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Sie schreiben doch so Geschichten, oder?

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12.01.2004
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Sie schreiben doch so Geschichten, oder?

"Sie schreiben doch so Geschichten, oder?" Eine sonore Stimme links von mir, in dem kleinen Lokal, in dem ich immer so gerne sitze.
Ein Herr, etwa in meinem Alter, gut gekleidet, distinguiert nennt man so was wohl.
Die Gabel bleibt auf halbem Weg hängen und bewegt sich langsam wieder nach unten.
"Äh, ja... warum?" Meine Spaghetti sind gerade gekommen, ich bin ziemlich hungrig.
"Ist so was denn teuer?", kommt sofort die nächste Frage.
"Na ja, es kommt ganz darauf an, was sie denn genau möchten. Einen Roman...?"
"Nein, nein, keinen Roman. Den könnte ich mir bestimmt nicht leisten", erklärt er lachend.
"Also eine Kurzgeschichte?" frage ich hoffnungsfroh. Man ist ja als freier Autor dankbar für jede Einnahme.
"Eine Kurzgeschichte? Hm, wie kurz ist die denn?" will er neugierig wissen.
"Das liegt ganz an Ihnen. Wenn sie eine Kurzgeschichte von zwanzig Seiten wollen, bekommen Sie eine von zwanzig Seiten" erkläre ich ihm, während ich mit den Augen den Ober suche, damit er mir die Pasta noch mal warm stellt.
Er schüttelt den Kopf. "Nein, zwanzig Seiten ist auch viel zu viel"

Mittlerweile habe ich die erhofften Einnahmen bereits deutlich zurückgeschraubt. Der neue Porsche muss wohl noch warten und ein Umzug ins eigene Heim wird mit diesem Kunden auch nicht zu realisieren sein.
"Zehn Seiten?", frage ich zweifelnd.
"Was schreiben Sie denn da so?", kommt jetzt als Frage.

Aha, ich hab ihn. Zehn Seiten also. Jetzt nur nichts verkehrt machen, dann ist zumindest die nächste Rate für das Mofa der Tochter gesichert.
"Na, was immer sie wollen!", verspreche ich großspurig.
"Aber keine Sauereien, dass wir uns da klar verstehen! Ich will keine Sauereien haben, hören Sie?"
"Aber ich schreibe doch keine Sauereien, ich bitte Sie! So was würde ich doch nie machen!", verspreche ich hoch und heilig.
Sein Misstrauen ist noch nicht so ganz verflogen.
"Das können Sie wohl gar nicht, Sauereien schreiben, wie?"
Jetzt bin ich wieder in der Zwickmühle.
"Ich schreibe einfach keine Sauereien! So etwas tue ich einfach nicht", erkläre ich entrüstet.
"Na, dann hab ich sie ja doch richtig eingeschätzt", sagt er mit freudigem Gesichtsausdruck.
"Wissen Sie, ich will was mit Herz...", erklärt er, wobei er wie ein Professor wirkt, der vor seinen Studenten doziert. "...etwas mit richtigem Gefühl" Dabei sieht er schräg zur Decke hinauf.
Ich hingegen schaue durchs Lokal, um endlich einen Blick vom Ober zu erhaschen.
Meine Spaghetti kleben schon zusammen, meine Magen macht mir deutliche Zeichen der Anwesenheit. Es wird irgendwie schwer, sich wegen zehn Seiten voller Herzschmerz zu konzentrieren.

"Und wo und wann soll die Geschichte erscheinen?", frage ich, um endlich zum Schluss zu kommen.
"Erscheinen?"
"Na, in welcher Anthologie, welcher Zeitschrift, welcher Zeitung steht die Geschichte, wenn ich sie geschrieben habe?", frage ich ihn.
"Aber nicht doch! Sie sollen das doch für mich schreiben, doch nicht für eine Zeitschrift" lacht er.
Dieses Ansinnen ist mir zwar neu, aber was tut man nicht alles für den Fahrspaß der Tochter.
"Aber zehn Seiten, das wird zuviel, soviel Platz haben Sie gar nicht", meint er grübelnd.
"Keine zehn Seiten...", frage ich verblüfft, gerade als der Ober mal in meine Nähe kommen will,
"...vielleicht fünf?" Langsam werde ich ungeduldig.
Er schüttelt den Kopf erneut. "Nein, keine fünf. Dafür reicht der Platz nicht"
"Wofür brauchen Sie denn überhaupt eine Kurzgeschichte?", frage ich, jetzt leicht verärgert.
"Kurzgeschichte ist vielleicht nicht so das richtige Wort...", druckst er herum, "...wissen Sie, ich werde nächsten Monat fünfzig...."
"Herzlichen Glückwunsch!"
"...danke! Ja, fünfzig Jahre alt. Und da brauche ich für meine Einladungskarte einen kleinen Text. Aber fünf Seiten? Nein, fünf Seiten sind einfach zuviel. Kriegen Sie das hin mit, sagen wir, hundert Worten?
Und was würde mich das überhaupt kosten?"

"Ober, zahlen!"

 

Hallo Compuexe und herzlich willkommen bei uns.

Schon, dass ich es zwar nicht so, aber doch so ähnlich kenne, nimmt mich für deine Geschichte ein. Allerdings sind es meist weniger snobistische Herren, die meinen meine Prosa über fünf Zeilen für eine Einladungskarte kaufen zu können, sondern eher Verwandte, die zwar meine Geschichten nie lesen würden, aber wann immer irgendwo eine Silber- oder goldene Hochzeit ansteht, ein Jubiläumsgeburtstag oder etwas in der Art, sich der verschmähten Begabung erinnern, um (natürlich umsonst) eine dieser blöde gereimten Zeitungen über den Jubilar oder das Jubelpaar erstellen zu lassen, möglichst im Versmaß des Schneewalzer oder der Polonaise Blankenese.
Insofern finde ich deine Satire über die Missachtung von uns Schreiberlingen ja schon wieder fast zu nett.
Du hast sie aber flüssig geschrieben und es bringt Spaß sie zu lesen.
Das ist finde ich schon viel.

Lieben Gruß, sim

 

Hallo Compuexe,

zunächst einmal herzlich willkommen hier auf kurzgeschichten.de und sofort ein kleines Lob von mir, denn dein Einstand ist schon mal nicht schlecht.

Die Geschichte hat mir gefallen, wenn auch sie allenfalls einen Hauch von Satire aufbringt, vielleicht sogar eher als sog. Realsatire zu bezeichnen ist, denn diese Art Mensch ist immer mal wieder in allen Bereichen des gesamten Dienstleistungssektors vertreten und kann einen schlicht in den Wahnsinn treiben.
Du schilderst im Prinzip, die Realität und eine Situation, wie sie exakt so stattfinden könnte.


In die Situation des Protagonisten konnte ich mich sehr gut versetzen, seine zunächst hohen Erwartungen und Hoffnungen, die immer weiter zusammengefaltet werden.
Dein Text birgt gute Alltagssituationskomik.
Sprachlich hab ich nichts Negatives zu bemerken.

Weiter so!

Gruß
lakita

 

Hallo Ihr beiden.
Das ging ja schnell. Habt Dank für die nette Begrüßung. Ich werde in den nächsten Tagen noch mehr posten, mal sehen, wie eure Reaktionen dann sind. :-)

 

Hallo Compuexe,
hat mir gut gefallen, dein Text. Lockerer Stil und Fehler sind mir auch keine aufgefallen.:)
Zudem war es auch noch spannend zu lesen, da ich unbedingt wissen wollte, wo denn nun sein Text veröffentlicht werden sollte. Mit einem Geburtstagskartentext hatte dein Prot wohl nicht gerechnet.

LG
Blanca

 

Hallo Compuexe.

Mir hat die Geschichte auch gefallen. Zwar musste ich nicht gross lachen, aber sie hat mich unterhalten. Ich konnte mir die Situation sogar bildlich vorstellen weil du sie so gut beschrieben hast. Wirklich tolle Geschichte.

Viele Grüsse

Norther

 

Hallo Compuexe,

ich fand die Geschichte schon amüsant, würde sie aber nicht wirklich eine Satire nennen. Dazu hätte es mehr Biß bedarft.

Wie bereits gesagt, sie scheint aus dem Leben gegriffen, hat also für viele hier Schreibende einen hohen Wiedererkennungswert. :D

Sprachlich habe ich nicht viel auszusetzen. Nur: der erste Satz gefällt mir nicht so, besser gesagt die ersten zwei. Daß der Anfang der Geschichte der Titel ist, mag Geschmackssache sein, mir gefällt es nicht unbedingt. Aber gut. Im folgenden Satz fehlt mir irgendwie ein Verb. Der Satz klingt so etwas komisch und paßt meiner Meinung nach nicht zum Stil der (restlichen) Geschichte.

LG
Bea

 

Geschrieben von arminius
Bitte Freistelle lassen nach den drei Punkten...Bitte ein Komma statt einem Punkt, danke...Wieder Komma statt Punkt bitte, ich kann nichts dafür oder dagegen, so ist die Regel, sorry. Kommt im Text wiederholt so vor, werde es nicht mehr ankreiden, schau selbst mal nach, hm?

Hmm, ich kenn die Regel so, dass man ein Komma macht, wenn es irgendwo weitergeht, nicht wenn der Satz beendet ist.


Korrekte Sache, habe nichts auszusetzen, tut mir auch gar nicht leid, habe allenfalls zu danken - vielleicht einen Auftrag zu verteilen? (Werde 38 irgendwann, wenn ich Glück hab...)

Hach, noch mal 38 sein! :-)

Wieso bloss hat Ody nie von Dir erzählt? Und warum interviewst Du ihn und nicht umgekehrt?

Hmm, vielleicht weil wir uns nur durch das Interview kennen? Ich hab ihn gefragt, er hat zugesagt, ich hab ihn interviewed, fertig. Und ab und zu seh ich ihn noch in einem kleinen, feinen Forum, in dem wir beide mItglied sind.
Und interviewed wurde ich schon genug, muss nicht sein. :-)

Und was sagt Herr Wickert zu Deinen Tagesthemen? Ich glaube, ich muss mal wieder allen in den Arsche treten...

Odyyy...!!!

Jau, tu das.

 

Geschrieben von arminius
Oder soll ich? Dann schaun mer mal, was ein Interview so alles sein kann, Du warst viel zu sanftpfotig mit ihm...
Wenn du willst, dann tu das.


*:eek1:*...
Du weisst also mit am besten, dass 38 voll das schwierige Alter ist - also schone mich...

Nee, 38 ist leicht, schwierig wirds nach 45.:D

 

Geschrieben von arminius
(Du glaubst also darüberhinaus, nach einem Punkt dürfe man klein weiterschreiben? Boah, Du bist gefährlich, goil...!)

Nach einem Punkt nicht, aber nach einem Punkt und einem " :D

 

Geschrieben von arminius

Wie auch immer: Mal sehen, wer von uns morgen im Korrekturcenter seine Texte wiederfindet -


Sofern ich morgen noch da bin, du weißt ja, ich bin schon fast soweit.

 

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