Sonntag
Wolkenloser Himmel über der kleinen Stadt. Alles scheint so friedlich zu sein heute. Vögel zwitschern lustig vor sich hin und es scheint auch richtig warm zu werden heute. Aber was ist das dort am Horizont? Eine riesige Wolke zieht auf die Stadt zu.
Wie sie aussieht, wusste später keiner mehr so genau, nur das sie etwas unheimlich bedrohliches an sich hatte. Sie schien schon fast vorbeigezogen, als sie sich langsam in ganz viele kleine Wölkchen aufzulösen begann. Verdichteten sich zu einem Nebelmeer, das über der friedlichen kleinen Stadt liegenblieb und alles zu verschlucken begann. Der Nebel waberte zwischen den kleinen Einfamilienhäusern hindurch. Senkte sich auch alles nieder und blieb als farblose grauer Niesel auf allem liegen. Kinder die eben noch im Sandkasten spielten. Paare, die die ersten Sonnenstrahlen im Park genossen. Alte Leute die beim Bäcker sich ein Stück Kuchen für den Sonntag holen wollten. Alles wurde vom Nebel in Besitz genommen. Er schloß alles ein und verschlang es mit einem dunklen fiesen Atem, der nach Gemeinheit und Furcht und Angst roch. Der Atem blieb hängen.
Als der Nebel verzogen war, sagte keiner mehr ein Wort. Keiner konnte sich erklären, was es gewesen war. Man war nur betroffen. Krisensitzungen wurden einberufen, doch keiner konnte sich erklären, woher es kam. Vermutungen wurden angestellt und Gesetze sollten geändert werden. Bald. Doch es war schon längst alles anders. Jeder lief nur noch still und stumm neben einander her, ohne sich den anderen nur einmal anzuschauen und in ihn hinein zu blicken. Jeder hatte mit sich selber zu tun. Kämpfte gegen die Leere, die der Nebel aus der Wolke hinterlassen hatte und versuchte trotzdem so weiter zu leben, wie bisher.
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06/01