Mitglied
- Beitritt
- 26.10.2008
- Beiträge
- 3
Sie sind genau wie du...
Sie sind genau wie du...
Dunkelheit umschloß das Mädchen. Sie saß still auf der Bettkante, um den neben ihr schlafenden Jungen nicht zu wecken. Sie merkte nicht einmal mehr, wie sie wieder abrutschte, sich die Dunkelheit wieder in ihre Gedanken fraß und jegliche Freude aus ihrem Denken und Fühlen verschwand. Wozu sollte sie sich auch die Mühe machen. In wenigen Stunden war sie wieder allein und er konnte sagen was er wollte, sie wußte, daß er nie wieder an sie denken würde. Warum auch. Sicher, er hatte gesagt, daß er sie liebte. Aber was hieß das schon? Jeder konnte diese drei billigen Worte sagen…
Sie schlang die Arme um ihren Körper. Vor wenigen Wochen war sie doch noch so glücklich gewesen. Sie hatte die Dunkelheit verlassen, war in das strahlende Licht des Lebens eingetaucht. Alles nur wegen ihm. Er war es, der sich um sie bemüht hatte. Mit ihm zusammen sah sie zum ersten Mal was es hieß zu LEBEN. Sie hatte mit ihm gelacht, war mit ihm ins Kino gegangen, in den Park. Zu einem ihrer letzten Treffen hatte er Mohnblumen mitgebracht. Sie sind genau wie du, hatte er gesagt, auf den ersten Blick übersieht man sie am Feldrand, doch dann ziehen sie einen in ihren Bann. Und dann erst mit der Wahrheit rausgerückt. Er mußte weg. An diesem Tag hatte er ihr gesagt, daß er sie liebte.
Sie hatte nicht gewollt, daß er sie wieder vergaß. Zu viele vor ihm hatten es getan, sie wollte nicht wieder runterfallen. Sie hatte ihm das geschenkt, was kein anderer je von ihr wieder bekommen könnte.
Bedeutete ihm das überhaupt etwas? Sie lachte bitter in sich hinein. Er hatte gesagt, daß er es schade fände, weg zu müssen. Das Schicksal meint es nicht gut mit uns, hatte er gesagt, kaum daß wir uns gefunden haben, muß ich schon weg. Schicksal. Sie hatte sich in ihrem längst ergeben, als er auftauchte. Wie gut, daß sie immer ihren Pullover angehabt hatte. Was hätte er wohl gedacht? Oder wäre er wie alle gewesen? Immer schön wegschauen, als wäre nichts. Dieses ganze Getue. Niemand hatte ihre stummen Hilfeschreie mitbekommen. Als wäre sie ein unbedeutendes Nichts, so hatten sie doch alle behandelt. Und immer hatten sie ihr gesagt, daß sie doch selbst dran schuld sei, wenn sie keine Freunde hatte, wenn man so eine Art wie sie hatte, dann sollte man sich darüber nicht wundern hatten sie gesagt. Sie sollte sich eben so verhalten, wie es erwartet wurde, wenn sie aber weiter anecken wollte, bitte, dann solle sie machen, hatten sie gesagt. Die Stimmen kreisten in ihrem Kopf herum, immer wieder, anpassen, nicht anecken, anpassen, nicht anecken….
Sie stand ruckartig auf und verließ das Zimmer. Im Flur brannte immer noch Licht. Sie sah die Mohnblumen auf dem Schränkchen stehen. Was hatte er noch gesagt? Sie sind genau wie du. Ihre Lippen kräuselten sich. Ja, dachte sie, sie sind genau wie ich: Tot