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Sex sells Seele
Als ich neulich mit meiner Seele am offenen Kamin saß, fragte ich sie, ob sie unsterblich sei. Sie sagte ja. Ich legte ein dickes Holzscheit auf das Feuer und tat so, als wäre alles klar.
„Kant behauptet ja“, sagte ich so beiläufig wie möglich, „dass der Mensch weder die Freiheit seines Willens, noch Gott, noch die Unsterblichkeit seiner Seele erkennen kann.“
„Kahn? Ist das nicht der Torwart von Bayern München?“
„Kant. Ich meine Immanuel Kant, den deutschen Philosophen.“
„Ach, ihr Deutschen“, sagte meine Seele und beobachtete das knisternde Feuer. Die Flammen fanden neue Nahrung und bedankten sich mit behaglicher Wärme, die sich wie eine weiche Wolldecke um uns legte.
„Das Feuer, das von einem Holz auf das andere überspringt, ist ein neues Feuer und auch das alte, und doch wieder nicht“, murmelte ich leise und wunderte mich selbst, aus welchem Sprachkästlein dieser Satz heraus purzelte. Wahrscheinlich habe ich ihn irgendwo gelesen.
„Spielt der eigentlich noch?“
„Nein.“
Ich wollte jetzt nicht über Fußball reden, sondern über die grundlegende Wahrheit, dass einfache Strukturen am längsten halten und darum die Seele unsterblich ist. Denn sie ist das vielleicht einfachste Existierende, durch nichts teilbar und damit auf ewig unzerstörbar.
„Ewig ist auch nicht länger als ein traumfreier Schlaf“, unterbrach sie mich. Zu Beginn unserer Gespräche fand ich ihre Gedankenleserei irritierend, aber weil unsere Dialoge in meinem Kopf stattfinden, überrascht diese Tatsache nicht allzu sehr.
Und wenn sie unteilbar ist und weil im Universum nichts verloren geht, sie also weder verändert noch vernichtet werden kann, muss sie unsterblich sein.
„Hast du als Mann manchmal das Gefühl, drei Hoden in deiner Hose zu tragen?“
„Selten, eigentlich nie.“ Ich seufzte, vielleicht ist meine Seele die einfachste von allen.
Bei Anderen mag sie ein schicksalsträchtiger Ozean des Unbewussten sein, der zwischen Wissen und Glauben liegt. Nur meine erscheint mir zuweilen wie ein kleiner Weiher im Park mit städtisch verordnetem Badeverbot.
„Ich würde gerne wissen, wie das ist, mit jemandem zu schlafen, und so“, sagte sie.
„Wie ist das eigentlich, unsterblich zu sein“, fragte ich.
„Frag Kahn.“
Veränderbare Strukturen sterben, weil sterben heißt: verändern. Was sich nicht verändert, stirbt auch nicht. Kann die Erklärung so schlicht sein? Später kam mir noch der Gedanke, dass Gott genauso einfach sein muss wie meine Seele. Schließlich gilt auch er als unsterblich. Und dann, das sei nur am Rande bemerkt, fragte ich mich, ob Gott nicht derjenige ist, den nichts bewegen kann. Er bewegt den Menschen, der bewegt seinen Fuß, der einen Stein ins Rollen bringt, der einen Grashalm niederdrückt, der einen Schmetterling aufschreckt, der dann am Visier eines Motorradfahrers kleben bleibt, der, kurz abgelenkt, die Kurve falsch einschätzt ... Gott bleibt unbewegt. Würde er mitfühlen, unterläge er Veränderungen und müsste sterben. Mohammed auch, genau wie die runden Buddhas in uns.
Ich goss frischen Tee in die Tasse. Es gefiel mir, auf dem Teppich liegend auf das Feuer zu schauen. Rätselte, wie sich meine Seele fühlt? Wäre ihr kalt, könnte sie sich erwärmen, und wäre ihr warm, könnte sie abkühlen. Und wieder: wäre sie veränderbar, wäre sie sterblich. Folglich hat sie keine Temperatur. Aber was heißt das schon, auf Gefühle bezogen?
„Warum trinkst du heute keinen Whisky? Einmal in der Ewigkeit besoffen zu sein, das wär’s ...“
Ich wunderte mich längst nicht mehr über ihre einfach gestrickten Lebensziele. Oder sollte ich besser sagen: Existenzziele?
Früher versuchte ich, in vielen Meditationssitzungen Kontakt mit ihr aufzunehmen. Doch über ein „The soul you've called is temporarily not available“, kam ich nie hinaus. Ich zählte meine Atemzüge, übte das Fließenlassen der Gedanken, das „Nichts-anhaften-lassen“, und schlief trotz schmerzender Beine häufig dabei ein. Ich erreichte auf diese Weise weder soul noch spirit noch psyche und auch nicht mind.
Erst als ich vor einigen Monaten einen neuen Computer kaufte und tagelang meine Software installieren musste, beendete sie ihr Schweigen. Ich schaute auf einen dieser unerträglichen Fortschrittsbalken, die niemals in der kurzen Zeitspanne eines Menschenlebens einen Fortschritt anzeigen, und dachte an nichts, außer vielleicht an das Licht der Vernunft, das als feinste Substanz das All durchzieht, als sie mich fragte: „Sagt dir der Name Mario Barth etwas?“
Natürlich versuchte ich, meine Überraschung zu verbergen.
„Das ist doch der Typ, der bei Siemens eine Ausbildung zum Telekommunikationsanlagen-Elektroniker gemacht hat.“
„Ach, ich dachte eher an diesen Comedian, der vor einigen Jahren „Männer sind Schweine, Frauen aber auch“ gespielt hat.“
„Ja, ja, das ist der Selbe.“
„Und?“
„Was und?“
„Wie war das Programm?“
„Hab’ ich nie gesehen.“
So kamen wir also ins Gespräch. Seitdem sitzen wir manchmal zusammen und plaudern über dies und jenes. Mich bewegen die ewig gleichen Fragen der Menschheit nach unserem Kommen und Gehen, sie interessiert sich vorwiegend für das ewig gleiche Tun der Menschen: fressen, saufen, ficken und warum wir uns dauernd die Köpfe einhauen.