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Sonnenuntergang

Yva

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18.01.2001
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83

Sonnenuntergang

Die Feier auf der sommerlichen Burg war in vollem Gange. Ein heißer Tag neigte sich seinem Ende, und die untergehende Sonne tauchte die schwitzenden Menschen in goldenes Licht. Rhythmische Musik bewegte ihre Körper wie in Trance. Hinter ihnen ragte alt, zerfallen und trotzdem mächtig, erhaben die Ruine über das weite Tal in der Tiefe. Sie hob sich glühend gegen den in dunkles Türkis getauchten Himmel ab.
Und dann entdeckte er sie.
Es war, als würden sie alle für einen Moment zurücktreten, damit er sie sehen konnte. Sie tanzte zwischen all den Menschen. Ihr rotes Haar klebte in Strähnen an der verschwitzten Stirn. Ihr sommersprossiges Gesicht schimmerte im Licht der Sonne. Ihre Augen waren geschlossen. Sie bewegte sich völlig fließend: Ihr wunderschöner Kopf, ihre schlanken Arme, ihre runde Hüfte, ihre bronzenen Beine...
Er war wie gebannt von ihrem Anblick. Er spürte wie sein Herz unruhig zu schlagen begann.
Und dann schlug sie die Augen auf... ein warmer Schauer explodierte in seinem Bauch und breitete sich über seinen Körper aus... und sie ging wieder in der Menge unter. Der Moment war vorbei.
Überwältigt von dem Gefühlschaos, was plötzlich in ihm herrschte, hörte er auf zu tanzen. Ein ruhiger Pol in der pulsierenden Masse.
Er versuchte, sich durch die Menge zu bewegen. Er wollte dorthin, wo er sie eben gesehen hatte. Er wollte zu ihr. Er hatte das unglaubliche Verlangen, ihr nahe zu sein. Ellebogen, Knie und tanzende Körper drohten auf einmal, ihn zu erdrücken.
Doch er fand sie nicht.
Er entfernte sich von der Feier und ging in die Ruinen. Die Musik wurde leiser, und er konnte den Schwalbenschwarm hören, der zeternd um die Burg flog. Grillen zirpten in den Gräsern, die unter seinen Schritten trocken rauschend den Weg freigaben. Die Sonne berührte beinahe den fernen Horizont und warf dennoch ein kräftiges Licht über die dunstige Ferne unter ihm.
Nachdenklich erklomm er eine alte Treppe, als er sie wieder entdeckte. Sie stand ganz oben auf der Ruine auf einer dicken Mauer und schaute in den Sonnenuntergang. Eine leichte Brise spielte ihren Haaren.
Er räusperte sich, aber sie zeigte keine Regung. Er war fast bei ihr angekommen, als sie in die Hocke sank, ihre Beine umschlang und den Kopf auf die Knie legte, immer noch ohne ihn anzuschauen. Er kletterte auch auf die Mauer und setzte sich im Schneidersitz neben sie. Sein Herz klopfte nun wie wild.
Um sie herum die Grillen, weit entfernt die Musik, das Rauschen der Ferne und ab und zu die Schwalben.
Und kein Wort zwischen ihnen.
Nur die stille Nähe.
Die Sonne, sie war nun ein tiefroter Ball, der unten eine kleine Delle hatte, so als sträubte er sich davor, den fernen Horizont zu berühren.
Er wandte den Kopf, um ihr Gesicht betrachten zu können. Es war wunderschön. Die Haut glatt, die Haare rot wie die Flammen der Sonne selbst, die Nase grade und schlank, Sommersprossen, die verspielt über ihr ganzes Gesicht verteilt waren und die Augen... so blau wie der Himmel, so klar wie reines Wasser und so... traurig.
Die Sonne funkelte in ihnen.
Dann schaute sie ihn an. Schaute ihm in die Augen und sagte kein Wort. Sie stand auf, ohne ihren Blick abzuwenden. Hoch erhoben stand sie nun vor ihm. Die Sonne blendete ihn, und er hob die Hand zum Schutz... und sie ließ sich fallen. Ließ sich einfach nach hinten über den Rand der Mauer fallen.
Voller Entsetzen wollte er nach ihr greifen und stürzte an die Kante. Aber sie entglitt seinem Griff, und er sah sie wie in Zeitlupe in die schattige Tiefe fallen, die Augen fest auf ihn gerichtet. Keine Furcht spiegelte sich darin, nur die untergehende Sonne. Ein letztes Mal zogen die Schwalben an ihr vorüber, dann verschlang sie das schwarze Grün der Baumwipfel.

Betäubt starrte er in die Tiefe, die sie aufgenommen hatte.
Die Sonne tauchte völlig in den Horizont ein, und der Tag verließ das Land, das Tal, die Burg und verließ ihn.

 

Ja, wow. Das Ende ist schon toll. So´n Selbstmord beeindruckt mich immer, besonders weil ein Freund von mir in einem Hochhaus wohnt, von dem jedes Jahr mindestens einer runter springt. Ansonsten ist mir die Geschichte viel zu kitschig, wirklich. Es steht auch nicht besonders viel interessantes drin, ich könnte alles mit wenigen Worten zusammenfassen. Burgfest, Mädchen, Kerl, Mädchen springt von der Mauer. Naja, aber weil der Text nicht so besonders lang ist, fand ich´s soo schlimm nicht, daß auf der Burg nur der langweilige Kitsch regiert.

So, das war mein erster, sehr spontaner Eindruck.

 

Hi Yva,
Du erzeugst ein verdammt gute Stimmung; man kann sich gut in den Protagonisten hineinversetzen, man sieht die Situation auf der Burg förmlich vor Augen.

Aber: Wer ist das Mädchen? Warum springt sie? Mir fehlte da irgendwie das Motiv; ich kann mich nicht mit ihr assoziieren. Gut sie springt, und weiter? Es entstehen beim lesen keine Gefühle, wenn du weißt, worauf ich hinaus will.

Der Ansatz wäre nicht schlecht. Aber irgendetwas fehlt; und zwar zwischen dem Moment, wo er sich auch auf die Mauer setzt und sie springt.

aber wenn du daran arbeiten willst, dann ließ ich die Story gerne noch einmal.

lg Hunter

 

Hallo Yva,

also mir gefällt die Geschichte und ich finde die Gefühle kommen gut zum Leser rüber. Das Ende finde ich ein bißchen schade, liegt aber auch vielleicht an meinem Beruf und ist eher mein Problem. Normalerweise soll ich eher Menschen von sowas abhalten. Kitsch konnte ich da nicht nachempfinden.

Wenn es eine längere oder überarbeitete Fassung geben sollte, würde ich sie gerne lesen. ;)

Grüsse

Hajü

 

Auch ich habe die Geschichte genossen.
Was mir nicht gefallen hat und was ich auch als Hauptmanko des ganzen ansehen würde, ist auch der Selbstmord... Denn du wirklich gut geschildert hast; aber er ist der HAndlung mE nicht förderlich. Das hilft niemandem weiter, ist nichts Neues, kein interessanter Gedanke... Sorry.
Ausserdem kommt es aprubt, ohne Erklärung oder Kontext und damit irgendwie auch unlogisch. ICH würde es mir aj nocheinmal überlegen in dieser Situation ;)

Ich habe ziemlich lange versucht, mir einen 'in dunkles Türkis' getauchten Himmel vorzustellen...
(Weiß nicht, ob das jetzt Lob für schöne Bilder oder Tadel für blöden Stil war- aber eher ersteres.)

"so als sträubte er sich davor, den fernen Horizont zu berühren."
Schön... Fasst die ganze Atmospähre gut zusammen. (Der 'Ball' davor nervt aber. Ball = Kinderspielzeug, stört die Tragik.)

"Keine Furcht spiegelte sich darin, nur die untergehende Sonne. "
Jaja... Das ist ein sehr schönes Bild. Kann man sich richtig gut als Film vorstellen.

Wenn es eine längere oder überarbeitete Fassung geben sollte, würde ich sie gerne lesen.
Bitte! Mit einem anderen Ende!
(Ich will ein Happy End...)
Das wäre so schön, wenn dir da etwas einfallen würde.

Nabend
All-Apologies

 

och, ein Happy End? Ich wollte eigentlich mal was völlig unkonventionelles schreiben, etwas, was man nach einem solchen Anfang nicht erwarten würde. aber ich kann mir ja trotzdem mal was überlegen...

 

Hi Yva,
ich würde kein Happy End machen; das würde die Grundzüge der Story zerstören - vor allem aber das, was du eigentlich ja schreiben wolltest.
Wie gesagt: Einfach etwas mehr Tiefe...

lg Hunter

 

Nunja, es gibt EINE tiefe... :D
Ich hab deine story jetzt noch mal gelesen...
was hältst du davon, wenn die beiden sich noch unterhalten, bevor sie springt? Gib ihr einen Namen, ein Motiv, etwas, damit ich wirklich schockiert sein kann, wenn sie springt!

lg Hunter

 

hmmm, ich denke drüber nach. Aber eigentlich verfehlt das die Stimmung, die ich schaffen wollte...

 

Ja... Wenn du ganz lange beschreiben könntest, so daß man denkt, sie würde NICHT springen; und wenn sie dann doch springt und du DANN etwas schreibst, was alles davorgesagte in einem anderen Licht scheinen lässt, so dass es klar wird, dass man eigentlich vonAnfang an hätte sehen können, dass sie springt;

Also... DANN würde ich den Sprung gut finden.

 

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