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Solaris X (überarbeitet)
Solaris X (Neufassung)
Shalen war in das Nachbardorf unterwegs, in dem ihre Großeltern lebten. Sie hoffte dort bleiben zu dürfen, denn ihre Eltern waren seit mehreren Tagen verschwunden, was ihr Angst und Sorgen bereitete. Normalerweise hätte sie die Nachbarin um Hilfe gebeten, aber seit einiger Zeit verhielten sich die Erwachsenen, ihrer Meinung nach, sehr merkwürdig und manchmal sogar grausam und furchtbar. Manche von ihnen liefen ziellos umher, andere weinten ohne ersichtlichen Grund, oder waren wie versteinert. Deshalb versuchte sie ihnen möglichst aus dem Wege zu gehen. Unter normalen Umständen hätte der Weg ins Nachbardorf nicht länger als eine Stunde gedauert, doch dieser Sommer war besonders heiß und trocken gewesen. Viele Brunnen und sogar die Flüsse waren ausgetrocknet. Bäume waren verdorrt, Pflanzen eingegangen. Die Sonne schien so stark und so hell wie nie zuvor. Das bekam Shalen, trotz ihrer dunklen Hautfarbe, jetzt auch zu spüren. Ihre Haut brannte wie Feuer und an manchen Stellen auf ihrem Rücken bildeten sich schon Brandblasen. Viele Leute in ihrem Land litten unter diesem Problem, aber erst in letzter Zeit war es wirklich schlimm geworden und sogar die Medizinmänner konnten kaum noch Linderung bringen. Wegen ihrem schmerzenden Rücken und weil ihre Füße weh taten beschloß sie, sich hinzusetzten. Sie fand einen knorrigen, alten Baum unter dem sie Schatten fand, setzte sich und verfiel in Gedanken. Sie dachte über den gestrigen Tag nach, an dem sie am helligten Tage diese merkwürdigen Sternschnuppen, die gen Himmel geflogen waren, beobachtet hatte. Es mußten hunderte gewesen sein. Der Gedanke an die schönen Lichter ließ sie sich entspannen und sie döste ein.
Irre Gedanken gingen ihr durch den Kopf, sie rannte umher und wußte nicht wohin. Es gab kein Entkommen, der Tod war Gewissheit geworden, zumal die Sonne immer heißer und heißer brannte. Am besten würde es sein sofort zu sterben. Den Zeitpunkt seines Todes zu kennen war eine unerträgliche Qual, deshalb war sie auch verrückt geworden ohne es zu merken. Alles wurde unbedeutend und nichtig. Sie dachte an ihre Tochter, das arme Kind. Ob sie wohl noch zuhause auf sie wartete? Spielte das eine Rolle? Bald würde es sowieso vorbei sein. Dennoch schlug sie unbewußt den Weg ein, der in ihr Dorf führte. Nach einigen Metern bemerkte sie jemanden, der am Baum kauerte und zu schlafen schien. Einige Sekunden später erkannte sie ihre Tochter und wollte die Gelegenheit ergreifen ihr Erlösung zu verschaffen. Fest entschloßen schritt sie auf sie zu.
Shalen erwachte aus ihrem Halbschlaf und blickte in das Gesicht ihrer Mutter. Im ersten Augenblick war sie heilfroh sie wiederzusehen, bis sie mit Schrecken feststellen mußte, daß ihre Mutter die Hände um ihren Hals geschlungen hatte und im Begriff war sie zu würgen. Tränen der Angst und Verzweiflungen liefen über ihr Gesicht. Sie versuchte den stählernen Griff ihrer Mutter zu lösen, doch sie war zu schwach, um gegen sie anzukommen. "So ist es besser für dich !!!", schrie ihr ihre wahnsinnig gewordene Mutter zu und spuckte dabei einen feinen Speichelregen in ihr Gesicht, der sich mit ihren Tränen vermischte. Shalen fing unwillkürlich an mit ihren Beinen zu strampeln. Sie war nicht mehr Herr ihres Körper. Es wurde dunkel vor ihren Augen und zum ersten Mal wurde ihr klar, daß ihr Tot kurz bevorstand. In einer letzten Anstrengung versuchte sie vergeblich ihre Mutter zu treten. Dannach erschlaffte ihr Körper und ihr Urin tropfte ihre Beine hinab. In diesem Augenblick lief ihr kurzes Leben vor ihrem inneren Auge ab und plötzlich war da gar nichts mehr. Ihr Bewußtsein erlosch mit einem Gefühl der Wärme.
Shalens Mutter packte den Hals ihres Kindes und drückte mit aller Gewalt zu. Das Kind riß die Augen auf und blickte sie zunächst hoffnungsvoll an. Das war die Bestätigung, das Kind wußte es auch, es mußte sein. "So ist es besser für dich !!!", schrie sie. Es war zwar leicht sich die Erlösung ihrer Tochter Shalen vorzunehmen, aber schwer sie umzusetzen. Das Kind würgte und seine Augen quollen hervor, kleine Äderchen in seinen Augäpfeln platzten. Dieser Anblick brachte einen Teil ihrer Vernunft wieder zurück und sie verspürte Mitleid mit Shalen, aber sie war schon zu weit gegangen, als daß sie hätte aufhören können. Sie hatte sicher schon zu viel Schaden angerichtet, denn der Adamsapfel war gebrochen und wenn sie jetzt aufhören würde, hätte sie noch mehr Schmerzen und Leid verursacht. Sie machte weiter.
In diesem Moment beendete die Sonne ihre letzte , tödliche Kontraktion und explodierte in einer Nova, die in wenigen Minuten das gesamte Sonnensystem ver- schlang und Mutter und Tochter im Moment ihrer größten Pein zu Staub verdampfte.
Jack saß auf der Veranda seines Hauses und rauchte seine letzte Zigarette. Das Holz seines Schaukel- stuhles knirschte unter ihm. Er schaute ins Leere und erinnerte sich an das vergangene letzte Jahr. Linda war gegangen, er hatte sie dazu ermutigt, obwohl sie bleiben wollte. Er war immer stolz auf sie gewesen und es gab viele Momente in denen er sich ihr ,aufgrund ihrer überlegenen Intelligenz, unterlegen fühlte. Sie, z.B., hatte die Eignungstests bestanden, er nicht. Es war ihm nicht einmal möglich sich einen Platz auf einem der Fluchtschiffe zu erkaufen, obwohl er es sich aufgrund seiner Erbschaft hätte leisten können. Aber am Geld scheiterte es nicht. Es gab Gruppierungen die Zugang zu den erforderlichen Mitteln hatten und sich natürlich ihre Plätze sicherten. Zum Schluß ging es sowieso nur um die eigene Haut. Geld Spielte keine Rolle mehr. Entweder hatte man die Macht den Planeten zuverlassen, oder man hatte sie nicht. Viele Schiffe konnten wegen Sabotage nicht gestartet. Das hatte man in den letzten Tagen zu genüge in der Presse verfolgen können. Zum Glück hatte Linda es geschafft. Den Start ihrer Flotte hatte er gestern beobachtet. Tief in seine Gedanken versunken wurde er von der Explosion der Sonne zu Staub verwandelt.
Linda saß im Inneren der „Hopefinder“ und blickte auf ihren Bildschirm, der gerade die Explosion der Nova zeigte. Die „Hopefinder“ war eines von hunderten Raumschiffen, die aufgebrochen waren,um die Menschheit vor ihrer Ausrottung zu bewahren. Sie alle waren unterwegs nach Alpha Centauri, der von unserem Sonnensystem aus nächstgelegene Stern. Dennoch würde Linda und die meisten der Menschen die Ankunft nicht erleben, denn die Reise dorthin würde 101,34 Jahre dauern.
Lindas Vater, der Kapitän ihrer Flotte, stand hinter ihr und bemerkte die Beklemmung, die sie erfaßt hatte. Er verspürte das gleiche Gefühl, er wußte es aber besser zu kontrollieren. Er suchte nach einigen aufmunternden Worten für sie, fand aber keine, deshalb beschloß er seinen Mund zu halten. Er mußte nach vorne schauen, es gab eine Menge zu tun und der Mars war nun Vergangenheit. Zumindest hatte er alle gerettet, die ihm wirklich am Herzen lagen. Er wußte, Linda war wütend und enttäuscht, weil er es nicht geschafft hatte Jack mit an Bord zu nehmen. Jack hatte aber keinerlei Fähigkeiten, die für die Gemeinschaft von Vorteil gewesen wären und der Platz war begrenzt. Außerdem hatte sein psychologisches Profil ergeben, daß er einer Reise unter diesen Bedingungen nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 70% ohne psychischen Schaden überstanden hätte. Nicht die besten Vorraussetzungen für einen Flugplatz.
Währenddessen dachte Linda ebenfalls an Jack, der nicht mitgenommen worden war. Tränen liefen ihre Wangen hinab. Sie war enttäuscht von ihrem Vater, denn sie wußte, daß er es hätte bewerkstelligen können Jack mitzunehmen. Das würde sie ihm niemals in ihrem Leben verzeihen. Sie respektierte ihn als ihren Vorge- setzten, aber nicht mehr als ihren Vater. Sie konnte seine Nähe nur mit Not ertragen. Immer hatte er seinen Willen gegen sie durchgesetzt. Diesmal hatte er ihren Verlobten zum Tode verurteilt. Sie hörte seinen Atem hinter ihr und der Gedanke an ihn verursachte ihr Übelkeit. Hätte er es gewollt, wäre es für ihn kein Problem gewesen Jack mitzunehmen, aber er hatte
Jack vom ersten Moment an gehaßt. Er konnte es nicht ertragen, daß der Reichtum Jack in den Schoß gefallen war, deshalb hatte er ihn immer als einen reichen, verwöhnten, nichtstuenden Snob bezeichnet. Im Grunde seines Herzens war Jack aber ein sensibler,liebevoller Mensch. Der Mann, den sie liebte. Er hatte sie soweit gebracht, daß sie mitflog. Zunächst hatte sie nämlich beschloßen zu bleiben und mit ihm zu sterben. Aber er hatte so lange auf sie eingeredet, sich mit ihr gestritten und sie sogar letztlich beschimpft. Er hatte behauptet sie nicht zu lieben und hatte mit ihr gebrochen. Letztendlich, nachdem er sie geschlagen hatte, beschloß sie zu gehen. Im Nachhinein wußte sie aber, daß er aus Liebe gehandelt hatte. Sie schluchzte. In diesem Augenblick liebte sie ihn mehr als je zuvor.
Die Explosion der Supernova hatte ihren Höhepunkt erreicht und fiel nun wieder in sich zusammen. Der Bildschirm wurde ganz dunkel, nur noch einzelne helle Punkte waren auf ihm erkennbar. Jack war tot und ein Teil von ihr ebenfalls.
Zwei flotten, eine mit hundert Schiffen und vierhundert Mann Besatzung , die andere mit fünf Schiffen und fünfzig Personen an Bord, flogen in Richtung Alpha Centauri, sie waren die letzten Überlebenden der Menschheit.