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Siechen im Dorf
Meistens ruhig. Idylle eines Friedhofes; Häuser sind Gräber moderner Menschen, Blumenbeete eitle Sträuße, niedergelegt zur Dekoration. Seht her, wir leben doch noch- wenigstens im welken Blumenkopf.
Die Straße ist erstarrt, Staubkörner ragen wie Dünen aus der Ebene. Zwischen Fugen wächst kein Wald- Asphaltwüste.
Bläuliche Lichter flackern nachts durch gezierte Fenster, seidene Gardinen wickeln Blicke ein. Polierte Autos spiegeln ferne Sterne nicht wieder, einzig der Silberball schimmert hinter Schleierwolken fahl. Ehemals singende Winde ersticken in kahlen Ästen, wo ein Vogel einsam auf das Ende wartet.
Der Blick starrt in die Dunkelheit.
Das Kind in mir bewahrt sich Bilder, die nicht schmerzen, seit geraumer Zeit schon nicht mehr auf. Erstarrende Welt. Stillstand der Zeit. Karussell dreht rückwärts aus dem Takt.
Spielplatz liegt heut kotverschmiert, verglückt die Schaukel knarrt im Wind. Die Rutsche lacht in ihrem Gelb gequält und schief. Stromkasten surrt sarkastisch nebenan.
Bläuliches Licht flackert nun verschieden dunkel. Zimmer scheinen bewohnt von Leere, von Monotonie, die sich breitet hier im Dorf. Zombieaugen in der Nacht. Wer noch kennt den Geruch nach dem Regen? Geruchsfernsehen würde Nasenhaare jubeln lassen.
An hohen Wänden prallt der Schritt zurück ins nirgendwo, wo ich sonst weile.
Dunkler als die Zimmer kann ein Ort nicht sein, heller nur die schwärzeste Nacht.
Der Hund im Zwinger weint heut müde, tränendes Geheul verschluckt der Asphalt. Eine alte Kastanie hätte sich den Lebensabend anders vorgestellt. Dorfidyll mit sterbenden Kastanienmännchen. Ihre Kinder verrotten an den Wurzeln dieser Nacht.
Wertewandel im Umbruch, gebrochener Baum am Stock. Playstations geben keinen Halt. Fernsehbilder bringen Abstand. Internet rennt andere Wege.
Kinder koksen auch schon hier. Der Vater träumt im Suff nicht mehr. Der Kiosk hat Konjunktur. Mutters Augenlider zerrt das Valium hinunter bis zur Sohle. Pfarrer welken in den Kirchen.
Gullydeckel spucken Nebel. Man muss sich nicht mehr orientieren. Stehen bleiben schützt vorm Fall- mitnichten!
Einzig die blaue Blume darf sich betten unter Sträußen. Ihre Zeit ist um. Beraubt von Technik ist der Atem jener Luft vergangner Zeit.
Auch ich möchte schlafen.
Doch denke ich ans Dorf in dieser Nacht, machen mir die Gräber angst.
Noch bin ich kein alter Mann, der die Tür dem Tode öffnet.