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Sommernachtstraum

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02.11.2012
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Sommernachtstraum

Es war sechs Uhr morgens und einzelne Sonnenstrahlen, die durch die Schlitze in meinem Rollladen in mein Zimmer und auf mein Gesicht fielen, weckten mich auf. Ich setzte mich in meinem Bett auf und der erste Gedanke, der mir durch den Kopf schoss war, dass heute mein sechzehnter Geburtstag war, der erste Geburtstag ohne meinen Vater, der erste Geburtstag, auf den ich absolut keine Lust hatte, da meine Mutter nicht da war. Meine Mutter war nicht zuhause, an meinem sechzehnten Geburtstag!

Vor einer Woche hatte ich sie noch angefleht zu bleiben, nicht nach Berlin zu gehen, wo sie eine Anfrage für ein Musical bekommen hatte. Zwei Monate musste sie dort bleiben und genau während diesen zwei Monaten war mein Geburtstag. Aber sie hat von Anfang an 'Nein' gesagt zu meiner Bettlerei, dass sie doch zu hause bleiben möge, damit ich nicht ganz alleine bin, weil mein Vater vor einem halben Jahr an Krebs gestorben ist. Aber ihre Schauspielerei und damit Berlin und das Musical waren seit der Anfrage und seit ihrer Bestätigung das wichtigste für sie - noch wichtiger als ihre eigene Tochter.
Den Tod meines Vaters hatte sie besser weggesteckt als ich, warum auch immer. Ich meine, sie kannte ihn länger, viel länger als ich, war mit ihm verheiratet gewesen, hatte ihn geliebt. Ich habe ihn natürlich auch geliebt, aber auf eine ganz andere Art als meine Mutter, deswegen konnte ich sie nicht verstehen. Ihre nicht ganz gespielte Gleichgültigkeit gegenüber dem Tod meines Vaters und gegenüber mir verletzte mich immer noch, weil ich meinem Vater sehr nahe gestanden habe. Er war derjenige gewesen, der mir mein allererstes Buch geschenkt hatte. Es war 'Romeo und Julia' von Shakespeare. Auch wenn ich es mit vier Jahren weder selber lesen, geschweige denn verstehen konnte, wurde es doch später eines meiner Lieblingsbücher. Damals hatte meine Mutter meinen Vater deswegen ausgelacht, weil sie nicht verstand, wie man einer Vierjährigen solch ein Buch geben konnte und meinen könne, dass das Kind das Buch auch irgendwann lesen werde. Sie wollte es mir wieder abnehmen, aber ich hätte es nicht mehr losgelassen, hat mir mein Vater mal erzählt. Später, als ich älter war, und - wer hätt's gedacht - das Buch gelesen hatte, wollte ich auch wissen, wie ich an diesen zerfledderten und abgegriffenen 'Schatz' gekommen bin. Er hat mir alles über Bücher, bekannte Autoren, Zitate und übers Geschichtenschreiben erzählt und auch beigebracht, wo es halt was zum Beibringen gab. Von ihm habe ich meine Leidenschaft für Bücher und Geschichten.

Nachdem ich mich geduscht und angezogen hatte, lief ich zum Bäcker und kaufte mir Brötchen und einen Geburtstagsdonut als Trost für die fehlenden Verwandten und Geschenke. Und überhaupt dafür, dass ich alleine war. Ich machte noch einen Umweg durch den Park gegenüber von der Bäckerei mit dem schönen Springbrunnen und den vielen verschiedenen Laubbäumen, an denen jeweils ein kleines Schild mit dem Namen und weiteren Informationen zu den einzelnen Bäumen befestigt war. Für die Kindergarten- und Grundschulkinder.
In diesen Park wurden gerne Ausflüge mit der Gruppe oder der Klasse gemacht, wenn es um die Natur ging, und irgendwann meinte unser Bürgermeister, dass es doch sinnvoll wäre, diese Schilder an die Bäume zu machen damit die Kinder mehr Spaß am Lernen hatten.
Ich setzte mich auf eine etwas abgelegenere Bank, schloss die Augen und genoss die ersten Sonnenstrahlen für dieses Jahr. Als dann mein Bauch anfing zu rumoren, stand ich auf und lief nach hause, um endlich etwas zu frühstücken. Als ich an dem Blumenladen vorbeikam und freundlich der Besitzerin zuwinkte, lief ich in ein großes, schwarzes, schmutziges, nach Ruß riechendes Etwas hinein, besser gesagt in jemanden. Ich taumelte, fing mich aber wieder und schnauzte den Mann vor mir an:"Können Sie nicht aufpassen, wo Sie hinlaufen? Ich wäre fast gestürzt!" Da hob ich den Kopf und blickte in das lachende Gesicht eines Schornsteinfegers. Er sagte:"Tut mir leid, junge Frau, aber wenn Sie lieber der Blumenverkäuferin winken als auf den Weg zu schauen kann ich beim besten Willen nichts für diesen Zusammenstoß." Ich war verblüfft über so viel Freundlichkeit, obwohl ich ihn doch gerade fast umgerannt hatte und entschuldigte mich schnell. Da brach er wieder in schallendes Gelächter aus und antwortete, als ob er meine Gedanken lesen könnte:"Kein Problem, meine Liebe. So schnell rennt mich niemand um." Da musste selbst ich lachen, verabschiedete mich, ging weiter und dachte:"So, jetzt bin ich gegen einen Schornsteinfeger gelaufen und habe Ruß im Gesicht. Heute müsste ja mein absoluter Glückstag werden."

Wurde es aber nicht. Ich kam nach hause, frühstückte, hatte keinen einzigen Geburtstagsgruß von meinen Freunden und auch nicht von meiner Mutter, und war dann so deprimiert, dass ich Jazz auflegte und mich in der Badewanne entspannte. Inzwischen war es zwei Uhr mittags und ich bestellte mir eine Pizza zur Feier des Tages. Haha, wie ironisch. Gab ja keine Feier. Ich setzte mich auf die Fensterbank, die ich mal mit Papa vor einiger Zeit zur Sitz-und Lesebank umfunktioniert hatte, wickelte mich in eine Decke ein und las, während die Sonne an diesem wunderschönene warmen Frühlingstag langsam aber sicher unterging, obwohl sie in einem das Gefühl weckte, als wolle sie noch ewig am Himmel stehen bleiben und strahlen.

Ich wachte durch ein Sturmklingeln an der Wohnungstür auf. Ich stand auf und ging langsam zur Tür, weil ich dachte, es wäre unsere hysterische Nachbarin, die wieder einmal ihren Wohnungsschlüssel verlegt hätte oder etwas dergleichen. Ich öffnete und... fand niemanden vor der Tür. Weder die hysterische Nachbarin noch sonst jemanden von unseren Nachbarn, der irgendein Problem und damit einen Grund hatte, um halb elf abends bei uns sturmklingeln zu müssen. Ich schaute mich um und dabei fiel mein Blick auf einen Umschlag, der vor der Tür lag. Ich zögerte nicht lange, hob ihn auf und riss ihn auf. "Zieh dich an und hol dir was Wärmeres mit. Treffen uns in vierzig Minuten unten vor der Haustür :-)" Das war alles, was darauf stand. Ich wunderte mich, tat aber wie geheißen, zog eine Strumpfhose, ein Strickkleid und Stiefel an und nahm mir noch eine lange Strickjacke mit. Punkt zehn nach elf war ich unten vor der Haustür. Es war noch niemand zu sehen, deshalb wartete ich und fragte mich, was jetzt wohl passieren würde. Plötzlich sprangen zwei Personen vor mich und schrien:"Sweet Sixteen! Alles Gute zum Geburtstag, Sweetie!" Ich lachte, weil ich genau wusste, wer die zwei waren. Belle, meine allerbeste Freundin und Neo, mein bester Freund. "Danke ihr zwei! Und wohin genau wollt ihr mich jetzt entführen?" "Tja, das wirst du dann schon sehen", meinte Neo und die zwei nahmen mich in ihre Mitte und zogen mich mit sich. Wir fingen an zu rennen und bald wusste ich genau, wo wir waren und wo die zwei mit mir hinwollten. Wir rannten und rannten, bis schließlich das große Feld in Sicht kam. Wir rannten auf das Feld bis zu vielen Fackeln und einer großen Menschenmasse. Meine ganzen Freunde waren da und mir kam es so vor, als ob es immer mehr wurden. Als wir da waren, fingen alle an 'Happy Birthday' zu singen, und als sie fertig waren, wurde ich von allen über den Haufen gerannt und unter ihnen begraben. In der nächsten halben Stunde kam jeder zu mir, gratulierte mir und gab mir ein Geschenk, je nachdem, wie gut ich denjenigen kannte. Als allerletztes kam Neo zu mir, in der rechten Hand hielt er eine wunderschöne rote Wiesenblume und mit der linken Hand umarmte er mich und drückte mich ganz fest an sich. "Alles Gute zum Geburtstag, meine Kleine. Ich hoffe, dir gefällt die Party." "Ja, das wird sie ganz bestimmt." Ich küsste ihn auf die Backe und schmiegte meinen Kopf an seine Brust. Als Belle kam, ließ er mich los und ich umarmte Belle. Ich sagte zu beiden:"Danke für dieses großartige Geburtstagsgeschenk! Ich hab schon gedacht, ich müsste meinen Geburtstag ganz alleine nur mit meinen Büchern auf der Fensterbank verbringen!" Ich lachte. Belle grinste und sagte:"Das wird die Nacht deines Lebens, das kannst du mir glauben!" Als sie das gesagt hatte, nahm mich Neo auf den Arm und die beiden liefen mit mir zu den anderen. Und während wir so rannten, schrie ich:"Das glaub ich euch gerne!" Und dann wurde die beste Party gefeiert, die man je gesehen hat.

Tja, das war er, mein Sommernachtstraum. Es war ein Geburtstag, wie ich ihn mir immer gewünscht hatte. Und wie durch ein Wunder habe ich in dieser Nacht den Tod meines Vaters verarbeitet und mache seit dieser Nacht so viel mit meinen Freunden wie noch nie. Jetzt muss ich mich nicht mehr tagelang verbarrikadieren wie damals, nur weil mir der Tod von Papa immer noch zugesetzt hatte.

 

Hallo Lesibella,

deine Geschichte gefällt mir gut, ist sie an einer wahren Begebenheit angelent? Dank dem ausführlich beschriebenen Familienhintergrund mit dem Vater konnte ich mich gut mit deiner Figur identifizieren. Mir hat der überraschende Umschwung gefallen und dieses "perfekter Geburtstag" Szenario wurde gut dargestellt. Ein Mädchen das mit schweren emotionalen Rückschlägen sich konfrontiert dühlt und sich von allen verlassen fühlt, wird völlig überraschend aus der tiefsten Melancholie gezogen und verbringt den schönsten Tag ihres Lebens unter Freunden. Es wirkt sehr realitätsfern, was mir aber persönlich sehr gefällt, ich bin selbst ein sehr verträumter Mensch.

Ich bin jedoch über ein paar Formulierungen gestolpert, könntest du die mir erklären?:

Den Tod meines Vaters hatte sie besser weggesteckt als ich, warum auch immer. Ich meine, sie kannte ihn länger, viel länger als ich, war mit ihm verheiratet gewesen, hatte ihn geliebt. Ich habe ihn natürlich auch geliebt, aber auf eine ganz andere Art als meine Mutter, deswegen konnte ich sie nicht verstehen.

Versteht sie jetzt warum ihre Mutter schneller mit dem Tod des Vaters klarkam oder nicht? War es wirklich so relevant dass die Mutter ihn länger kannte? schließlich ist ein Vater ein Vater, egal wie lang man ihn kennt. Soll das die ihre Ratlosigkeit in dem Moment hervorheben?

In diesen Park wurden gerne Ausflüge mit der Gruppe oder der Klasse gemacht, wenn es um die Natur ging, und irgendwann meinte unser Bürgermeister, dass es doch sinnvoll wäre, diese Schilder an die Bäume zu machen, damit die Kinder mehr Spaß am Lernen hatten.

Ist eine nette Nebeninformation, aber ich verstehe nicht warum das in deinem Text ist, es fällt völlig aus dem Kontext deiner Erzählung. Hat das noch einen anderen Hintergedanken?

[...]und war dann so deprimiert, dass ich Jazz auflegte und mich in der Badewanne entspannte.

muss man so deprimiert sein um JAZZ aufzulegen? ;) Bei Jazz fühl ich mich immer dazu gezwungen, produktiv zu sein! Fast schon passender wäre Blues, nur eine persönliche Meinung :)

In der nächsten halben Stunde kam jeder zu mir, gratulierte mir und gab mir ein Geschenk, je nachdem, wie gut ich denjenigen kannte.

Ich fände es hätte schon fast gereicht "und manche gaben mir Geschenk."

Ansonsten hast du nur ein paar Rechtschreibfehler und Zeichensetzfehler, vielleicht magst du die noch ausbessern. An manchen Stellen fand ich die umgangssprachlichen Formulierungen fast schon übertrieben, vielleicht ist das aber ein angewandtes Stilmittel, liegt letztendlich an dir wie du deinen Text formulierst.

bitte zerreiß mich jetzt nicht, das war meine erste Kritik :)

Gruß, TomSlein

 

Hey TomSlein,

erstmal danke für deine doch überraschend positive Bewertung :) Die erste formulierung, die du ansprichst, bezieht sich tatsächlich darauf, dass sie nicht versteht, dass ihre Mutter schneller mit dem tod klarkam als sie. Und ja, ich fand es schon wichtig, es einzubringen, dass die Mutter ihn länger kannte als das Mädchen, wodurch hervorgehoben werden sollte, dass sie es dadurch noch weniger verstehen konnte, wie ihre Mutter so 'gut' mit dem tod umgehen konnte. Zu dem zweiten Aspekt... Nun ja, ich muss sagen, ich schreib immer genau das auf, was mir durch den Kopf geht, und das war grad der erste Gedanke, der mir zu den Bäumen und den Schildern einfiel ;) Natürlich ist es nicht wichtig für den restlichen Teil der Geschichte, ich fand es in dem Moment einfach nur passend. Ja, das mit dem Jazz habe ich falsch formuliert. Ich wollte damit sagen, dass es ihr so schlecht ging, dass sie einfach nur in der Badewanne entspannte, während Jazz läuft. Ich habe gedacht, es wäre für die Leser verständlich, dass sie bei Jazz einfach entspannen kann, weil es ihre Lieblingsmusikrichtung ist. Ok, danke für den Hinweis mit den Geschenken, ich werde bei der nächsten Geschichte darauf achten :) Und das mit den umgangssprachlichen Formulierungen war von mir eigentlich so gedacht und auch beabsichtigt, weil es ja eine Jugendgeschichte ist und ich der Meinung war und immer noch bin, dass es in den Stellen, wo es vorkommt, einfach gut passt :)
Um Gottes Willen, ich zerreiße niemanden :D Das war schließlich auch meine erste Geschichte und ich bin froh, direkt eigentlich doch so positive Bewertung zu bekommen und auch sehr froh, dass du mich auf ein paar Fehler oder Mängel hingewiesen hast, damit ich das nächste mal drauf achten und sie zum teil auch jetzt schon verändern kann :)

Gruß, Lesibella

 

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