- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 6
So ist das Leben
Mein Handy vibriert. Es ist mein bester Kumpel, Jase. Ich weiß, was mir bevorsteht, Gwen hat mich „gewarnt“. Ich möchte nicht mit ihm schreiben. Ich öffne den Chat und hoffe, dass ich mich irre. Wir schreiben: ,,Hi, Karina", Smalltalk, darin bin ich nicht gut, vor allem, wenn ich weiß, dass es um etwas anderes geht. Ich möchte ihn nicht verletzen, aber ich empfinde nichts als Freundschaft für ihn. Ich muss ihm die Wahrheit sagen und das tue ich auch. Ich hoffe, er kann es akzeptieren.
Er kann es nicht akzeptieren. Er hat mich drei Tage lang komplett ignoriert und sich umgesetzt, obwohl er meinte er käme damit klar. Ich fühle mich total verarscht und schlecht, habe ein schlechtes Gewissen. Noch verstärkt durch sein Provozieren eines schlechten Gewissens. Vermutlich war ich naiv,einfach zu glauben wir könnten ,,nur" Freunde bleiben. Dass es so wird wie vorher. Unbeschwert und lustig. Dass er komplett unsinnige Witze reißt, über die ich trotzdem lache.
Wir reden wieder miteinander. Es erinnert mich an die Zeit, bevor er „komisch“ wurde. Aber so unkompliziert konnte es ja nicht bleiben.
Habe ich ihm Hoffnungen gemacht? Ich meine, er erzählte mir, dass er meine Klasse verlassen würde und ich schrieb ihm, dass ich ihn vermissen würde. Aber ich meinte das freundschaftlich, nicht so, wie er es gerne gehabt hätte.
Jetzt fragt er mich, ob ich mit ihm zusammen sein möchte. Da ist sie wieder, die unangenehme Stille, das Schweigen. Soll ich es, die Freundschaft, aufgeben oder für sie kämpfen?
Ich möchte nicht aufgeben.
Er geht auf eine andere Schule und ich gebe auf. Was bleibt mir auch anderes übrig? Ob ich es bereue? Ich weiß es nicht.
Es wird zur Normalität. Mein Leben geht weiter, unaufhörlich. Ich treffe neue Leute und verliere einige wieder aus den Augen, so ist das Leben. Mein bester Kumpel war der erste Schritt zur Akzeptanz dieser Tatsache. Irgendwie bin ich dankbar, dass er es war und nicht jemand anderes, der mir mehr wehgetan hätte.
Zwei Jahre später treffe ich ihn als ich Gwen besuche. Er hat sich verändert. Ist selbstbewusster, ernster, erwachsener. Wir hatten uns schon mit zwölf Jahren geschworen nicht erwachsen zu werden. "Wer erwachsen ist, ist verkrüppelt." So haben wir es genannt. Soll ich wieder nur zusehen? Ich bin sauer, warum soll ich es runterschlucken?
Ich gehe auf ihn zu und stoße ihn "aus Versehen" an.
"Hey! Pass doch auf, wo du hinrennst!"
"Pass doch selbst auf, Idiot."
"Karina?"
"Ne, Gwen weißte?"
"Sei doch nicht so." Er wirkt verwirrt.
"Wie bin ich denn?", frage ich gereizt.
"Komisch."
"Musst du gerade sagen." Ich lache höhnisch.
"Was ist denn bitte mit dir falsch gelaufen?", jetzt wird er wütend.
"Was mit mir ist?! Gar nichts."
"Und wie? Warum bist so anders?"
"Ich und anders? Hast du mal in den Spiegel geguckt?", frage ich ihn fast hysterisch.
"Nur, weil ich mich weiterentwickelt habe?"
"Weiterentwickelt? Verkrüppelt!"
Mir schießen die Tränen in die Augen. Warum? Ich drehe mich um und renne weg, mal wieder.