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Sie tanzt

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11.10.2002
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Sie tanzt

Er schaut aus dem Fenster: „Großmutter, Großmutter, ich sehe eine Gestalt, einen Schatten, oben in der Burg. Großmutter ein Geist.“ „Ja, der tanzende Geist, setz sich zu mir und ich will dir die Sage über ihn erzählen.“ „Warum sieht es so aus, als stürbe er? Großmutter ich fürchte mich!“

Sie tanzt. Sie tanzt. Sie tanzt wie ein Engel vor den Augen Gottes. Doch niemand sieht sie, nur ihren Schatten. Sie tanzt alleine und die Musik wird lauter und sie tanzt. Ihr Kleid klebt am Körper und sie atmet schwer, aber sie tanzt. Sie tanzt um zu vergessen. Um alles zu vergessen und nicht zu denken. Sie tanzt. Sie tanzt aus sich heraus, sie sieht sich von oben. Und wie sie tanzt. Sie vergisst, die Gesichter, die Wörter und Geschichten, die Lieder und Sagen. Den Mond. Sie vergisst, dass sie lebt und dass sie denkt und fühlt. Aber sie fühlt. Noch nie hat sie so gefühlt, denn sie tanzt. Der Boden bebt und sie fühlt das Beben und die Musik in ihrem Bauch und in ihrem Herzen. Sie tanzt und fühlt und vergisst. Sie tanzt und die Nacht erreicht sie mehr und mehr, denn sie tanzt und tanzt und hört nicht auf. Sie kann nicht aufhören und will es nicht. Sie spürt, dass sie lebt, aber sie vergisst, was sie spürt, denn sie tanzt. Da beginnt der Mond aufzusteigen, die Musik wird leiser und sie tanzt. Langsamer. Anmutiger. Sie tanzt und schwebt und vergisst. Die ersten eiskalten, blauen Strahlen scheinen durch die großen Fenster. Der Mond ist da und sie muss sterben. Denn sie lebt nur in der Dämmerung, da sinkt sie schon. Die Musik spielt noch leise und sie tanzt und sinkt zu Boden und ein Zittern durchläuft ihren zarten Körper und sie tanzt und stirbt. Die letzten Töne verklingen. Jetzt liegt sie da. Ihr Körper ist leer und tot. Ihr Gesicht ist bleich, der Mond scheint auf den Parkettboden und die weißen Vorhänge wehen im nächtlich kalten Wind. Der Glanz in ihren Augen: verschwunden, doch sie weiß, morgen wird sie wieder tanzen und vergessen, dass sie schon einmal tanzte, dass sie sterben wird. So wird es immer weiter gehen, denn sie ist verdammt. Sie ist verdammt. Sie tanzt.

 

Hallo thorny4g,
hat mir gut gefallen, Deine kleine Geschichte. Sehr stimmungsvoll und bildhaft.
An zwei Stellen bin ich aber gestolpert:

-"Da beginnt der Mond den Himmel zu erglimmen"
Gefällt mir einfach nicht, wenn der Mond den Himmel erglimmt.

-"der Mond scheint auf den Parkettboden"
Für mich klingt hier Parkettboden, wie, wenn jemand in einem wunderschönen Lied plötzlich Kreuzschlitzschraubenzieher singen würde.
Oder Drehzahlmesser.:D

Es kommt sicher immer darauf an, wie man einen Text liest und in welcher Stimmung.
Ich hab die Passagen meiner Frau vorgelesen und die hat es bezüglich des Parkettbodens wieder anders gesehen.
Also, keine Meckerei, nur eine einzelne Meinung.
Kompliment und viele Grüße
Manfred

 

Hi, Dreimeier!
Kann ich echt gut nachvollziehen (hä, wie schreibt man nachvollziehen?), also das mit dem Kreuzschlitzschraubenzieher..., sowas mag ich auch nicht! :) Obwohl mir das bei "Parkettboden" jetzt nicht umbedingt aufgefallen ist! Musste ziemlich grinsen :D als ich das gelesen hab! *lach* ;) Das mit dem Mond....stimmt...passt irgendwie nicht ganz in die Geschichte, hatte ich wohl meine poetische Sekunde... stimmt schon, muss ich ändern.
Dankeschön für die Kritik!
Bye thorny

 

was soll ich sagen?
ich hab gesehen, dass du editiert hast und mir gefällt die endfassung gut.
mit vielen schönen bildern, wie dreimeier schon sagte.
das mit dem paketboden ist mir nicht so sehr ins auge gesprungen, hast ja auch stehen lassen. ;)
ansonsten bye und tschö

 

Hallo thorny4g,

an Deiner Geschichte fehlt mir noch der letzte Pfiff, vielleicht eine allgemeine, nachdenkliche Wendung, es könnte ja um menschliches Verhalten trotz Todesgewissheit gehen...
Gut gefallen hat mir, wie Du den Tanz, die Bewegung vermittelst, auch im Kontrast zu der äußerlich ruhigen Anfangszene.

Tschüß... Woltochinon

 

Eine sehr schöne Geschichte... Sie hatte etwas von einem Kühlen Abendweind +überleg+. Du hast die Stimmung so bildlich rübergebracht, was mir sehr gefallen hat. Zudem finde ich Tanz sowieso faszinierend und Monde mag ich ganz besonders. Hättest Du übrigens an der von Dreieimer erwähnten Stelle das "g" durch ein "k" ersetzt (es hätte dann: "Da beginnt der Mond den Himmel zu erklimmen" geheißen)
wäre mMn die Holprigkeit aus dem Satz verschwunden.
Das Parkett hat mich übrigens nicht weiter gekreuzschlitzschraubenzieherkratzt, würd ich so lassen, hat etwas erhabenes... Wie es in einem Schloss eben so sein sollte :)
Viele Grüße
MadameJack

 

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