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So geht wohl die Welt zu Grunde...
Mit einem leisen Knarzen alten, schwachen Holzes und langsam rostendem Metall schwang die schwere Flügeltür auf. Ein Geruch schlug mir entgegen, eine penetrante Mischung aus altem Stein, nassem Holz und menschlichen Exkrementen. Langsam schritt ich an den Reihen der Gittertüren entlang, jede beherbergte eine andere Geschichte voll Trauer, Betrug, Mord oder Eifersucht. Je nachdem, wer in dieser Zelle verrottete. Aber darum ging es mir heute gar nicht, mein Augenmerk lag auf einer weiteren Tür, doch diesmal prunkvoll, mit goldenen Verschlägen und einem diamantenem Türknauf. Ein wenig zu viel Prunk in dieser Umgebung, dachte ich bei mir. Doch das tat nun nichts zur Sache. Als ich näher trat öffnete sich die Tür, lautlos, nur der sanfte Luftzug küsste zart mein Gesicht.
„Mein Herr“ grummelte eine alte, verbitterte Stimme. „In jenem Augenblick, in dem ihr die Tür geöffnet habt, fielen mir gerade meine Augen zu, nach einem langen Tag voll Feuer und Tod.“
Seine Ausdrucksweise war wieder einmal verwirrend für den Uneingeweihten, denn es wäre wohl sinnlos, dass dieser alte Mann hier unten in diesem prunkvollen, einsamen Raum auf Feuer, geschweige denn den Tod stieße.
„Man nennt euch Prophet. Nun, Ich bezweifle, dass ihr wirklich mit dem Gott reden könnt, doch ich wage einen Versuch: Wie werde ich das Unheil los?“
Der alte schaute kichernd zu mir auf, sein rundes Gesicht lag in Falten, je eine für jedes Jahr des Mannes auf Erden.
Seine trüben Augen lagen tief in den Höhlen und seine spröden Lippen knarzten schon beinahe als er anfing zu sprechen.
„Mein Junge… Ich sehe kein Unheil. Ich sehe nur die Erlösung, die über uns alle kommt. Manchmal manifestiert sie sich nun Mal in Form eines Übels. Ich sehe in deinen Augen, dass du kämpfen willst. Aber lass es, Junge. Bleib oder lauf, kämpf oder stirb, es wird nichts ändern. Dein Leben ist verwirkt, wenn du der Erlösung entfliehst Atticus. Denn sie wird nie wieder kommen.“
Genervt verdrehte ich die Augen. Ich bin mit der Hoffnung hierher gekommen der Alte würde mir helfen können, mindestens einen Anhaltspunkt liefern. Aber das war wohl zu viel erwartet.
Ich drehte mich zur Tür und öffnete sie.
Feuer. Lüsterne Flammen schlugen mir entgegen, suchten neue Nahrung. Waffen klirrten, das Schreien sterbender Männer und das Kreischen verängstigter Frauen erfüllte die Luft.
Der Klang von Gestein auf Gestein ließ mich erzittern als die erste Mauer fiel.
Panische Angst erfüllte mich. Mein Verstand schrie ich solle laufen, mein Herz meinte ich solle für jene kämpfen, die ich liebe.
Hastig drehte ich mich zu meinem Gesprächspartner um. Doch anstatt verängstigt zu sein, blieb er ruhig, lächelte sogar.
„Der Herr brachte uns die Erlösung schneller als ich es mir dachte. Es ist Zeit deine Wahl zu treffen Junge. Wirst du kämpfen und in Gottes Himmlischen Palast aufgenommen oder fliehst du und riskierst ein Leben in ewiger Trauer um deine Familie, die nun im Himmel weilt, wo du niemals hin gelangen wirst, wenn du das tust?“
Die Dreistigkeit des selbsternannten Propheten war in dieser Situation unglaublich.
Wütend schlug ich die Tür zu und stellte mich dem Kampf.
Der Geruch brennenden Fleisches hing in der Luft, raubte mir den Atem.
Ein Holzbalken fiel, einem fallendem Engel gleich, von Flammen umhüllt durch die Decke des Gefängnistraktes. In letzter Sekunde hatte ich es dennoch zur Treppe geschafft und außer Atem erreichte ich mein Ziel.
Nun stand ich im Innenhof, das Dorf um mich herum brannte lichterloh, die Flammen peitschten dem Himmel entgegen als wollten sie Gott selbst herausfordern, ihnen Einhalt zu gebieten.
Die schützenden Mauern waren eingestürzt, nicht mehr als ein Haufen Steine, denen die Flammen nichts anhaben konnten.
Betrübt sank ich auf die Knie. Es lohnte nun nicht mehr zu kämpfen, sich zu erheben und einen letzten verzweifelten Versuch zu unternehmen das Schicksal zu wenden. Denn ich wusste es besser.
Eine einzelne Träne rann mir über die Wange, fiel zu Boden und kreierte einen winzigen Teich inmitten des Flammenmassakers.
In diesem Moment zerbrach das Bild vor meinen Augen und ich sank hinab in die Dunkelheit.
So ging nun also die Welt zu Grunde.
Nicht mit einem lauten Knall, sondern mit einem leisen Wimmern.