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La mañana
Ein neuer Tag beginnt. Sanft streicht der Wind über die Oberfläche meiner Haut, zärtlich die Berührung der ersten Sonnenstrahlen des Tages. Der Gesang der Amseln flüstert leise in mein Ohr. Verschlafene Kinderstimmen ertönen, die Welt um mich herum erwacht mit mir. Sie ist gegangen. Auf Zehenspitzen hat sie das Zimmer verlassen und vorsichtig die Türe hinter sich verschlossen. Ich habe es nicht bemerkt.
Instinktiv hatte ich ihr in der Nacht den Platz in meinem Bett eingeräumt, von dem ich annahm sie würde ihn füllen. Fest in einander verschlungen hatten wir die Traumwelt betreten, festhalten konnte ich sie dennoch nicht. Sie lies etwas zurück von ihr und nahm ein Stück von mir mit ihr.
Ich drehe mich zur Seite und blicke auf die Stelle in meinem Bett, die einst ihrem Körpern Geborgenheit schenkte. Es fühlt sich an, als könnte ich ihre Anwesenheit immer noch wahrnehmen. Ihr duftendes Haar, das leuchten ihrer Augen. Ein Lächeln breitet sich in meinem Gesicht aus.
Ich bin ihr nicht böse, weil sie gegangen ist, ohne es anzukündigen. Ich verzeihe ihr, dass sie ihren süßen Geschmack mit der Bitterkeit des Zigarettenkonsums trübt. Es ist der Schmerz, den sie zu stillen versucht, es ist die Nähe, die sie zu meiden scheint - die Unabhängigkeit, die sie zu wahren versucht, um nicht verletzlich zu sein für ihn.
La noche
Wider ihrer Gewohnheit, ist sie in einem fremden Bett eingeschlafen. Die Taktik, zu warten bis ihr Gegenüber den Schlaf geküsst hat und sich anschließend unbemerkt zu entfernen, ist nicht aufgegangen. Bei ihm ist sie schwach geworden.
Der feste Griff seiner Arme, sinnliche Küsse, die rhythmische Bewegungen, die gemeinsame Reise, auf die sie sich eingelassen hatten - sie hatte seine Ausdauer unterschätzt, war nicht im Stande gewesen den letzten Funken der Energie zu wahren, die ihr sonst die Flucht nach dem Akt ermöglichte, und alles nur, weil sie sich der Ekstase nicht entziehen wollte.
Diesmal wollte sie ihn, den süßen Nektar der Liebenden. Diesmal war es anders, es reichte ihr nicht sich zu geben, sich zu verschenken und seine Aufmerksamkeit zu ernten. Diesmal vergaß sie ihre Mauer der Unverletzlichkeit, zeigte ihre sensible Seite und öffnete sich ihm in ihrer vollen Gestalt.
El fin del sueño
Schmerzhaft wird sie aus dem Schlaf gerissen. Vergangene Gefühle des verlassen Werdens waren ihr im Traum begegnet. Erleichtert über das hier und jetzt blickt sie entspannt zur Decke seines Raumes. Sie dreht sich zu ihm, sein weiches unschuldiges Antlitz und seine warme Hand auf ihrem Bauch erschweren ihr die Flucht.
Leise verlässt sie auf Zehenspitzen seine Wohnung, unter freiem Himmel angekommen zückt sie, während der Morgen graut, eine von ihren lang ersehnten Zigaretten. Mit tiefen Zügen füllt sie ihre Lunge mit dem bitteren Rauch, der ihr eine scheinbare Erleichterung verschafft.
Und wieder hat sie einen Guten-Morgen-Kuss verschenkt.