Sommerregen
Mir fiel plötzlich ein, das diese Geschichte seit gut einem Jahr auf meiner Festplatte Staub ansetzt. Viel Spaß beim Lesen!
Plitsch platsch, plitsch platsch.
Fette Regentropfen, in endloser Folge herabstürzend, mit sattem Plitschplatsch auf dem Asphalt zerspringend. Der Himmel kaum mehr als düstere Masse. Ich würde jetzt gerne neben dir stehen, dich neben mir wissen; ich wäre jetzt gerne irgendwo anders, Ägypten vielleicht, aber nein, viel, viel lieber wüsste ich dich neben mir.
Es ist schon seltsam, was einen in Situationen wie dieser für Gedanken kommen. Aber... der Regen, dieser warme, schwere Regen, er würde sanft auf deinem Gesicht zerschellen, würde deine Haare durchnässen, sie sehen dann immer so aus als... ich weiß es nicht, doch, deine Haare wären irgendwie nass, schwerer vom Regen, in wunderbar ungewollten Strähnen würden sie dein Gesicht flankieren, das Wasser würde dein Haar herunterlaufen, es würde glänzen, und sicherlich auch die Stirn, ja, dort auch, dünne, feine Rinnsale; einzelne Tropfen liefen bestimmt zwischen deinen Augen her, an deinem Nasenrücken entlang nach unten, ganz langsam, und, wenn du sie nicht wegwischen würdest, dann würden sie sich an der Nasenspitze versammeln. Man könnte denken, du würdest weinen, weinen um mich. Aber nein, denn dann würdet du die Tränentropfen bestimmt hinwegwischen. Ich möchte aber nicht, dass du das tust, selbst, wenn sie dich vielleicht kitzeln würden.
Mir wird schlecht; was ich von meinem Gesicht wische, mit dem rechten Handrücken, hat damit nichts zu tun, denn sein rostiger Geschmack in meinem Mund erinnert mich daran, was ich aufgab. Wenigstens wird mir eine letzte Gnade bewiesen, die Gedanken reißen nicht ab. Wenigstens kann uns jetzt – gerade jetzt! – nichts trennen, auch wenn du nicht bei mir bist. Nein. Ich sehe dich vor mir, und auch wenn es schmerzt – ich weiß, es ist nicht mehr so – ich sehe dich doch sehr klar, vielleicht ein wenig verwaschen die Farben und Konturen, aber, es schadet dir nicht. Du bist auch so wunderschön, mein Engel, und das Wasser wandert weiter an dir herunter, keck läuft es nun weiter nach unten, von der Nasenspitze zum Mund, es macht einen kleinen Bogen, denn die Zeit hat auch dir Falten gegeben, auch wenn ich sie wohl als einziger bemerken würde, an deinem Mundwinkel läuft es vorbei und außen an deinem Kinn entlang. Dann verschwinden sie, ich kann nicht sehen, wohl deinen Hals herunter. Ist das Salz in meinen Mund? Sicher, es ist schwer, Abschied zu nehmen, auch wenn du ihn mir versüßt, auch wenn ich dich vor mir sehe.
Es scheint Zeit zu sein. Eigentlich wollte ich die Augen nicht öffnen, glaub mir, aber ich weiß ja, du bist nicht hier, kannst es ja gar nicht sein... manches kann ich nun einfach nicht mehr vor mir rechtfertigen. Es ist ja auch schließlich diese Situation... es heißt ja schließlich, Abschied zu nehmen. Du wirst es sicherlich erfahren. So wie du, werde ich nun gehen müssen, doch ich vertraue darauf, dass wir uns wieder begegnen werden. Ich tue es mit einem Lächeln, ich schaue, die Augen geöffnet. Der Regen – ich hoffe, der Regen – hat meine Kleidung durchnässt, doch gottseidank ist es Sommer, da ist der Asphalt nicht zu kalt. In meinem Mund der Geschmack von Rost und Salz. Nach all der Zeit, die ich vergangen glaubte, gibt die Erinnerung an dich mir immer noch Tränen.
Um mich herum sind Menschen. Ich kann nur noch unscharf ihre Silhouetten erkennen, obwohl sie keine fünf Meter entfernt stehen, mich anstarren. Einige wenden den Blick ab, andere tun so, als haben sie mich gar nicht bemerkt, hastig gehen sie weiter, irgendwo hin, doch alle starren sie mich dabei an. Es ist mir egal. Sie sind mir egal.
Jemand von ihnen spricht mich an, glaube ich. Er soll verschwinden. Ein Hustenanfall durchschüttelt mich. Mir wird kalt. Nass, alles ist nass und schwer. Ich huste, krampfe, spucke, würge, wünsche nur, dass es jetzt endlich bald zuende gehen mag, mir ist kalt. Ich speie mich auf dem Asphalt aus, eine düsterrote Lache meines Lebens. Ich schließe die Augen, und jetzt bist du wieder da, du bringst mir warme Dunkelheit. Die Leute? Das, was war? Das Blut auf dem Asphalt? Es ist mir egal. Ich schlafe ein, denn ich weiß: der schwere Regen wischt alles wieder weg.