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24.08.2003
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Als ich sie das erste Mal traf, sprach sie von Selbstmord. Jetzt spricht sie von Mord. Sie will töten, verstümmeln, foltern, sie hasst.
Als ich sie das erste Mal nach den Gründen fragte, schwieg sie, uns sie schweigt noch immer. Ich hab sie so kennengelernt, sie ist wie eine erloschene Laterne, die sich mit toten Insekten gefüllt hat. Die Wespen fliegen ins Licht und sterben.
Ihr schönes rotes Haar ist jetzt schwarz, ihre einst so glänzenden Augen sind stumpf geworden, die Pupillen dunkel. Sie hüllt sich in schwarze Kleidung, verbirgt ihren Schmerz unter Nieten und Schnallen, unter Buttons und Stickern, hat ihr wundes Herz mit ihren Springerstiefeln zurück an seinen Platz getreten.
Sie spricht davon, jemanden zu töten. Joachim, sein Name. Ihre Stimme - voller Hass. Joachim.
Lange hab ich mich gefragt, womit er den Tod verdient hat. Was hat er getan? Ihr Herz gebrochen? Sie vergewaltigt? Was, wen?
Dann habe ich Joachim getroffen. Es war in einer Disko, jemand hat ihn mir gezeigt. Er gab sich betont sinister, die langen Haare schwarz, der Bart scheint gefärbt zu sein, die Augenbrauen sind hellbraun und wirken lächerlich. Betont deprimiert starrte er in seinen Rotwein.
Er erinnerte mich an sie, wie er sich mit einer lasziven Bewegung eine Zigarrette anzündet, und ich fragte mich, wie sie ihn töten würde.
Ich nannte einen falschen Namen, gab vor, ihn attraktiv zu finden, zog alle Register. Sprach mit ihm über Gedichte und ließ ihn reden, über traurige Bands, von denen ich noch nie gehört hatte, während im Hintergrund Lacrimosa schnulzte. Es dauerte lange, bis er auspackte.
Er sei gefühlskalt, er könne nicht lieben, sein Leben habe keinen Sinn.
Irgendetwas sagte mir, dass er glaubte, die Wahrheit zu sagen. Und ich verstand in diesem Moment, er hat ihr einen Korb gegeben und damit ihr Ego zerstört.
Ich stand auf und wollte zum Klo gehen, als ich sah, wie eine junge Frau auf ihn zulief. Sie umarmte ihn und gab ihm einen Kuss, und er lächelte und legte die Hand auf ihr Bein.
Da sah ich, dass ich falsch gelegen hatte.
Jetzt hat sie mit dem Rauchen angefangen. Sie ist schon bei einer halben Schachtel pro Tag. Selbstmord auf Raten, so nennt sie es.

 

Hallo vita,

eine düstere Kurzgeschichte, die mir leider inhaltlich wenig gefallen hat und bei der ich das Ende nicht ganz verstehe.
Du schreibst, Joachim sei gefühlskrank, er könne nicht lieben. Dann kommt eine junge Frau auf ihn zu, umarmt ihn und küsst ihn. Was mich interessieren würde: Wie hat Joachim darauf reagiert? Hat er dem erwidert, sie auch geküsst und umarmt, oder nicht? Immerhin könne er ja nicht lieben ...
Mit "sie", die mit dem Rauchen angefangen hat, meinst du wohl wieder die andere Frau, um die es zu Beginn deiner Geschichte ging, oder? Erst wollte sie sich ja selbst umbringen, dann lieber Joachim – am Ende dann aber doch lieber sich selbst – durch Zigaretten? :confused:

Etwas störend fand ich die vielen Absätze; ein paar weniger hätten es auch getan.

Viele Grüße,

Michael :)

 

Hi Michael,

danke für deine Kritik. Ich will damit die Gefühlswelt einer Person ausdrücken, die selber an der Krankheit leidet, die Joachim für sich in Anspruch nimmt, allerdings aus einem Gefühl der Loyalität bei ihr, jener Freundin, der er weh getan hat, bleibt. Deswegen auch die vielen Absätze - dadurch will ich die Distanz des Prots zur Situation klar machen.
Ich weiß nicht, ob das so deutlich wird, ihc fürchte eher nicht...
aber trotzdem, danke fuers lesen

 

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