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Sie birgt Zeit

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31.07.2001
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Sie birgt Zeit

Zoe saß auf dem Boden, am Fuße der großen Standuhr, die sie vor nicht ganz einem halben Jahr auf dem Antikmarkt vor der Stadt erstanden hatte.
Eine große Uhr. Aus ihrer Perspektive schien sie bis an die Decke zu ragen. Sie fuhr mit einem Finger langsam die geschwungene Maserung des dunklen Mahagoniholzes nach, lauschte dem gleichmäßigen, aber schwer zu vernehmenden Geräusch, welches das große Pendel hinter der getönten Glasscheibe verursachte. Beides beruhigte sie und ließ ihre Gedanken in sanften Bahnen Dinge durchdenken.
Aber natürlich machte es sie nicht müde.
Sie hob den Kopf und verfolgte den mächtigen Minutenzeiger. Er war aus schwarzem Metall, hatte Verzierungen und Windungen, die sie an die geschwungenen Blattformen einer dunklen Lilie erinnerten. Bald würde er den kürzeren, aber im Umfang mächtigeren Stundenzeiger eingeholt haben. Am unteren Ende des marmornen Zifferblattes – zum sechsten Mal seit Mitternacht.
Entspannt verfolgte sie beider Bahnen und der Wettlauf begann von Neuem.
Vor sechs oder sieben Nächten hatte sich diese gewisse amüsierte Ruhe eingestellt, mit der sie nun ihre Lage betrachtete. Ruhe und eine langsam wachsende Neugier, der Wunsch, den Sinn hinter ihrem Wachsein zu erfahren. Zuvor war da Akzeptanz gewesen, welche der Resignation gefolgt war. Sie schätzte sich glücklich, dass sie diese Phasen überstanden hatte; ein wirkliches Gefühl, einen Bezug zu dieser Zeit gab es nicht mehr. Seit sie die Nächte durchwachte, waren diese – und auch die Tage dazwischen – zu einer warmen, weichen Masse geworden, die sich nach Belieben ihren forschenden Gedanken angepasst und jedem Vorstoß anstatt Widerstand nur Einlass in das dunklere Innere gewährt hatten. Dort waren diese Gedanken dann verendet – was vielleicht das falsche Wort war. Eher waren sie langsam und friedlich dahingegangen wie ein Erfrierender, den die Kälte am Ende gleich einer warmen Decke umgibt.
Mit dem Wechsel in die jetzige Phase hatte sie das Forschen sein lassen. Sie akzeptierte nun den weichen Ring um ihre jüngste Vergangenheit und vergaß ihn somit zusehends. Langsam hingegen erwachte das Interesse an dem, was kommen sollte.

Es war natürlich nicht so, als wüsste Zoe nichts mehr von ihrem Leben, von den vergangenen Wochen, dem gestrigen Tag oder dem grauenden Morgen. In zwei Stunden würde sie ihren Platz vor der Uhr verlassen, sich im Bad frisch machen, die Kleidung wechseln und zur Arbeit gehen. Den Tag dort durchstehen, dann einkaufen, in ihre Wohnung zurückkehren und sich auf ihr Bett legen. Dort würde sie zwei, drei Stunden in einen traumlosen Schlaf sinken und zum frühen Abend wieder aufwachen.
Dann, wenn die Uhr rief.
Was sie faszinierte, war der Umstand, dass sie sich irgendwann einfach von der Welt gelöst hatte. Dass sie jenes Leben einfach nur noch nebenher lebte. Dass es für sie bedeutungslos wurde; dass sie für das Leben bedeutungslos wurde. Sie fragte sich, ob sie etwas Besonderes an sich hatte, etwas, das vielleicht langsam nach oben drang, zu dem sie einen Schlüssel finden musste. Vielleicht in diesen langen Nächten.
Es war zuerst sehr beängstigend gewesen, auch das wusste sie noch. Die erste Zeit, da sie in stiller Angst im Dunkeln lag, ihrem Atem gelauscht und sich gefragt hatte, wie so etwas von einem Tag auf den anderen einfach passieren konnte.
Nie mehr Schlafen in der Nacht.
Zoe erinnerte sich nicht an die Nacht, in der sie das Bett zum ersten Mal verlassen hatte. Sie hatte nicht auf der weichen Matratze bleiben können. Schön und gut, wenn man schlief. Aber Stunde um Stunde auf ihr wach zu liegen, verursachte nicht nur dem unsteten Geist Qualen; der menschliche Körper scheint nicht dafür gemacht. Rückenschmerzen, Kopfschmerzen, egal in welche Position sie sich gedreht hatte. Also war sie aufgestanden und hatte das Bett gegen den harten Boden des Wohnzimmers getauscht. Zuerst, um fern zu sehen, sich müde zu sehen. Um zu lesen, Rätsel kreuzweise zu lösen, während sie ihre sämtlichen Schallplatten durchhörte. Dass die Uhr genau neben ihr stand, war wohl nur purer Zufall gewesen. Irgendwann hatte sie alles beiläufige Tun aufgegeben und sich nur auf die stille Nacht und auf die Wechsel dieser inneren Phasen konzentriert. Und war sich mehr und mehr der Uhr bewusst geworden. Einem möglichen Schlüssel.

Die Zeiger hatten sich weitergedreht. Das Pendel schlug regelmäßig aus, edel in seiner Gleichmäßigkeit. Die ganze Uhr war ein Werk vollendeter, schlichter Schönheit. Sie war ihr gerade aus diesem Grund aufgefallen. Kein überflüssig geschnitztes Beiwerk, keine Engel, Schlangen, Rosen hielten den hölzernen Korpus umschlungen oder drängten sich an ihn. Die Schönheit des Holzes an sich wirkte, verlieh dieser Uhr Einzigartigkeit.
Zoe ließ ihre Hand sinken, die immer noch der Maserung nachging. Vor über zwei Stunden war es hell geworden. Es ging gegen acht und sie erhob sich und drehte sich ohne einen weiteren Blick um.
Ein weiterer, weicher Tag begann. Wie alle anderen glitt er ihr zusehends durch die Finger.
Und die Tage vergingen.

Der Abend dämmerte früh heran.
Es war Mitte Januar, die Welt grau, das Wetter weder richtig kalt noch warm. Während draußen die Schatten nirgends Halt fanden, weil das Licht überall gleichmäßig schwach war, waren sie in ihrem kleinen Schlafzimmer vorherrschend. Zoe vermisste nicht die langen, sich ständig verändernden Schattenbilder, welche die Sommersonne zum Spätnachmittag über ihr großes Bett hatte tanzen lassen, noch erfreute sie sich besonders an der gestaltlosen Schattenmasse, die jetzt ihr Zimmer überflutete. Die Wahrnehmung dieser Dinge hatte an Bedeutung verloren. In der Nacht waren Schatten ohne Belang und die Nacht war die Zeit, da sich ihre Sinne schärfen. Der Schlüssel schien gefunden, nur drehte er sich noch nicht im Schloss.
Eine neue Phase, eine letzte vielleicht.
Sie lag nackt auf ihrem Bett, hatte sich auf ihre Ellenbogen gestützt und betrachtete den grauen Ausschnitt des Himmels durch das Fenster.
Zeitlose Augenblicke.
Die plötzliche Entscheidung, die sie heute gegen Mittag getroffen hatte, verwunderte sie noch immer. Die Entscheidung, aufzustehen, ihren Job zu kündigen und zu gehen. Dann die Entscheidung, nicht einzukaufen, obwohl sie wusste, dass der Kühlschrank leer war und sie in letzter Zeit immer unregelmäßiger aß. Sie fühlte in sich hinein und spürte keinen Hunger. Er schien einfach gegangen zu sein, ganz gleich dem Bedürfnis nach einem erholsamen Schlaf. Die drei Stunden jeden Nachmittag waren nicht mehr gewesen als ein einfaches, physisches Bedürfnis. Ihr Körper hatte nach wie vor gehandelt wie der eines Menschen und das Mindestmaß an Ruhe verlangt und bekommen. Ihr Geist hingegen schien vom Schlaf unabhängig geworden zu sein.
Seit einigen ungezählten Tagen hatte sie überhaupt nicht mehr geschlafen. In ihr war eine Spannung gewachsen und obwohl sie sich immer noch auf ihr Bett gelegt hatte, war der Schlaf nicht mehr gekommen. Es war, als hätte ihr Körper vor dem Geist kapituliert und sich in seinen Belangen vollständig zurückgezogen.
Zoe sah an sich herunter. Betrachtete in aller Ruhe Formen und Farben.
Sie war stets eine Frau gewesen, die sich an ihrem Körper erfreut hatte, nicht mehr und nicht weniger als auch an anderen schönen Menschen. Sie bewertete niemanden anhand dessen, was ihm von der Natur gegeben worden war, auch stand sie nicht regelmäßig vor dem Spiegel und bewunderte sich selbst. Sie wusste einfach um ihren schönen Körper. In gewisser Weise verglich sie sich mit der Maserung der Uhr – eine schlichte Schönheit, die keiner weiteren Verzierung bedurfte. Eine schöne Umhüllung für etwas darinnen; etwas ... etwas in der Uhr, das sie noch nicht erkannte hatte – etwas in Zoe selbst. Innen.
Die Schatten verdichteten sich und wurden Nacht. Sie stand auf und ging unter die Dusche, wo sie lange blieb, das warme Gefühl des Wassers auf ihrem Körper spürte.
Dann wieder eine Nacht mit der Uhr.


Warum?
Eine Februarnacht.
Das Geräusch des schwingenden Pendels schien heute um so vieles lauter als in irgendeiner Nacht zuvor. Zoe war wieder nackt unter der Dusche hervor gekommen und als sie das Wohnzimmer betreten hatte, war der Lichtschalter unberührt geblieben. In völliger Dunkelheit saß sie vor der Uhr und lehnte ihren Kopf an das Holz. Sie hatte sich nicht abgetrocknet; das Wasser lief von ihren Haaren am Holz hinab und auch um sie herum war der Teppich feucht. Heute würde sie den Schlüssel drehen.
Warum bin ich ...
Mit den Armen hielt sie den großen Korpus, in dem der Pendelschlag nun so intensiv wie ein aufgeregtes Herz zu pochen schien. Ihre Finger fuhren wieder die Maserung nach, sie brauchte kein Licht dafür. Es war fast, als würde sie das Muster in der Dunkelheit wie sanfte Erhebungen spüren können. Und sie spürte die Uhr, die nach ihr tastete, Ausschau hielt und den wahren Grund dafür doch immer noch verbarg.
Sag mir, warum bin ich...
Das Holz war schön, schön wie es auch ihr Körper war, doch war beides nur Ummantelung, Chitin und Verpackung des weichen Inneren. Ihr Kopf glitt an der Uhr entlang. Sie spürte das kühle Glas, die Scheibe an der Front, hinter der sich die Uhr verbarg, die den Zugang barg, ihn hielt. Wasser tropfte von ihrem Haar und sie verstärkte den Druck. All die schlaflosen Nächte waren vergessen, waren nur der lange und beschwerliche Weg zum Ziel. Der Weg war nie das Ziel. Und der Schlüssel würde sich drehen.
Warum bin ich so...
Die Tür würde sich öffnen. Heute oder nie. Das Glas knirschte. Die Uhr erbebte und Zoes Finger zuckten über die Seitenwände. Noch etwas mehr Druck und
Warum bin ich so...
das Glas barst.
...BESONDERS...
Scherben flogen und schnitten an mehreren Stellen ihren schönen Körper.
...ANDERS, VERDAMMT!
Zoes Stirn traf das Pendel und sie hörte über sich Metall laut knirschen und mit Gewalt schlug dieses Herz der Uhr, schlug auch ihr Kopf gegen die hölzerne Rückwand, die genau in diesem Moment das Geheimnis beendete. Dahinter gab es keine Tür.
Ganz kurz noch hoffte Zoe, ein warmes Licht zu erblicken, doch das Herz hörte einfach auf zu schlagen und um sie herum wurde es weder heller noch dunkler.

Zoe saß auf dem Boden, direkt vor der großen Standuhr, die sie vor nicht ganz einem Jahr auf dem Antikmarkt vor der Stadt erstanden hatte. Der Morgen graute.
Die Uhr war kaputt. Das Glas zerbrochen, das Pendel verbogen und im Sterben hatte der Zeitmesser kleine Zahnräder erbrochen.
Zoes schöner, nackter Körper blutete an mehreren Stellen. Es gab kein Geheimnis und als das obere Drittel der Scheibe aus dem Rahmen fiel und auf dem Boden zersprang, zuckte sie nicht einmal zusammen.
Sie schlang die Arme um sich und die Schnitte brannten.
Ihre Augen blieben geschlossen.
Denn da war nichts weiter.
Nur Zeit.

ENDE

 
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Hi Baddax,

eine schwierige Geschichte! Für mich jedenfalls. Spannend zu lesen, aber habe ich wirklich verstanden, was du sagen willst? :confused:
Zoe wacht bei und mit ihrer Uhr. Hofft sie auf ein Geheimnis, welches nur ihr gehört? Am Ende bleibt sie verletzt und enttäuscht zurück, die Uhr ist gestorben. Sie barg kein Geheimnis, keine Tür, nur Zeit... Also doch ein Geheimnis. Zeit ist das größte Geheimnis, ein großes Wunder....

Für mich ist Zoe eine Frau, die den Zauber der Zeit spürt und miterlebt, und zwar ganz ausschließlich, das ist das Besondere an ihr.

Unverständlich war für mich, dass sie nichts mehr einkauft, also nichts mehr ißt und doch über einen Monat überlebt....

Die Uhr hast Du ganz wunderbar beschrieben, ich sehe sie vor mir und möchte sie berühren, wie Zoe es tut.

Ich kann Dir nur diese Bemerkungen schreiben, ich weiß nicht, ob ich verstanden habe, was du sagen wolltest....

Ein paar kleinere Fehler sind mir aufgefallen:

"Seit sie die Nächte durchwachte (Komma!)waren diese..."

"die sich nach Belieben ihren forschenden Gedanken angepasst und jedem Vorstoß anstatt Widerstand nur Einlass in das dunklere Innere gewährt hatte" (hier muß es hatten heißen, es geht um die Nächte (Plural))

"Den Tag dort herumkriegen (sehr umgangssprachlich, paßt nicht so recht zu dem sonstigen Stil), dann einkaufen, in ihre Wohnung zurückkehren und sich auf ihr Bett legen."

"Aber Stunde um Stunde auf ihr wach zu liegen (Komma!)verursachte nicht nur dem unsteten Geist Qualen; der menschliche Körper scheint (schien) nicht dafür gemacht."

Gestolpert bin ich noch zweimal über die Formulierung: "die Maserung mit dem Finger nachfahren" ich empfand es als holperig, muß es nicht "der Maserung nachfahren" heißen? Sicher bin ich mir aber auch nicht.

Sehr schön ist Deine Beschreibung der Tage und Nächte, die sich durch den Schlafmangel verändern: "Seit sie die Nächte durchwachte, waren diese – und auch die Tage dazwischen – zu einer warmen, weichen Masse geworden, die sich nach Belieben ihren forschenden Gedanken angepasst und jedem Vorstoß anstatt Widerstand nur Einlass in das dunklere Innere gewährt hatten." Genauso habe ich es schon empfunden.

Liebe Grüße
Barbara :)

 

Hi Baddax.
ich fand sie auch interessant und mit geheimnisvollem Fragezeichen versehen, fas schien es, als wolle Zoe der Uhr gleich werden, einfach nur noch Zeit sein, schönes gefäß sein, nichts anderes mehr brauchen.
So zumindest blieb es in mir haften.
Lord

 

Servus Baddax!

Eine großartige Geschichte, ehrlich. Was immer sie dazu trieb in der Außen- aber auch der selbst nicht begreifenden Innenwelt. Das sich ins eigene Selbst zurückziehende, gleichzeitig den kompletten Lebensrhythmus auf die Uhr reduzierende Mädchen, fasziniert in deiner Art etwas zu erzählen. Der Gleichklang zweier schöner Umfassungen die doch eine wahre Erkenntnis eine besondere Tief verbergen müssen -und dann bleibt nichts als Zeit, keine Offenbarung, keine Lösung - nicht mal ein tiefer Sinn.

Deine Beschreibungen von sog. toten Gegenständen machen diese lebendig und man kann sie sehen, fühlen wie es ist, wenn man über das Holz streicht mit der Hand. Aber auch das fast tranceartige Abgleiten von der Schlaflosigkeit hinüber in diesen tiefen Medidationszustand - einfach super.

Lieben Gruß an dich - schnee.eule

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Ihr drei,

danke erst einmal für das Lesen der Geschichte. :) Freue mich, wenn es Euch Spaß gemacht hat. Ich gehe mal der Reihe nach vor (also schreib überall etwas... :D ):

@al-dente:
Genau, sie hofft auf ein Geheimnis. Während sie die verschiedenen Phasen durchlebt, in denen sie von Angst über Resignation bis zu der stillen Akzeptanz alles durchmacht, kommt in ihr ja der Gedanke auf, dass ihr Wachsein irgend etwas Besonderes sein muss. Ich glaube, als Mensch fängt man immer irgendwann an, einen Grund für etwas zu suchen, vor allem, da es keinen offentlichtlichen gibt. Sie findet die Uhr, die sie gekauft hat, bevor das alles anfing. In ihrem 'Wahn' steigert sie sich in den Gedanken hinein, will glauben, dass hier das Geheimnis liegt. Dass sie was Besonderes ist und vielleicht eine neue Art des Lebens entdeckt. Aber das ist natürlich unsinnig, denn es ist nur eine Uhr und das erkennt sie erst nach ihrer letzten, verzweifelten Tat (auch wenn sie sich selbst nicht bewust ist, dass es eine verzweifelte Tat ist). Ja, am Ende birgt die Uhr nichts als Zeit (wie es sich für eine Uhr gehört).
Was sie also eher erlebt, ist der Schrecken der Zeit, ihre Zeit, die sie monatelang damit vertan hat, aus dieser Uhr etwas herauszukitzeln, dass nicht da ist. Sie kann einfach nicht schlafen, dass ist alles. Sie hat ihre Zeit vertan.

Das mit dem Essen: der Nachmittag, an dem sie darüber nachdenkt, ist ein Tag Mitte Januar. Die letzte Nacht ist eine Februarnacht. Es können also auch nur zwei Wochen sein, was rein physisch ja möglich ist. Aber ich denke, Du hast Recht; ich schaue gleich mal, wie ich das abmildern kann (wenn ich Deine anderen Korrekturen umsetze - danke dafür schon mal).

So, Korrekturen vollzogen: eine Frage:

der menschliche Körper scheint (schien) nicht dafür gemacht."
Da habe ich Präsens gewählt, weil ich dachte, da sich das auf den menschlichen Körper bezieht, der ja nicht nur in der Geschichte/der Vergangenheit exitiert, sondern auch ausserhalb/jetzt (Zoes Körper ist ja immer noch nicht dafür gemacht)...muss es trotzdem Vergangenheitsform sein?
Das mit der Maserung muss ich auch noch mal checken...bin mir jetzt ebenfalls unsicher.


Schön, dass die Beschreibung der Uhr und der schwammigen Tage und Nächte gut rübergekommen sind. Beides ist für die Geschichte ziemlich wichtig.

Danke für Dein Lesen und Deine Gedanken!

@Lord:
Sie wollte der Uhr nicht gleich werden; durch die Uhr wollte sie erkennen, was so Besonders an ihr ist. Hat ja nicht geklappt. Ihr Äußeres hat sie mit der Uhr verglichen, weil sie zu erkennen glaubte, dass beides nur das Innere umfängt und - ganz egal,ob schön oder häßlich - nicht das eigentlich Wichtige ist. Sie wollte kein Gefäß sein, sondern daran kommen, was dahinter verborgen zu sein schien.

Auch Dir ein dickes Dankeschön!

@schnee.eule:
Du hast die Aussage genau erkannt (nicht gegen Euch,al-dente und Lord ;) ). Sie begreift ihr Inneres nicht, dass treibt sie zu ihrer Tat. Sie zieht sich tatsächlich zurück. In der letzten Phase reduziert sie neben ihrem Lebensrhythmus auch sich selbst auf die Uhr - in der Weise, dass sie nicht isst, dass sie auf ihre Klamotten verzichtet - alles nur für die äußere Hülle wichtig - sie will aber ans Innere. Und am Ende bleibt kein tiefer Sinn - nur Zeit.

Schön, dass mir das mit der Uhr und den Phasen fühlen/nachvollziehen gelungen ist - hat also geklappt. :shy:

Vielen Dank nochmal an Euch!

Gruß, baddax

 

Hallo baddax,

Dir ist es sehr gut gelungen, die sprachliche Stimmung Deiner Geschichte dem Inhalt anzupassen. Nach und nach wendet sich Zoe von der Umgebung ab, das Schwingen des Pendels wird zum Mantra einer Meditation, nur Zeit und Schönheit zählen, ich glaube sogar, beides verschmilzt. „Edel in seiner Gleichmäßigkeit“- ein treffender Ausdruck (genauso wie „Schattenmasse“), außerdem fand ich es klasse, daß Du „Der Weg war nie das Ziel“ schreibst, ich habe die stereotype Aussage `Der Weg ist das Ziel´ nie akzeptieren wollen.
„nur drehte er sich noch nicht im Schloß“- ein guter stilistischer Kunstgriff, jetzt will man erst recht wissen, wie es weiter geht.
Ich vermute, das Besondere,daß Zoe erfahren will, ist die Eigenständigkeit in der Zeitlosigkeit, alles verschwimmt in einen unbestimmten Zustand (Fuzzyness), indem die Außenwelt unbedeutend wird.
Noch einige Änderungsvorschläge: Im ersten Satz: vor - vor, Verdopplung vermeiden; Dinge in sanften Bahnen - so werden zwei Hauptwörter in Reihenfolge vermieden; Chitin - Außenskelettzubstanz von Insekten (auch in Pilzen), Du meinst Lignin; „Herz der Uhr, schlug ihr Kopf - und ihr Kopf traf die ... (es sei denn, Du meinst wirklich, ihr Kopf sei das herz der Uhr?); „Sterben hatte es kleine Zahnräder erbrochen“ - ein prima Ausdruck, doch ein Pendel an sich hat keine Zahnräder, ich weiß nicht, wie genau Du es da nehmen willst.
„die Maserung mit dem Finger nachfahren“ - finde ich passend, da es ein sehr bewußtes `Erfassen´ der Maserung beschreibt.

Konnte die Anmerkung erst heute absenden, vielleicht hat sich einiges inzwischen erledigt.

Alles Gute,

tschüß... Woltochinon

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Woltochinon,

vielen Dank für das Lesen der Geschichte, das Lob und die Verbesserungsvorschläge. Letztere setze ich gleich um - nur das Chitin meinte ich auch als solches. Das weiche, verletzliche Innere des Insekts wird gehalten durch den harten Panzer. Wobei ich zugeben muss, dass mir Lignin gar nicht bekannt ist...

Es tut gut, zu hören, dass die sprachliche Stimmung gepasst hat. Die Atmosphäre dieser schlaflosen Zeit war wichtig für die Geschichte - durch diese Bezugslosigkeit und Losgelöstheit bildet sich ja langsam das Ziel in ihrem Kopf und lässt es für sie plausibel erscheinen.

"Der Weg ist das Ziel" mag bei manchen Sachen passen, aber ich stimme Dir zu: jede Tat unter dieses Motto zu stellen funktioniert nicht.

Was meinst Du genau mit "Eigenständigkeit in der Zeitlosigkeit"? Das sie in dieser Zeit, da die Außenwelt unbedeutend wird, sich ganz auf ihr eigenständiges Sein und ihr Inneres konzentriert? Das wäre meiner Meinung nach nicht ihr Wunsch, sondern eine daraus resultierende Entwicklung. Ich habe zu der Intention hinter der Geschichte in meinem vorigen Kommentar was geschrieben: sie sucht etwas, dass einen Sinn für das Geschehen geben könnte, fokussiert sich auf die Uhr und wird enttäuscht, weil da nichts ist. Deswegen ist sie am Ende ziellos und verletzt. Ich dachte erst noch an einen Nachsatz, in dem sie die Realität als solche wieder akzeptiert und auf die Außenwelt zu geht, aber sie in dieser Desorientierung zurück zu lassen, gefiel mir besser.

Danke für Deine Gedanken zu dem Text und bis dann

baddax

So Korrekturen vorgenommen:
Das mit den "Dingen in sanften Bahnen" - wenn ich das umstelle sind auch zwei Nomen hinereinander: "...ihre Gedanken Dinge in sanften Bahnen ..." Ich habs erst einmal gelassen, weil mir gerade keine Alternative einfällt.

Das mit dem Herz der Uhr ... hast Recht, nicht ihr Kopf, sondern das Pendel war gemeint. Ich hab es mal umgeändert. Funktioniert es so?

Das mit den Zahnrädern: der Satz gefiel mir auch gut, aber auf das Pendel sollte er sich natürlich nicht beziehen. Hab jetzt was eingefügt, damit es der Uhr zugeordnet werden kann - klingt es auch gut?

 

Hallo baddax,

es freut mich, wenn ich Dir bei dieser besonderen Geschichte helfen kann. Ich dachte, das Chitin bezieht sich auf das Holz, da wäre es fehl am Platze. Wenn Du es als Hülle beibehalten willst, möchte ich `wie Chitin, eine Verpackung´ vorschlagen (weil Chitin ja nicht wirklich stofflich vorhanden ist).
Eigenständigkeit in der Zeit - damit meine ich: Es bleibt ihr nichts als Zeit und ihr Selbst.
Was hälst Du von `ließ ihre Gedanken in sanften Bahnen viele (oder was immer Du besser findest) Dinge´... .
Deine Idee mit dem „Zeitmesser“ ist prima.
Noch einmal zu dem „Herz“- Satz: Zoes Stirn traf das Pendel (die Stirn bewegt sich auf das Pendel zu, umgekehrt müßte man schreiben: Das Pendel traf Zoes Stirn) ... und mit Gewalt schlugen das Herz der Uhr und auch ihr Kopf gegen die hölzerne Rückwand. Genau in diesem Moment wurde das Geheimnis beendet. „die genau“ würde sich auf „Rückwand“ beziehen, ich bin nicht sicher, ob Du wirklich meinst, daß die Rückwand das Geheimnis beendet, oder der Stillstand der Uhr.

Alles Gute,

tschüß... Woltochinon

 

Hi,

ich freue mich über die Rückmeldung. :)

Chitin: geregelt.

'...Dinge durchdenken': '...in sanften Bahnen die Dinge durchdenken' - ich finde, eine Silbe klingt besser als mehrere (im Klang des Satzes). Ein Rückbezug auf die nähere Definition der 'Dinge' ist dabei nicht nötig, denke ich - oder?

Der Herz-Satz: Das 'beenden' soll sich auf die Rückwand beziehen. Weil - wie es eben so ist - die Uhr eben da endet, wo die Rückwand ist...es gibt kein Geheimnis. Deswegen beendet die Rückwand bildlich das Geheimnis.

Gruß, baddax

 

Hallo baddax,

ich glaube auch nicht, dass man die „Dinge“ definieren muß. Toll- Du kümmerst Dich sogar um den Klang des Satzes!
Die Bezüge in Sätzen festzustellen, ist halt bei so einem freien Text nicht ganz einfach - nun, alles klar.

Alles Gute,

tschüß... Woltochinon

 

Hehe...das mit dem Klang der Geschichte hat al-dente mir irgendwann mal erzählt. Dass sie sich die laut vorliest und darauf achtet. Ich hab das jetzt auch mal gemacht und siehe ... man denkt echt drüber nach. :shy:

Schön, dass alles klar ist. :)
Danke für Deine Hilfe.

Gruß, baddax

 

Lieber baddax!

Zu Deinem Geburtstag alles Liebe und Gute! :anstoss: :)

Diese Geschichte hab ich mir extra aufgehoben und nun ein dreiviertel Jahr lang nicht kommentiert, weil ich bei Deinem letzten Geburtstag keine Geschichte von Dir fand, die ich noch nicht kritisiert hatte (außer Horror, aber den konnte ich damals grad nicht lesen). Und damit mir das nicht wieder passiert, ließ ich Dich hier bis heute schmachten...:lol:

So, aber jetzt zur Geschichte. :)

Man merkt, daß Du Dein Handwerk verstehst, Du erzeugst Atmosphäre mit Deinen Worten und jede Kante wird von Dir feinsäuberlich abgerundet. Das macht das Lesen Deiner Geschichten so angenehm und drum les ich sie auch immer wieder gerne.

Diese Geschichte gefällt mir ganz besonders dadurch, daß Du den tieferen Sinn nicht auf dem Tablett servierst, sondern man schon ein bisschen zum Denken aufgefordert wird, Du ihn aber gleichzeitig nicht so versteckst, daß die Geschichte zum Rätsel wird, an dem man verzweifeln könnte. Dieser Mittelweg ist Dir in meinen Augen ausgezeichnet gelungen.

Deine Protagonistin weiß nicht, was wahrscheinlich alles in ihrem Inneren steckt, sie sucht verzweifelt danach und kennt doch nur ihre Hülle. Die (unbewußte) Weigerung, etwas zu essen oder zu schlafen ist da eine nicht unlogische Konsequenz. Die Vergleiche mit der Uhr finde ich ebenfalls sehr gelungen und alles, was mir nicht so gelungen scheint, ist die Feststellung, daß dahinter keine Tür ist – irgendwie paßt das für meinen Begriffe nicht, da sie ja nicht auf der anderen Seite einen Ausgang sucht, sondern das, was im Inneren ist – da wäre die Tür doch dann zuviel, oder?

Hab sie auf jeden Fall aber sehr gern gelesen und sie gibt mir auch persönlich einige Denkaufgaben. ;)

Aber jetzt noch ein paar Kleinigkeiten:

»lauschte dem gleichmäßigem, aber schwer zu vernehmenden Geräusch«
– gleichmäßigen

»hinter der getönten Gasscheibe«
– Glasscheibe

»hatte sich diese gewisse amüsierte Ruhe eingestellt«
– würde „amüsierte“ weglassen, zumindest fange ich damit nicht viel an...

»Es war natürlich nicht so, als wüsste Zoe nicht mehr von ihrem Leben«
– ich denke, Du meintest hier „wüsste Zoe nichts mehr von ihrem Leben“?

»etwas, dass vielleicht langsam nach oben drang«
– das

»das Mindestmass an Ruhe«
– Mindestmaß

»etwas in der Uhr, dass sie noch nicht erkannte hatte«
– das

»Wasser tropfte von ihrem Haar und sie verstärkte den Druck. All die schlaflosen Nächte waren vergessen, waren nur der lange und beschwerliche Weg zum Ziel. … Die Uhr erbebte und Zoes Finger zuckten über die Seitenwände. Sie verstärkte den Druck und«
– Wiederholung „Sie verstärkte den Druck“

»mit Gewalt schlug dieses Herz der Uhr, schlug auch ihr Kopf gegen die hölzerne Rückwand, die genau in diesem Moment das Geheimnis beendete. Dahinter gab es keine Tür.
Ganz kurz noch hoffte Zoe, ein warmes Licht zu erblicken, doch dieses Herz hörte einfach auf …«
– Wiederholung „dieses Herz“


Liebe Grüße,
Susi :)

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Susi,

vielen Dank, das ist ein schönes Geburtstagsgeschenk. :)

Ich freue mich, dass Dir die Geschichte gefallen hat - und wenn sie zum Denken anregt, hat sie ihr Ziel nicht verfehlt. Die Fehler habe ich korrigiert - am besten war ja 'Gasscheibe'. :D
Das mit der Tür hat für mein Empfinden so seine Richtigkeit, da sie die Uhr ja als Schlüssel und als eine Art Durchgang zu dem, was sie sucht, sieht. Aber am Ende nehme ich es weg, da das vielleicht zu sehr auf eine Tür ansich hinweisen könnte, was dann doch in die falsche Richtung führen mag. Also ersetzte ich 'Keine Tür.' durch 'Denn da war nichts weiter.'

Vielen Dank fürs Lesen und einen lieben Gruß,

baddax

 

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