- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 4
Sonne, Sand, IntelliCam
»Nein, das fotografiere ich nicht.«
Ich schaue meine Digicam böse an. »Wieso?«
»Zuviel Haut.«
»Aber sie trägt einen Badeanzug! Mit Blümchen!«
»Das Verhältnis zwischen Haut und Stoff liegt außerhalb der vorkonfigurierten Parameter.«
»Das liegt an ihrem Übergewicht...«
»Wieso willst du sie dann überhaupt fotografieren?«
»Sie ist meine Verlobte!«
»Wilhelm? Ist was?«
Ich setze mein bestes Bänker-Lächeln auf. »Alles in Ordnung, mein Goldstück!«
Wieder schnarrt die Kamera mit ihrem bassfreien Blechknarz: »Wie wäre es mit der da drüben?«
»Wo?«
»Na, die mit der Tasche.«
Ich halte Ausschau, dann sehe ich, wen meine Digicam meint. »Sittenpolizei!« Energisch tue ich so, als hätte ich nie hin gesehen. »Lieber nicht.«
»Sie ist gerade recht günstig beleuchtet.«
»Wilhelm? Warum dauert das so lange? Sind die Batterien schon wieder leer?«
»Nein nein«, rufe ich und ergänze leise: »Leider nicht.«
Mein Goldstück hat mich nicht verstanden. »Ich hab Ersatzbatterien in meiner Tasche!«
»Früher haben die Kameras bloß die Belichtung korrigiert, und jetzt bevormundet ihr mich bei der Bildauswahl!« Ich überlege, ob ich die Kamera einfach ins Meer werfen soll. Irgendwo in der Schublade muss noch das Vorgängermodell liegen. Das hatte zwar auch schon den Sittenfilter, aber dafür kursierte irgendwo im Unternet ein Patch, der freilich illegaler war als die Sexualpraktiken meiner pubertierenden Tochter.
»Aufgrund der unbestreitbaren Notwendigkeit der Verbesserung des Jugendschutzes wird die Herstellung pornografischen Materials unterbunden«, plappert die Digicam.
»Von wegen Pornografie«, brumme ich und erinnere mich an meine eigenen Sexualpraktiken. Plötzlich merke ich, dass mich die Sittenpolizistin anstarrt und denke schnell an brave Gartenzwerge mit roten Zipfelmützen.
»Ausschließlich staatlich legitimierte medizinische Organisationen dürfen Informationen zu sexualwissenschaftlichen Themen...«
»Ich hab's verstanden«, fahre ich der Digicam in die ideologische Ansprache, »und jetzt schalt ab, du ... Fertigungsversehen!«
»Wilhelm!« Goldstück ragt entrüstet vor mir auf. »Du kannst doch das arme Gerät nicht beleidigen! Wahre deine Contedings! Wir sind hier doch nicht in der Bank!«
Ich küsse eines des Blümchen auf ihrem Badeanzug. »Zum Glück«, hauche ich und schiebe ihr die Digicam unter den Badeanzug. »Weg mit der modernen Technik.«
Ein schriller Pfiff unterbricht mich. Ich fahre zusammen, und im nächsten Moment dreht mir die Sittenpolizistin den Arm auf den Rücken. »Intime Handlungen in der Öffentlichkeit! Sie sind festgenommen!«
»Aber sie ist meine Verlobte!«, bringe ich hervor.
»An diesem Strand sind intime Handlungen nur Verheirateten gestattet, die die nötige Gebühr entrichtet haben. Das Schild nicht gesehen zu haben, ist keine Ausrede.«
Die Polizistin greift viel zu fest zu und riecht furchtbar nach Schweiß, kein Wunder in der Uniform.
»Wilhelm!«, heult mein Goldstück, »ich wusste nicht, dass ich mit einem Sittenstrolch zusammen bin! Ich reise sofort ab!« Und dann sehe ich nur noch ihren geblümten Rücken.
Von irgendwo höre ich ein metallisches Kichern, das sich langsam entfernt.