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Sitzung Eins

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20.02.2002
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Sitzung Eins

„Früher war ich schön, erfolgreich und reich“, sagte er zu seinem Therapeuten. „Jetzt bin ich nichts mehr von all dem.“.
„Glauben sie denn, dass dies ein schönes Leben war?“, fragte er ihn.
„Natürlich. Ich weiß nicht, wie ich die Kontrolle verlieren konnte. Aber wahrscheinlich können sie sich gar nicht vorstellen, wie das damals war“. Sein Blick war ausdruckslos und leer, er schaute den Psychologen gar nicht.
„Erzählen sie mir doch, wie es war damals“.
Er nickte. „Wenn ich reich sage, dann meine ich natürlich nicht, dass ich eine Yacht hatte oder so etwas. Ich war eben gerade so reich, dass ich mir um nichts materielles Sorgen machen musste, und mir alles kaufen konnte, was ich wollte. In Urlaub fahren wann ich wollte“.
Der Psychologe hörte ihm aufmerksam zu und machte sich Notizen. „Beschreiben Sie doch einmal, wie sie gelebt haben.“
Wieder nickte er. „Gut, wenn es dazu gehört. Wo fange ich da an? Vielleicht an einem Morgen in meinem Café bei Marcel. Das war eine Bekannter von uns, also von mir und meinen Freunden. Sie müssen sich einfach ein Café am Boulevard einer großen Stadt vorstellen. Die Morgensonne fällt in langen seidigen Fäden durch die großen Fenster. Alles ist hell und schön. Der Kaffee duftet und die Croissants. Wir sind zu viert. Caroline, meine Freundin, Liesa und Fabian. Wir frühstücken oft zu viert. Entweder hier bei Marcel oder in unsrer Loft am Fluss. Diese Lofts am Wasser waren damals sehr begehrt, wissen sie.“
Der Psychologe lächelte. „Was waren das für Freunde?“.
„Na die waren so wie ich. Stellen sie sich doch einfach eine dieser amerikanischen Yuppie-Serien vor? Nehmen wir Melrose Place, Friends oder Sex and the City. Vielleicht Dawsons Creek“. Kennen sie die überhaupt?“
Er schüttelte den Kopf. „Meinen sie denn das solche Serien der Realität entsprechen?“.
„Ob sie der Realität entsprechen? Natürlich tun sie das. Das ist ja das schlimme. Wenn es so einfach wäre zu sagen, dass ist unrealistisch. Vielleicht ist es unrealistisch für die meisten Menschen, nicht aber für mich. Da wo ich gelebt habe waren die Menschen so. Und ich war so wie sie.“
„Und das fanden sie gut und haben sich dabei wohl gefühlt?“
„Natürlich!“
„Erzählen sie weiter. Beschreiben sie ihre Freunde doch einmal näher. Was hat sie denn zu Freunden gemacht?“
„Gut. Also Caroline war meine Freundin. Ich kannte sie aus meiner zeit als Volontär. Sie war schön so wie wir alle. Vermutlich war sie die schönste Frau die ich getroffen habe und eine andere hätte ich gar nicht gewollt. Aber sie war nicht nur schön, sondern auch intelligent und konnte reden. Wir haben viel geredet und viel miteinander geschlafen. Es war ideal. Sie hatte langes, glattes, blondes Haar. Ihr Haar war so weich und unschuldig wie ihr Gesicht und ihre Augen leuchteten. Sie hatte so unglaublich ausdrucksstarke Augen. Natürlich war sie schlank. Sie hatte kleine feste Brüste und eine makellose Taille. Kenn sie das Gefühl eine solche Frau im Arm zu halten?. Caroline fühlte sich toll an.“
„Sie mochten also nur die Äußerlichkeiten an ihr?“
„Was heißt Äußerlichkeiten. Habe ich nicht gesagt, wir haben viel geredet? Denken sie ich würde mich mit einer Frau abgeben, die nicht reden kann? Ich konnte mir die Frauen aussuchen. Und unter all denen, die reden konnten, die kultiviert waren, da habe ich mir eben die schönste ausgesucht.“
„Und die anderen beiden?“ Der Psychologe sah in seinen Notizen nach. „Liesa und Fabian?“
„Die beiden waren auch ein Paar und gehörten zu unseren Freunden. Na was heißt ein Paar. Sie hatten eine sehr offene Beziehung. Fabian war Tänzer und stand auch auf Männer. Das lebte er aus. Und Liesa konnte sowieso mit jedem schlafen. Und das machte sie auch. Sie stellte da gar keine großen Ansprüche. Das heißt, im Prinzip schon. Nur das sie sowieso nur mit Leuten aus unserer Schicht verkehrte, und da war ihr dann jeder Recht.“
„Und sie trafen sich immer zum Kaffee am Morgen“
„Nicht immer, aber sehr oft. Und nicht nur dazu. Wir unternahmen auch am Abend und am Wochenende viel zusammen. Wissen sie, sie denken da jetzt vielleicht auf den ersten Blick an eine oberflächliche Freundschaft. Aber das war sie nicht, wir alle hatten unsere Probleme und wir halfen uns und wir waren füreinander da. Und wenn sie sagten, dass sie die Fernsehserien, die ich erwähnte, für unrealistisch halten, dann bedenken sie auch, dass auch die Charaktere dort ja Probleme haben. Gerade das macht es ja erst realistisch.“
„Was waren das für Probleme. Also bei ihren Freunden und ihnen?“
„Na ich hatte keine Probleme. Ich fühlte mich gut. Wie ich ja sagte, es war eine tolle Zeit. Die beste. Das es außer Kontrolle geraten ist, das kam ganz schnell, das hatte ich nicht kommen sehen. Aber gut, meine Freunde. Nun, Caroline rauchte sehr viel. Aber das sah man ihr nicht an, nicht einmal wenn man sie sehr genau betrachtete. Sie war ja noch jung. 22. Vier Jahre jünger als ich. Caroline war ständig in Unruhe, sie musste immer etwas tun. Sie konnte nicht entspannen. Das machte sie selbst ziemlich fertig. Nur wenn sie bei mir war, wenn wir miteinander geschlafen hatten, dann war sie ganz ruhig und schlief in meinen Armen. Ich war die halbe Nacht wach und schaute sie. Mein Gott, sie war so schön. Das können sie sich gar nicht vorstellen. Ich habe sie geliebt, wie keine andere Frau.“
„Was ist mit den anderen beiden.“
„Nun, dass Liesa und Fabian sehr offen waren, das hatte ich ja bereits erwähnt. Liesa war unglaublich auf Äußeres fixiert. Also nicht nur darauf, gleichzeitig war sie auch sehr emotional. Vor allem an sich selbst stellte sie unglaublich hohe Ansprüche. Mit jeder Affäre suchte sie irgendeine Bestätigung, doch danach war sie meist sehr geknickt. Zum Glück hatte sie ja Fabian, der das alles mit machte. Selbst schlief er wie gesagt auch oft mit Männern. Eine andere Frau hätte er nie genommen. Das hätte Liesa nicht verkraftet.
„Sie hatten also Freunde, eine gute Beziehung und waren auch beruflich erfolgreich?“
„Die drei Säulen des Glücks? Oder was. Wollen sie auf Freud hinaus? Kommen sie mir ja nicht mit dem.“
„Schon gut. Erzählen sie von ihrem Beruf.“
„Nun, ich hatte also nach dem Volontariat eine Agentur gegründet. Wir verkauften Nachrichten und Dienstleistungen an alle Medien hier in der Region und an viele in Deutschland. Viele große Firmen gehörten zu unseren Kunden. Mein Partner und ich, wir kannten uns von der Uni. Er hatte das nötige Kapital von seinem Vater und unser Geschäft lief gut an. Schon nach zwei Jahren waren wir schuldenfrei“
„Haben sie viel gearbeitet?“
„Die ganze Zeit.“
„Und da hatten sie noch Zeit für ihre Beziehung und die Freunde“
„Ja, es war immer genug Zeit da. Es lief wie von selbst. Alles passte zusammen. Es war das Leben für das ich lange hart gearbeitet hatte. An der Uni, an mir selbst.“
„Sie waren also nicht immer so“
„Nein, ich komme aus einer einfachen Familie aus der Provinz. Damals kannte ich dieses Leben auch nur aus dem Fernsehen. Und ich hielt es für unrealistisch. Aber als ich in die Großstadt kam, sah ich, das es das nicht war. Es gab tatsächlich Menschen die waren schön und erfolgreich.“
„Damit haben sie also eine soziale Kluft empfunden und versucht wie diese Menschen zu leben?“
„Na was heißt versucht wie diese Menschen zu leben. Es war das einzig richtige. Das war es was ich wollte. Ich habe gelernt, gearbeitet und bin in Fittness-Center gegangen, habe auf mich geachtet und eben etwas aus meinem Leben gemacht.“
„Sie versuchten so glücklich zu werden?“
„Finden Sie das ist der falsche Weg? Natürlich wurde ich so glücklich. Ich habe es mir selbst erarbeitet.“
„Das Glück liegt manchmal auch in anderen Dingen. In kleinen Dingen.“
„Ach hören Sie doch auf. Das sagen sich die Versager, damit sie sich besser vorkommen.“
„Wann traten die Angstzustände und Panikattacken zum ersten Mal auf, die sie beschrieben haben?“
„Das war im Theater. Ich war mit Caroline, einem Geschäftspartner und seiner Frau zu einer Premiere eingeladen. Ballett, mit Fabian. Und plötzlich kam diese Unruhe. Sie müssen sich das vorstellen, so wie, wenn man aufgeregt ist. Etwa vor einer Prüfung oder einem Auftritt. Ich zitterte, mein Herz raste, ich bekam keine Luft mehr. Und ich wollte nur noch weg. Und ich weiß nicht wieso.“
„Dann haben sie das Theater verlassen?“
„Ja. Und ich war bis heute nicht mehr in einem Theater. Ich habe Angst davor. Es trat immer häufiger auf. Mit der Zeit. Über Monate wurde die Angst immer schlimmer. Im Büro, auf Sitzungen, überall in der Öffentlichkeit.“
„Haben sie die Sachen vermieden, die ihnen Angst machten“
„Das ist es ja. Ich konnte plötzlich nicht mehr arbeiten, nicht mehr aus dem Haus. Es ging einfach nicht. Können Sie sich das vorstellen? Und ich weiß nicht wieso. Es war doch alles so perfekt. Woher kam denn plötzlich diese Schwäche? Oh Gott, ich habe alles verloren, weil ich schwach wurde. Ich hatte nie Angst in meinem Leben und auf einmal war sie da…“
Er hörte auf zu reden, denn er merkte, dass er den Tränen nah war.
„Nun unsere Zeit für heute ist um“
„Ach, nach 45 Minuten machen sie Schluss. Und was ist, wenn wir auf etwas Wichtiges stoßen? Dann hören sie einfach auf?“
„Wir werden auf viele wichtige Dinge stoßen und wir sehen uns jeden Tag. Wir werden zunächst über ihre Lebensgeschichte reden. Noch einmal von Beginn an…“
„Ich weiß, wie sowas abläuft“
„Gut. Wie haben sie das Medikament vertragen?“
„Wollen sie wissen ob ich mich wieder umbringen will? Vielleicht will ich das. Also geben sie mir lieber noch mehr Tabletten und sperren sie mich ein.“
„Die Schwester wird ihnen zwei Valium geben, dann können sie schlafen. Nehmen sie eine jetzt und die andere bevor sie zu Bett gehen. Und nehmen sie nicht beide sofort. Damit können sie sich nicht umbringen. Und die Wirkung kann in der Nacht nachlassen. Wenn sie sich etwas stabilisiert haben, probieren wir es mit Zoloft. Es ist leicht und gut verträglich. Sie sind doch ein ergeiziger Mensch, helfen sie mit an sich zu arbeiten. Dann finden sie ihren Weg wieder.“
„Es gibt keinen weg mehr.“
„Es gibt immer einen. Denken sie der Tod wird ihnen helfen? Damit haben sie doch dann verloren. Kämpfen sie lieber für ein neues Leben.“
„Jaja“
Die Schwester begleitete ihn zurück zu seinem Zimmer. Er setzte sich in den Sessel und blieb für eine Stunde reglos sitzen. Dann nahm er beide Valium sofort und schaltete den Fernseher ein. Die Abendsonne schien fall durch die Vorhänge und als sie verschwand leuchtete nur noch der kleine Bildschirm in der Zimmerecke. Er fühlte sich ganz ruhig. In einer halben Stunde würde Melrose Place beginnen. Gute Aussichten.

 

Hallo Salinger!

Deine Geschichte hat mir gefallen. Sie liest sich unterhaltsam und interessant, der Dialog ist sehr lebendig. Dazu sehr spannend; obwohl mich das Gespräch nicht gelangweilt hat, habe ich es schnell runtergelesen, um auf die Pointe zu kommen. Diese ist kein Knaller, aber irgendwie ernüchternd.
Ich sitze gerade hier und frage mich, ob die Vergangenheit des Patienten real war oder seine Traumwelt. Hat er den Serienkitsch wirklich gelebt? Oder ist er gerade deshalb in der Klinik, weil er sich auf seine Fantasie fixiert hat?

Übrigens: Du schreibst "Sie" konsequent klein. Du solltest deine Geschichte mal danach durchsuchen und das korrigieren. Außerdem fehlen sehr viele Kommata, aber ich würde Stunden daran sitzen, alle herauszusuchen. Wenn du das behebst, liest sich deine Geschichte besser.

Mfg
xka

 

Ich war lange nicht mehr hier. Trotzdem nochmal Danke für die Antwort. Das mit den Kommafehlern muss ich mir nochmal vornehmen. Mit dem Sie klein, dass ist schon ok so.

 

Wieso ist das "schon ok so"? Mich hat es gestört ... Würd mich mal interessieren.

dayvs GE-ve
xka

 

Wieso soll man den sie nicht klein schreiben. Es ist doch kein Brief. Und selbst wenn der Psychologe den Patienten in der förmlichen Form anspricht empfinde ich es groß geschrieben eher als störend.

Naja, ist jedenfalls Geschmackssache denke ich mal.

 

Ähm. Es ist ein Rechtschreibfehler, "Sie" klein zu schreiben. Du schreibst doch auch "Haustür" nicht klein. "Du" schreibt man IMMER klein, "Sie" IMMER groß. Beides auch im Brief. Das kannst du dir keineswegs aussuchen.

Rechtschreibung ist doch keine Geschmackssache!

Mfg
xka

 

Nein, das stimmt so nicht. In Gedichten ist das erlaubt, in Geschichten keinesfalls.

 

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