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Sicherheit ohne Konzept
Ich stehe in der Bahn. Es ist laut, heiß und stickig. Für andere wäre es eine unangenehme Situation. Doch ich liebe es. Alle Leute um mich herum singen und hüpfen und freuen sich auf das Spiel. Doch die Freude währt nicht lange. Die 6 Polizisten, welche mit in der Bahn mitfahren und schon mit der Hand ihren Gummiknüppel anvisieren, schreien die Leute lauthals an und fordern sie auf, leise zu sein, damit die anderen Fahrgäste nicht gestört werden. Ich schaue mich um und sehe in die vielen verständnislosen Gesichter. Selbst die älteren Damen und Herren schütteln über diese übertriebene Härte der Polizisten den Kopf.
Wir erreichen das Stadion und werden sofort von 100 weiteren Polizisten in Empfang genommen. Ein Polizist schiebt einen älteren Herren vor sich her und bedeutet ihm schneller zu gehen. Jeder der Polizisten mustert uns ganz genau. Nun erreichen wir den Eingang des Stadions. Ich bin immer wieder fansziniert über die Schönheit unseres Tempels. Zum Glück haben wir erst 12 Uhr, denn die Sicherheitskontrollen können schonmal 2-3 Stunden dauern. Es ist voll. Ich trete einen Schritt vor und werde sofort von einem Polizisten zurechtgewiesen, da ich angeblich nicht genug Abstand zu meinem Vordermann lasse. Vor mir wird es unruhig. Ein Mann hat versucht eine kleine Fahne mit ins Stadion zu bringen. Sofort sind 4 Polizisten bei ihm, um ihm die Fahne abzunehmen und ihn aus der Reihe zu ziehen.
Ich schaue wieder nach vorn und habe Mitleid mit dem Mann, da er sicherlich heute nicht mehr von der Polizei ins Stadion gelassen wird. Auch die 8 Sicherheitskameras in diesem Bereich schwenken sofort zum Ort des Geschehens. Nachdem mich ein grimmiger Ordner 2 mal komplett abgetastet hat und ich den Metalldetektor passiert habe kann ich endlich Richtung Block laufen.
Viele Leute stömen in die selbe Richtung wie ich. Früher waren die Trommeln auf der Tribüne schon hier zu hören. Aber das ist schon lange her. Bevor ich in den Block gehe hole ich mir noch etwas zu trinken. Ich stelle mich an und überlege was ich nehme. Ein kühles Bier wäre bei diesem Wetter eigentlich das beste, aber leider ist auch das verboten. Ich seufze kurz, bestelle mir eine Limonade, bezahle die 7 Euro und gehe in Richtung Block.
Bevor ich den Block betrete, werde ich natürlich nocheinmal gründlich durchsucht, wobei die Hälfte meiner Limonade auf dem Boden landet. Ich erreiche meinen Platz und setzte mich hin. Zwar ist das Stadion schon zu 2/3 gefüllt, allerdings ist es so still als wäre niemand da. Ich sehe mich um, doch ich kenne keinen um mich herum.
Dauerkarten per Losverfahren. Deeskalationsstrategie laut Polizei. Wer sich das ausgedacht hat sollte gesteinigt werden denke ich missmutig. Sofort muss ich an all meine Freunde denken, welche keine Dauerkarten bekommen haben.
Ich schaue mich erneut um, aber nur wenige rufen mit mir die Namen der Spieler bei der Verkündung der Mannschaftsaufstellung. Meine Laune sinkt weiter, wenn ich daran denke, dass diese Leute und nicht meine Freunde, wahre Fans, im Stadion sind.
Das Spiel beginnt. Schnell führen wir mit 2:0. Statt die Tore zu feiern, wird um mich herum nur kurz in die Hände geklatscht. Mir platzt der Kragen. Ich schreie die Leute lauthals an, was sie denn hier wollen und was sie denken wo wir hier sind. Keine Reaktion. Ich schüttel ungläubig den Kopf und setzt mich resignierent wieder auf meinen Platz.
Das Spiel ist gut, die Stimmung leider nicht. Während der 2. Halbzeit versucht ein Mann einen verzweifelten Versuch ein wenig Stimmung zu machen. Er springt von seinem Platz auf und beginnt lauthals zu singen und zu gröhlen. Ich tue es ihm gleich. Sofort sind 4 Polizisten bei uns und bedeuten uns schreiend das wir uns wieder hinsetzen sollen. Der Mann weigert sich, sich wieder zu setzen. Er wird von den Polizisten gepackt und über die Treppe aus dem Block gezogen. Dabei schlägt er mit dem Kopf auf die Stufen auf und ich sehe nur nur rote Tropfen auf dem hellen Steinboden. Auch ich werde unsanft wieder auf meine Platz gestoßen.
Kurz vor Schluss drängelt sich ein Mann durch unserer Reihe. Er geht Richtung Ausgang. Ich frage ihn warum er den jetzt schon geht und er antwortet mir, dass wir ja schon gewonnen haben und er schnell zum Parkplatz möchte, damit er gut dort wegkommt. Kopfschüttelnd lasse ich ihn durch. Kurze Zeit später pfeift der Schiedsrichter das Spiel ab. Einige wenige stehen auf und feiern mit der Mannschaft den Sieg. Doch die meisten störmen sofort Richtung Ausgang.
Weder unsere Mannschaft noch die Gegner gehen zu den Fans in die Kurve. Aber wer will es ihnen verdenken. Bei so einer Unterstützung ist es kein Wunder. Und auch die starke Beschränkung der Gästekarten wirkt sich nicht gerade positiv auf die ganze Situation aus. Ich denke wehmütig an die alten Zeiten. Bevor ich den Gedanken zuende führen kann, werde ich unsanft von der Polizei aus dem Block geschoben.
Dies war einmal mein Lieblingssport. Nun ist er nur noch ein Schatten seiner Selbst. Leidenschaft, Kampf, Emotion. Das sind Wörter an die ich schon lange nicht mehr denken muss, wenn ich hier bin. Geknickt ziehe ich Richtung Bahn. Als ich die Bahn betrete verschwimmt mein Blick und ich wache schweißgebadet aus meinem Traum auf. Ich reiße den Wecker von meinem Nachttisch.