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Solange ich hoffen kann...

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03.04.2003
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Solange ich hoffen kann...

Ich bete, dass du schläfst, wenn ich nach Hause komme. Dann kann ich dich beim Träumen beobachten, dein Lächeln sehen, das du mir schon so lange verheimlichst.
Du lägest dort alleine. In diesem kalten Raum, dessen Harmonie von uns zerstört wurde.
Ich hoffe, du wirst nicht aufwachen, wenn meine Augen verlangend auf dich herabschauen. Ich will nicht, dass du aufwachst.
Träume tief, so hoch, wie Engeln fliegen. In deinem Himmel.
Du hast einst mein Herz berührt. Und in meinem Bett hast du es mir genommen.

Wenn du schläfst, sehe ich die kleinen Grübchen, die um deinen Mund tanzen, wie kleine Ballerinas. Dein Gähnen erinnert an ein unstillbares Verlangen, an deinen Durst nach Leben, den ich nicht zu stillen vermag, an Liebe, die ich dir so nicht geben kann.
Nur Stoff trennt unsere Körper.
Doch du leuchtest in der tiefsten Dunkelheit, während ich in ihr versinke, gegen den Strom kämpfend, um bei dir zu sein.

Ich finde das Schlüsselloch und öffne die Tür.
Doch ich habe den Kampf verloren, bin wohl längst untergegangen.
Mein Bett ist leer, verlassen als währest du nie dort gewesen.
Ich stelle die gekaufte Flasche Wein auf den Nachttisch, neben den leeren Bilderrahmen.
Wahrscheinlich werde ich einfach auf meinem Bett sitzen bleiben und warten bis du zu mir zurück kommst. Voller Hoffnung.
Vielleicht bringst du dann die Flügel mit, die ich einst verloren haben muss, ohne mich daran zu erinnern, sie je besessen zu haben.
Denn du würdest dich nie mit einem Teufel einlassen, solange es Engel gibt.

 

Hui,
absolut eine gelungene, schöne Geschichte.
Mein Kompliment.

Ich finde du malst ein sehr deutliches, ergreifendes Bild einer tragischen Liebe, oder nur einer halben. Mir gefällt auch die Symbolik die du verwendest, mit Flügeln, Ballerinas, und dem Teufel...

Mach ruhig weiter so!

Eth

 

Hallo WibiB,

der Text ist in einer schönen poetischen Sprache geschrieben. Am Anfang habe ich mich gefragt, wer der Erzähler ist. Eine Mutter, die ihren Sohn vermisst? Das war mein erster Gedanke. Ein Liebhaber, der seine Liebste lange nicht gesehen hat? In den ersten beiden Abschnitten wird von Verlangen gesprochen, was eher für die Liebhaberhypothese spricht. Außerdem wird er (sie?) am Schluss verlassen. Aber warum? Auch der letzte Satz ist mir unklar: der Erzähler bezeichnet sich als Engel, obschon er gerade verlassen (betrogen?) wurde. Überschätzt er sich einfach? Oder ist man als Leser auf dem falschen Dampfer, und alles ist anders? Vielleicht ist der Text ja ein Gleichnis, dessen Sinn sich mir nicht offenbart.

Fazit: Ein Text, der trotz seiner Kürze eine große poetische Tiefe hat. Allerdings lassen die vielen offenen Fragen den Leser etwas betreten zurück. Ich mag - mit Verlaub - längere Geschichten mit klar verständlicher Handlung lieber. Das ist aber letztlich nur Geschmackssache.

Beste Grüße
knagorny

 

Liebe Wiebke!
Ein kurzer Text, in dem so viel Hoffnung, aber auch Hoffnungslosigkeit Platz finden.

Besonders schön fand ich:

Dann kann ich dich beim Träumen beobachten, dein Lächeln sehen, das du mir schon so lange verheimlichst.

Wahrscheinlich werde ich einfach auf meinem Bett sitzen bleiben und warten bis du zu mir zurück kommst.

Vielleicht bringst du dann die Flügel mit, die ich einst verloren haben muss, ohne mich daran zu erinnern, sie je besessen zu haben.
Wobei der letzte zitierte Satz mein absoluter Favorit ist. *mich in satz verliebe* :)

Für mich ist es die Geschichte einer verlorenen Liebe, des Versuches, sie wieder zu finden, der Hoffnung und der Realität, in der die Suche (vielleicht) nie enden wird.
Obwohl ich vermutlich nicht alles richtig interpretiert habe, hat mich deine Geschichte sehr berührt, deine Sprache gefällt mir noch immer ausgezeichnet und die Länge... sie ist in Ordnung, auch wenn ich dir stundenlang "zuhören" könnte, wenn du erzählst.

Herzliche Grüsse!
Manuela

 

Hallo!
Danke für eure Kommentare!
Zu Knagorny: Ich hoffe nicht, dass der Erzähler irgendwie so wirkt, als ob er sich überschätz! Er versteht nicht, warum er verlassen wurde, sucht händeringend nach einer Erklärung und findet doch keine. Er war angestrengt, voller Hoffnung, die Beziehung am Leben zu halten und rätselt am Ende doch, warum er überhaupt als Freund ausgewählt wurde. Irgendetwas gutes musste einmal in ihm verborgen gewesen sein, dass verschwunden ist, aber er weiß einfach nicht, was es ist. Daher den Vergleich mit den Flügeln.
Und so ist es ja oft, Menschen/Beziehungen verändern sich,oft oder meistens ohne das man es bemerkt.
Hinterher denkt man darüber nach, und manchmal bleibt einem die Lösung einfach vorenthalten...

Ich hoffe, das hat dir weitergeholfen!

Und Manuela: Nochmals vielen Dank für dein Lob!

 

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