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Sommernacht
„Es ist Sommer.“ Der Zitronenfalter flatterte übermütig von Blüte zu Blüte. Die warme Luft streichelte seine Flügel und aus den Sonnenstrahlen schöpfte er neue Lebensenergie.
„Bah, Sommer“, stöhnte die Raupe und suchte eine schattige Stelle. Sie musste fressen, um groß und fett zu werden. Aber die Wärme machte ihr zu schaffen und sie wünschte sich, ihre Raupenzeit wäre bald zu Ende.
„Schneller, schneller“, summten die Bienen. Überall blühten die Blumen, es gab Nektar und Pollen in Fülle, die geerntet und in den Stock geflogen werden mussten. Denn ihre Königin legte viele neue Eier in die vorbereiteten Brutzellen. Und der Winter würde sicher auch kommen. Da waren Vorräte unerlässlich.
Die Schwalben jagten hoch oben am Himmel durch die Lüfte und trugen ihre Beute zu den Jungen. Bald würden sie die Nester verlassen und selber auf Jagd gehen können. Dann war es bald Zeit, sich auf die Reise in den Süden vorzubereiten.
Als die Sonne untergegangen war und die Schwalben in ihren Nestern schliefen, jagten die Fledermäuse. Die Luft war immer noch warm und es gab eine Fülle von Nachtfaltern und anderen fliegenden Insekten.
Langsam buddelte sich der Maulwurf an die Oberfläche. Prüfend sog er die Luft ein. „Ist da jemand?“
„Bist du so blind, dass du mich nicht siehst?“, erwiderte die Eule, die abgewartet hatte, ob vielleicht eine Maus aus der Erde kommen würde und den Maulwurf interessiert beäugte.
„Frau Eule, freut mich, dich zu hören“, antwortete der Maulwurf: „Eine wunderschöne Sommernacht. Am liebsten würde ich feiern.“
„Was willst du denn feiern und mit wem?“
„Eine stille Nacht haben wir gewiss nicht, es scheint einiges unterwegs zu sein. Und ich dachte, wir könnten uns am Teich treffen und ein wenig klönen.“
„Schöne Idee. Ich bringe auch ein paar Leckerlis zum Essen mit“, schnurrte der große schwarze Kater, der auf seinen Samtpfoten herangeschlichen war und ebenfalls interessiert den Maulwurf betrachtet hatte.
Die Einladung verbreitete sich schnell und eine bunte Menge traf sich am Teich. Die Glühwürmchen erleuchteten das Buffet. Der Kater hatte zwei Beutel mit Trockenfutter herbeigeschleift. „Das sollte allen schmecken“, meinte er. „Und zum Trinken ist genug Wasser im Teich.“
Auf der Wiese saßen jetzt auch größere Tiere: mehrere Kaninchen und sogar zwei Rehe waren gekommen. Nachdem ein Reh einen guten Schluck aus dem Teich genommen hatte, spuckte es wenigstens die beiden Frösche wieder aus. Die Frösche verzogen sich vorsichtshalber unter die Teichrosenblätter, um nicht aus Versehen verschluckt zu werden oder gar als kleiner Happen zwischendurch zu dienen.
In dem Bäumchen am Teich hingen die Fledermäuse und legten eine kurze Pause ein. Die Eule hatte noch den kleinen Kauz mitgebracht und saß mit ihm auch auf einem Ast. Die beiden schauten mit zusammengekniffenen Augen sehr aufmerksam auf die wuselnde Schar am Erdboden. In der Spitze des Bäumchens hatte sich die Nachtigall niedergelassen und sang ihr Nachtlied. Sogar die Frösche hörten auf zu quaken, um ihren Melodien zu lauschen.
Dann kamen noch zwei Hasen, die in ihren Mäulern Salatpflanzen für das Buffet mitbrachten. Die Igelfamilie kam im Gänsemarsch angewatschelt und machte sich gleich über die Leckerlis her.
Als der getigerte Nachbarkater auftauchte, gab es ein zweistimmiges Fauchen. Dann konnten die Tiere einer wilden Schlägerei zuschauen. Obwohl man nur ein wirbelndes Fellknäuel sah, aus dem ab und zu einige krallenbewehrte Pfoten hervorstachen. Da dieses Gerangel keinen Sieger erbrachte, saßen sich die beiden keuchend gegenüber, spuckten einander noch einmal an und gingen dann nebeneinander mit erhobenen Schwänzen und gesträubtem Fell zum Buffet. Die aufkommende friedliche Stimmung und das fröhliche Geschnatter der versammelten Tiere lockten sogar einen Marder und zwei Wiesel an. Als ein lautes Grunzen durch die Nacht schallte, stöhnten die Kaninchen: „Oh nein, die Wildschweine kommen.“ Aber es war nur der alte Dachs, der zum Buffet drängte und sich wie üblich recht rüpelhaft benahm und alle beiseite schubste, die ihm im Weg waren. Einige kleinere Tiere flogen da durch die Luft und landeten mit einigen Purzelbäumen in den Büschen. Aber da sich niemand verletzte, hielten die Betroffenen ihre Luftreise für einen großen Spaß.
Als dann der Mond aufging, beleuchtete er die friedliche Szene mit seinem Silberlicht.
Dann aber meinte die Eule: „Schluss mit der Idylle. Wir müssen fressen, um zu leben und können uns nicht die ganze Nacht vertragen.“ Dann erhob sie sich in die Lüfte und schaute nach leichtsinnigen Mäusen aus.
Die Frösche gaben noch ein Abschiedskonzert und alle anderen Tiere eilten schnell ihrer Wege, bevor jemand sie für eine leckere Zwischenmahlzeit hielte. „Aber schön war‘s doch“, murmelte der Maulwurf und verschwand in die Erde. „Jetzt muss ich mich sputen und einige fette Engerlinge erwischen, meine Frau wartet mit den Kindern auf das Nachtmahl.“