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Simons Geständnis

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30.03.2003
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Simons Geständnis

Simons Geständnis

Endlich wurde es Abend. Simon hatte den ganzen Tag nur herumgehangen, Musik gehört, geschlafen und eigentlich nichts weiter getan. Er hatte einfach keinen Bock auf die Leute aus seiner Clique gehabt, denn eigentlich hatten die alle ganz andere Interessen als er und so richtig auf einer Wellenlänge war er mit niemandem. Er kam zwar gerne mit in die Disco und so, aber bei vielem, was er mit seinen Freunden so machte, kam er halt einfach nur mit und langweilte sich, weil die ständigen Gespräche über Autos, Mädchen, Musik und Fußball ihm auf Dauer einfach zu oberflächlich waren. Er war eben nicht so wie sie und wollte auch gar nicht so sein. Das merkten die anderen natürlich auch, und Matthias hatte ihm neulich direkt ins Gesicht gesagt, dass er ihn für arrogant hielte. Manchmal glaubte er, der einzige Grund, warum er sozusagen dazugehörte, war der, dass er dauernd mit Patrick rumhing, denn Patrick war ja wirklichüberall beliebt. Und mal davon abgesehen war Patrick auch einer der wenigen Menschen, mit denen er sich so richtig gut verstand und mit denen er über alles reden konnte. Bei allen anderen sagte er meist nicht soviel, sondern hörte nur zu und beobachtete. Ja, guckte wirklich gerne Leuten bei allem möglichen zu und er würde sogar behaupten, dass das Beobachten anderer Leute inzwischen eines seiner liebsten Hobbies war. Simon fand es einfach unheimlich spannend, in der Schule, in der Stadt oder Freitags- und Samstagsabends in der Disco den verschiedensten Leute beim Tanzen, Trinken oder Knutschen zuzusehen. Das war seine Welt, und mittlerweile hielt er sich für einen ziemlich guten Beobachter. Inzwischen brauchte er einen Menschen nur noch wenige Minuten zu beobachten, bis er glaubte, ihn einigermaßen einschätzen zu können. Zumindest hatte er festgestellt, dass er mit seiner Einschätzung oftmals ziemlich richtig lag.
Aber auf heute Abend freute er sich noch aus einem anderen Grunde. Patrick hatte ihm nämlich erzählt, dass er sich heute Abend mit Katie und Thomas im 2001 treffen wollte. Es war zwar schade, dass Katie und Thomas ein Paar waren, aber wenn er die beiden so beobachtete, glaubte er auch, dass das nicht mehr lange der Fall sein würde. Außerdem wusste er von Patrick, dass die beiden oft Streitereien hatten und man erzählte sich auch, Thomas würde Katie ab und zu betrügen.
Voller Vorfreude auf seinen großen Schwarm stand Simon kurz darauf unter der heißen Dusche und konnte an nichts anderes mehr denken. Ja,er war zum ersten Mal in seinem Leben so richtig verliebt, und wenn alles gut lief, würde er heute auch endlich den Mut haben, das zuzugeben. Schon allein der Gedanke an seinen großen Schwarm ließ ihn ganzkribbelig und heiß werden. Doch dann reduzierte er die Temperatur des Wassers auf ein Minimum, stellte es nach einer halben Minute ganz aus und trocknete sich ab. Nachdem er seine Haare ausgiebig gestylt hatte, überlegte er, was er anziehen sollte. Da er sich nicht sicher war, was heute Nacht noch alles passieren würde, musste er selbst die Unterwäsche gründlich auswählen. Ja, eine gute Planung ist durch nichts zu ersetzen, dachte er. Als er diese lebenswichtigen und heute vielleicht ausschlaggebenden Entscheidungen getroffen hatte, besah er sich im Spiegel. Ja, er konnte äußerst zufrieden mit sich sein. Nein, mehr noch, er sah echt verdammt gut aus.
Um kurz nach zehn verließ er gutgelaunt das Haus und raste mit dem Auto seiner Mutter in Richtung 2001. Als er dort eintraf, wartete Patrick schon am Eingang und begrüßte ihn mit den liebevollen Worten: "Warum brauchst du eigentlich immer so lange? Außerdem siehst du aus wie 'n Schwuler..."
Simon lächelte ihn an, weil er wusste, dass Patrick sowas nicht böse meinte sagte aber nichts, und dann wurden sie von den Türstehern auch schon reingewunken ins dunkle und von lauter Musik und krachenden Beats erfüllte Innere der Disco. Patrick traf natürlich gleich Freunde, gab allen etwas zu trinken aus und verschwand dann irgendwann auf der Tanzfläche. So schnell ging das bei Simon nicht, er sah sich erstmal gründlich um, hielt Ausschau nach bekannten und unbekannten Gesichtern, denn irgendetwas gab es immer zu beobachten. Er traf viele von Patricks Freunden, viele Leute,die er nur vom Sehen kannte, aber sogar ein paar Leute aus seiner Klasse, die eigentlich gesagt hatten, sie wollten die Disco boykottieren, entdeckte er. Nur Katie und ihren Thomas hatte er noch nicht gesehen. Er versuchte, sich erstmal auf andere Dinge zu konzentrieren, aber das gelang ihm nicht. Dauernd musste er sich vorstellen, was heute Abend noch alles passieren könnte. So rutschte er nervös auf einem Hocker hin und her und konnte sich nicht mal auf die Musik konzentrieren.
Es war kurz nach eins als er die beiden endlich zur Tür hereinkommen sah.Na endlich. Eigentlich hatte er schon gar nicht mehr mit dem Auftauchen seines großen Schwarms gerechnet. Aber jetzt waren sie ja da und steuerten auch sofort auf die Tanzfläche zu. Katie trug einen ziemlich engen schwarzenRock und ein ebensolches Top, was ihre perfekte Figur optimal betonte, und auch Thomas hatte sich für ein sehr modernes, recht körperbetontes Outfit entschieden, so dass die beiden, sehr zu Simons Leidwesen, ein wirklich schönes Paar abgaben. Und tanzen konnten sie auch noch, das musste man ihnen wirklich lassen. Allerdings glaubte er auch sehen zu können, dass es zwischen den beiden lange nicht mehr so gut lief wie noch vor einiger Zeit. Oder war das vielleicht nur sein Wunschdenken?
Simon beobachtete die beiden jedenfalls neidisch, nur zu gern hätte er die Plätze getauscht. Nach einer Weile traute er sich dann auch mal auf die Tanzfläche und beobachtete die beiden jetzt aus der Nähe. Oh Mann, wie sexy, dachte er, und konnte seinen Blick kaum mehr abwenden. Dieses Gesicht, diese Haare, diese Figur, dieser Arsch, perfekter konnte ein Mensch wirklich nicht aussehen!
Eine Viertelstunde später wurde die Musik dann schlechter, und Simon steuerte direkt auf die Theke zu, an der auch Katie und Thomas jetzt saßen. Als er näher kam wurde ihm heiß und heißer. Und er wusste auch nicht, was er eigentlich sagen sollte. Noch war es Zeit für einen Rückzug. Aber nein, nein, er würde jetzt nicht kneifen. So schwer konnte es schließlich nicht sein, einem Menschen zu sagen, dass man ihn liebte, und außerdem würde ihm wohl niemand den Kopf abreißen.
"Hi, Simon", begrüßte ihn Katie, die ihn ja über Patrick flüchtig kannte, als er sich zwischen die beiden stellte. Thomas klopfte ihm nur auf die Schulter und musterte ihn von oben bis unten. Ob er etwas ahnte, fragte sich Simon, aber nein, das konnte er eigentlich nicht. Bevor eine bedrückende Stille entstand, in der niemand wusste, was er sagen sollte, lud Simon die beiden auf ein Bier ein. Als er dann das Glas entgegennahm, sah er, dass seine Hand zitterte und merkte erst jetzt, wie aufgeregt und erregt er überhaupt war. Er fing ein belangloses, aber nicht total oberflächliches Gespräch über Menschen, Beziehungen und Liebe an und merkte, dass Katie in vielem seiner Meinung war und sogar oft eher ihm zustimmte als Thomas. Na, das war doch schon mal ein Zeichen dafür, dass die Beziehung der beiden nicht mehr lange halten würde,oder? Immerhin. Vielleicht konnte er dann jetzt doch ganz offen sagen, was er empfand. Aber er war sich halt nicht sicher. Irgendwie hatte er panische Angst davor, einen Korb zu bekommen oder sogar ausgelacht zu werden. Aber egal. Jetzt oder nie. Und irgendwann musste er ja mal seinen Mut zusammennehmen und es sagen. Nervös legte er also seinen Arm um den Körper, von dem er sich seit Wochen selig wünschte, ihn berühren zu dürfen,und erklärte mit zitternder Stimme: "Weißt du, ich bin total in dich verknallt, Thomas..."

Christian Dolle, 01/2001

 
Zuletzt bearbeitet:

Öhm... Cooles Ende. Hab ich nicht wirklich mit gerechnet. Hmm... Ich frag mich nur grade, ob das ned eher ne Romantik-Story ist...

Mm... Natürlich würde Gesellschaft auch irgendwie passen... naja. Egal.

Dein Schreibstil hat mir ganz gut gefallen, mir sind ein paar Zeichensetzungsfehler aufgefallen (oder Tipp- bzw. Formatierungsfehler, z.B. nach Komma ohne Leerzeichen weiter).

Am meisten gestört hat mich die häufige Formulierung "sein Schwarm" und die Tatsache, dass er im Gegensatz zu dem, was er sein soll, irgendwie schon ziemlich oberflächlich rüberkommt, während er auf Thomas wartet...

 

Hallo Christian,

mich stört schon der Titel. ;)
Das Coming Out ist heutzutage nun wirklich kein Geständnis mehr. Der Begriff schon lässt schuld assoziieren, etwas wofür man sich schämen müsste.
Gut, du hast die Geschichte für ein Seminar geschrieben, und die Aufgabe hast du mit der Pointe am Schluss bestimmt gut erfüllt. Schließlich lässt Du uns die ganze Zeit glauben, Simon wäre in Katie verliebt.
Insofern hast du die Pointe ja gut gesetzt.
Auch kann man sicherlich am Ende der Geschichte weiterdiskutieren, wie Thomas wohl reagiert, oder wie man selbst an Thomas Stelle reagiert hätte. Da fangen die negativen und positiven Überraschungen ja erst an.
Einer der am häufigsten von mir erlebten Sprüche von voruteilsfreien Menschen ist "Ich habe nichts gegen Schwule, solange sie mich nicht anbaggern".
Genau an der Stelle, an der Vorurteile sich in der toleranten Gesellschaft also zeigen, bist du zugunsten deiner Pointe ausgewichen.
Du schreibst gut und flüssig, die Geschiche lässt sich gut lesen, alleine, sie ist mir zu kalkuliert auf einen Aufbau hin, zu wenig durchdacht was den Inhalt betrifft. Es ging bei dem Seminar wohl eher um die Form als um den Inhalt?
Insofern ja passend zur Zeit.

Lieben Gruß, sim

 

@ Sim:
Da es eine Geschichte war, die vorgelesen wurde, ging es mir hauptsächlich um die Reaktionen. Ich wollte erreichen, dass alle denken, Simon stehe auf Katie und sich am Ende fragen, wieso man davon in einer ach so toleranten Gesellschaft immer noch ausgeht.
Ähm... ich habe dazu auch noch was in dem Treat "Lassen (Kurz)Geschichten Rückschlüsse auf den Autor zu?" geschrieben. Vielleicht klärt das ein paar deiner Zweifel.

Mir ging es hierbei jedenfalls hauptsächlich um die Pointe.
Ganz nebenbei ist die Story zum ersten Mal auf meiner Seite www.storytown.de.vu veröffentlich worden, und dort ist es so, dass die Charaktere durchaus in mehreren Geschichten auftauchen und ich sie deshalb nicht jedes Mal wieder beschreibe und vorstelle.

 

Hallo Christian!
Ich habe mich die ganze zeit über gefragt, worauf das Ganze überhaupt hinauslaufen soll. Insofern kam die Pointe am Ende ziemlich überraschend. Dennoch hätte die Geschichte eine stärkere Aussagekraft, wenn der Leser die Reaktionen von Thomas und Katie erfahren würde. Sicherlich ließe sich das mit dem Seminar vereinbaren, wenn du dem Publikum nach der Enthüllung eine kurze Reaktionszeit lässt.
Zum Schluss würde mich noch interessieren, warum die Hauptperson gerade Simon heißt und ob dieser Name aus einem bestimmten Grund gewählt wurde.

 

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