Sesam
Sesam
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Ins Tal der Rosen wollte er mich bringen, wo die Elektrizität so schwach ist, dass Glas nicht
zerspringen kann. Wo Samt nicht wie Zement auf der transpirierenden Haut liegt, sondern leicht und kühl, wie Schnee.
Er gab mir das Versprechen das Feuer zu entfachen, das aus einem unerfindlichen Grund
verlöscht war, als ein Schatten lautlos auftauchte und sich wie ein Grauschleier über mich legte. Mit seinen Löwenaugen schenkte er mir die Wahrheit, die ich in dieser atemlosen, verwirrenden Welt verloren hatte, nicht mehr finden konnte, verzerrt liegt sie am Straßenrand.
Und das Efeu wuchert und wuchert über diese Wahrheit, die aufgeweicht von meinen Tränenlügen zerschmilzt. Zu einer Sternschnuppe hauchte ich SESAM .
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Als meinen Engel sandte man ihn mir, als ich schrieb, um zu vergessen. Das Rätsel einer
jungen Frau, deren Freunde die Rasierklingen sind und der Mond.
Ich sehe sie auf dem Balkon stehen und verzweifelt schreien: Wie besteht man diese Welt?
Und ich höre, dass ihr niemand antwortet. Illusionslose Verwerfung.
Ein Kind in einem alten Körper, das sich festklammert an der Mutter Hoffnung.
Er liebte es zu malen und Zypressen auf seiner Terasse zu sammeln und er war klug.
Klug genug, sein Herz nicht zu verschenken. Zu leihen, aber immer an einem Rückholgummiband zu befestigen.
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Ich begab mich auf die Suche Freunde zu finden. Wie Diogenes, der versucht hat welche zu finden; mit der Laterne am hellichten Tag. Einige habe ich getroffen und scheint es dennoch,als existierten sie nur deshalb, um mich schnell wieder zu verlassen.
Weil ich komisch bin. Weil ich bin, wie sie, nur anders. An den Anblick im Spiegel gewöhnt man sich schnell, an den eines Zerrspiegels nie. Ich bin ein Idiot.
Gehe auf eine Schule, der ich nicht gewachsen bin. Schreibe Fünfer in Mathematik und Physik. Ich will nicht erkennen, dass die Strömung des Flusses zu stark ist und, dass Willenskraft alleine nicht reicht. Aber was ist das für eine Pforte, die sich öffnet, denjenigen, die springen, ohne die Frage nach der Tiefe des Falls?
Wie Perlen sich lösen an einer Kette, die gerissen ist, löse ich Gedanken für Gedanken, doch sie verrinnen kraftlos am endlosen Strand. Und es hüllt mich der Dunst der Liebe ein, wie ein warmes Federkleid.
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Ich liebe ihn, aber wenn ich an ihn denke, höre ich nur noch das dumpfe Plätschern
des Regens. Er hat mich niemals betrogen und wenn ich ihm zufällig auf der Straße begegne,
huscht stets ein ehrliches Lächeln über das, was einmal sein Gesicht gewesen ist...
Wir alle träumen vom Glück. Wir alle bekommen Zufriedenheit. Ein nettes Reihenhäuschen in
einem netten Vorstadtort und einen netten Mann. Und im Vorgarten blühen die Tulpen.
Anam Cara. Wir buhlen um Glück, wie Alpenstrudelwürmer nach Kot.
In Sequenzen streift es uns, das Glück, doch die, denen das zu wenig ist, verhungern.
Denn das Glück ist zerbrechlich und gleitet an uns vorbei, wie leichte Wolken über
dunkelblaue Tiefen, wie die endlose Weite des Meeres in den heißen lotrechten Strahlen.
Das Glück ist machtlos, es schläft und atmet und weiß von nichts...
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Nach ein paar Monaten musstest du fort. Eine Art Urlaub, in Florenz, wo die Sonne so heiß brennt, dass man den Schmerz vergisst; doch Florenz war nur ein Vorwand, unter dem du gegangen bist...
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Hier am Fluss stehe ich nun und blicke in den reißenden Wasserquirl, flüstere noch einmal SESAM -
und ich sprach es leise- vergebens.
Du gingst fort. Und in mir war wieder-
die Leere und Klarheit des Lebens.
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quod me nutrit me destruit
[ 10.05.2002, 10:21: Beitrag editiert von: josephine ]