So wie ich liebe.
Es ist Mittwoch und es ist bereits das fünfte Mal, daß ich mich in diesem heruntergekommenen Café am anderen Ende der Stadt wiederfinde.
Der Kaffee ist scheußlich, sodaß ich erst gar nicht in Versuchung gerate die in der Vitrine ausgestellten Donuts auszuprobieren. Der Rest, den sie hier anzubieten haben interessiert mich auch nicht.
Ehrlich gesagt bezweifle ich, daß dieser Saftladen den Richtlinien des Gesundheitsamtes gerecht werden kann.
Und dennoch bin ich hier. Das fünfte Mal. Ach ja, sagte ich bereits.
Ich hatte Montag Morgen erst das Vergnügen gehabt dieses kleine, verschlafene Etablissement zu entdecken und es war ein Notfall gewesen. Starbucks war zu voll gewesen und ich war spät dran.
Kurz nachdem ich feststellen mußte, daß dieses Café nicht einmal annähernd an die Auswahl von Starbucks kam und sich wirklich nur auf das Nötigste beschränkte, bestellte ich einen Kaffee. Schwarz. Nicht viel was man da falsch machen kann. Noch beim ersten Schluck schwor ich mir nie wieder diesen Laden zu betreten. Und eine schlechte Bewertung auf deren Homepage oder Facebook-Seite zu schreiben, sofern diese überhaupt eine hatte. Ich mein, was konnte man schon erwarten? Es gab nicht einmal eine Gästetoilette.
Gedanklich bereits in meinem Büro, erblickte ich sie als ich gerade das Café verlassen wollte.
Ich bin Barry und das hier ist meine Geschichte.
Sie sah aus wie eine Emily. Wie ich mir eine Emily vorstelle, deshalb nenne ich sie einfach Emily.
Klein, zierlich gebaut und eine Stupsnase. Zuerst dachte ich ihr Haar wäre schwarz, doch beim genaueren hinsehen fiel mir auf, daß es ein tiefes dunkelbraun war. Emily hatte schulterlanges, welliges Haar und einen links angesetzten Scheitel. Ihre eisblauen Augen waren mandelförmig und es war dieser unsichere, nahezu verlorene Blick, der mich als erstes auf sie aufmerksam machte. ich hatte ein Auge für solche Frauen. Sie war bestimmt neu hier.
Doch am meisten reizten mich diese kleinen, feinen Sommersprossen, die sich nur auf und um ihre Nase verteilten.
Ihr Kleidungsstil, lässig und casual in blue Jeans und einem weißen Männershirt, war überhaupt nicht meins, doch das machte ihr Aussehen wieder wett. Ich war wie verliebt auf dem ersten Blick. Für diesen Moment.
In meiner Schwärmerei hab ich vergessen ein kleines Detail am Rande zu erwähnen. Vivian. Vivian ist meine Freundin. Seit knapp vier Jahren.
Ich liebe sie, glaube ich. Zumindest fühlt es sich richtig an, wenn ich mit ihr bin. Alles fühlt sich richtig mit ihr an. Tat es von Anfang an und ich glaube nicht, daß sich das zumindest in naher Zukunft ändern wird.
Dafür ist Vivian zu perfekt für mich. Natürlich ist sie hübsch. Gebildet. Vor allem aber ist sie loyal, treu und sie liebt mich. Das weiß ich.
Ich kenne Frauen und kann das daher definitiv gut einschätzen.
Ich bin nicht unglücklich mit ihr, im Gegenteil – sie kocht, putzt, ist mir eine gute Freundin und Sex gibt es regelmäßig – und es ist verdammt guter Sex. Ich habe irgendwo mal aufgeschnappt, daß Frauen besser können, wenn Gefühle involviert sind. Und wenn das stimmt, ja, dann liebt Vivian mich abgöttisch. Sie liest mir jeden Wunsch von den Lippen ab. Bevor ihr mir noch den Hals umdreht, ich bin auch ein guter Freund. Zumindest kann ich es sein, wenn ich möchte.
Es gibt nicht viel, was ich ihr abschlagen würde. Wenn sie nachts etwas Süßes braucht, weil sie gerade einen Schub hat – das kommt desöfteren vor – dann verlaß ich gern für sie die Wohnung und mach mich auf dem Weg.
Sie kriegt jeden Montag zum Start der Woche einen w Strauß voller Rosen zur Arbeit geschickt von mir. Ich weiß wie sehr sie das liebt und ich weiß wie sehr sie diesen Moment genießt von ihren Arbeitskolleginnen und Freundinnen für ihren tollen Freund beneidet zu werden.
Wie gesagt, ich kann ein toller Freund sein.
Für viele sind Vivian und ich das absolute Traumpaar. Goals.
Und es ist ihrer Meinung nach nur eine Frage der Zeit, daß wir heiraten.
Wir werden heiraten, das steht fest.
Aber ewige Treue? Naja.
Es ist nicht so, daß ich woanders etwas suche oder gar bekomme, was mir daheim nicht geboten wird. Nein, das Gras ist auf der anderen Seite definitiv nicht grüner.
Es sind einfach solche Momente, wie dieser in dem ich Emily begegnete, die mich in meiner Männlichkeit schwächen.
Emiily ist hübsch. Zwar nicht so hübsch wie Andrea, aber dennoch hübsch.
Lauren war auch hübsch. Und Jessica erst. Und die Französin, dessen Namen ich bis heute immer noch nicht aussprechen kann. Auch die war hübsch gewesen.
Ich könnte von morgens bis abends nur so weitermachen, das ganze Alphabet hinunterzählen, denn ich hatte sie alle. Blondinnen. Brünette. Und Rothaarige.
Latinas. Schwarze. Asiatinnen.
Nein, ich bin bei Gott nicht sexsüchtig. Zu der Einsicht bin mittlerweile gekommen. Tatsächlich habe ich nicht mit allen von ihnen geschlafen.
Maddie zum Beispiel. Ich traf sie, sprach sie an und wir trafen uns. Mir gefiel ihr herzhaftes, ehrliches Lachen. Nicht dieses gekünzelte Lachen, das Frauen gerne vorspielen, sobald ihnen ein Mann gefällt.
Ich kenne all ihre Tricks. Aber meine Tricks sind besser.
Ich bin realistisch, wenn ich behaupte, daß Gott es ziemlich gut mit mir gemeint hat.
Zu meinem guten Aussehen kommt noch mein überdurchschnittlicher Erfolg. Ich bin der perfekte Frauenmagnet. Könnte man meinen.
Aber ich glaube, daß es in Wirklichkeit zwei andere Dinge sind, die meine Erfolgsquote von 100% auszeichnen. Ja, richtig 100%.
Ich bin nicht unwiderstehlich. Aber meine Masche schon.
Ehrlichkeit und Hartnäckigkeit.
Ich mache ihnen nichts vor. Ich habe mich nie als Single ausgegeben und werde es auch nie tun.
Es mag für euch paradox klingen in Anbetracht der Umstände und der Tatsache, daß ich Vivian betrüge.
Aber ich würde Vivian niemals verleugnen. Für so manch einen mag diese Geste zwar nichts bedeuten, doch für mich ist es das Mindeste an Respekt, was ich ihr entgegenbringen kann.
Sie wird in keinem Moment aufhören die offizielle Frau an meiner Seite sein.
Ist das nicht verrückt? Die Lisas, Cassies, Jennys und wie sie alle heißen lassen sich bewußt auf mich ein – obwohl ich eine Freundin habe.
Selbstverständlich ist es mit einem „Ich habe eine Freundin“ nicht getan.
Nein, um Gottes Willen. Der erste Moment ist immer der Moment der Empörung. Der Moment, in dem sie sich umdrehen und weg gehen. Zumindest wollen sie das. Oder täuschen es vor.
Ich lasse ihnen gern diesen Moment der Überlegenheit. Ich gönne es ihnen. Denn schließlich bin ich ja ein Gentleman wie aus dem Buche.
Doch nie länger als 3 Minuten. Die angebliche Mauer der Frauen ist nämlich immer nur innerhalb dieser 3 Minuten zu einzureißen.
Sie waren alle nicht so. Würden sich nie auf einen vergebenen Mann einlassen. Wofür ich sie denn halten würde. Ob ich mich nicht schämte. Was ich nicht für ein Arschloch sei.
Alles schon gehört. Und trotzdem landen sie mit mir im Bett. Aber auch nur, wenn ich es will.
Ich bin mit vier Schwestern aufgewachsen und weiß daher Frauen schon seit meiner Kindheit zu schätzen, wenn auch auf meine eigene Art und Weise.
Sie sind alle etwas besonderes und genau dieses Gefühl vermittle ich ihnen.
In diesem Augenblick will ich einfach nur diese Frau, die mir gegenüber steht. Ich will sie.
Ich werde nicht locker lassen und gehen ohne zumindest ihre Handynummer zu bekommen. Somit kommen wir zum Punkt Hartnäckigkeit.
Glaubt mir, sobald man die Handynummer hat ist der Rest ein Selbstläufer.
Jeden Morgen eine Gute-Morgen-SMS, um ihr das Gefühl zu geben, daß sie der erste Gedanke am Morgen ist und jede Nacht eine Gute-Nacht-SMS, weil sie ja das Letzte ist woran man denkt, bevor man schlafen geht.
Ab und an rufe ich sogar an, wenn die Frau mich besonders reizt – das läßt Frauenherzen ja besonders aufflammen.
Fragen zu meiner Freundin weiß ich gekonnt abzuwehren. „Wem schreibe ich denn jeden Tag und mit wem telefoniere ich gerade?“
Meistens genügen solche Antworten. Und meistens werfen sie genau in diesem Augenblick ihre Wertvorstellungen und Moral über Bord. Falls sie überhaupt welche besitzen.
Versteht mich nicht falsch, ich mißbillige diese Frauen nicht für ihre Entscheidung, denn wir sitzen alle im selben Boot.
Nur daß ich dieses Boot irgendwann verlasse und zu meinem Ufer, Vivian, zurückkehre.
Ich vermisse sie und freue mich sie am Abend wieder zu sehen. Mit ihr zu reden, zu lachen und einzuschlafen. Ich liebe sie.
Selbst in dem Moment, als ich mich langsam in Richtung Emily bewege, liebe ich Vivian.
Unsere Blicke kreuzen sich, als ich lächelnd sage: „Sorry, daß ich dich so plump anspreche, aber du bist mir gerade aufgefallen. Ich bin Barry.“
Ja, auch in diesem Moment liebe ich Vivian.