So löst man in Wien Probleme I: Der Stein des Anstoßes
Aus einem Beisl in der Nähe des Rapid-Stadions in Wien Hütteldorf torkeln vier sichtlich angeheiterte junge Fußballfans. „Geh´ma no zum Karl?!“ – „Na kloa, geh´ma no zum Karl!“ Und so machen sie sich auf den Weg. Der Zweiundfünfziger fährt um diese Zeit nicht mehr, deshalb stützen sie sich, während sie die Linzer Straße entlanggehen, gegenseitig, wahrscheinlich um nicht zu sehr aufzufallen, und lachen laut über jeden Blödsinn, der ihnen einfällt. Und es fällt ihnen viel Blödsinn ein. Sie sind ja nicht von der Sorte, die sinnlos randaliert und kaputtmacht, das gehört sich für einen Rapidler nicht. Aber ihren Spaß wollen sie trotzdem und so machen sie einige sinnlose Aktionen, wie auf einem Palmers-Plakat mit dem Messer den BH der Schönen auszuschneiden, wodurch von den darunterklebenden Plakaten an diesen Stellen eine Milchflasche zum Vorschein kommt. Sie stehen da und lachen laut über ihr vollbrachtes Kunstwerk.
Einige Hundert Meter weiter ist eine Baustelle, da wird der Gleiskörper der Straßenbahn saniert, weswegen auch große quadratische Pflastersteine, mit einer geschätzten Seitenlänge von zwanzig Zentimetern, aufgestapelt sind. Die Vier müssen natürlich irgendetwas damit anstellen, wenn sie schon so auffordernd daliegen, und schon ist die nächste sinnlose Aktion im Gang. Sie tragen acht dieser Steine zu der Bank bei der Haltestelle und stellen jeweils zwei übereinander unter die Beine der Sitzgelegenheit. Danach betrachten sie ihr Werk und ziehen gröhlend weiter.
Einige Tage später gehen die ersten Beschwerden bei den Verkehrsbetrieben und bei der Bezirksverwaltung ein. Die Bank sei zu hoch. Niemand könne darauf sitzen und das sei ja wohl ein Scherz?! Es fühlt sich scheinbar niemand zuständig, weshalb schließlich das Bezirksjournal zu Hilfe geholt wird. Fotos werden gemacht, Passanten befragt und ein Redakteur mit der Sache beauftragt.
In der Ausgabe des nächsten Monats erscheint ein Artikel, daß diese Bank eindeutig zu hoch steht und sich doch die Bezirksvorsteherin darum kümmern solle, daß dieser Mißstand nun endlich beseitigt wird. Es sei ja unmöglich, daß man erst eine Bank herstellt, und dann könne niemand darauf sitzen.
Natürlich will man das in der Bezirksvorstehung nicht auf sich sitzen lassen und so werden einige Bezirksräte zu der Haltestelle beordert, um die Sache zu begutachten und einen Bericht zu erstellen, welcher in der folgenden Bezirksvertretungssitzung vorgetragen und diskutiert wird. Schließlich kommt es auch zu einem Beschluß: Die Gleisbauabteilung der Wiener Linien holt sich ihre Pflastersteine einfach wieder ab! Tobender Applaus unter den Bezirksräten, einige stampfen sogar mit den Füßen, denn so einstimmig hatten die vier Parteien schon wirklich lange Nichts mehr beschlossen – eine ganz grandiose Leistung, auf die sie anschließend auch noch in einem kleinen Beisl mit einem Vierterl Wein anstoßen...
[ 01.08.2002, 23:54: Beitrag editiert von: Häferl ]