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Sie hätten Gott wenigstens ordentlich begraben können
C. blickte nach oben, suchend. 'Der Himmel ist eine Salzwüste,' dachte er. 'Gottes Knochen funkeln manchmal drohend und netzhautzerfetzend grell, aber wir können die Augen nicht schließen, die innere Nacht würde uns ebenso blenden.'
Er war ziemlich müde und ein wenig hungrig, nur ein wenig, 'nur -'. Die Leute eilten an ihm vorbei.
'Der Mond ist Gottes Kieferknochen, die Sterne seine ausgeschlagenen Zähne. Die Prediger sind doch nur Astropaläontologen, manche nur Grabräuber, sie sind wie Märchenerzähler, die eine Abenteuergeschichte zusammenlügen und dann einen zerkratzten Plastikring als Beweis für den angeblich gefundenen Schatz vorzeigen.'
Er saß da, die Hände in den Taschen, und dachte nach. Das graue Gebäude war mit Lärm erfüllt, schmerzhaft helles Licht fiel durch die riesigen, gelbschmutzigen Fenster an der Decke. Die Leute eilten geschäftig und versuchten dabei, den kaugummiklebrigen, pommesfettigen Asphalt nur möglichst wenig zu berühren. C. saß auf diesem Asphalt.
Zusammengesunken, resignierend wartete er. Er hatte ein wenig Hunger.
'Ha, sie hätten Gott wenigstens ordentlich begraben können,' dachte C. 'Tagsüber kann man ja kaum auf die Straße bei dieser optischen Kakophonie. Sonnenlicht beißt, fast so schlimm wie Neonlicht. Nur nachts ist es manchmal erträglich, Sternenlicht ist sanft. Verdammte Scheiße, das mit Gott.'
In diesem Moment kam sein Zug - verspätet, grau und dreckig wie der Rest der großen Bahnhofshalle, aber immerhin...
'Hoffentlich komme ich nicht zu spät, Marcus kriegt das Geschäft mit den Franzosen doch nie allein geregelt, und dann gehen uns ein paar Tausender durch die Lappen. Ist die Bahn eigentlich schuld an allem Atheismus? Morgen muss ich unbedingt mal ausschlafen.'