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So löst man in Wien Probleme II: Hauptsache, ein Dach über dem Kopf
Django ist seit neun Jahren arbeitslos. Von einem kräftigen, jungen Mann, dem keine Arbeit zu schwer wird, wie er es früher in seine Bewerbungsschreiben schrieb, ist nur mehr begrenzt zu sprechen. Seit drei Monaten gammelt er einmal da und einmal dort herum, es ist ja Sommer. Der Grund dafür ist, dass ihn seine Freundin nun endgültig hinausgeschmissen hat, nachdem er nichts anderes mehr getan hatte, als seinen Platz auf der Couch zu einer Grube zu sitzen und Bierflaschen zu heben – am liebsten nur vom Tisch zum Mund, mit einem »Schatz, von dir gebracht schmeckt es am besten!« hat er sich das in frühen Jahren so eingeführt. - Als sie ihn kennenlernte, war er aber auch noch wirklich fleißig: Er arbeitete vierzig Stunden auf der Baustelle und ging nebenbei noch pfuschen. Im Pfusch machte er alles. Da war er Elektriker, Installateur, Bodenleger, Tapezierer, Anstreicher und ein bisschen Tischlern konnte er auch, aber dafür fehlte es ihm meistens an Geduld.
Aber wer so fleißig war wie Django, konnte es sich ja schließlich leisten, nicht selbst zu tischlern. Er kaufte Vollholzmöbel von seinem in Schwarzarbeit verdienten Geld und stellte sie in die Wohnung seiner Freundin; sah darin seine Berechtigung, dort zu sein. Bis zum März eben. Da reichte es ihr, wie er sich die letzten Jahre wandelte und sich von dem Mann, den sie einst glaubte, kennengelernt zu haben, immer mehr entfernte. Es ginge ihr gut, meinte sie, und sie sei nicht auf ihn angewiesen. Immerhin habe sie ja einen Job, nahm ihm die Schlüssel ab und gab ihm eine halbe Stunde, um alles zusammenzupacken, was ihm noch gehöre. Mehr Zeit wäre ohnehin nicht nötig, für die paar Dinge. Danach brauche er sich gar nicht mehr blicken zu lassen.
Im Juni wagte er sich zum ersten Mal aufs Sozialamt. Schließlich hat er zuvor nie etwas damit zu tun gehabt, und da geht doch nur der letzte Dreck hin, hat er immer gehört. Mit zwei Bierchen als Frühstück wird das dann gehen; na, noch ein drittes dazu. So. Jetzt passt er wohl zu den anderen, die dort mit ihm warten werden. Stundenlang warten werden. Inzwischen läßt die Wirkung des Bieres nach, er schwitzt es heraus, es verdampft in die Luft.
Als er gegen Mittag endlich drankommt, schildert er der Sozialarbeiterin sein Problem: »Jo wissen´s, i brauch a Wohnung. Mei Freindin hot mi vorig´s Monat außeg´schmissn. Leb´n tua i jo eh von da Notstandshüfe, oba a Wohnung brauchat i hoit. Und i hob eh no nie wos von eich braucht.«
»Mit Ihrer Notstandshilfe vom Arbeitsamt liegen Sie leider um drei Schilling und fünfzig Groschen über dem Sozialhilferichtsatz. So können wir Ihnen keine Unterstützung zukommen lassen. Wir haben unsere Richtlinien.«
»Oba i wü jo eh net jedes Monat wos von Eich, nua die Ablöse dass ma vielleicht zahlts, hob i ma docht...«
»Wir werden sehen, was wir mit Ihnen machen können. Warten Sie bitte draußen.«
Eine dreiviertel Stunde später wird Django wieder aufgerufen. »Also schaun´s: Sie melden sich am Wohnungsamt für eine Gemeindewohnung an und von uns bekommen Sie heute eine einmalige Geldaushilfe für den Kauf eines Zeltes. Jetzt haben wir ja ohnehin Sommer und es ist warm, da ist doch die Hauptsache, dass Sie ein Dach über dem Kopf haben. Schaun Sie auf die Gründe von der Bundesbahn, da finden Sie sicher ein nettes Platzerl. Wenn Sie bis zum Herbst noch nichts vom Wohnungsamt bekommen haben, melden Sie Sich wieder bei mir, dann schaun wir weiter.«
»Meingott dankschön! Ich küss Ihnen die Füße, Frau Amtsrat! Auf wiederschaun!«
Gebückt und rückwärts gehend verläßt er den Raum.
Django kauft sich ein Zweimannzelt und findet einen idyllischen Platz in Hütteldorf, inmitten der Umkehrschleife der Linie 49, die nett mit Wiese und Sträuchern begrünt ist. Gleich nebenan ist eine öffentliche Toilette, so lebt es sich für Django ganz angenehm über den Sommer und niemand regt sich auf. Seltsamerweise.
Im November erblickt ein Bezirksrat kurz vor dem Aussteigen Djangos Zelt durch ein Straßenbahnfenster. Er wartet, bis die Straßenbahn weitergefahren ist und geht dann direkt auf das Zelt zu. Breitbeinig stellt er sich davor auf, fährt mit den Händen in die Hosentaschen und zieht seine Hose den kugelförmigen Bauch hoch, während er nachdenkt, was er jetzt sagen soll. Er bückt sich, schaut, durch die Körperhaltung bedingt, schief durch den Zelteingang, erblickt Django im Türkensitz darin und sagt: »Guten Tag, was machen Sie denn da?«
»I wohn do.«
»Wie bitte?«
»Ich wohne hier. Des Sozialaumt hot ma des Göd für des Zöt geb´n. Wohnung is no kane frei.«
Der Bezirksrat richtete sich auf, zog die wieder hinuntergerutschte Hose abermals mithilfe der Hosentaschen über den runden Bauch und dachte nach.
»Schaun Sie. Ich komme in einer halben Stunde wieder, länger werden Sie ja nicht brauchen, um Ihre paar Sachen zusammenzupacken. Dann kommens mit mir mit und ich kümmer mich um Ihre Wohnung.«
»Meingott, des is nett von Ihnen! In ana hoibn Stund bin i gstöt, Meister!«
Der Bezirksrat ruft in der Zwischenzeit einen Genossen im Wohnungsamt an. »Du, i hab da an Fall, der wirft ein ausgesprochen peinliches Bild auf unsern Bezirk. Für den brauch ich heute noch unbedingt eine Wohnung.«
»Ja, da werdn ma schaun, was si machen laßt. I ruf di dann z´rück.«
Eine viertel Stunde später telefonieren die beiden wieder miteinander, Django wird abgeholt und sitzt kurz darauf zwischen zwei wichtigen Herren, wo er seinen Mietvertrag unterschreibt und anschließend noch zur Schlüsselübergabe begleitet wird. Django fasst sein Glück kaum. Naja, ein bisserl was ist herzurichten in der Wohnung, aber das kann er ja alles selbst.
Am Wohnungsamt wird gerade eine Wohnung, die seit einem Jahr aufgrund ihres schlechten Zustandes als unvermittelbar galt, zu den vermieteten Wohnungen geschrieben, und Django umarmt »seinen« Bezirksrat. Zum Abschied fragt er:
»Welche Partei muß i do jetzt wählen?«