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Sie hat ja Geburtstag
Ich erinner mich noch gut an den Abend, obwohl es schon lange her ist. Aber diesen besonderen Abend kann man einfach nicht vergessen.
"Hey, was ist? Kommst du mit ins ´cacao´?" Ich seufzte auf. Nein, ich habe keine Lust, wäre die richtige Antwort gewesen. Ich wollte heute Abend ausspannen, alleine sein, ekelhaft kitschige Musik hören und an meinen perfekten Exfreund denken, den ich ja doch nicht mehr zurück haben könnte und natürlich mich selbstbemitleiden. Selbstmitleid ist doch etwas herrliches! Aber stattdessen murmelte ich ein genervtes "Okay" in den Telefonhörer. Heute Abend kann ich sie, Tania, nicht versetzen. Immerhin hat sie heute Geburtstag und ich wusste genau, was sie damit bezweckte. Unserer, ohnehin schon kaputter Freundschaft, wieder etwas Leben einzuhauchen. Seit einem Jahr versuchen wir das nun schon, ohne jeden Erfolg. Aber sie hatte ja Geburtstag. Okay. Also gut.
Genervt wühlte ich in meinem Kleiderschrank nach etwas passendem. Wenn ich schon in diese Kiddie-Kneipe fahre, dann will ich wenigstens gut aussehen. Vielleicht wird es ja auch gar nicht mal so schlecht.
Seufzend betrachtete ich mich im Spiegel. Ein bisschen Kajal, ein bisschen Mascara. Mehr brauchte es nicht. Jacke schnappen, Treppe runter hetzen und ab ins Auto zu Tania die schon ungeduldig gewartet hatte.
Die Jungs, die uns mitnahmen, ich hatte sie noch nie gesehen. Wer weiß wo Tania sie dieses mal aufgeschnappt hatte. Scheinbar hatten sie alle schon gut einen im Tee, sie gröhlten und sangen zu irgendwelchen Discoliedern. Nein, meine Welt ist das nicht, mit besoffenen Bauern ins ´cacao´zu fahren. Was sollte ich dort eigentlich?
Tania, auch schon gut angetrunken, grinste mich dümmlich an. "Ach, dass wird heute bestimmt lustig, meinst du nicht? Wir haben ja schon lange nichts mehr zusammen gemacht!" Ahja. Dieselbe Leier wie jedes mal. "Mh ja. So wie jedes mal wenn wir unterwegs sind" grinste ich gekünstelt zurück. So wie jedes mal? Jedes mal versuche ich irgendwie Spaß zu haben, aber es ist jedes mal das Gleiche: langweilig. Niveaulos betrinken, ein paar Männer um den Verstand bringen um sie dann eiskalt abzuservieren. Ich hasste es!
Am Tresen bestellte ich mir etwas alkoholisches zu trinken. Nur mit Alkohol ließ sich dieser Abend halbwegs überleben! Ich schaute mich um und musste grinsen. Süß, diese Mädels mit ihren tiefen Ausschnitten und den so knappen Hosen, dass der Tanga rausblitzte. Es war egal was man anhatte in diesem Alter. Hauptsache viel Haut zeigen, dann kommen die Männer von ganz allein! So hatte ich mich nie benommen. Auch heute hatte ich etwas "normales" an. Zwar nicht prüde, aber auch nicht zu sexy. "Baby, schau mal, da ist er!" raunte mir Tania betrunken ins Ohr. Wer? Sie zeigte auf einen muskulösen, schwarzhaarigen Mann. Sah wie ein typischer Macho aus. "Und? Was ist mit dem?" Tania schaute mich an, als ob ich gerade jemanden erstochen hätte. "Mario! Ich hab dir doch von ihm erzählt, dieses Arsch hat mich abserviert." Aaah.. langsam erinnerte ich mich. Mit besagtem Mario hatte Tania diese Affäre, von der sie immer noch schwärmte. Ja, wahrlich, sie war verliebt in ihn. Aber er wollte nur Sex. Aber was zum Teufel ging mich das an? "Ah schön. Mit sowas warst du im Bett? Den würde ich nicht mal mit der Kneifzange anfassen" giftete ich schon etwas benebelt. Man, die Getränke hier wirkten immer noch gut. "Baby" säuselte Tania "Könntest du nicht..?" Oh nein! Nein, nein, nein! Ich wusste, was sie wollte. Sie wusste auch, dass ich es konnte: ihm wehtun. Rache üben für die kleine, liebe Tania. "Ich hab doch heut Geburtstag" flötete sie weiter. Stimmt. Da hatte sie Recht. Ich exte mein Getränk, es wirkte schnell und änderte genauso schnell meine Meinung. Warum eigentlich nicht? Was war schon dabei? Ein bisschen Spaß heute Abend.
Ich schlenderte also übers Parkett langsam zu ihm rüber. Stellte mich an einen nah plazierten Tisch, bestellte mir noch etwas zu trinken und beobachtete ihn. Mein Gott, was hatte Tania bloß für einen Geschmack? Unerträglich der Gedanke, dass sie mit so etwas eine Affäre hatte. Trotzdem lächelte ich süßlich zu ihm hin, wartete auf die übliche Gegenreaktion. Hui, dass geht ja schnell bei ihm! Er nahm Blickkontakt mit mir auf, lächelte. So, dass war das Zeichen. Ich schlenderte zu ihm rüber, ohne zu wissen, was ich eigentlich sagen sollte.
"Hey" bekam ich gerade noch raus. "Hallo. Ich bin Mario". Und so kam es dann, dass wir uns unterhielten. Nach und nach erfuhr ich von ihm, dass Frauen für ihn so etwas wie Trophäen waren, für ihn war Sex eine Freizeitbeschäftigung, ein Hobby. Das er seine One Night Stands längst nicht mehr zählen konnte, merkte ich sofort. Er war das typische Macho-Klischee: Kein Beziehungstyp, nur Sex. Und er fand heraus das ich für sowas nicht zu haben bin.
Es wird nicht leicht mit ihm. Sowas ist schwer zu knacken.
Oder doch nicht? Auf einmal schien das Blatt sich zu wenden. Wie er mich ansah! Ein langer, intensiver Blick. Er machte sich scheinbar Gedanken. Und dann dieses langsame Lächeln.
Es ging mir durch und durch. Verwirrt suchte ich im Raum nach Tania. Sie war nicht zu sehen. Verdammt, wieso bin ich jetzt so nervös?
Ich wusste auf einmal, dass dies kein Spiel bleibt. Diese Geschichte hier wird nich heute oder morgen vorbei sein. "Tania" dachte ich, "Es tut mir Leid, aber ich werde dir wohl wehtun".
Ich wusste es einfach.
Was genau ich wusste, wusste ich nicht. Aber ich wusste es einfach.
Ja, erinnere ich mich. Es war wirklich ein besonderer Abend. Gähnend streckte ich mich im Bett, drehte mich um und sah ihn an.
Er schlief wie ein Baby! Ich musste lächeln. Zärtlich küsste ich ihn wach.
"Hey mein Schatz" er lächelte so süß! "Guten Morgen Mariohase" grinste ich.
"Weißt du was?" entgegnete er. Ich sah ihn fragend an.
"Ich liebe dich!"