Setz dich nicht hin!
Stalingrad 1942. Meine rechten Zehen sind mit dem Strumpf im Schuh festgefroren und die Finger kleben durch die zerrissenen Handschuhe am Eisen des MGs fest. Ich hätte nicht gedacht, dass es in dieser Welt so kalt werden kann. Jonas humpelt neben mir. Ihm scheint es noch schlechter zu gehen als mir. Der Rest unserer Truppe ist ebenso kraftlos. Doch wir ziehen weiter. Manche Soldaten setzen sich völlig entkräftigt und übermüdet in den Schnee. Mitleidende Blicke sehen zu ihnen zurück. Sie stehen nie wieder auf. Paul, ein alter Hitlerfanatiker singt irgendwelche Kriegsparolen. Doch seine Stimme versagt ihm. Ich denke er weiß, in welchem Mist wir stecken
Jonas wird langsamer. Ich versuche ihn mitzuziehen, doch auch mir fehlt die Kraft. Er bleibt stehen. „Jonas, komm, Wir verlieren sonst die anderen. Es ist sicher nicht mehr weit.“ Meine Stimme hört sich seltsam krächzend an. Jonas guckt mich an. Als ich seinen Blick sehe, überkommt mich ein Schauer. Seine Augen sind trüb. Er öffnet den Mund und versucht etwas zu sagen, doch es kommt kein Ton heraus. Erst nach einem gewaltigen Hustenanfall bringt er ein paar Worte hervor. „Ich kann nicht mehr, Kamerad.“ Er hustet wieder. „Zieh weiter, ich werde mich ein wenig ausruhen. Später werde ich euch folgen.“ Wir wissen beide, dass das nicht wahr ist. Wer sich setzt, hat keine Chance mehr. Das ist ein ungeschriebenes Gesetz unsere Armee. Wie von Sinnen brülle ich ihn an : “Nein, du kommst jetzt mit mir. Wir haben es bald geschafft, noch ein Stück“ Er reagiert nicht. Ich werde panisch und erinnere ihn an seine Frau und seine Kinder, doch ich weiß, dass es kein Sinn hat. Er wird es nicht schaffen. Mir läuft eine Träne brennend die Wange herunter. Ich werde ihn für immer verlieren.
Jonas guckt auf den Boden und lässt sich dann in den Schnee fallen. Zusammengekrümmt setzt er sich zu meinen Füßen.
Ich setze mich still neben ihn und lege einen Arm um seine Schulter.