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Sonnige Tage

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28.06.2006
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Sonnige Tage

»Wie lange?«, fragte ein großer Mann.
»Zehn Minuten, wenn er bis zum Limit geht.«
»Hmm.«
»Finden Sie das lang?«, wollte der zweite Mann wissen.
»Angemessen, würde ich sagen.«
»So?«
»Naja, genaugenommen habe ich davon keine Ahnung.« Der Große rutschte auf dem Sessel hin und her.
»Ich auch nicht.« Kurze Pause, in der sich der Zweite über den Schnurrbart strich. »In Relation wozu angemessen?«
»Weiß nicht. Talkshow vielleicht?«
»Interessanter Vergleich.«
»Kein guter.«
»Nachrichten?« Wieder ein Streichen über den Schnurrbart.
»Nein. Zu unpersönlich. Promitalkshow?«
»Oh, ja. Das trifft es gut.«
»Vielleicht auch nicht.« Erneutes Rutschen, unsicher, ungeduldig.
»Tja, mir fällt nichts Besseres ein.«
»Mir auch nicht. Aber wie gesagt, ich kenne mich da nicht aus.«
Der Zweite senkte seine Stimme. »Ihr erstes Mal, oder?«
»Ja.«
»Freuen Sie sich. Ich bin jetzt zum vierten Mal dabei, und die weißen Männer sind immer die besten. Das wird ein Spaß.«
»Ein Spaß?«
»Sicher. Man muss nur ganz genau zuhören. Und lernen.«
»Lernen?«, fragte der Große zweifelnd.
»Klar. Passen Sie auf die Details auf. Ich liebe Details, und diese Kategorie liebt sie auch. Das heißt, wir werden sie in Hülle und Fülle zu hören kriegen. Ah. Da kommt er.«
Der große Mann befeuchtete seine Lippen mit der Zunge und presste sie dann gegeneinander.
»Alles ok?«
»Ja. Erinnern Sie sich? Mein erstes Mal.«
Ein kurzes Auflachen, verschwörerisch. »Genießen Sie einfach die Show. Sie müssen nur zuhören.« Der Zweite rieb sich die Hände.
»Ich bin da nicht so sicher.«
»Wieso?«
»Was, wenn mir gefällt, was ich höre?«
»Das wird es nicht. Genau das ist der Trick dabei. Und der Grund, warum man dieses Prozedere überhaupt eingeführt hat. Alle haben etwas davon.«
»Ist das Ihre eigene Meinung?«
»Klar.« Der Mann klopfte dem Großen aufmunternd auf die Schulter. »Lehnen Sie sich einfach zurück und stellen Sie sich einen schwarzen Rahmen um das Ganze herum vor.«
»Wie in einer echten Fernsehsendung?«
»Yep. Es geht los. Oh, ein Prachtexemplar.«
»Wie erkennen Sie das?«
Breites Grinsen. »Mit der Zeit fühlt man so etwas.«
»Sie müssen es ja wissen. Ich bin ein Neuling.«
»Nicht mehr lange, mein Freund.«
»Wenn Sie meinen.«
Das Licht wurde ausgeschaltet, ein anderes grellte auf. Dann begann die Show. Ein falscher Entertainer betrat die Bühne und führte den Gast herein. Allgemeines Murmeln im Publikum, das nach einem Kommentar aus versteckten Lautsprecherboxen erstarb.
Ein junger Mann, vielleicht Mitte zwanzig, mit schwarzen Haaren und weißer Haut blickte in die Runde. Seine Augen schienen blau zu leuchten, doch das kam wahrscheinlich von den Scheinwerfern, die ihm direkt ins Gesicht strahlten. Er nahm Platz, schien völlig entspannt. Man konnte erkennen, dass er ganz ruhig atmete, und seine Züge drückten Zuversicht aus. Das leise Lächeln wich einem mit dem Mund geformtem O, ein Ausatmen, das den Anfang des Stückes markierte.

»Guten Abend. Ich weiß, dass Sie alle noch etwas anderes zu tun haben, und wahrscheinlich bald wieder bei Ihren Familien sein wollen. Ich will ich Sie daher nicht mit einer langweiligen Vorgeschichte aufhalten. Also keine Erzählungen über die vermurkste Kindheit, über die Schule oder den ersten Gefängnisaufenthalt. All das ist nicht so wichtig. Worum es eigentlich geht, ist, warum ich hier bin, und nicht zwischen Ihnen sitze.
Nun, ich möchte mich kurz vorstellen. Mein Name ist Luzifer. Nicht doch, ich bin natürlich nicht der Teufel. Meine Mutter nannte mich immer so, halb aus Spaß, halb aus Verzweiflung, wie ich heute vermute. Als Kind hatte ich einen Hang zur Zerstörung, und wenn wieder einmal ein Fenster demoliert oder ein Nanopod zerstört waren, schimpfte mich meine Mutter kleiner Luzifer. Vorbelastung, werden Sie denken. Doch ich bin zu einem anderen Schluss gekommen. Geben Sie einer Kuh kein Gras zu fressen, sondern Fischmehl, werden die Tiere zu schwammhirnigen Idioten. Mir erging es nicht anders. Ich weiß heute, wie es zu all dem kam, und warum ich hier sitze.
Sehen Sie, vor etwa zwei Jahren ging es mir sehr, sehr schlecht. Meine damalige Freudin hatte mich sitzengelassen, um Groupie zu werden. Weiß der Himmel, wie sie auf eine derart hirnrissige Idee gekommen ist. Ich fühlte mich ausgehöhlt wie ein Halloweenkürbis, allerdings ohne die brennende Kerze im Inneren. Können Sie sich noch erinnern, damals waren diese Brandings gerade wieder in Mode gekommen. Ein 1990er-Revival. Je größer die Narbe, je höher das Risiko, später einmal gesundheitliche Probleme zu bekommen, desto besser. Ich ging also in ein Studio. ›Berta‹ nannte es sich, und die Inhaberin glich tatsächlich einer bärtigen Lady. Naja, ich wollte eine Veränderung, so schmerzhaft und offensichtlich wie möglich. Und hip war es auch. Dreihundert Euro hat mich die Verstümmelung auf der Brust gekostet, sowie unzählige schlaflose Nächte, in denen ich mich von Bertas Damenbart und einem flammendem Schmerz verfolgt sah. Aber wenigstens war der äußerliche Brustschmerz stärker als der Innere.
›Was für ein Weichei!‹, werden Sie denken. Tja, nach einem Monat dachte ich ebenso über mich.« Kurze Unterbrechung, ein Achselzucken und ein Schluck Wasser.
»Was also konnte ich tun? Mir fiel nichts ein, außer die Tatsache zu akzeptieren, dass ich Laila verloren hatte. Zweimal hatte ich sie schon in der Glotze gesehen. Wie sie mit rosa Plüschhäschenohren und einer Tonne Kajal an irgendeinem Rockstar klebte. Mit den Wimpern klimperte. Kicherte wie ein Schulmädchen. Mit Kniestrümpfen, die einem Hentai entsprungen hätten sein können. Wie sehr hatte sie sich verändert. Früher trug sie höchstens etwas Wimperntusche und Röcke, die mindestens die Hälfte der Oberschenkel bedeckten. Es schmerzte, zusehen zu müssen, wie sich meine süße Maus für so etwas hergab. Aber lassen wir das.
Ich überlegte eine Zeit lang, wie ich mich am besten verhalten sollte.
Ich wollte sie nicht mehr sehen, nicht so. Also meldete ich den Fernsehcomputer ab. Diese drastische Maßnahme barg gewisse Probleme, da ich nicht nur dem Fernseher, sondern auch dem privaten Internetzugang den Rücken kehrte. Glücklicherweise rasselten gerade damals die Internetcafé-Nutzungspreise in den Keller. Sie erinnern sich, als das Preisdumping der Anbieter begann? So ging ich fortan täglich ins Café, checkte meine Mails und einen Espresso dazu. Rick, der Besitzer, wunderte sich bald nicht mehr über meine häufigen Besuche. Es wurde Frühling, dann Sommer. Im Herbst sperrte Rick seinen Laden für zwei Wochen zu, Betriebsurlaub. Zu dieser Zeit war ich nur noch jeden zweiten Tag gekommen, da ich eine erstaunliche Entdeckung gemacht hatte. Vier meiner fünf E-Mail-Adressen ließ ich brach liegen, sie waren bald von Spams überwuchert. Nur eine Adresse zu verwalten bot unglaublich viele Vorteile. Ich führte nur noch zwingend notwendige Konversation. Sie machen sich keine Vorstellung, wie schnell man in Vergessenheit gerät, sobald man sich länger als ein paar Tage nicht meldet. Als Rick den Laden vorübergehend schloss, dachte ich gar nicht daran, in ein anderes Café zu gehen. Was waren schon zwei Wochen?
In diesen Tagen merkte ich auch, wie viel Zeit ich investierte, unnütze Post durchzublättern. Gratiszeitungen mit Kupons, die ich nie einlösen würde, Prospekte, Flyer, Postwurfsendungen. Papier über Papier mit Wurst- und Fittness-Angeboten, allesamt uninteressant und öde.
Ich wagte ein Experiment und investierte die siebzig Euro in einen ›Bitte-keine-Werbung‹-Sticker. Es war eine Offenbarung, und ehrlich gesagt war ich selbst ein wenig erstaunt, wie wenig mir die bunten Blätter fehlten.
Ricks Laden blieb geschlossen. Zu wenig Geschäft, wie ich später erfuhr. Ich machte mir nicht die Mühe, ein anderes Café zu finden. Wozu sollte ich überhaupt noch hingehen? E-Mails waren praktisch, keine Frage. Doch die wirklich wichtigen Dinge wurden immer noch über den guten alten Postweg abgewickelt, und so entschloss ich mich, auch meine letzte E-Mail-Adresse aufzugeben.
Danach habe ich sehr viel Zeit draußen verbracht. Ich kaufte feste Schuhe und einen Schlafsack, packte die paar Arzneien und Pflaster zusammen, die noch in meiner Wohnung herumlagen, und überantwortete mich der Natur. Naja, den paar Resten, die noch übrig geblieben sind, um genau zu sein.
Da mich seit Tagen niemand mehr angerufen hatte, ließ ich das Handy zuhause liegen. Ich wollte mit niemandem sprechen müssen und ihm erklären, was in mir vorging. Ich wollte einfach nur weg und prüfen, wie weit ich käme.
Der Hain am Rande der Stadt roch fremdartig, moosig, erdig. Noch nie war mir aufgefallen, wie viele Vögel unterschiedliche Lieder singen. Der weiche, unebene Waldboden dämpfte meine ungeduldigen Schritte, zwang mich, bedächtig und kontrolliert zu gehen. Schon bald hatte ich einen Rhytmus gefunden, das Seitenstechen ließ nach. Ich trank ein paar Schlucke und ging weiter.
Sie kennen doch sicher das kleine Waldstück, nicht wahr? Und den Tümpel im Zentrum? Glauben Sie nicht auch, dass es darin Fische gibt? Oder Pilze im Gehölz? Vielleicht ein paar Rehe, oder wenigstens ein Karnickel? Natürlich tun Sie das, genauso wie ich und jeder andere. Damals.
Die Wahrheit sieht anders aus. Ich bemerkte das, als mir die Vorräte ausgingen. Ich hatte vorgehabt, die Reste des Toastbrotes, das ich noch hatte, mit einem Stück Fisch oder vielleicht ein paar Beeren aufzupeppen. Wie würden Sie vorgehen? Na?«
Wieder eine Pause, ein Schluck Wasser, ein kurzes Innehalten.
»Es ist völlig egal, was sie denken, welche klugen Einfälle Sie auch haben mögen. Versuchen Sie mal, einen Fisch aufzuspießen, der nicht da ist, weil das Wasser statt Sauerstoff Säure enthält. Versuchen Sie mal, Beeren zu pflücken, dort, wo es nur Staub und totes Gras gibt. Versuchen Sie mal, Vögel zu fangen, die alle mit mutierten Fittichen auf den Ästen hocken und Sie von oben herab auslachen.
Nach vier Tagen akzeptierte ich die Tatsache, gescheitert zu sein. Immerhin wusste ich nun, dass sich ein Schritt zurück viel schwerer bewältigen ließ als Stillstand und passiver Konsum.
Die Pflaster drückten die Blasen an den Zehen und Fersen nieder, mein Rücken schmerzte vom Schlafen auf dem harten Boden. Die Nähte des Schlafsackes waren schon am ersten Tag geplatzt und hatten den Nadeln die Haustür geöffnet.
Hätte ich nicht eine heftige allergische Reaktion gegen den Walddesinfektionsspray bekommen, den ein kleines Segelflugzeug über den Hain prophylaktisch abließ, säße ich wohl nicht hier.
Schwer atmend und mit roten Pusteln übersät war es ein Wunder, dass mich überhaupt jemand in sein Auto steigen ließ und zum nächsten Krankenhaus brachte.
Die Ärztin rügte meine naive Unvorsicht und bestrich die wunden Stellen mit Jod. Ich musste ein paar Tabletten schlucken. Die angebrochene Schachtel packte sie mir zusammen mit einem Rezept in eine kleine Plastiktüte. Ihre Bewegungen erinnerten mich an Laila. Sie lächelte kurz, dann gab sie mir zu verstehen, dass der nächste Patient bereits wartete.
In meinem Postfach hatten sich allerhand Briefe angesammelt. Ich stopfte sie in die Tüte und ging nach oben. Auf dem Fußabstreifer lagen noch mehr. Ich wurde stutzig. Auf dem Türknauf hing etwas. Ich nahm es in die Hand uns stellte beim Hineingehen fest, dass es sich um eine Vorladung handelte. Kennen Sie die ›Zentralstelle für Konsumentenschutz‹? Nein? Wie denn auch, damit kommt man selten in Kontakt. Und auch nur dann, wenn gewisse Umstände eintreten. Nun, bei mir waren sie offenbar eingetreten, denn man forderte mich auf, falls ich noch lebte, einen für morgen angesetzten Termin wahrzunehmen. Ich sei seit Tagen nicht erreichbar gewesen, und daher nahm man an, dass ich bereits ins Gras gebissen hätte.
Die Zentralstelle kümmerte sich rührend um mich, und ab diesem Zeitpunkt ging es mir wieder besser. Ich erhohlte mich, sagte man mir. Man regelte meine Angelegenheiten. Mein Chef zeigte sich einsichtig, verbuchte die Fehltage als unbezahlten Urlaub, und ich konnte weiterhin Sexspielzeuge in dem kleinen, dunklen Kellergewölbe verkaufen, nachdem sich meine Haut regeneriert hatte.
Wochen vergingen, in denen ich wieder lernte, dass es Spaß machte, fernzusehen. Dass E-Mails wichtig waren. Man ließ mir Zeit. Man hetzte mich nicht. Es wurde mir erklärt, dass es nicht gut war, wenn man die Rückführung zu schnell durchzog. Auf mein Nachfragen, was das genau zu bedeuten hätte, gab man sich sehr bedeckt.
Ich verstehe es jetzt. Nun, Sie haben sehr geduldig zugehört. Ich will sie daher nicht mit den zwei folgenden Jahren langweilen. Um es kurz zu machen: Die Zentralstelle hat ihre Arbeit gut erledigt. Wirklich. Ich durfte mich glücklich schätzen, wieder ein geregeltes Leben führen zu können.
Alles schien gut zu sein, bis zu jenem Sommertag. Ich kam gerade aus dem Shoppingcenter. Glauben Sie mir, ich war zu diesem Zeitpunkt wirklich glücklich. Ich hatte alles. Mein Leben war geordnet.
Doch plötzlich war sie neben mir. Die langen, schwarzen Locken hüpften noch genau so wie früher und glänzten in der Sonne. Um ihren Mund hatten sich ein paar Fältchen gebildet. Die Augen konnte ich unter der riesigen Sonnenbrille nicht erkennen, doch sie war es. Laila. Nie würde ich ihre Züge vergessen. Es war, als rollte sich die Zeit zusammen wie eine Zimtstange. Ich wollte sie in den Arm nehmen, sie festhalten und ihr Gesicht mit Küssen bedecken.
Ich stellte meine Einkäufe auf den Boden und lief ihr über den Parkplatz nach. Zu spät erkannte ich, dass sie in Begleitung war. Ich rief ihr nach. Sie zuckte zusammen, hielt aber inne und drehte sich schließlich um.
›Laila‹, sagte ich nur.
›Raphael‹, kam es zurück. O, wie ich diese Stimme vermisst hatte! Sie hatte mich also noch nicht vergessen!
›Wie geht es dir?‹, wollte ich wissen.
Sie legte den Kopf schief und sah mich an. War es Mitleid, das ich da in ihrer Miene zu entdecken glaubte? Oder Abscheu?
›Besser als dir, wie mir scheint. Ich bin berühmt, weißt du.‹
›Berühmt?‹, fragte ich ungläubig.
›O ja. Liest du denn keine Newsletter oder siehst fern?‹
›Weniger oft als früher‹, gestand ich. Ich bin noch nicht vollständig geheilt, dachte ich bedrückt.
›Ich bin Sängerin. Mein Durchbruch steht kurz bevor. Du entschuldigst mich, ich hab noch zu tun.‹ Sie straffte sich und reckte mir ihre Brüste entgegen, bevor sie sich umdrehte.
›Warte!‹, schrie ich ihr nach. ›Können wir uns mal treffen? Nur so? Einfach reden?‹
›Wüsste nicht, worüber‹, sagte sie über die Schulter und schnippte mit den Fingern.
›Aber, wir waren doch mal...‹
›Das ist lange her. Hugo, Igor?‹
Die beiden Bodyguards vereinten sich zu einer schwarzweißen Wand und versperrten mir den Blick auf Laila.
›Lassen Sie die Diva in Ruhe.‹
Die Diva? Hatte sie ihre beiden Muskelpakete angewiesen, sie so zu nennen? Ich empfand Verwirrung und auch etwas Ekel. Plötzlich widerte mich alles an. Mein gesamtes Leben war nichts wert.
Ich hörte wieder ein Schnippen, die beiden Massen setzten sich in Bewegung, kamen auf mich zu, grinsten sich vorher noch kurz an.
›Aber, Laila! Ruf deine Hunde zurück‹, brachte ich heraus.
›Wozu? Ein Trottel weniger auf dem Planeten, wen kümmert das? Und ich kriege endlich die Publicity, die mich berühmt machen wird.‹
›Was?‹
›Bringt es möglichst lautlos über die Bühne, Jungs. Wir werden die Leiche entdecken. Das wird eine grandiose Show!‹
Sie wissen, was danach kam. Die Zeitungen waren voll davon. Man stellte mich als kaltblütigen, dreifachen Mörder dar. Dabei war es Notwehr. Wenn Sie mir einen, nur einen vernünftigen Grund dafür nennen können, warum ich den Minirevolver, den mir der Konsumentenschutz zur Verfügung gestellt hat, nicht hätte benutzen sollen, gut. Aber es war gottverdammte Notwehr. Ich bin nicht stolz darauf, es getan zu haben. Aber mir blieb keine Wahl. Bei Gott, ich wünschte, es wäre anders gekommen.« Wieder eine Pause.
»Wissen Sie, wenn ein Aidskranker seinen Dealer in einer dunklen Gasse killt und es klischeegemäß in Strömen regnet, übersehen die Leute gern, dass es sich dabei um Mord handelt. Aber wenn ein unbescholtener Bürger so was aus Notwehr auf einem sonnigen Parkplatz macht, schreit die ganze Welt auf und gibt die Moralaposteln. Da kann die blutige Pfütze noch so winzig sein. Ich habe so genug von dem ganzen System. Mein Leben liegt jetzt in ihren Händen, liebes Publikum. Entscheiden Sie selbst, ob Sie mir Glauben schenken wollen oder nicht. Ich bin müde. Ich will keine Entscheidungen mehr treffen. Meine Zukunft hängt von Ihnen ab.« Pause, Stille.
»Ich habe von begnadigten Kandidaten gehört, dass sich die Leute fragen, ob die festgezurrten Gurte schmerzen. Nun, ich kann Ihnen versichern, das tun sie.« Kurze Unterbrechnung, verzerrte Gesichtszüge. Augen, die sich schließen und wieder öffnen.
»Bitte entscheiden Sie sich rasch. Ich halte das hier nicht mehr lange durch. Danke.« Ein Lächeln.

Der große Mann hatte dem jungen Mann seine Stimme gegeben. Es hatte nicht gereicht.
Draußen schien die Sonne. Er wählte eine Nummer.
»Hi Schatz«, begann er. »Sag doch bitte meinen Termin bei ›Mo's‹ ab. Ja, den fürs Branding. Ich weiß. Nein. Tu es trotzdem.«
Der Mann klappte das Gerät zusammen und atmete auf. Ein schöner Tag, so friedlich.

 
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Hallo Plasma!

Aaaaaalso, diese Geschichte ist dir bis auf ein paar Kleinigkeiten geglückt.

Form:

Formal ist es ein sehr interessanter Aufbau. Die Story beginnt mit einem nicht näher definierten Dialog, wird von einem Monolog abgelöst und endet mit einer Art Epilog. Du hast dich also durch fast alle "Logformen" durchgeschrieben ;)

Sprache:

Der Anfang ist sehr schnell, was für eine Kurzgeschichte gut ist. Man wird gleich in das Geschehen hineingezogen. Ein Dialog als Start ist bei sowas immer perfekt. Leider wird das Gespräch durch die fehlenden Hinweise auf die Sprecher z.B.: "sagte X" oder "meinet Y" extrem schnell.
Dabei überliest man manches, weil das Auge schneller als das Hirn drüberzischt.
Der Monolog deines Protagonisten ist dafür sehr gut, obwohl man ihn besser formatieren könnte.

Textarbeit:

"In Relation wozu..."
und
ein Anime-Porno ist ein Hentai

Inhalt:

In dem Text sind ein paar echt heftige Ansätze drinnen. Die Idee, dass der Mensch dankbar über seine sterile Computerumgebung sein sollte, da die Welt sowieso zerstört und verschmutzt ist, ist echt der Hammer. :thumbsup:
Auch das der Prot. mehr oder weniger um sein Leben reden muss, indem er seine Geschichte erzählt rockt.

Mir hat es gefallen. Frau Präsident de Earth Rocklings, bis auf ein paar korrigierbar Schnitzer, eine echt gute Geschichte. :bounce:

lg, LEberwurst
ps: Hab ich es schon erwähnt? Ich liebe Plasma :kuss:

 

Hi Lems Erbe!

Danke fürs Lesen, Rockigfinden :D und Antworten.
Deine Anmerkungen habe ich eingearbeitet, merci dafür.

Lieben Gruß
Plasma

P.S. Übrigens, ja, ich liebe dich auch. :kuss:

 

Ihr zwei seid süß :gelb:

Zur Geschichte: Ich hatte mit dem ersten Abschnitt so meine Probleme. Ja, er hat Tempo, der Dialog ist recht pointiert - aber ich weiß leider so gut wie überhaupt nicht, was los ist. Ehrlich gesagt gelingt es mir selbst nach der gesamten Lektüre nicht, mit Bestimmtheit zu sagen, in welchem Verhältnis die beiden großen Abschnitte zueinander stehen. Ja, ich habe gewisse Vermutungen - aber etwas weniger Rätselraten wäre ganz nett gewesen.

Der Schluss aber ist sehr gut gelungen. Ich bin nicht sicher, ob der längliche Monolog die optimale Lösung ist, die Dystopie zu illustrieren, aber vor allem am Ende verfehlt er nicht seine Wirkung. Der letzte Absatz - der, selbst wenn er ("der Große") in Bezug zum ersten Abschnitt steht, etwas isoliert erscheint - ist hingegen nicht unbedingt erforderlich. Das offene Ende mit dem Lächeln wäre härter. Vielleicht kriegst Du es noch so hin, dass der Leser selbst in die Rolle des Zuschauers schlüpft, der abstimmen muss.

Sprachlich habe ich nur einen größeren Stolperer gefunden: Die beiden Bodyguards bezeichnest Du als "Wall", aber für diesen Anglizismus sehe ich keinen weiteren Grund. Also: Wand!

Ansonsten hast Du nicht die richtigen einfachen Anführungszeichen genommen, sondern Kleiner-als und größer-als. Die richtigen sind ›die hier‹, kann man z.B. in OpenOffice leicht einstellen als 0x203A und 0x2039.

Fazit: sprachlich in Ordnung, strukturell verbesserungsfähig, inhaltlich gegen Ende stark.

Uwe
:cool:

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Uwe!

Vielen Dank erst mal fürs Lesen und Kommentieren.

etwas weniger Rätselraten
Hmm, ich wollte den Leser eigentlich bewusst im Unklaren lassen, aber du hast Recht, ich muss ihn mehr an der Hand nehmen und durchführen. :) Das werde ich ändern.

Vielleicht kriegst Du es noch so hin, dass der Leser selbst in die Rolle des Zuschauers schlüpft, der abstimmen muss.
Nun ja, ich wollte mit dem letzten Absatz demonstrieren, dass sich der "Neuling" aufgrund der Terminabsage (fürs Branding) sicher fühlt, einem ähnlichen Schicksal zu entgehen. Entweder kommt das nicht rüber oder es ist überflüssig. :hmm:

Mit der Wand stimme ich dir auch zu. Das ändere ich gleich. :)

Ach ja, die Anführungszeichen haben auf dem Mac noch gestimmt, auf dem PC nimmer. Danke für den Hinweis, wird gleich gemacht.

Mein Fazit: Ich bin auf dem richtigen Weg. :)

Grüße, Plasma

 

Heho Plasma

Ich hab ja noch gar nich... schnell nachholen!

Also mit gehts ähnlich wie Uwe (Wie macht er das nur:D ?), auch wenn ich mir ziemlich sicher bin, welches Szenario sich da vor dem literarischen Auge abspielt. Trotzdem wäre ein wenig mehr Gewissheit schon nett.

Mein Hauptkritikpunkt (nicht groß) ist, dass die Intention deiner Geschichte nicht so starkt zur Wirkung kommt, wie die Rahmengeschichte. Du stielst dir sozusagen selbst die Show;) .

Sprachlich und stilistisch ist es wirklich stark:thumbsup: .
Und meiner Meinung nach kann der Schluss ruhig bleiben.

So. Mehr hab ich gar nich. Will ja nur spielen:shy: .

Liebe Grüße

omno

 

Moin, Moin!

Njaaa ... *die "Pate" Fingergeste mach* ... Plot und Pointe find ich eigentlich ganz gut so, das Teil könnte aber nen bisschen mehr Dynamik vertragen, und außerdem eine echte Irritation vorne, damit "der Motor" ans Laufen kommt; dieser Dialog ist zwar hübsch zu lesen, aber ich als Leser bekomme keinen Anreiz, keine Auffälligkeit, wo ich sagen würde: "Hey, wow, DAS könnte sich also hinter dieser Story verbergen, Mann, Mann, jetzt MUSS ich aber weiterlesen." Capiche? Schon mal die Pointe lose einfädeln und dann als roten Faden(sic!) durch die Story spinnen ...

Zur Dynamik: Wenn du schon so was Talkshowmäßiges machst, kannste auch ruhig mal das Publikum buhen lassen oder mehr oder weniger sinnfreie Kommentare zwischenrufen; man hat die ganze Zeit den Eindruck, der Typ würde da alleine sitzen ... jo!

See ya! :anstoss:


Dante

 

Hi!

@ omno

Danke fürs Lesen und Kommentieren.

ein wenig mehr Gewissheit
Du bist schon der Zweite, der es genauer wissen will. :schiel:
Nun gut, ich gebe euch Recht und werde die Szene besser (aber nicht vollständig) beschreiben (damit noch Spielraum bleibt).

@ Dante

Was verschafft mir die Ehre nach der Capco? :D Danke auch dir.

keinen Anreiz, keine Auffälligkeit
Nachdem ich den Anfang mit etwas Abstand gelesen habe ... ja ich geb's zu. Hängt wahrscheinlich auch mit *siehe-oben* zusammen. Wird geändert.
Wegen der Zwischenrufe ... bin ich nicht sicher, ob man nicht zu sehr aus der Story gerissen wird, die der "Kandidat" erzählt.

Grüße, Plasma

 

Hi Plasma!

Auch ich habe die Geschichte mit Interesse gelesen. Im Gegensatz zu Uwe und omnocrat habe ich das Szenario auch gleich verstanden. :klug:

Die Art, wie du die Pointe nach und nach einfädelst und dabei ein gesellschaftskritisches Zukunftsszenario entwickelst, finde ich gelungen.
Menschen, die der Medien-Konsumgesellschaft entfliehen wollen und mit sanfter Gewalt wieder "reintegriert" werden, weil es als undenkbar angesehen wird, dass jemand anders leben will, skrupelloses Buhlen um Aufmerksamkeit, das auch vor Mord nicht zurückschreckt ( allerdings eine sehr unglaubwürdige Stelle, aber dazu gleich mehr ), und schließlich öffentliche Schauprozesse, in denen der Delinquent sich zur allgemeinen Unterhaltung emotional ausziehen und das Publikum den Richter spielen darf ( "Mensch, du hast uns so gut unterhalten, komm, wir begnadigen dich" :D ). Kein Wunder, dass dieser Mainstream-Abweichler keine Chance hat. Wenn solche Flausen im Kopf eines Typen herumirren, kann man ihm einfach nicht trauen. ;)
Auch die Hilflosigkeit, mit der der Prot der Medienwelt zu entfliehen versucht, das konsequente Scheitern, den Umstand, dass es keinen Ort mehr gibt, an den man gehen kann, wenn man den Ausstieg aus dem System sucht, hast du sehr gut rübergebracht.
Da wäre allerdings die - indirekt durch den Prot beschriebene - Szene mit dem vermeintlichen Mord. Entweder du willst den Prot als schuldig hinstellen ( aber ich weiß nicht, wie das der Geschichte dienlich sein sollte ), oder der Prot weiß einfach nicht, wie unglaubwürdig es klingt, wenn eine Promi mal eben auf die Idee kommt, ihren Ex-Lover an einem öffentlichen Ort kaltzumachen, wo es jeder sehen kann. Sie will ja nur öffentlich seine Leiche finden und vermutlich beweinen, nicht das Risiko eingehen, am Ende selbst auf diesem Stuhl zu sitzen.
Es wäre besser, wenn Laila ihr Vorhaben nicht so abrupt fasst, sondern erst mal wütend auf ihn wird oder sich in die Enge gedrängt fühlt.

Zu den Details. Ich liebe Details. Genau wie dieser Mann hier: :D

Ich liebe Details, und diese Kategorie liebt sie auch.

Welche Kategorie? Okay, nach längerem Überlegen kommt man auf die Idee, dass Zuschauerkategorie gemeint sein könnte, aber das ist kein Grund, den Leser sich an dieser Stelle aufhängen zu lassen.

»Was, wenn mir gefällt, was ich höre?«
»Das wird es nicht. Genau das ist der Trick dabei. Und der Grund, warum man dieses Prozedere überhaupt eingeführt hat. Alle haben etwas davon.«

Dieser Abschnitt will sich mir auch nach Kenntnis des ganzen Textes nicht erschließen. Warum der "Große" Unbehagen verspürt, dass er Gefallen an dem "Prozess" finden könnte, kann ich verstehen, aber was meint der Zweite mit dem Trick?

Oh, ein Prachtexemplar.«

Ich kenne das einfach o noch aus den Asterix-Comics als respektvolle Anrede: "O Miraculix, o Druide ..."
Gehört aber nicht hierher, glaube ich.

Vorbelastung, werden Sie denken.

Geben Sie einer Kuh kein Gras zu fressen, sondern Fischmehl,

Ich fühlte mich ausgehöhlt wie ein Halloweenkürbis, allerdings ohne die brennende Kerze im Inneren.

Wow! Das nenne ich mal ein originelles Bild. :shy:

Was für ein Weichei!, werden Sie denken.

Wenn du das Komma schon hinter das Ausrufezeichen setzt, musst du auch Anführungszeichen dazwischen setzen. Einfache, wie du's weiter unten auch getan hast.

Wie sie mit rosa Plüschhäschenohren und einer Tonne Kajal an irgendeinem Rockstar klebte. Mit den Wimpern klimperte. Kicherte wie ein Schulmädchen. Mit Kniestrümpfen, die einem Hentai entsprungen hätten sein können.

Entweder du bist viel hipper als ich, oder das sind Wörter, die von dir erfunden wurden, um Leser zu verwirren. Was bedeuten sie?

dieser Zeit war ich nur noch jeden zweiten Tag gekommen, da ich eine erstaunliche Entdeckung gemacht hatte. Vier meiner fünf E-Mail-Adressen ließ ich brach liegen, sie waren bald von Spams überwuchert.

Äh, seine Entdeckung bestand darin, dass vier seiner E-Mail-
Adressen von Spams überwuchert waren?

Ich wagte ein Experiment und investierte die siebzig Euro in einen ›Bitte-keine-Werbung‹-Sticker.

Was macht den Sticker denn so teuer? Dass man ihn sich teuer von den Behörden genehmigen lassen muss? Bisschen überzogen ...

Die Ärztin rügte meine naive Unvorsicht und bestrich die wunden Stellen mit Jod. Ich musste ein paar Tabletten schlucken. Die angebrochene Schachtel packte sie mir zusammen mit einem Rezept in eine kleine Plastiktüte. Ihre Bewegungen erinnerten mich an Laila. Sie lächelte kurz, dann gab sie mir zu verstehen, dass der nächste Patient bereits wartete.

Welche Funktion hat dieser Abschnitt in der Gesamthandlung? Liest sich irgendwie merkwürdig, zumal der Prot ja genau zu wissen scheint, was er da erzählen will, zu geschliffen und ausformuliert sind seine Sätze. Warum hält er sich mit so einer Nebensächlichkeit auf?

Die beiden Bodyguards vereinten sich zu einem schwarzweißen Wand

Hm?

Der Mann klappte das Gerät zusammen und atmete auf. Ein schöner Tag, so friedlich.

Zumindest der letzte Satz scheint mir keine Funktion zu haben.

Ciao, Megabjörnie

 

Hi Megabjörnie!

Endlich! Ich hab's geschafft und bin in die heiligen Hallen der megabjörniekritikwürdigen Autoren vorgedrungen. :D :rotfl: :D
Na dann erst einmal: Herzlichen Dank für Deine ausführliche Antwort.

Nun, wie es aussieht, hast Du die Geschichte genau so verstanden, wie ich es beabsichtigt hatte.

Entweder du willst den Prot als schuldig hinstellen
Ja, das will ich; allerdings sollte auch transportiert werden, dass es jedem hätte so ergehen können. Daher auch der Schluss: Der Mann aus dem Publikum atmet auf, weil er sich denkt, der Brandingtermin hat bei dem jungen Mann alles ausgelöst und durch die Absage seines eigenen kann ihm somit nichts mehr passieren.
Es wäre besser, wenn Laila ihr Vorhaben nicht so abrupt fasst, sondern erst mal wütend auf ihn wird oder sich in die Enge gedrängt fühlt.
Spontane Idee meinerseits war das :Pfeif: ... ja, das wird geändert.

Welche Kategorie?
Öhm, tja, also: männlich, weiß, um die dreißig. Wie bei den Massenmördern.
Dieser Abschnitt will sich mir auch nach Kenntnis des ganzen Textes nicht erschließen.
Gut, da habe ich wirklich zu viele Hintergrundinfos vorenthalten.
Ich kenne das einfach o noch aus den Asterix-Comics
Ich las es kürzlich in Gateway und JEM von Frederik Pohl. Alte Rechtschreibung?
Wow! Das nenne ich mal ein originelles Bild.
DANKE, ich mag's auch. :shy:

Kajal nennt man das schwarze Zeug unter den Augen (= Schminke und die zählt zur Grundausstattung fast jeder Frau) und ein Hentai bezeichnet einen Porno-Anime. (Anime = jap. Comicfilm; Manga = jap. Comic) Gib mal Hentai in :google: ein.

Äh, seine Entdeckung bestand darin, dass vier seiner E-Mail-Adressen von Spams überwuchert waren?
Irgendwie hast du Recht, diese Stelle muss anders werden.
Bisschen überzogen ...
Ja, ich weiß. :D
Welche Funktion hat dieser Abschnitt in der Gesamthandlung?
Offenbar zu wenig. Wird gekürzt.

Der letzte Satz hat die Funktion, die sonnigen Tage noch einmal zu betonen. (Die Szene auf dem Parkplatz spielt sich auch in der Sonne ab.)

So, dann mache ich mich (sobald die Crossover-Story endlich fertig ist ;) ) an die Überarbeitung; Deine Anmerkungen werden mir sehr helfen. Die Fehlerchen bessere ich gleich aus.

Merci, Plasma

 
Zuletzt bearbeitet:

Boah :eek: Megabjörniewürden...
Nicht schlecht!

LE :kuss:

 

Hallo Plasma,

Gestört hat mich, dass die Verteidigungsrede zu sehr auf die Pointe hin ausgerichtet ist. Meiner Meinung nach müsste die Leidensgeschichte, die dort erzählt wird, als selbstständige Geschichte funktionieren, damit der Leser bei der Stange bleibt. Die Pointe am Schluss sollte mehr so eine Art Bonus sein.

Im Moment liest man das Ding und denkt: okay, okay, okay und was kommt am Ende. Man sollte aber eher denken, was ist denn das für eine abgefahrene Story, so was hab ich ja noch nie gehört, bevor einem die Pointe dann den Rest gibt. Der Plot: Mann wird verlassen, dreht am Rad und bringt dann seine Freundin um, ist halt ziemlich klassisch, da fehlt was, denke ich.

Den Rest fand ich gut.

Gruß
patosch

 

Also, da ich ja bei der Entstehung weitestgehend anwesend war, lieber Patosch, darf ich dir sagen, dass die Geschichte schon von vornherein als Pointengeschichte angelegt war. ;)

Man sollte aber eher denken, was ist denn das für eine abgefahrene Story, so was hab ich ja noch nie gehört, bevor einem die Pointe dann den Rest gibt.
Hier muss ich dir allerdings Recht geben. Das sollte grundsätzlich für alle Kurzgeschichten gelten, auch wenn es manchmal ziemlich schwer ist.

lg, LE

 

Hallo,

Ich oute mich mal:
Ich habe DANN UND WANN Richterin B.S. gesehen. Mir ist aufgefallen, dass sich die Gerichtsshow nach außen verlagert, d.h. es werden Szenen außerhalb des Gerichtssaales einzubauT. Du verfährst hier ähnlich und schaffst dadurch Spannung. Der Leser ist gewungen sich einen Reim zu machen.
Die Geschichte des Protagonisten, oder soll ich sagen: des Vorgeführten ist in ein erschreckendes Szenario gebettet, das ich mir für die Zukunft beileibe nicht wünschen möchte und gerade deswegen fasziniert, weil es Parallelen zur Gegenwart gibt, die irgendwann eine Eigendynamik entwickeln könnten ohne dass wir es aufhalten können.

Das Ende ist für mich in seiner Kernaussage noch etwas nebulös geblieben. Ich finde an der Rahmenhandlung könnte gefeilt werden. Die Charaktere sollen zwar untereinander annonym bleiben, aber für dem Leser doch auseinander zu halten sein.

LG

Goldene Dame

 

Moin Frau Hocherhitzt,

ich habe n Punkte zu bemängeln:

1. Der Dialog am Anfang nimmt so gut wie gar keine Fahrt auf. Nach drei Zeilen dachte ich: "Geht's jetzt gleich mal los? Okay, sie sind in einer Talkshow, na und?" Wenn Du's nicht wärst, ich hätte nicht weitergelesen.
Du brauchst eine klarere Szene (mehr Bilder) und vor allem (jetzt kommt wieder mein Lieblingseinwand: jeder hier hat ja so seine Hobbys, Dante seinen Motor & dass eine Geschichte keine Albernen Elemente haben darf, Uwe die klare Benutzerführung, MB pocht auf unmissverständliche Erklärungen und Vollständigkeit, Proxi mag ironische Ideen, die Wissenschaft transzendieren - na, was LE mag, weißt Du selbst - und ich ... ich liebe Hooklines) eine Hookline, also einen Einstiegssatz, der den Leser weiterlesen lässt, um herauszufinden, was damit wohl gemeint sein könnte.

2. Epilog und Dialog sind - obwohl auf derselben Erzählebene - inhaltlich zu schwach aneinander gebunden: Plötzlich taucht eine Frau/Freundin auf, die vorher nicht erwähnt wurde, ebenso ein Termin beim Branding. Das nenne ich strukturschwach & es rückt Dich in den Dunstkreis eines Deus-Ex-Machina-Endes. Der Engländer sagt glaube ich forshadowing dazu: Deute die Elemente des Schlusses so früh wie möglich an, ohne zu viel zu verraten. Umso besser wird die Geschichte wirken.

3. Die Kerngeschichte ist gut und gefällt mir auch von der Erzählform. Hier beachtest Du übrigens das eben erwähnte Andeuten, indem Du die Freundin am Anfang einbaust, ihr eine erst kleinere Bedeutung gibst (der Leser denkt, damit hat sich die Funktion erfüllt) und schließlich damit die Geschichte auflöst. Gut gemacht!
Plothole für mich: Warum sollte einem offenbar Gestörten von einer Behörde eine Waffe angedreht werden? Ist das ein perfider Plan, um interessante Leute in die Show zu bekommen? Hab ich nicht kapiert.

Insgesamt eine lohnende, mit kleineren Fehlerchen behaftete Geschichte.

Grüße,
Naut

 

Hallo Patosch, Goldene Dame und Naut!

Vielen Dank Euch allen fürs Lesen, Antworten und die wertvollen Hinweise, die mir bei der Überarbeitung sehr nützlich sein werden!

@ Naut

Wenn Du's nicht wärst, ich hätte nicht weitergelesen.
:schiel: Oh, danke. Der Dialog ist wirklich zu lang. :D

Grüße, Plasma

 

Hi Plasma!

Ich fühlte mich ausgehöhlt wie ein Halloweenkürbis, allerdings ohne die brennende Kerze im Inneren.
Hehe, kewl.
Es war, als rollte sich die Zeit zusammen wie eine Zimtstange.
:thumbsup: Sowas kannst du, oder? :D

Also, es stimmt schon, dass der erste Abschnitt am Anfang ein bisschen länglich ist. Das lässt sich aber verschmerzen, ist ja flüssig geschrieben. Nicht ganz schlüssig fand ich, dass es ein dreifacher Mord war. Gegen die beiden Bodyguards hatte er ohne Revolver keine Chance, klar, gegen eine Sängerin vielleicht schon, besonders, wenn er da so emotional involviert ist.

Ansonsten hats mir gut gefallen, danke für die Unterhaltung!

Seaman

 

Hi Seaman!

Sowas kannst du, oder?
Hehe, das wüsstest Du wohl gerne. :D

Ja ich weiß, der Revolver war notwendig, wenn auch nicht allzu glaubwürdig. Und - Schande über mich - ich hab die Überarbeitung immer noch nicht fertig. Ich werde versuchen, diese Sache dann auszubügeln.

Jedenfalls vielen Dank fürs Gutgefallen!

Lieben Gruß
Plasma

 

Hallo Plasma!

Keine schöne Vorstellung von der Zukunft, die Du da lieferst, aber eine sehr gute Geschichte!

Wenn ich es richtig verstanden habe, wird die Entscheidung über Schuld oder Unschuld unter den anwesenden Zuschauern abgestimmt, für die es mehr eine Art Show ist – bei der sie am Ende auch etwas sehen wollen. Der Angeklagte darf seine Verteidigungsrede halten und sitzt offenbar währenddessen schon am elektrischen Stuhl …

»Was, wenn mir gefällt, was ich höre?«
»Das wird es nicht. Genau das ist der Trick dabei. Und der Grund, warum man dieses Prozedere überhaupt eingeführt hat. Alle haben etwas davon.«
Zwar finde ich hier die Frage nicht so ganz passend, ein »Was, wenn ich glaube, was ich höre?« fände ich besser, aber trotzdem zeigst Du sehr gut, daß es hier nicht mehr um Gerechtigkeit geht, sondern vielmehr um die Sensationslust der Zuschauer.
»Yep. Es geht los. Oh, ein Prachtexemplar.«
Der Angeklagte wird von dem Mann schon von vornherein nicht mehr als Mensch betrachtet, er ist nur das Objekt, das diesmal auf dem Programm steht.
Schön, daß der große Mann für den Angeklagten stimmt, wobei mich auch interessiert hätte, wie er zu dem Entschluß gekommen ist, entgegen der Mehrheit. Und vor allem auch: Warum sitzt er da drin? Werden die Zuschauer dazu aufgefordert bzw. verpflichtet, wie heutzutage Schöffen oder Geschworene? Oder ist es mehr eine Art Freizeitvergnügen? Die Antwort darauf wäre sicher in der Geschichte nicht uninteressant.
Loben will ich aber auch, was Du so alles an Kritik in die Erzählung des Angeklagten eingebaut hast, vom Walddesinfektionsspray, der Werbung, der Zentralstelle für Konsumentenschutz und der Rückführung – d. h., dem Zwang, sich der Konsum- und Medienwelt anzupassen –, bis zur Publicity-Geilheit Lailas.

Den Anfang, also den fast reinen Dialog, könntest Du noch etwas kürzen, z. B. um die Vergleiche mit Talkshow, Nachrichten und Promi-Talkshow, die sind meiner Meinung nach nicht notwendig, um den Leser auf die richtigen Gedanken zu bringen (ich denke, das ist wohl der Zweck, warum das überhaupt drinsteht ;)).

Wirklich kritisieren will ich eigentlich nur die Stimme des Erzählers. Ab und zu, d. h., hauptsächlich ganz zu Beginn und ganz am Ende, spricht er in richtigen Sätzen, ansonsten nur stichwortartig, wie z. B. »Erneutes Rutschen, unsicher, ungeduldig« und »Breites Grinsen«. Das liest sich zumindest für mich weniger schön. Falls Du Dich entschließen kannst, das zu ändern, könntest Du gleichzeitig den Männern bessere Unterscheidungsmerkmale als »der Große« und vor allem »der Zweite« geben; falls sie freiwillig dort sind, wäre es zum Beispiel interessant, was das für Typen sind, die in so eine Vollstreckershow gehen.
Auch während des Fast-Monologs des Angeklagten könnte die Erzählerstimme etwas mehr sagen als »Kurze Unterbrechung, ein Achselzucken und ein Schluck Wasser«, »Wieder eine Pause, ein Schluck Wasser, ein kurzes Innehalten«, »Wieder eine Pause« usw. – so wirkt das ziemlich eintönig. Stattdessen könnte mal ein kurzer Blick des Erzählers zu den Zuschauern (Stimmung) nicht schaden, oder ein Satz zwischendurch, wie der Angeklagte wirkt (ist er immer noch entspannt oder doch schon nervös, versucht er, Zuschauer direkt anzuschauen, oder schaut er auf den Boden/an die Decke, während er spricht, …).
Als Zeitform hätte ich eher Gegenwart gewählt, aber das ist Geschmacksache.

Der Vergleich mit dem ausgehöhlten Kürbis ohne Kerze im Inneren hat mir auch sehr gut gefallen, ebenso auch die Zeit, die sich wie eine Zimtstange zusammenrollt.
Insgesamt sehr gern gelesen, obwohl ich Science Fiction sonst eher ausweiche – wüßte ich, hinter welchen Titeln sich diese Art von SF verbirgt, wäre das anders, aber ich will mich nicht durch Weltraumkämpfe, Außerirdische und Robotergeschichten wühlen, daher wäre ich für Tips in diese Richtung dankbar.

Ansonsten hab ich nur noch die üblichen Kleinigkeiten:

»Alles ok?«
– entweder abgekürzt, dann mit Punkten: »o.k.«, oder »okay«. Aber nachdem man sich, wenn man es richtig »abkürzt«, keinen einzigen Anschlag erspart, ist es eigentlich unsinnig, es abzukürzen. ;)

»Das leise Lächeln wich einem mit dem Mund geformtem O,«
– einem mit dem Mund geformten O

»Ich will ich Sie daher nicht mit einer langweiligen Vorgeschichte aufhalten.«
– Ich will Sie

»schlaflose Nächte, in denen ich mich von Bertas Damenbart und einem flammendem Schmerz verfolgt sah.«
– einem flammenden Schmerz

»Gratiszeitungen mit Kupons, die ich nie einlösen würde, Prospekte, Flyer, Postwurfsendungen. Papier über Papier mit Wurst- und Fittness-Angeboten,«
– die »Flyer« würde ich rausnehmen oder durch das deutsche Wort »Flugzettel« ersetzen.
– Fitness nur mit einem t
Den verpackten Ärger über die viele Werbung kann ich durchaus nachvollziehen! Nicht nur, weil es hochgerechnet etwa eine halbe Tonne pro Jahr ist, was hier so an der Tür und im Postkasten landet (mitgerechnet, was mir der Postler netterweise doppelt bis fünffach in mein Postfach legt), auch weil es ein verdammtes Umweltverbrechen ist, wieviel Holz (und Wasser!) dafür verschwendet wird! Ganz besonders sämtliche Möbelhäuser mit ihren dicken Hochglanzprospekten und -katalogen – was glauben die, wie oft man sich neu einrichtet? Oder liegt es an der schlechten Qualität der Möbel, daß sie überzeugt sind, daß man ständig neue braucht?

»Noch nie war mir aufgefallen, wie viele Vögel unterschiedliche Lieder singen.«
– meinst Du »viele« tatsächlich auf die Vögel bezogen, oder doch »wie viele unterschiedliche Lieder die Vögel singen«?

»oder wenigstens ein Karnickel?«
– zum Karnickel auch gleich die »Plastiktüte«: Bist Du Mitglied beim Verein »Ich verleugne mein Österreichisch«? ;-)

»den ein kleines Segelflugzeug über den Hain prophylaktisch abließ,«
– würde ich umdrehen: prophylaktisch über den Hain abließ

»Ich nahm es in die Hand uns stellte beim Hineingehen fest,«
– und statt uns

»Ich erhohlte mich, sagte man mir.«
– erholte ohne h

»Ich wollte sie in den Arm nehmen, sie festhalten und ihr Gesicht mit Küssen bedecken.
Ich stellte meine Einkäufe auf den Boden und lief ihr über den Parkplatz nach.«
– die beiden Sätze würde ich zu einem verbinden, dann gibt es keinen doppelten »Ich«-Satzanfang.

»›Das ist lange her. Hugo, Igor?‹«
– Da hatte ich im ersten Moment den Eindruck, sie wollte so tun, als wüßte sie seinen Namen nicht mehr. Du könntest die direkte Rede unterbrechen und das schon zuvor erwähnte Fingerschnippen erst hier einbauen.

»Ich empfand Verwirrung und auch etwas Ekel.«
– »empfand Verwirrung« klingt schräg, »Ich war verwirrt« fände ich besser. Und wem – ihr oder sich selbst – gegenüber empfindet er Ekel? (Aufgrund der beiden Folgesätze halte ich beides für möglich.)

»Aber es war gottverdammte Notwehr. Ich bin nicht stolz darauf, es getan zu haben. Aber mir blieb keine Wahl.«
– zweimal »Aber«, ich würde das erste ersatzlos streichen.

»dass sich die Leute fragen, ob die festgezurrten Gurte schmerzen.«
– »festgezurrten« würde ich streichen, da das Publikum sie ja sieht, und als Leser kann ich es mir denken, wenn sie schmerzen. ;-)

Liebe Grüße,
Susi :)

 

Hallo Susi!

Ganz lieben Dank für die Geburtstags-Kritik. :)
Mit so einer ausführlichen Antwort habe ich gar nicht gerechnet, aber Deine Kritiken sind ja immer toll! Fast ist es mir peinlich, dass ich die Geschichte immer noch im Originalzustand rumliegen habe. :shy:
Jetzt, mit genügend Abstand, kann ich alle bemängelten Punkte gut nachvollziehen und werde mich ernsthaft um die Überarbeitung kümmern. Du hast übrigens alles richtig verstanden. :) Herzlichen Dank auch für die Detailkritik.

Bist Du Mitglied beim Verein »Ich verleugne mein Österreichisch«? ;-)
Nö! Nüscht doch! :D
Insgesamt sehr gern gelesen, obwohl ich Science Fiction sonst eher ausweiche – wüßte ich, hinter welchen Titeln sich diese Art von SF verbirgt, wäre das anders, aber ich will mich nicht durch Weltraumkämpfe, Außerirdische und Robotergeschichten wühlen, daher wäre ich für Tips in diese Richtung dankbar.
Das lässt sich machen!

Liebe Grüße
Plasma

 

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