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Sohn
Robert ist Sohn. Robert ist nur Sohn. Robert ist: Mercedes Junior. Robert ist Mercedes Junior, weil sein Papa die meisten Mercedes im ganzen Bezirk und Umgebung verkauft. Darum ist Roberts Bankkonto immer gut gedeckt, oft sogar dann, wenn ihm eigentlich jede Deckung fehlt, denn er hat die Golden-Visacard. Und Robert ist natürlich in Papa’s Firma „angestellt“.
Sein Monatsgehalt orientiert sich am Gehalt des besten Verkäufers der Firma. Was der verdient, das verdient Robert auch. Also hat er mit diesem Typen einen Geheimdeal gemacht. Wenn Robert mal zufällig ein Auto verkauft, manchmal denkt er ja daran, wer und was er ist, dann schanzt er diesem Typen den Verkauf zu. Vater weiß das natürlich schon, ahnen tut er es sicher, das ist gewiss, denn beim letzten Firmenfest hat er so eine Anspielung vom Stapel gelassen.
Na ja, egal. Und außerdem bekommt Robert auch noch einen schönen Zuschuss, wenn er sich das ganze Monat nicht in der Firma vom Papa blicken lässt. Damit hat er auch kein Problem, absolut nicht. Es vergeht kaum ein Monat, für den er sich nicht seinen Zuschuss dazu verdient hat. Nur einmal im letzten Jahr, da musste es einfach sein. Da wurde das neue Cabrio, gestylt von Armani, ausgeliefert. Jungfräulich, fast. Nur 38 Kilometer darauf. Nur der Papa hat kurz eine Probefahrt über die Stadtautobahn gemacht. Er hat sich dann gleich übers Wochenende mit seinen zwei Tussies über die geile Aussicht des Großglockners runter nach Italien ans Meer vertschüsst. Er hat ihnen schon in den Nächten der Woche davor die Muschis feucht geredet. Also ein Monat ohne Zuschuss. Egal.
Ja, egal. Und gestern hat er wieder einmal groß eingekauft, ganz groß. Das reicht wieder für eine Weile. Fünfhundert Armani. Echter Zufall. Die heißen wirklich so. Diese Sorte E, also Ecstasy, ist gerade auf dem Markt. Schön rosarot, nicht schlecht. Zwar nicht die Welt, es gibt besseres E, aber sie sind okay. Man wird schön deppert davon, hihi, man ist sozusagen schön auf Teddybär. Fünfzig Gramm bestes Cola (Kokain), das einem sämtliche Schleimhäute der Nase abdichtet und einem, wenn das Rotz den Hals runter rinnt, diesen herrlich austrocknet und einen jede stinkende Zigarette für mindestens eine Stunde lang vergessen lässt. Und, na klar, fünf Hundert-Gramm-Platten bester brauner Scheiße, butterweich, unter absoluter Garantie kein Gramm Schuhpasta dabei. Das Zeug schmeckte auch so, wie beste braune Scheiße. Da lag ein Duft in der Luft, uuuh, ein Duft, unbeschreiblich, eben beste braune Scheiße. Und das Zeug fuhr auch so. Gewaltig. Ein Joint nur, und seine Knie waren aus weichem Plastilin. Geil, einfach nur geil.
Also lud Robert seine drei gerade besten Freunde ein und veranstaltete eines seiner berühmten Dichtmacher- oder Vorglühfeste, wie er das immer nannte. Da war es auf einmal fast zwei Uhr früh und es war auf einmal fad, so dicht sie auch schon waren. Weiber wären jetzt nicht schlecht, dachte Robert. Also fragte er seinen Freund Gunner, mit dem ihn eine starke Gemeinsamkeit verband, weil der auch „Sohn“ war, ob er nicht irgendwo eine steile Party wüsste. Dem fiel sofort was ein. Er war letztes Jahr auf der Geburtstagsparty von Sonja, und da war er mit zwei anderen Typen mit fast zwanzig jungen Hasen allein. Kein einziger Ausreißer dabei, sie waren alle hübsch. Und diese Sonja feierte heute wieder Geburtstag. „Dort sollten wir jetzt hin!“
Die Idee schlug sofort ein, also hat Robert seine Taxifahrerin Andrea angerufen. Und die kam auch gleich. „Hi, Schatzi. Wie geht’s?“ „Gut.“ „Nau, des klingt auba net guat. Nau jo, is ma jo wurscht, hehe. Hey Gunnar, wo geht’s hin?“ Gunner lacht, und lallt ganz leicht: „Urfahr.“ Andrea: „Urfahr? Und wohin in Urfahr? Urfahr ist groß.“ „Nau jo, Urfahr. …… Urfahr Nummer Sechs.“ „Puuuh, in Urfahr gibt es viele Nummer Sechs.“ „Nau, Urfahr, Urfahr halt. Wau, Nummer Sechs, de Stroß’n waß i net, irgendwo bei da Sparkassa dort.“
„Nummer Sechs??? Ihr meint aber nicht zufällig Dingsdastraße Sechs? Ihr wollt nicht zufällig auf die Party zur Sonja?“ „Jo, jo, jo, genau do miaß ma hin. Wau, du bist vielleicht a geile Taxlerin! Du bist jo besser wia a Gedaunkenleserin. Du waßt sogoar Soch’n, de ma goar net denkt, wäu ma’s goar net waß, haha. Wieso waßt’n du des, haaa?“ „Na, weil ich gerade den Buji von dort abgeholt und in die Altstadt gefahren habe. Zufall halt.“ „Wos, da Buji, de oilte Dichtersau, is heit a unterwegs? Wo is a denn hin, da Buji, nua fia den Foll, dass fad wiard auf da Party?“ „In die Altstadt halt, was weiß ich?“
Sie stiegen dann in der Dingsdastraße Nummer Sechs aus. Es schneite gewaltig, und das wohl schon den ganzen Tag. Als Nummer Vier als letzter ausstieg, rutschte er aus und knallte mit dem Rücken in den Schnee. Er lag im Schildkrötenstil da. „Au! Shit!“ Und dann lachte er mit den anderen mit. Das war vielleicht ein Bahöö. Andrea machte, dass sie weiter kam. Nur weg und ab zu den nächsten Deppen.
Robert, Gunner, Nummer Drei und die Schildkröte, der sie inzwischen auf die Beine geholfen hatten, stießen die nur angelehnte Türe auf und betraten das Stiegenhaus. Robert: „… und welcher Stock?“ Gunner: „Der dritte, glaub’ ich.“ „Shit! Drei Stock, und des ohne Lift. Verdammt! Do muaß i mi zerst a wen’g setzen. Des Aufsteh’ woar ma z’aunstrengend. Des E foahrt grod saugeil durch meinen Body. Steil, steil, steil.“ Die Schildkröte schnauft es auf die Stiege. Die anderen sehen ihn schwer atmen, und da fällt ihren Körpern ein, dass sie ja auch jeder drei Armani und einen Haufen anderes Klumpert intus hatten, und zwei Flaschen Jack Daniels mit zwanzig Dosen Red Bull haben sie ja auch alle gemacht, und so schnaufen sie auf einmal auch. Sie setzen sich also alle hin, schnaufen, und dann fielen sie auf einmal wie auf Kommando gemeinsam in einen brausenden Lachorkan. Sie sehen sich an und brusten gemeinsam los.
Nummer Drei meint: „Geil, geil, geil. Megamegageil.“ Da hat die Schildkröte wieder Kraft. Die neue Kraft stemmt ihn hoch. Er sieht aber doch etwas zweifelnd den Stiegenschacht hoch und sagt: “Gutes E. Verdammt gutes E, hehe. Aber verdammt, da müssen wir jetzt hoch. Und zwar schnell. Ich vertrockne gerade. Ich habe einen richtigen Sandhaufen im Mund, hihi. Ich finde mit meiner Zunge am Gaumen keine Oase nicht, hihi. Da Durscht bringt mi glei um.“
Die anderen stemmen sich auch hoch. Ein Jeder schaut den Schacht hinauf. Die Schildkröte: „Auf geht’s! Also dritter Stock.“ Im zweiten schnaufen sie schon wieder gewaltig und legen eine kurze Rast ein. Sie schauen aus dem Fenster in den dunklen Nachthimmel hinaus. Der Schnee fällt dicht und wunderschön.
Da kommt Gunner darauf: „Hey, wir haben nicht einmal ein Geburtstagsgeschenk für Sonja dabei.“ Nummer Drei: „Wos soll’s? Bin i net schon Geschenk gnua, hehe? I bin e voller E, hehehe.“ Robert: „Ne, ein Geschenk muaß sein. Eine Frau braucht Blumen. Hihihi. Und was haben wir denn da Schönes? Eine Blume! Wau, und was für eine schöne noch dazu? Da steht unser Geburtstagsgeschenk.“
Auf dem Fenstersims steht eine fast fünfzig Zentimeter hohe Blume. Robert fasst die Blume ganz unten am Stengel an und dreht ihr eiskalt den Hals um. Der Stengel unten ist zerquetscht, Pflanzenfasern gelben haarig lang und borstig unten aus dem Stengel heraus. Nicht gerade schön. Doch die Schildkröte hat eine überirdische Inspiration. Er hat immer ein Schweizermesser dabei. Also holt er es heraus und hält es Robert hin. Der grinst, sucht nach dem Messerteil, öffnet ihn und macht einen sauber schrägen Schnitt. „Wie aus dem Hollandblumen-Mark, hihi, oder etwa nicht?“
Die letzten Stufen steigen sich ganz leicht. Robert wird mit seinem jungfräulich frischen Blümelein die Stiegen fast fliegengewichtig hinauf geEht. Oben an der Türe legt er seinen linken Finger auf den Glockenknopf, lässt es dauerklingeln, streckt seine rechte Hand mit der Blume gerade aus und geht dabei in Prinz-Aufreißerposition. Die Türe geht auf und Sonja steht darin.
Robert weiß, an ihm ist ein Dichter verloren gegangen, und so überkommt es ihn: „Liebe, liebe Sonja! Wir wünschen dir alles, Alles Gute zum Geburtstag. Und sieh her: Wir haben auch an dich gedacht und dir vom Hollandblumenmark ein wunderschönes Blümchen mitgebracht.“
„Ist das meine Blume?“ „Na, na, de is vom Hollandblumenmark.“ „Das ist meine Blume! Meine Mutter hat sie mir vor fünf Jahren zum Geburtstag geschenkt, da war sie gerade mal zehn Zentimeter groß. Ich habe sie mit so viel Liebe groß gezogen. Verdammt! Das war heute vor fünf Jahren, du Arsch.“ Für Sonja war die gerade so vielversprechend gewordene Party vorbei.
Und da standen die vier Jungs wieder unten auf der Straße. Aber vorher haben sie noch eine Kinderrodel ruiniert. Die Schildkröte ist mit seinen gut neunzig Kilos darauf die Stiegen runter gezischt. Am nächsten Tag hat ein kleines Kind geweint, es konnte nicht mehr rodeln gehen, und dabei lag doch der viele frische Schnee so schön. Sonja hat ihm dann am übernächsten Tag, am Montag, gleich eine neue gekauft. Schließlich kamen diese „Gäste“ ja zu ihr.
Ein Taxi? In Zeiten, wie diesen, kein Problem. Selbst Deppen haben heute schon ein Handy. Und Söhne sowieso. Andrea war noch nicht weit genug weg und auch noch nicht besetzt. Also umgedreht und die nächste Deppenfuhre war perfekt. Sie stiegen in der Altstadt von Linz wieder aus. Die war um diese Zeit voller Deppen. Da fielen sie dann nicht mehr weiter auf. Zumindest hat der buji Nichts davon gehört.
© Copyright by Lothar Krist (26.2.2005 von 00.05 – 3.25 Uhr im Smaragd)
Für jene LeserInnen, die so was interessiert. Diese Geschichte „kam“ folgendermaßen zu mir:
Irgendwann dann in der Früh hat die Andrea den Buji heim gebracht und ihm dabei ihren Teil von der Geschichte erzählt. Eine Woche später kam dann die Geschichte von Sonja dazu. Der Rest ist Phantasie.