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- 15.01.2014
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Sir Teddington gegen die Finsternis
Schon wieder eine Nacht, in der die kleine Miriam nicht richtig schlafen konnte. Auch ihre Eltern wussten mittlerweile nicht mehr weiter. Kaum eine Nacht ohne angsterfüllte Schreie und Miriams Flucht ins elterliche Bett. Und wieder saßen die Drei total übermüdet am Frühstückstisch. Wieder warf Mutter Monika ihrem Mann diesen verzweifelten und entnervten Blick zu.
Was sollten sie nur tun? Was sollten sie nur gegen Miriams Alpträume tun? Und wie könnten sie endlich wieder zu ausreichend Schlaf kommen? “Ich hab da eine Idee.” Vater Michael verließ ohne weitere Erklärungen, von den anderen nahezu unbemerkt, den Frühstückstisch und kam wenige Minuten später wieder. In der Hand hielt er einen kleinen Stoffbären. “Das ist Teddy.” Er gab Miriam den Bären. “Früher, als ich so alt war wie du, konnte ich auch nie richtig schlafen, aber Teddy hat mir dann dabei geholfen.” Miriam beäugte das alte, ausgefranste Stoffding missmutig. “Aber der hat ja nur noch ein Ohr.” Tatsächlich fehlte Teddy das linke Ohr und er machte auch sonst einen sehr mitgenommenen Eindruck. “Ja das stimmt, Miri, der hat auch schon ein paar Jahre auf dem Buckel, genau wie dein Vater, aber den hast du ja auch lieb.” Michael lächelte und Miriam lächelte zurück. Sie betrachtete den Stoffbären nun genauer und kam zu dem Entschluss, dass sie Teddy doch lieb haben würde. Sie brachte ihn gleich hoch in ihr Zimmer und legte ihn zu den anderen Stofftieren in ihr Bett.
Am Abend war es dann wieder so weit. Schlafenszeit. Wie jeden Abend ein schwieriger Akt. Miriam wollte nicht und ihre Eltern unternahmen alles dafür, dass sie es doch tat, obwohl sie genau wussten, dass Miriam in wenigen Stunden doch wieder panisch in das Zimmer ihrer Eltern stürmen würde. “Also. Miri.” Ihr Vater setzte sich noch zu ihr auf das Bett. “Heute brauchst du keine Angst zu haben. Ab jetzt passt Teddy auf dich auf.” Wie jede Nacht wurden Miriams Kuscheltiere ordentlich um sie herum unter die Decke gelegt und genau wie sie zugedeckt. Teddy wurde dabei direkt neben Miriam positioniert. “Aber wenn die Monster wieder kommen, darf ich zu euch ins Bett?” Miriam hielt dabei die Hand ihres Vaters ganz fest. “Natürlich, Kleine.” Er gab ihr noch einen Kuss auf die Stirn und verließ das Zimmer.
Nun war es dunkel. Und still. Miriam verkroch sich sofort unter ihrer Decke. Dort, neben ihren Kuscheltieren, fühlte sie sich einigermaßen sicher. Sie wusste, was ihr wieder bevorstand. Auch wenn es nicht jede Nacht passierte, so waren doch gerade die letzten Tage ganz besonders schlimm gewesen. Dennoch gelang es Miriam einzuschlafen.
“Bist du neu hier?” Es war das neugierige Einhorn Knuffelpuff, das sich zuerst traute. “So ist es. Mit wem habe ich die Ehre?” “Oh, natürlich, ich bin Knuffelpuff.” Das kleine Einhorn verbeugte sich zaghaft vor Teddy. “Mich kennt man unter dem Namen Kuschelhase.” Hervor trat ein flauschiger, rosa Hase. “Ich bin am längsten hier. Es freut mich dich kennenzulernen.” Er reichte Teddy die Hand. “Du bist also Teddy?” Eine kleine, bunte Puppe mit roten Haaren kam ungeduldig herangestürmt. Ihre Stimme war etwas zu schrill und zu laut, aber ebenso herzlich und voller Freude. “Ich bin Maggie Puppins.” Sie umarmte Teddy so fest, dass er kaum noch Luft bekam. “Ok, ok. Das reicht.” Ein gelber Hund kam dazu und befreite Teddy aus Maggies ein wenig zu herzlicher Umarmung. “Ich bin Hundie. Aber vielleicht möchtest du dich jetzt auch mal selbst vorstellen.” Hundie war ein wenig griesgrämig, aber jeder wusste, dass er eigentlich ein herzensguter Kerl war. “Also mein Name ist Teddington, Sir Teddington. Nicht wie bisher fälschlicherweise angenommen Teddy. Ich diente einst einem Jungen und nun hat mich mein Weg hierher geführt.”
Maggie, die Teddington bereits die ganze Zeit neugierig begutachtete, konnte Ihre Frage nicht länger zurückhalten. “Was ist denn mit deinem Ohr passiert?” platzte es aus ihr heraus. Man sah den anderen die Erleichterung deutlich an, denn auch ihnen brannte diese Frage auf der Seele. “Ich … Ich möchte nicht darüber reden.” Die Gruppe, so neugierig sie auch war, merkte, dass sie auf die Antwort wohl vorerst verzichten müssten. “Maggie, sowas fragt man doch nicht!” maßregelte sie Kuschelhase, obwohl er genau so neugierig war. Aber er wusste, was sich gehört und dass man solche Fragen eben nicht einfach so rauspoltert. “Nun, Sir Teddington, ich hoffe es gefällt dir bei uns.” sagte Hundie in einem merkwürdigen Ton. Teddington bemerkte dies nicht, aber die anderen wussten ganz genau, was er damit meinte. “Ja, ich denke hier kann man es aushalten.”
Dann wurde es Mitternacht. “Was war das?” kreischte Maggie flüsternd. Es klang, als würde eine Tür quietschend geöffnet werden. Ganz langsam. Es klang, als wäre es unendlich weit entfernt. Und dann verstummte es auch wieder. “Sei ruhig, Maggie!” knurrte sie Hundie an. “Wir müssen jetzt die Ruhe bewahren. Keiner verlässt die Decke!” ordnete Kuschelhase an. Auch wenn sie es schon oft miterlebt hatten, erfüllte es sie auch diesmal wieder mit entsetzlicher Angst. “Was ist hier los?” fragte Teddington mit kraftvoller Stimme. Er konnte die Aufregung der anderen nicht nachvollziehen. “Es geht wieder los!” zischte Maggie ihn an, bevor sie sich fest mit dem Gesicht in Miriams Schoß eingrub. Knuffelpuff kam panisch angerannt und überrumpelte Teddington. Auch Knuffelpuff versteckte sich wie Maggie in Miriams Schoß. Hundie und Kuschelhase folgten ihnen, zwar weniger panisch, aber im Inneren doch genau so angsterfüllt.
Ein dumpfes Grollen gefolgt von einem gespenstischen Keuchen war nun zu hören. Etwas, das wie krallenbehaftete Schritte klang, kam nun näher. Maggie weinte bitterlich und auch die anderen konnten ihre Angst kaum noch unterdrücken. “Du solltest dir lieber einen sicheren Platz suchen!” ermahnte Kuschelhase. Doch Teddington dachte gar nicht daran. Er wusste genau was hier los war. “Verschwindet!” ließ er mit kräftiger Stimme ertönen. Irgendetwas zupfte von außen an der sicheren Decke. Weitere Schritte und dumpfes Schnaufen waren zu hören. Was es auch war, es war nicht alleine. “Ich bin Sir Teddington und ihr seid hier nicht willkommen!” Dieser Ausruf schien unter den Wesen außerhalb der Decke für Unruhe zu sorgen. Das Keuchen wurde lauter - die Schritte hektischer. Dann konnte man hören, wie sich die Quelle dieser Geräusche entfernte. Erneut das Quietschen der Türe und mit einem Mal herrschte wieder Stille.
Auch Miriam, die während des unruhigen Treibens zitterte, lag nun seelenruhig in ihrem Bett. Sofort sprang Knuffelpuff auf, rannte zu Teddington und blieb wie erstarrt vor ihm stehen. “Wie … Wie hast du das gemacht? Wie hast du die Gruseldinger vertrieben?” Die anderen, angeführt von Kuschelhase, kamen dazu, gespannt auf die Antwort. “Diese Gruseldinger, wie du sie nennst, sind Kreaturen der Finsternis. Sie verfolgen nur ein einziges Ziel: Angst und Schrecken zu verbreiten.” “Und das gelingt ihnen auch!” platzte es aus Maggie heraus. Hundie warf ihr einen strengen Blick zu. Kuschelhase trat indes interessiert an Teddington heran “Kreaturen der Finsternis sagst du? … du kennst diese Dinger also?” Teddington wandte sich ab. “Ich hatte bereits mit ihnen zu tun …” Noch bevor Kuschelhase nachhaken konnte wiegelte Teddington ihn ab “Jetzt ist aber nicht der richtige Zeitpunkt, um darüber zu sprechen. Es ist erstmal Zeit zu schlafen.”
Auch wenn der Gruppe anzusehen war, dass sie noch viele Fragen hatte, beschlossen sie Teddingtons Rat schlafen zu gehen anzunehmen. Sicherlich auch, weil sie alle todmüde waren.
Am nächsten Morgen, nachdem die Sonne bereits aufgegangen war, betraten Michael und Monika Miriams Zimmer und erblickten zu ihrer Überraschung ein friedlich schlummerndes Mädchen in ihrem Bett. Ein Hauch Erleichterung erfasste die gestressten Eltern. Endlich hatte Miriam wieder eine Nacht durchgeschlafen. Behutsam weckten sie die Kleine, es war schließlich Zeit für die Schule. “Na, gut geschlafen?” Miriam öffnete langsam die Augen “Hatte nur ‘nen Alptraum, aber sonst alles supi.” Man sah den Dreien an, dass die durchgeschlafene Nacht ihnen wirklich gut getan hat. So konnten sie den Aufgaben des Tages gerecht werden.
Und so war es auch kein Wunder, dass das Zu-Bett-gehen an diesem Abend wesentlich leichter fiel. Kaum lag Miriam in ihrem Bett, konnten ihre Eltern das Zimmer auch schon verlassen. Wenig später schlief sie seelenruhig ein. “Endlich können wir wieder in Frieden leben.” Gab Knuffelpuff voller Freude zum Besten. “Ja, so macht das Leben doch wieder Spaß” ergänzte Kuschelhase, der sich sonst nicht zu so heiteren Aussagen hinreißen ließ.
Aber die Freude über die Vertreibung der gruseligen Monster war einfach zu groß. Nur Hundie schaute griesgrämig wie immer drein. “Ich glaube ganz so einfach ist das nicht.” murmelte Teddington kaum hörbar. “Wie war das?” quietschte es aus Maggie heraus. “Was meinst du damit?” wollte Kuschelhase wissen.
Doch noch bevor Teddington antworten konnte, riss ein leichtes Kratzen die Aufmerksamkeit an sich. “Oh nein!” entfuhr es Knuffelpuff “Da war doch was.” Die anderen waren derselben Meinung und verharrten nun regungslos lauschend. Keiner wagte es ein Geräusch von sich zu geben, selbst die Atemgeräusche versuchten sie so gut es ging zu unterdrücken. Dann ein weiteres Kratzen, diesmal etwas lauter. Es kam eindeutig von unter dem Bett. Noch ehe jemand in Panik geraten konnte erfüllte ein gespenstisches Hauchen den Raum. “Es ist also doch nicht vorbei.” flüsterte Knuffelpuff mit panischer Miene. “Leider ist es nicht so einfach...” erklärte Teddington enttäuscht - er wusste es schließlich besser.
Erst ein lautes Grummeln, gefolgt von einem ruckartigen Stoß gegen das Bett, erlöste die Gruppe aus ihrer Angststarre. Alle suchten jetzt, so wie sie es immer taten, einen sicheren Platz in Miriams Nähe. Diese begann, wie so oft, unruhig zu verkrampfen und zu zittern. Kuschelhase wollte Teddington gerade zurufen, er solle sofort zu ihnen kommen. Aber auch wenn Teddington ihn noch bei all dem Krachen und Scheppern des Bettes und dem immer lauter werdenden Stöhnen gehört hätte, er wäre nicht umgekehrt. Denn er war auf dem Weg etwas zu unternehmen. Er musste dem unheimlichen Treiben ein Ende bereiten. Er musste diese Wesen der Dunkelheit, diese Monster aus der Schattenwelt, mit aller Kraft bekämpfen. Koste es was es wolle.
Teddington verließ die halbwegs sichere Umgebung unter Decke und begab sich in die Dunkelheit. In dem Moment, in dem er die Decke anhob, wehte ein kalter Wind hinein. Nein, es war nicht einfach nur ein kalter Windzug, es war vielmehr der Hauch eines Wesens, das keine Wärme kennt. “Nein!” schrie Knuffelpuff aus voller Kehle, doch es war zu spät, die Decke senkte sich hinter Teddington und mit ihm verschwand auch die Kälte. Knuffelpuff, Maggie, Kuschelhase und sogar Hundie starrten entsetzt auf die Stelle an der Teddington hinausging.
Das Stöhnen wurde auf einmal entsetzlich laut, fast schon ein Heulen. Kratzige, dumpfe Schritte, wie von Füßen mit todbringenden Krallen, durchstapften den Raum, erst langsam, dann immer hektischer. Es war auch nicht mehr nur eine Kreatur, es waren eindeutig mehrere und sie bewegten sich alle auf die Stelle zu, an der Teddington die Decke verließ. Für einen Moment herrschte vollkommene Stille, die dann von einem entsetzlichen Kreischen zerrissen wurde. Wildes Stampfen, wütendes Grunzen und Prankenhiebe, die ihr Ziel nur knapp verfehlten. Es war ein Kampf auf Leben und Tod. Immer wieder gellende Schreie und Stöße gegen das Bett.
Plötzlich löste ein weiterer Schrei die Situation auf, aber dieser war anders, es war der Schrei einer lebenden Kreatur. Es war Miriam, die von schrecklichen Alpträumen gepeinigt aus dem Schlaf gerissen wurde, genau so, wie es in letzter Zeit so oft passierte. Sofort schnellte sie hoch und rannte schluchzend in das Zimmer ihrer Eltern.
Am nächsten Abend wollte Miriam auf gar keinen Fall in ihr Bett. Zu tief saß der Schrecken der letzten Nacht. Doch irgendwie gelang es Michael und Monika dann doch Miriam, trotz größtem Widerstand, ins Bett zu bekommen. Bevor die Eltern das Zimmer verließen, bemerkte Michael, dass Teddy neben dem Bett auf dem Boden lag. “Hey, was machst du denn hier?” Er hob das Stofftier behutsam auf. Als er es genauer betrachtete bemerkte er, dass Teddy total zerzaust war. Das lag wohl an Miriams unruhiger Nacht, dachte er sich. Behutsam streichelte er Teddys Fell zurecht und legte ihn wieder zu Miriam ins Bett. “Hier, Teddy wird dich beschützen. Du brauchst wirklich keine Angst zu haben.” Miriam wollte diesem Versprechen nicht so recht glauben, aber sie fand sich mit ihrer Situation ab, auch wenn sie große Angst hatte. “Versuch zu schlafen, Kleine.” Michael gab ihr noch einen Kuss auf die Stirn, schaltete das Licht aus und verließ ihr Zimmer.
Miriam konzentrierte sich sofort angestrengt auf das kleine Nachtlämpchen, das ihr ihre Eltern gaben. Auf keinen Fall wollte sie einschlafen. Doch so verzweifelt sie auch versuchte wach zu bleiben, nach einiger Zeit passierte dann doch das Unausweichliche. Sie schloss widerwillig die Augen und schlief sofort ein.
“Teddy! Ist dir was passiert?” wollte Knuffelpuff aufgeregt wissen. Auch Maggie eilte umgehend herbei. “Sir Teddington” keuchte er mühseelig. “Es geht schon.” Teddington raffte sich mühseelig auf. “Was ist denn letzte Nacht passiert?” verlangte Kuschelhase zu erfahren. Und auch bei dieser Frage richteten alle wie gebannt ihre blicke auf den noch leicht taumelnden Teddybären. “Wesen der Dunkelheit. Mächtige Kreaturen. Sie suchen kleine Kinder in der Nacht heim. Quälen sie mit schrecklichen Alpträumen.” Maggie und Knuffelpuff konnten die in ihnen aufkeimende Angst kaum unterdrücken. Es verschlug ihnen die Sprache.
Es war Hundie, der sich als Erster wieder zu Wort meldete. “Und was hast du dann gestern da draußen gemacht? Diese grauenhaften Monstrositäten bekämpft?” Die Ironie in dieser Frage konnte keinem entgangen sein. “Ja.” entgegnete Teddington und ignorierte Hundies Seitenhieb. Das Erstaunen der anderen hätte nicht größer sein können.
“Wie bitte? Du kämpfst gegen diese Dinger?” Kuschelhase wollte es nicht glauben. Maggie entfuhr ein langgezogenes Wow. “Glaub ich nicht. Du bist doch viel zu klein dafür.” brachte Hundie hervor. Er ist nun mal einfach ein Griesgram. Aber auch Kuschelhase schloss sich an. “Das ist doch unmöglich.” “Es ist möglich!” erwiderte Teddington mit Bestimmtheit. “Aber ohne mein Schwert ist es wirklich schwierig. Ich habe es leider irgendwie vor langer Zeit verloren.” fuhr er fort. “Du sag mal, wie sieht dein Schwert denn aus? Es ist bestimmt lang und glänzend, rasiermesserscharf.” Knuffelpuff war schon ganz aufgeregt. “Es ist in etwa so lang wie mein Arm und aus Holz.” Knuffelpuff war seine Enttäuschung deutlich anzusehen. Maggie hingegen wurde ganz aufgeregt. Hektisch zog sie einen kleinen hölzernen Gegenstand aus ihrer blumig gemusterten Schürze. “Sieht dein Schwert vielleicht so aus?” Teddington konnte es kaum glauben.
Sofort ging er schnellen Schrittes zu Maggie, ließ sich das Schwert übergeben und hielt es voller Stolz in der Hand. Er schwenkte es ein wenig hin und her, um sich wieder an den einst so vertrauten Griff zu gewöhnen. “Ja. Das ist mein Schwert.” So froh er jedoch über diesen glücklichen Zufall war, so sehr enttäuschte dieser Anblick doch die anderen, hatten sie sich doch eine eindrucksvolle, magische Klinge vorgestellt. “Dieses Holzding soll dir im Kampf gegen die Wesen der Dunkelheit helfen? Das kann nicht dein Ernst sein.” Hundie machte mal wieder seinem Ruf alle Ehre. Doch bevor Teddington darauf eingehen konnte, wurde die Aufmerksamkeit der Gruppe auf ein Geräusch gerichtet.
Es war das selbe unheilvolle Schaben, wie in der Nacht zuvor. Erst ganz leise, ganz langsam rieben die spitzen, scharfen Krallen über den Parkettboden. “Bitte nicht schon wieder.” bibberte Maggie “Ich halt das nicht mehr aus!” Sofort begab sie sich, gefolgt von den anderen, zu Miriam, um dort einen sicheren Unterschlupf zu finden. Ein grässliches Stöhnen unterstrich die angsterfüllte Stimmung der Gruppe. Endlich verstummte es. Stille. Dann ein Knarren und Knarzen, als hätte etwas den hölzernen Boden zum Biegen gebracht. Ein Stoß gegen das Bett löste dann vollends Panik aus. Auch Miriam begann wieder unkontrolliert zu krampfen und zu zittern. Dann, mit einem Mal, herrschte wieder Stille. Kein Geräusch war zu hören. Alle verharrten in völliger Regungslosigkeit. Ein kreischender, keuchender Schrei zerriss die Stille. Etwas begann an der Bettdecke zu zupfen. Schritte wurden lauter. Mehrere Kreaturen näherten sich dem Bett. Rüttelten und wackelten daran. Wütende, spitze Schreie brannten in den Ohren. Teddington, der sich endlich wieder fing, umschloss den Griff seines Schwertes mit aller Kraft. Er war bereit.
Sofort stürmte er auf das Ende der Decke zu, riss sie hoch und schon sah er sich einer finsteren Kreatur gegenüber. Diese Wesen waren nicht wie Dinge aus dieser Welt, sie waren schemenhaft, irgendwie ohne feste Körper, dunkel, wie lebende Schatten. Ihre Umrisse waren jedoch deutlich zu erkennen, wahrhaft monströs. Dürr, mit langen Gliedmaßen an deren Enden todbringende, scharfe Krallen auf ihren Einsatz warteten. Ihre dornenbesetzten Schultern mündeten in einen dünnen Hals, der den langgezogenen Kopf kaum halten zu können schien. Daher auch ihre gebeugte Körperhaltung. Das Maul - gespickt mit langen Reißzähnen, die nur dem Zweck dienten entsetzliche Schmerzen zu verursachen. Doch Teddington zögerte nicht. Mit einem beherzten Hieb streckte er den ersten Dämon nieder.
Sogleich erkannte er, wie sich die gierigen Biester über Miriam beugten. Sie streckten ihre boshaften Klauen nach ihr aus. Würde es ihnen gelingen, hätte das schreckliche Folgen. Die Berührung dieser dunklen Wesen verursacht schlimme, unheilbare Schäden an der Psyche eines Kindes. Teddington zögerte nicht und preschte los dies zu verhindern. Mit einem Satz sprang er dem ersten Ungetüm entgegen und durchbohrte seinen Kopf. Das Biest viel mit einem ächzenden Schrei zu Boden und löste sich auf.
Doch noch bevor Teddington sich dem nächsten Scheusal zuwenden konnte, erfasste ihn schon ein mächtiger Prankenhieb. Teddington wurde von der brachialen Wucht quer über das Bett geschleudert. Nach einer unsanften Landung fiel es ihm schwer sich wieder aufzurichten, doch er hatte keine Wahl. Teddington berappelte sich wieder - in aller letzter Sekunde - so konnte er einem weiteren Schlag knapp ausweichen.
Zeit zum durchatmen blieb jedoch nicht, schon kam ein weiterer teuflischer Schemen auf ihn zugewetzt, verfehlte ihn nur um Haaresbreite. Von hinten attackiert ihn ein noch ein Dämon, dem Teddington in einer eleganten Bewegung ausweichen konnte und gleichzeitig mit einem kraftvollen Schwerthieb vernichtete. Die übrigen Schattengestalten verschwanden im undurchsichtigen Dunkel unter Miriams Bett.
Ruhe war wieder eingekehrt, doch Teddington wusste, dass dies nur von kurzer Dauer sein würde. Er spürte, dass eine weit größere Prüfung bevorstand. Drei Vasallen des Schattenreiches konnte Teddington besiegen, doch die unendlichen Tiefen der Dunkelheit hielten noch weit schlimmeres verborgen. Dies war nur die Vorhut für etwas weit Schrecklicheres. Er brauchte Hilfe.
Sofort begab er sich zu den anderen, die immernoch ängstlich um Miriam herum kauerten, zitterten. “Teddington!” platzte es aus Maggie heraus “Du hast es wieder geschafft!” “Sind wir jetzt endlich in Sicherheit?” wollte Knuffelpuff wissen. “Nein. Und das Schlimmste steht uns erst noch bevor. Spürt ihr es nicht auch? Es ist kälter geworden. Die Schatten wirken noch dunkler. Und da ist diese Leere, die sich auszubreiten scheint, die langsam ihren eisigen, leblosen Griff schließt.” Keiner der Gruppe reagierte darauf, aber in ihren Augen erkannte Teddington, dass sie es auch spürten.
“Was da auch immer auf uns zukommt… Es ist zu mächtig… Ich kann es nicht besiegen…”
Das Entsetzen in den Augen der anderen war nun unverkennbar. Angst und Panik griff um sich. “Was sollen wir jetzt tun?” wimmerte Maggie. “Ich brauche eure Hilfe!” forderte Teddington. Doch diese Forderung traf auf keinerlei Begeisterung. “Was sollten wir denn schon tun?” gab Hundie missmutig zu bedenken. “Kämpfen!” entgegnete Teddington ohne zu zögern “Wir müssen kämpfen. Es ist unsere Pflicht.” Nun meldete sich auch Kuschelhase, der die Diskussion bisher zu ignorieren schien, zu Wort “Wir sind nunmal keine Kämpfer. Welche Chance könnten wir schon haben, wenn alles, was wir haben dein lächerliches, kümmerliches Holzschwert ist? Sieh doch nur wie klein und stumpf es ist.”
Die Resignation in seiner Stimme nahm auch sofort Besitz von den anderen. Hier wollte keiner kämpfen, keiner glaubte daran, dass sie etwas bewirken könnten. Teddington wollte es nicht wahr haben. Er wusste genau, dass ohne ihre Hilfe alles vorbei wäre. “Manchmal muss man eine Niederlage riskieren, denn wer es garnicht erst versucht, der hat bereits verloren. Und wenn euch die Erscheinung meines Schwertes enttäuscht, dann solltet ihr wissen, die Stärke eines Schwertes hängt nicht von der Größe und Schärfe seiner Klinge ab, sondern von der Entschlossenheit, mit der es geführt wird. Mut ist nicht die Abwesenheit von Angst, Mut ist, seine Angst zu überwinden. Also wer schließt sich mir an, im Kampf gegen das nahende Unheil?”
Wie versteinert blickte ihn die Gruppe an - hatten seine Worte denn wirklich garkeine Wirkung? Ein Rumoren, das eindeutig aus dem Schrank kam, schien der Gruppe auch das kleinste bisschen aufkeimenden Mutes direkt wieder zu entziehen. “Wir haben nicht mehr viel Zeit.” Das unheilvolle quietschen und knarzen der Schranktüre verstärkte die Dringlichkeit seiner Aufforderung. Es konnte jetzt nicht mehr lange dauern. Enttäuscht von der Tatenlosigkeit seiner neuen Freunde trat Teddington den Weg alleine an, gesenkten Hauptes, mit mutlosen, dennoch entschlossenen Schritten.
“Warte!” ertönte es aus dem Hintergrund. “Ich werde dir helfen.” Ratlos, wer sich diesem Irrsinn anschließen wollte, schaute sich die Gruppe gegenseitig an. Knuffelpuff, der nun das Funkeln eiserner Entschlossenheit in seinen Augen trug, trat hervor und eilte an Teddingtons Seite. Hundie und Kuschelhase sahen einander an und beschlossen, dass es sinnlos war, sich diesem aussichtslosen Unterfangen anzuschließen und gingen fort, Richtung Miriam, um dort, wie üblich, Schutz zu suchen. Maggie zögerte noch einen Moment und ging dann doch gesenkten Hauptes fort. Nein, von ihr hatte auch niemand erwartet zu kämpfen, und dennoch fiel es ihr am schwersten.
Teddington und Knuffelpuff machten sich indes in entgegen gesetzter Richtung auf den Weg. Den Weg ins Ungewisse… Kaum hatten sie die schützende Umgebung der Decke verlassen, erfasste sie ein beklemmendes Gefühl. Als sie sich umschauten, bemerkten sie, dass das Zimmer irgendwie anders aussah. Unwirklich, verzerrt, als hätte die Wirklichkeit an dieser Stelle einen Kratzer. Die Schatten um sie herum schienen dunkler als sonst, irgendwie lebendig. Etwas schien sich darin zu verbergen. Augen, die sie beobachteten. Augen von unendlich viele Kreaturen, die warteten. Aber worauf warteten sie?
Noch ehe sie den Gedanken zu Ende bringen konnten, vernahmen sie einen eisigen Windzug, einen leblosen Hauch, der aus dem Schrank herzog. Ein heiseres Stöhnen kündigte das Eintreffen an. Etwas sollte jeden Moment aus der undurchdringlichen Dunkelheit des Schrankes treten. Dumpfe Schritte ließen die enorme Größe erahnen. Ja, dieses Wesen war anders als die anderen, so wie Teddington es geahnt hatte. Schritt für Schritt näherte es sich. Der Raum vibrierte bei jedem Aufsetzen. Allmählich wurde es kälter im Raum, Teddingtons und Knuffelpuffs Atem kondensierte deutlich sichtbar.
Dann war es mit einem Mal still, bedrohlich still. Kein Geräusch war zu hören, nicht mal mehr das Krabbeln und Kratzen der Legionen, die sich um sie herum im Schatten verbargen. Teddington war angespannt bis in die Zehenspitzen, Knuffelpuff riss sich bestmöglich zusammen, beide mit dem Blick eiserner Entschlossenheit.
Knuffelpuff war der erste, der bemerkte, dass sich etwas im Schrank zu bewegen schien. Es war noch dunkler, bewegte sich, ohne sich wirklich zu regen. Noch bevor er etwas erkennen konnte, donnerte ihnen ein angsteinflößendes, langgezogenes Grollen entgegen. “Teddington!”
War es wirklich das, was das Wesen gerade von sich gab? “Teddington!” Tatsächlich, eindeutig, auch wenn es irgendwie fremdartig klang. Teddington erstarrte. Jetzt wusste er, was ihm da entgegen kam. Lord Finstergrimm! Das Scheusal trat hervor. Allein sein Anblick konnte einem das Blut in den Adern gefrieren lassen. Er bestand, wie seine Herrscharen, nicht aus Materie, war lebendiger Schatten, wandelnde Dunkelheit.
Knuffelpuffs Augen hatten ihn nicht getäuscht, Lord Finstergrimm war dunkler als die finsterste Nacht. Seine Anwesenheit schien Licht zu vertreiben, es zu tilgen. Sein knochiger Körper war übersäht mit schrecklichen Dornen und Stacheln. Seine langen, hageren Armen gingen in dürre, knorrige, spinnenbeinähnliche Finger über. An ihren Spitzen befanden sich furchteinflößend lange Krallen - langsam zog er sie über den hölzernen Boden. Tiefe, schwelende Furchen blieben zurück. Sein Kopf ragte von seinem buckligen Schultern hervor. Vier mächtige Hörner wuchsen aus seinem Schädel. Seine Augen waren das pure Böse, dunkle Höhlen umgaben sie. In seinem Maul lauerten sichelförmige Reißzähne, die nur darauf warteten Fleisch zu zerfetzen. Seine Gestalt war schemenhaft, wie schwärzester Nebel. Kein Licht könnten ihn erhellen.
Aber da blitzte auch etwas anderes hervor. Etwas aus dieser Welt. Es hing an einer Kette, aber sie konnten es nicht erkennen. “Teddington! So begegnen wir uns wieder.” Wieder?
Als Miriams Vater noch ein kleiner Junge war, wurde er, wie nun seine Tochter, von schrecklichen Alpträumen heimgesucht. Alpträume, die von der Anwesenheit der Kreaturen der Dunkelheit hervorgerufen wurden, insbesondere von Lord Finstergrimm. Er labte sich an sich an Leid und Angst kleiner Kinder. Damals gaben Michael seine Eltern einen kleinen Stoffbären - Teddington, Sir Teddington. Ihm gelang es, Lord Finstergrimm zu vertreiben - in diesem Kampf verlor er sein linkes Ohr.
Doch im Laufe der Jahre konnte Finstergrimm seine Macht mehren, genährt von Angst und Schrecken, um sich nun rächen zu können. Teddington musterte seinen alten Widersacher und musste feststellen, dass dieser tatsächlich erheblich stärker geworden war. Und dann erkannte er es. Der Gegenstand, den Lord Finstergrimm an einer Kette um seinen Hals trug, war Teddingtons linkes Ohr - nun eine Trophäe. “Gib mir das Mädchen und ich verschone dafür dein Leben.” Teddington zögerte keinen Moment und erwiderte entschlossen “Niemals!” “Dann wirst du jetzt sterben.”
Blitzartig setzte Finstergrimm zum Angriff an, verfehlte Teddington nur knapp. Ein heftiger Kampf entbrannte. Beide zeigten kein Erbarmen, waren zutiefst entschlossen dem Gegner den Gar auszumachen. Knuffelpuff hielt sich verängstigt zurück. Niemals zuvor hatte er gekämpft, geschweigedenn sich so einem Monstrum entgegengesetzt. Er wollte helfen, aber er wusste einfach nicht wie. Unterdes wurde der Kampf Sir Teddington gegen Lord Finstergrimm immer hitziger. Beide teilten verheerende Schläge aus, genau wie sie sie einstecken mussten.
Lord Finstergrimm positionierte sich zwischen der vorderen Bettkante und dem Kleiderschrank, um einen Moment zu verschnaufen. “Knuffelpuff! Ich brauche jetzt deine Hilfe.” Teddington winkte das verängstige Einhorn zu sich, sprang mit einem Satz auf seinen Rücken und rief “Reite so schnell wie du noch nie zuvor geritten bist!” Knuffelpuff, wild entschlossen, galoppierte los, Teddington auf seinem Rücken, dem Herrscher der Dunkelheit entgegen. Jetzt oder nie. Knuffelpuff raste auf die Bettkante zu und sprang.
Finstergrimm konnte kaum fassen was dort vor sich ging und war nicht in der Lage zu reagieren, als Knuffelpuff auf ihn zuflog. Als die beiden nah genug hergekommen waren, holte Teddingt zu einem letzten, kraftvollen Schlag aus. Die Klinge seines hölzernen Schwertes traf Finstergrimm an der Stirn. Die Wucht des Hiebs schleuderte ihn zu Boden. Teddington und Knuffelpuff landeten etwas unsaft auf dem Boden.
Ein entsetzliches Kreischen stach in ihre Ohren. Lord Finstergrimm zuckte und windete sich, fasste mit beiden Händen an die klaffende Wunde an seinem Kopf. Jetzt konnten Teddington und Knuffelpuff das volle Ausmaß des Schadens erkennen. Ein beachtliches Loch, mitten in seiner Stirn, von dem ein Sog ausging. All die Kreaturen, die sich im Schatten verbargen, wurden nun davon angezogen, hineingezogen. Der Sog wurde immer stärker und verschlang alle Abscheulichkeiten, alle verschwanden in Lord Finstergrimms Schädel, bis zuletzt der grausame Herrscher der Dunkelheit selbst hineingezogen wurde. Von dem Loch in seinem eigenen Schädel verschlungen, unter Zischen und Fauchen, ein letztes Aufbäumen, bis er endgültig verschwand. Ein letztes Donnern und dann war alles vorbei.
Eine beruhigende Stille kehrte ein. Es wurde wieder wärmer. Selbst die Dunkelheit wirkte nicht mehr bedrohlich. Es war geschafft. “Ist… Ist es jetzt vorbei?” fragte Knuffelpuff zaghaft. “Ja.” Teddington war Erleichterung, genau wie Erschöpfung anzusehen. Er streckte alle Viere von sich, atmete tief durch und schloss die Augen. “Juhu!” kreischte es vom Bett. Es war Maggie, die hüpfend und springend und jubelnd auf die Helden zueilte. Überschwänglich umarmte sie Teddington. Weniger aufbrausend, aber genau so freudig, kamen auch Kuschelhase und Hundie herbei. “Wirklich gute Arbeit.” lobte Kuschelhase. Sogar in Hundies Gesicht machte sich so etwas wie ein Lächeln breit. Er gab erst Knuffelpuff und dann Teddington die Hand.
“Gut gemacht.” Ausgelassen, erleichtert und froh gingen sie alle gemeinsam zurück auf das Bett, unter die Decke, zu Miriam. Schon bald würde die Sonne aufgehen und ein neuer Tag beginnen.
Am nächsten Morgen wachte Miriam auf. Sie hat gut geschlafen. Sie war fröhlich, freute sich auf den Tag. Vater Michael betrat das Zimmer und staunte nicht schlecht, als Miriam in anlächelte. “Na, hast du gut geschlafen?” “Sehr sogar.” “Das freut mich.” Noch wussten sie es nicht, aber sie würde auch in Zukunft so gut schlafen können. Monika kam dazu und freute sich, wie gut gelaunt ihre Kleine war. Sie bemerkte, dass der Schrank offen stand. Als sie ihn schließen wollte, entdeckte sie einen kleinen Gegenstand auf dem Boden.
Sie musterte ihn und hob ihn schließlich auf. Michael sah das und nahm den Gegenstand an sich. “Das gibt’s ja gar nicht.” Er zeigte Miriam, was ihn so verwunderte. “Weißt du was das ist? Das ist Teddys linkes Ohr. Wie kommt das denn hierhin?” Verdutzt betrachtete er das braune Plüschohr. “Können wir ihm das wieder annähen?” wollte die Miriam wissen. “Aber na klar. Das hat er sich wohl verdient.” gab Monika bekannt. Auch wenn sie es nicht wirklich wussten, waren sie sich doch sicher, dass dieser kleine Stoffbär irgendwie dafür gesorgt hat, dass es Miriam endlich wieder besser ging.
Und so war es weder Größe, noch Stärke, die die finsteren Mächte besiegen konnten, sondern der Mut und die Entschlossenheit der Kleinsten. Ein weiteres Mal hat ein Kuscheltier seine noble Pflicht getan, so, wie sie es überall immer wieder tun.