war schon nach Mitternacht, als die Vorhänge sich teilten und eine in dunkelgrüne Schleier gehüllte Gestalt sich dem Wachfeuer näherte. Er sah den erstaunten Blick in dem schmalen Bereich des Gesichtes, dass nicht verhüllt war. Im selben Augenblick verfiel er diesen Augen, ebenso wie er die Nächte davor der Stimme verfallen war.
Wieder sang Soraya das Lied von Liebe und Leid, doch diesmal sang sie es für den Prinzen. Natürlich hatte sie ihn wiedererkannt. Regelmäßig kam er seine Mutter in ihrem Zelt besuchen, doch zu diesen Zeiten war es ihr immer verboten den Hauptbereich des Zeltes zu betreten...
Von nun an trafen sich Soraya und der Prinz jede Nacht. Nach einer weiteren Woche hatte es Hassim auch geschafft seiner Mutter Soraya abzuschwatzen. Nun ritt sie nicht mehr in der Sänfte, sondern auf einem edlen Pferd an der Spitze der Karawane neben Hassim. Dies änderte sich auch nicht, nachdem sie Hassims Braut geholt hatten. Der junge Begh behandelte sie mit dem nötigen Respekt und entwickelte ihr gegenüber auch eine brüderliche Zuneigung, doch es war offensichtlich, dass sein Herz Soraya gehörte, übrigens auch umgekehrt. Dies erzürnte nicht nur Hassims Mutter, sondern auch die junge Begha.
Soraya und Hassim hatten es noch immer nicht aufgegeben des Nachts den Wachen für eine Stunde Gesellschaft zu leisten, doch begab es sich, dass der Hassim an einem Fieber erkrankte und nicht mit nach draußen kommen konnte. So blieben auch für eine Weile die nächtlichen Gesänge aus, doch als es Hassim schon viel besser ging begann Soraya wieder zu singen. Diesmal sang sie ein anderes Lied, von den Sternen und Liebesglück. Kurz nachdem sie sich auf den Weg zurück zum Zelt gemacht hatte, ertönte ein erstickter Schrei. Die Wachen, ja selbst Hassim stürzten an diese Stelle, doch sie konnten das Mädchen nur noch tot auffinden. Jemand hatte ihr die Kehle durchgeschnitten...