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SF - Nicht zu schreibende Geschichten

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SF - Nicht zu schreibende Geschichten

Die nicht geschrieben SF-Geschichte
- Versuch einer SF-Diskussionsrunde -

Vor einigen Wochen überkam mich die Lust, mal wieder eine SF-Story zu verbrechen.
Ich hatte gerade meine unkreativen Tage, deshalb nahm ich mir mein Storyskizzenbuch und blätterte ein wenig herum.
Nach einigen überflogenen Seiten sprang mir ein Plot ins Auge, den ich halb vergessen, der aber unbewusst in anderen Storys rumrumort hatte.
Frisch ans Werk!

Nach drei Seiten taten sich Widersprüche auf, die mich erschreckten, aber sich nach einigem Nachdenken umgehen ließen.
Dann der Paukenschlag:
In der Schlüsselszene, einem Streitgespräch zwischen einem islamischen Rechtsgelehrten aus Köln und einem Punkmusiker aus Berlin kommt es zum Eklat:
Die Figuren verhalten sich völlig anders, als mein Schluss es vorausgesetzt hatte.
Ich versuchte zu retten, was nicht zu retten war und legte den Beiden immer neue Worte in die Münder, aber sie drehten mir postwendend den Sinn ins Gegenteil.
Weshalb?
Nun sie verhielten sich nicht so, wie es ihrem Autor behagt hätte, sondern so, wie es RICHTIG war. Richtig im Sinne des wirklichen Lebens.
Hier begriff ich, dass die Story auf vollkommen falschen Vorstellungen meinerseits aufgebaut war und dies (wenn die Beiden sich mir nicht so stur verweigert hätten) zu einer dieser Storys geführt hätte, die von falschen Voraussetzungen ausgehend durch Umformungen ebenso falsche Ergebnisse erzielen.
Also zu der epidemisch herumschwirrenden Sorte, die ich jedes Mal beklage und verreiße!

Welcher Plot war nun so verführerisch für mich, aber doch leider undurchführbar?
Dieser hier:
Die Erde erreicht ein Funkspruch, der die Aufnahme in eine interstellare Förderation anbietet. Im Gegenzug soll die Erde ihre zehn bedeutendsten kulturellen Errungenschaften der Sternenkulturothek (so was wie eine Weltausstellung der Planeten) zur Verfügung stellen.
Die Botschaft enthält allerdings den Hinweis, dass anhand der (durch die Erdbevölkerung nach dem Modus: ein Kopf, eine Stimme durchzuführenden) Auswahl (allerdings darf niemand ein Ding aus dem eigenen Land wählen) eine Voll-, Teil-, Geradenochmitgliedschaft in der Förderation zu haben ist (die Konsequenzen sind z.B. Zugang zu gewissen Technologien, Ressourcen, etc.).
Dies ist der gesetzte Rahmen der Handlung.
Im Verlauf der folgenden Ereignisse ´vergisst´ jeder Mensch seine Vorbehalte gegen andere und diskutiert munter drauf los, was man so schicken könnte (vom Eifelturm, bis zum ersten künstlichen Virus, vom Koran bis zu S. Lem, von Rubens bis Caesar Manrique, von einer ganzen Stadt bis zum Nichts). Das Gemeine ist, dass die Botschaft keine verwertbaren Informationen über Moral, technischem Stand, Ästhetik, Wahrnehmungsorganen (wenn die nicht hören können, ist Beethoven sinnlos) der Absender enthält.
Den Schluss bildet ein Paket, in dem die 10 Dinge (die natürlich ungenannt bleiben) zur Abholung bereit stehen.
Aber ein zweiter Funkspruch erklärt, dass es nur darum ging, die Menschen zu rationalem Streit zu erziehen (als Aufnahmevoraussetzung), zu Respekt vor der Meinung anderer (iiiiiih, wie ekelhaft moralisch).
Soweit der Plot.

Welche Widersprüche sind es denn nun die verhindern das Thema zur Grundlage eines SF-Textes zu machen (einer dieser Widersprüche ist so herrlich pathetisch, wie debil in „Independent Day“ als Szene eingegangen)?
Nun darüber lässt sich trefflich diskutieren. Auch und gerade, ob und mit welchen Themen es Euch aehnlich ging.
Was bitteschön nun auch getan werden darf und soll…

 

Hallo Proproxilator,

dein Plot klingt eigentlich sehr hübsch, ich glaube die Geschichte hätte ich gern gelesen, selbst wenn Widersprüche drin sind :)
Aber was ich denke ist, dass dieser "Erziehungsansatz" von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Wenn ich nichts aus meinem eigenen Land wählen darf, dann wähle ich eben Errungenschaften aus den europäischen Nachbarländern, mit denen mich eine gemeinsame Kultur und Geschichte verbindet, oder vielleicht noch einen besonders herausragenden Hollywoodfilm, weil auch die amerikanische Kultur der unseren sehr nahe ist. Aber über die kulturellen Errungenschaften von anderen, z.B. Asien, weiß ein Großteil der westlichen Welt doch gar nicht bescheid, umgekehrt vermutlich genauso. Und z.B. die Felsmalereien der Aborigines sind auch große Kunst, trotzdem hätten die vermutlich keine Chance, weil deren weltpolitische Bedeutung viel zu gering ist und viele Leute gar nichts von ihrer Kultur wissen. Und wenn jemand den Koran vorschlägt - da würde es aber ordentlich Zoff geben! Genauso bei anderen religiösen Schriften. und wenn jemand einfach alles (Bibel, Koran, Thora, Upanishaden oder wie das heißt etc.) auf einmal vorschlägt, würden vermutlich alle Religionsvertreter gemeinsam auf denjenigen eindreschen. Also es ist zwar nett gemeint von deiner Föderation, die Menschen zu Respekt vor anderen Meinungen erziehen zu wollen, aber... das Gegenteil von gut ist gut gemeint :D
Ich würde es lustig finden, wenn diese Nachricht von der Föderation letztendlich einen Krieg auslöst, statt zu mehr Verständigung zu führen.

Das Problem, dass sich eine Geschichte plötzlich ganz anders entwickelt als geplant oder die Protagonisten plötzlich "ihr eigenes Ding machen", weil die geplante Handlung unlogisch oder unglaubwürdig war, kenne ich auch, dadurch ist bei mir schon viel im geistigen Papierkorb gelandet. Ich hab aber die meisten dieser Plotideen vergessen, bzw. es ist mir zu peinlich, die hier aufzuschreiben. :D Außerdem war das keine SF.

Na ja, aber vielleicht nimmst du deine Geschichte doch noch mal in Angriff? Wenn sowas wie Independence Day Erfolg hat, musst du dich doch nicht schämen, wenn mal etwas nicht hundert Prozent glaubwürdig ist (immerhin heißt es Science Fiction :)).

Grüße von Perdita

 

Zieh das Ding humoristisch auf und lass sie einen Satz Dinge wählen, die die menschliche Kultur wirklich repräsentieren:
1. Eine Power-Rangers-Action-Figur
2. Einen Akkuschrauber
3. Einen WC-Duftstein
4. Bratkartoffeln aus der Dose
5. Bier mit Cola + Energy-Drink
6. Disneyland Paris
7. Alle Folgen von "Ein Colt für alle Fälle" auf DVD
8. Gebrauchte Unterwäsche japanischer Teenager in Plastikfolie (erhältlich in Automaten)
9. Ein vergoldetes "Hummer"-Cabrio
10. Irgendeinen möglichst langen Bollywoodstreifen

 

Nun ja, solange nicht jede/r verpflichtet ist, seine Stimme abzugeben, mag diese Methode letztendlich zu einer gewissen Auswahl führen - wobei religions und Rassenzugehörigkeit vermutlich nicht gerade die europäischen Errungenschaften an der Spitze stehen lassen.
Mich stört an dienem Plot etwas ganz anderes: Offensichtlich spielt die Geschichte ja in einer pysikalisch hoch entwickelten Neuzeit. Vor allem aus dem zweiten Funkspruch ergibt sich die Schlußfolgerung, dass die Aliens gar nicht so weit weg sein können. Warum also diese antiquierte Methode?
Darüber dürften einige der Befragten auch stolpern. Und dann gibt es die ganzen Xenophoben und anderen miltärischen Ränge, die endlich mal voll draufhauen können. Also nicht unbedingt humoristisch, wie Naut meint, aber realistisch. Mord und Totschlag in allen Rängen - und wer dann übrig bleibt, darf feststellen, dass die Aliens auch nur mit Wasser kochen.

 

Hallo Proproxilator,

Aber was ich denke ist, dass dieser "Erziehungsansatz" von vornherein zum Scheitern verurteilt ist.


Das kann ich nur bekräftigen. Es gelingt selten, dass erzieherisch motivierte Kurzgeschichten keinen schalen Nachgeschmack hinterlassen.

Im übrigen ist die Tatsache, dass deine Charaktere sich entgegen deiner Geschichte entwickeln, nichts Schlimmes. Für deine Planung zwar schon, aber das zeigt nur, dass du das Talent hast, Charaktere sich entwickeln zu lassen und sie nicht in Rollen zu pressen.

 

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