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Seraina - Wer bin ich?

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01.07.2012
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Seraina - Wer bin ich?

Heute (September 2010)
Seraina war im Wald, atmete tief ein und genoss das Gefühl von Leben um sie herum. Sie sass am liebsten hier, unter der grossen Linde. Auf eine seltsame Weise fühlte sie sich mit diesem Baum verbunden, den Grund dafür kannte sie jedoch nicht. Die filigranen Muster auf dem Stamm, die kräftigen Wurzeln und die dichte Krone strahlten eine Stärke aus, die sie einfach beeindruckte. Das Rascheln der Blätter klang manchmal wie eine Melodie – eine wunderbar beruhigende. An anderen Tagen war es, als spräche der Baum mit ihr. Sie konnte sich kaum mehr vorstellen, dass sie noch vor ein paar Jahren, ein völlig anderes Leben geführt hatte.
Wie viele Tage ist es her, dass sie einmal nicht draussen war und die Erde unter ihren Füssen oder zwischen ihren Fingern gespürt hatte? Dass liegt schon fast fünf Jahre zurück – in einem anderen Leben…
Sie hatte sich in der Stadt nie wohl gefühlt. Diese asphaltierte Scheinwelt, in der jeder hauptsächlich seinen eigenen Interessen nachging und sogar unter sogenannten Liebespaaren Neid und Missgunst herrschte, konnte sie nicht locken. In dieser Zeit lebte sie allein, zog sich von der Welt zurück obwohl dies nicht ihrer Natur entsprach. Was hatte sich dann geändert? Was hatte sie endlich aus ihrer Starre erlöst, sie aufgeweckt und auf ihre wahren Wünsche aufmerksam gemacht?

Juni 2005
Es war an einem trüben Tag, der Regen rieselte sanft auf Serainas Haut als sie auf der Suche nach etwas Nähe zur Natur durch den Stadtpark lief. Sie genoss das Gefühl auf ihrer Haut und nahm es ganz bewusst wahr. Gerade als sie sich wieder einmal begann zu fragen ob sie die Einzige war die dieses Gefühl geniessen konnte, sah sie Larissa. Seraina sah ihr aufmerksam zu und bemerkte an den Reaktionen der wenigen Menschen welche durch den Stadtpark hetzten, dass diese Larissa für verrückt hielten: trotz Regen stand sie barfuss unter einem Baum und sang laut vor sich hin. Sie trug einen langen dunkelblauen Rock, dessen Saum bereits Schlammspuren aufwies. Um die Hüfte hatte sie eine Kette mit Metallverzierungen geschlungen, welche bei jeder Bewegung klimperten. Ihre langen, rabenschwarzen Haare hatte sie im Nacken zu einem Knoten zusammengebunden, aus welchem sich schon einige Strähnen gelöst hatten. Larissa nahm Serainas Gegenwart sofort wahr und kam auf sie zu. Obwohl Seraina erschrak, spürte sie doch instinktiv, dass sie dieser Frau vertrauen konnte.
„Hallo, mein Name ist Larissa. Ich spüre dass du die Einzige hier bist, die mich nicht für komplett verrückt hält“. Larissa lächelte und Seraina fühlte sich in ihrer Gegenwart sofort wohl. „Komm mit, wir trinken eine Tasse Tee zusammen“
Seraina zögerte nur einen Moment. Sie vertraute ihrer Einschätzung der Menschen noch nicht ganz, trotzdem wollte sie sich die Chance in dieser Stadt jemanden wir Larissa kennen zu lernen nicht entgehen lassen.
Larissa führte Seraina in ihren kleinen Laden, in dem diese allerlei Dinge zum Verkauf anbot. Das Sortiment reichte von Pflanzen über verschiedene Teesorten, Salben, ätherischen Ölen bis hin zu Deko Artikeln. Seraina war begeistert. Trotz der grossen Auswahl wirkte der kleine Laden überhaupt nicht vollgestopft. Man fühlte sich im Gegenteil einfach wohl und ein wenig abgeschottet von der Aussenwelt. Sie setzten sich an einen kleinen Tisch.
„Wie heisst du denn?“
„Ich bin Seraina. Dein Laden ist ja Klasse, seltsam dass ich ihn bisher nicht entdeckt habe. Ich suche schon lange nach einer kleinen Oase hier in der Stadt“
„Ja, nicht wahr? Leider vergessen die Menschen hier oft was Ihnen fehlt. Ich habe hier häufig auch Kunden die nur auf der Suche nach einer beruhigenden Duftnote sind, weil das in ihrem Büro gerade hipp ist. Die Meisten kommen aber wieder“ Larissa zwinkerte ihr zu „Ich spüre meistens was sie brauchen und obwohl sie nicht wirklich an die Heilkräfte der Natur glauben wollen merken sie doch, dass es ihnen besser geht“
Seraina war von dieser Frau beeindruckt. Sie wünschte sich in diesem Moment, auch so gefestigt in ihren Überzeugungen zu sein, und nicht nur eine diese Stadtmenschen die Larissa grade beschrieb.
„Keine Sorge Seraina, ich spüre bereits jetzt, dass mehr in dir steckt. Gib mir mal deine Hände.“ Etwas verwirrt reichte Seraina ihre Hände über den Tisch und als Larissa ihre Augen schloss fühlte sie eine unnatürlich starke Wärme von deren Handflächen ausgehen. Larissa liess sich Zeit, und öffnete erst nach einigen Minuten ihre Augen wieder. Seraina glaubte kurz einen Ausdruck der Überraschung in Larissas Augen zu sehen, welcher jedoch sofort wieder verschwand.
„Seraina, was ich dir jetzt sage weisst du eigentlich schon lange selber. Vertraue mehr auf deine Wahrnehmungen. Das Leben in der Stadt ist nichts für dich, du brauchst die Nähe zur Natur und musst lernen, dich auf deine emphatischen Fähigkeiten zu verlassen.“ Seraina schüttelte den Kopf „Ich habe doch keine besonderen Fähigkeiten, schon gar keine emphatischen“ Dabei dachte sie an ihre missglückten Liebesbeziehungen. Nein, wenn sie emphatische Fähigkeiten hätte, wäre sie bestimmt nicht an solche Typen geraten.
„Hast du bisher nicht immer Recht behalten, wenn du das Gefühl hattest, dass jemand unehrlich zu dir ist?“
Etwas verlegen antwortete Seraina „Ich hab schon gemerkt, dass ich oft richtig lag, aber häufig hab ich ja keine Beweise dafür und ich habe diesem Umstand bisher auch nicht viel Bedeutung beigemessen“.
„Und du hast nicht darauf vertraut. Hör zu Seraina, ich kann dir helfen dein Vertrauen in deine Fähigkeiten und die Natur zu stärken wenn du willst. Erzähl mir doch was dich so verunsichert hat“

Heute
Seraina tauchte aus Ihren Erinnerungen auf. Damals hatten Larissa und sie stundenlang geredet. Nie zuvor hatte sich Seraina einem Menschen so geöffnet, nicht einmal ihrer Familie gegenüber. Aber daran wollte sie jetzt nicht denken.
Nun lebte sie in einem Haus am Waldrand, weg von der Stadt. Sie war sehr glücklich darüber den Schritt näher zur Natur gemacht zu haben. Ihr Haus war zweistöckig, ein altes Haus mit wunderschönen Holzbalken. Geheizt waren nur die Küche und das Wohnzimmer, mit einem alten Kachelofen. Das benötigte Holz bekam sie vom Förster und hackte es selber zu handlichen Scheiten. Seraina pflegte auch einen kleinen Garten und stellte aus Kräutern verschiedene Teesorten, Salben und Badzusätze her, welche Larissa dann in ihrem kleinen Laden in der Stadt verkaufte.
Seraina seufzte zufrieden, stand auf und streichelte nochmal über die raue Rinde der grossen Linde, bevor sie sich auf den Rückweg zu ihrem Haus machte.
Noch bevor sie zwischen den Bäumen hervor trat, nahm Seraina die Präsenz ihrer Schwester wahr. Dann sah sie Laura im Schaukelstuhl von ihrem Haus sitzen und die Sonnenstrahlen dieses Spätsommertages geniessen. Laura hatte die Augen geschlossen, die Sonnenstrahlen liessen ihre Haare glitzern und sie streichelte verträumt ihren Bauch. Seraina freute sich immer ihre Schwester zu sehen. Laura hatte sie von Anfang an bei ihrer Entscheidung unterstützt ihr altes Leben hinter sich zu lassen. Nun war Laura im achten Monat schwanger, und Seraina freute sich sehr auf ihren Neffen. Sie hatte von Anfang an gewusst dass Laura einen Jungen erwartete, das war Teil ihrer Fähigkeit sich in andere hineinzuversetzen. Laura wollte jedoch das Geschlecht des Babys nicht kennen und so behielt Seraina ihr Geheimnis für sich.
Seraina spürte Lauras Unruhe schon von weitem, aber das war nichts Aussergewöhnliches. Laura war bereits während der ganzen Schwangerschaft etwas ängstlicher als sonst, denn sie hatte sich schon lange ein Kind gewünscht. Bisher war die Schwangerschaft problemlos verlaufen. Laura vertraute auf Serainas Fähigkeit zu erkennen wenn etwas nicht in Ordnung wäre und wurde in ihrer Nähe sofort ruhiger.
„Laura, wie schön dass du da bist.“ Sie schloss Laura herzlich in die Arme. Obwohl beide die feinen Gesichtszüge ihrer Mutter geerbt hatten, unterschieden sich die beiden Schwestern doch sehr voneinander. Laura hatte von Natur aus goldblondes, gelocktes Haar und trug es schulterlang. Serainas Haare dagegen waren dunkelbraun und reichten ihr lang über den Rücken herab. Laura war schon immer etwas rundlicher, was nun durch die Schwangerschaft noch weiter betont wurde. Dabei strahlte sie jedoch eine unbändige Energie und Herzlichkeit aus, welcher man nur schwer widerstehen konnte. Seraina war gertenschlank und wirkte auf den ersten Blick viel kühler als Laura. Wenn die beiden zusammen unterwegs waren, zogen sie immer die Blicke der Männer auf sich. Seraina war das ziemlich egal, sie hatte kein Interesse an einer Beziehung. Sie spürte bei den Meisten sofort, dass es ihnen nicht ernst war, und die wenigen, die an einer ernsthaften Beziehung interessiert gewesen wären, schreckten vor Serainas kühler Art zurück. Laura dagegen flirtete früher viel und gerne. Sie hatte die Aufmerksamkeit der Männer immer genossen, sich aber auch nie auf eine ernsthafte Bindung eingelassen. Bis sie Erik kennen lernte. Dass war vor vier Jahren. Für Seraina waren die beiden ein Traumpaar. Sie hatte bei Erik ein gutes Gefühl. Aber manchmal wurde sie aus ihm nicht so recht schlau. Irgendetwas war da noch, was er vor ihr verbarg. Seraina spürte das starke Band zwischen den beiden und freute sich sehr für ihre Schwester. Momentan war Erik auf Geschäftsreise. Er reiste viel und behielt dabei doch immer engen Kontakt zu Laura.
„Seraina, ich habe wieder Krämpfe und seit heute früh sind sie stärker geworden.“ Laura wirkte ernsthaft besorgt und auch erschöpfter als sonst.
„Komm erst mal mit rein, ich mache uns einen Tee und bereite dir dann ein entspannendes Bad vor, vielleicht finde ich dabei heraus was dir fehlt.“ Seraina lächelt aufmunternd, sie machte sich keine Sorgen.
Als sie zusammen auf dem Sofa sassen, nahm Seraina Lauras Hände in ihre. „ Atme ruhig und gleichmässig mit mir zusammen Laura“ Seraina zog ihre Sinne von der Umwelt zurück und konzentrierte sich zuerst ganz auf ihren eigenen Körper, ihren Herzschlag. Dann erweiterte sie langsam ihr Bewusstsein um Laura wahrzunehmen. Sie konnte sich ganz in Laura hineinversetzen, das vermochte sie bei keinem Menschen so gut wie bei ihr. Sie tauchte ganz in dieses Gefühl ab und suchte als erstes nach dem Herzschlag des Babys. Dieses schlug kräftig und Seraina realisierte wie der kleine Junge auf ihre geistige Berührung reagierte. Lächelnd nahm Seraina das sanfte Strampeln wahr und bewegte ihren Geist dann weiter durch Lauras Körper. Erstaunt stellte Seraina fest, dass Lauras Körper bereits begann sich auf die Geburt vorzubereiten. Aber dafür war es noch viel zu früh. Sie suchte nach einer Ursache, fand aber keine. So begann sie einfach ein wenig Ruhe auszustrahlen. Es funktionierte, Lauras Körper entspannte sich und Seraina merkte, dass sich auch Lauras Geist auf die Entspannung einliess. Vorsichtig zog sie sich nun zurück und tauchte langsam wieder auf.
„Laura bleib doch ein paar Tage bei mir“ sagte sie sanft. „Ich habe noch ein paar Ideen für einen Kräutermix der deine Krämpfe lindern wird und wenn du hier bist kann ich dir jederzeit helfen dich zu entspannen“, viel mehr kann ich leider nicht machen, dachte Seraina. „Hier kannst du dich auf die Geburt vorbereiten, ich denke länger als zwei Wochen wird das Baby nicht mehr auf sich warten lassen.“ Um ihren Neffen brauchte sich Seraina keine Sorgen zu machen, da war sie sich sicher. Allerdings machte sie sich Sorgen um Laura, sie musste unbedingt entspannt auf die Geburt zugehen, irgendwie fühlte Seraina, dass es keine leichte Geburt werden würde.
In den nächsten zwei Wochen genossen die beiden Schwestern den Spätsommer. Sie plauderten viel, stellten Salben her oder vertieften sich in ihre Bücher.
Seit einem Tag hatte Laura immer wieder leichte Wehen. Am nächsten Tag würde Erik kommen, aber wahrscheinlich würden die Wehen schon in der Nacht so richtig einsetzen, dachte Seraina.
Und tatsächlich: es war drei Uhr früh, als Laura Seraina weckte. Laura badete, lief ein wenig herum und atmete gemeinsam mit Seraina durch die Wehen. Die Geburt zog sich jedoch hin und mittlerweile lag Laura auf dem Bett. Als Erik endlich ankam, war sie schon völlig erschöpft. Seraina verzweifelte fast. Was nützten ihr ihre Fähigkeiten, wenn sie die Schmerzen ihrer Schwester zwar mitempfinden, sie aber in keiner Weise lindern konnte?
Erik beugte sich über Laura und strich ihr zärtlich die Haare aus der Stirn. Dann sah er Seraina ernst an. „Laura mein Schatz, alles wird gut. Seraina und ich gehen kurz vor die Tür, ich bin gleich wieder bei dir“. Laura sah auf, sie fühlte sich in Eriks Gegenwart immer geborgen. In seinen dunkelbraunen Augen las sie seine tiefe Liebe zu ihr.
Seraina war überrascht, sie hatte noch nie mir Erik allein Zeit verbracht und sie konnte sich nicht vorstellen, worüber er gerade jetzt mit ihr sprechen wollte.
„Erik, gerade jetzt sollen wir Laura doch nicht alleine lassen.“
„Seraina, so geht das nicht weiter! Ich wollte dir Zeit lassen das Ausmass deiner Begabungen selber zu erfassen, aber nun läuft Laura einfach die Zeit weg. Sie braucht jetzt deine Hilfe!“.
„Erik du irrst dich, ich möchte ihr gerne helfen, aber mehr als mitfühlen kann ich nicht. Ich verzweifle ja selber fast daran. Aber magische Fähigkeiten wie Larissa habe ich keine!“.
„Seraina, du irrst dich!“
„Und du überschätzt mich.“
„Ich spüre deine wahre magische Macht, weil ich selber magische Fähigkeiten habe! Meine Reisen unternehme ich allein durch meine mentale Kraft.“.
Seraina starrte Erik ungläubig an. Was erzähle er da? Ja, sie wusste, dass da mehr war, als sie lange Zeit wahrhaben wollte. Was Erik aber jetzt erzählte war einfach unglaublich! Sie wollte ihm noch widersprechen, aber er hatte sich bereits wieder von ihr abgewandt und trat durch die schwere Holztür zurück ins Zimmer zu Laura. Seraina folgte ihm.
„Seraina, hilf Laura, ich bitte dich. Lass dich einfach darauf ein!“. Seraina schaute verwirrt zu Erik. Er hatte nichts gesagt, sah sie nicht einmal an, und doch hatte sie seine Stimme deutlich in ihrem Kopf wahrgenommen. „Ich kann das nicht“, dachte sie verzweifelt, „ich weiss nicht wie.“ Sie trat zu Laura ans Bett und legte ihr die Hand auf die Stirn. Sie sammelte sich und versuchte Laura etwas von ihrer Energie zufliessen zu lassen. Überrascht stellte Seraina fest, dass es zu wirken schien. Laura schlug die Augen auf, sie sah sofort viel besser aus. Seraina war so überrascht, dass sie fast vergass die Verbindung aufrecht zu erhalten. „Nicht aufgeben Seraina“ - Eriks Stimme erklang wieder eindringlich in ihrem Kopf. Sie spürte, dass das Baby nun bald kommen würde und schloss konzentriert die Augen. Ein paar Minuten später, hielt Erik seinen Sohn im Arm. Überglücklich trat er zu Laura und legte ihr das Kind in die Arme. Seraina taumelte erschöpft einen Schritt zurück und betrachtete die kleine Familie. Besorgt richtete sie ihren Blick auf Laura. Sie verlor viel zu viel Blut. Schnell trat sie wieder einen Schritt näher und suchte nach der Ursache. Seraina spürte dass die Gebärmutter verletzt war. Sie fühlte mit dem Blutstrom auch Lauras Energie schwinden und konnte einfach nichts dagegen tun. Erik nahm den kleinen Jungen genau in dem Moment wieder in den Arm, als Laura das Bewusstsein verlor. Verzweifelt schaute Seraina ihn an.
„Seraina, du kannst ihr helfen, ich weiss es. Vertraue auf deine Kräfte. Ich fühle doch, dass du die Macht dazu hast!“
„Erik, du irrst dich! Du überschätzt meine Macht gewaltig, es tut mir leid, ich glaube nicht, dass ich noch mehr für Laura tun kann“. Sie begann zu weinen und verliess den Raum. In ihrem Garten hatte sie eine kleine Holzbank, sie setzte sich darauf, betrachtete die vielen Pflanzen in ihrem kleinen Garten, und fühlte dabei die Kraft des Lebens dass diese ausstrahlten. Was sollte sie nur tun? Sie hörte dass verzweifelte Echo von Eriks Stimme in ihrem Kopf und versuchte sie abzuschütteln. Sie konnte nichts tun, warum verstand er das nicht? Plötzlich tauchten vor Serainas Augen Bilder aus ihrer Kindheit auf. Wie sie mit Laura herumtobte, lachte und weinte. Mit unglaublicher Geschwindigkeit rauschten Erinnerungen an ihr vorbei, bis es ihr schwindlig wurde. Plötzlich verlangsamte sich der Strom und sie sah sich selber als kleines Mädchen. Sie konnte höchstens fünf Jahre alt gewesen sein. Sie erinnerte sich dunkel an den Tag, sie war damals mit Laura im Wald und ihre kleine Schwester hatte sich das Knie aufgeschlagen. Seraina beobachtet nun die Szene als Aussenstehende.

1987
Es war ein wunderschöner, warmer Frühlingstag. Eleanor sass mit ihren beiden Kindern in der Küche am Tisch und schaute ihnen liebevoll zu. Die beiden waren ein Herz und eine Seele und teilten sich gerade den letzten Rest ihres Kartoffelsalates. Eleanor war glücklich, sie liebte ihre beiden Mädchen über alles und versuchte ihnen so viel Liebe wie möglich mit auf den Weg zu geben.
„Oma, wir sind fertig, dürfen wir jetzt nach draussen gehen?“
Eleanor lächelte. Laura war ein Wirbelwind, zog ihre grosse Schwester immer mit.
„Aber natürlich, seid wie immer vorsichtig wenn ihr im Wald spielen wollt“
Lachend rannten die Mädchen zur Tür hinaus und durch den Garten auf den Wald zu. Eleanor sah ihnen nachdenklich nach. Wieder einmal mehr fragte sie sich was den grossen Unterschied zwischen den Mädchen zu bedeuten hatte ob Seraina doch mehr von ihrer Schwiegertochter geerbt hatte als sich bisher offenbart hatte.
Im Wald liefen die beiden Mädchen sofort zum Bach und begannen ihren Staudamm auszubauen mit welchem sie am Morgen begonnen hatten.
Sie suchten Steine und Äste zusammen und plötzlich hörte Seraina dass Laura weinte. Schnell lief sie zu Laura, beugte sich fürsorglich über ihre Schwester und versuchte sie zu trösten. Sie strich über die Wunde und sang: „…tuets ar Laura nümme weh“. Als das Lied fertig war, leuchtet die Hand der kleinen Seraina in einem sanften Grün auf und Lauras Verletzung verschwand. Die kleine Seraina lächelte Laura zu und die beiden Schwestern spielten ausgelassen weiter.

Heute
Die Szene verschwamm vor Serainas Augen und sie stand wieder im Garten hinter ihrem Haus. Sie fühlte sich als schwebte sie noch irgendwo zwischen den Zeiten und hatte Mühe wieder zurück zukommen. Sie hatte die Gedanken ihrer Grossmutter gehört, konnte sich aber keinen Reim darauf machen.
Seraina und Laura wuchsen bei Ihrer Grossmutter auf seit sie sich erinnern konnte. An ihre Eltern hatte Seraina kaum noch eine Erinnerung. Sie waren bei einem Autounfall ums Leben gekommen als Seraina grade mal zwei Jahre alt war und von da an wuchsen sie bei der Mutter ihres Vaters auf. Seraina hatte ihre Oma über alles geliebt und viel von ihr gelernt. Sie hatte den Mädchen natürlich auch von ihren Eltern erzählt, von ihrem Vater als kleinen Jungen, wie sie sich kennen gelernt hatten was die beiden für Menschen waren. Was hatte ihre Grossmutter aber gemeint, was Seraina noch von ihrer Mutter geerbt hatte?
Wieder begannen Erinnerungen aufzutauchen und Seraina liess sich von ihnen davontragen. Die Szene welche sie nun vor sich sah, erkannte sie aber nicht sofort.

1983
Eine junge Frau kniete im Garten zwischen wunderschönen Blumen und jätete. Sie war hochschwanger aber ihr schien die Anstrengung nichts auszumachen. Lächelnd strich sie sich ihre blonden Haare aus der Stirn und sah sich um. Einige Meter von ihr entfernt spielte in kleines Mädchen mit ihren Puppen und erzählte ihnen irgendeine Geschichte.
„Schätzchen, du sollst dich doch nicht mehr so anstrengen“ Ein hübscher Mann trat auf die junge Frau zu und nahm sie in die Arme. Sanft streichelte er den grossen Bauch und lächelte ihr zu.
„Du weisst doch das ich sehr gut auf mich aufpassen kann mein Schatz, mach dir nicht zu viele Sorgen“ Sie kuschelte sich in seine Arme und sie blieben einen Moment lang so stehen.
Plötzlich begann das kleine Mädchen zu weinen. Das junge Elternpaar löste sich aus der Umarmung und ging hinüber. Es hatte einen tiefen Kratzer am Arm. Zwischen den eng zusammenstehenden Büschen war zu sehen, dass es ein Bett für seine Puppen zurechtgemacht hatte. Es musste sich beim herauskriechen verletzt haben. „Da wird wohl eine kleine Narbe zurückbleiben“ meinte die Mutter besorgt als sie das kleine Mädchen hochhob und dem Vater in die Arme legte. Sanft strich sie über die Wunde und sang. Ihre Hand glühte grünlich auf die Wunde schloss sich. Zurück blieb eine helle Linie die sich in einer sanften Welle lang über den Unterarm zog.


Heute
Seraina tauchte wieder auf und fühlte sich schwindelig. Sie setzte sich auf die Holzbank und betrachtete nachdenklich ihren Unterarm. Sie erkannte die sanfte weisse Linie sofort wieder und plötzlich wurde ihr alles klar. Sie hatte diese Fähigkeit schon immer gehabt, von ihrer Mutter geerbt! Und als kleines Mädchen, als sie den Glauben an Wunder noch hatte, war es ihr nicht schwergefallen diese wunderbare Gabe auch anzuwenden. Sie erinnerte sich auch wieder daran, wie sie die Kraft ausgelöst hatten. Im Lied steckte bereits ein Teil der Macht und Serainas Gabe wurde dadurch frei gesetzt. Es war dasselbe Lied dass ihre Mutter in der zweiten Erinnerung gesungen hatte, wie konnte sie das nur vergessen?
Sofort lief sie zurück zu Laura ins Zimmer. Erik stand immer noch genauso da, wie sie ihn verlassen hatte. Wie lange war sie weg gewesen? Sie hatte keine Ahnung. Während ihrer „Reise“, hatte sie jedes Zeitgefühl verloren. Sofort nahm sie Lauras Hände in ihre, sie musste sich gar nicht konzentrieren, tauchte wie selbstverständlich in Lauras Körper ab. Schnell sah das Blut strömen und fühlte Lauras Energie schwinden. Sie konzentrierte sich auf die Verletzung begann das alte Lied aus ihren Kindertagen zu singen. Sie fühlte ein Kribbeln im ganzen Körper und eine Wärme in ihren Handflächen. Seraina sang weiter und spürte wie Lauras Verletzungen heilten, der Blutstrom ebbte ab und Lauras Lebensenergie kam langsam zurück.
Völlig erschöpft brach Seraina zusammen. Sie hatte nun alles für Laura getan was sie konnte. Sie fühlte noch, dass Laura kämpfte, während sie in einen tiefen Schlaf sank.
Seraina träumte erneut von ihren Kindertagen, von Wundern, die damals so selbstverständlich für sie waren und die sie irgendwie aus den Augen verloren hatte, als sie erwachsen wurde. Sie sah ihre Freunde, die Waldgeister und Elfen und fragte sich, ob diese auch real waren. War das, was sie als kindliche Fantasie abgetan hatte am Ende doch mehr? Gab es ihre Fantasiewelten wirklich? Sie erinnerte sich auch wieder an ihre Traumreisen in ferne, fremde Welten und wünschte sich, dass wenigstens ein Teil davon wirklich existierte.
Als sie wieder aufwachte, lag sie in ihrem Bett. Sie hatte keine Ahnung wie lange sie geschlafen hatte und wie sie in ihr Bett gekommen war. Langsam setzte sie sich in auf und sah sich um. Draussen war es hell und sie entschied sich aufzustehen und nach Laura zu sehen.
Als sie aus dem Zimmer kam, roch es nach frisch gebrühtem Kaffee. Erik stand in der Küche und bereitete gerade Frühstück zu. Als er Seraina sah, lächelte er ihr zu. „Guten Morgen Seraina, wie geht es dir?“. Sie hörte ihn wieder nicht wirklich, nahm viel mehr ein Vibrieren in ihren Gedanken wahr. Ob sie ihm wohl auch auf diese Weise antworten konnte? „Ja Seraina, auch du kannst mich so erreichen, das ist meine Begabung, so wie deine das Heilen ist.“
„Kannst du alle Gedanken lesen?“
„Nein, zum Glück nicht. Ich kann nicht in die Privatsphäre der Menschen eindringen, erkenne nur was sie bereit sind mir zu zeigen, und manchmal ein bisschen mehr als sie mir bewusst zeigen wollen.“, er zwinkerte und wendete sich wieder dem Herd zu. „Laura wartet schon auf dich.“.
Seraina fühlte sich total wohl, sie hatte das Gefühl, als sei eine Last von ihr abgefallen. Ihr Bewusstsein hat sich auf eine seltsame Art erweitert und sie war gespannt, was ihr ihre neu entdeckten Fähigkeiten noch alles für sie bereithielten. Sie ging zu Laura ins Zimmer und sah, dass sie gerade dabei war ihr Baby zu stillen. Sie sah entspannt und glücklich aus, man sah ihr aber die anstrengende Geburt noch an. „Seraina, wie schön dass du endlich wach bist, ich habe mir schon Sorgen gemacht. Weisst du, dass du einen ganzen Tag verschlafen hast?“. Seraina sah sie überrascht an, „Das war mir nicht bewusst, ich muss schon sehr erschöpft gewesen sein.“
„Erik hat dir von seinen Fähigkeiten erzählt, nicht wahr? Er hat mir gesagt, dass du mich gerettet hast. Was steckt noch alles in dir mein Schwesterherz?“
Seraina lächelte, Lauras liebevolle, lebendige Art rührte sie. „Wie geht es meinem Neffen, hat er schon einen Namen?“
Laura sah auf das Baby. Es war an ihrer Brust eingeschlafen und sie löste sich vorsichtig von ihm.
„Komm Seraina halte den Kleinen mal.“
Seraina nahm den Jungen lächelnd in den Arm. „Er heisst Thomas.“ Seraina war gerührt, es war der Name von ihrem Grossvater. Die beiden Schwestern hatten ihn sehr geliebt. Er hatte ihnen als Kindern die wildesten Geschichten erzählt und verbrachte viel Zeit draussen. Sie hatten zusammen Hütten im Wald gebaut und ihnen gezeigt wie sie ihre Staumauern in dem kleinen Bach ausbauen konnten. Sie wanderten auch oft und lernten so die verschiedenen Pflanzen und ihre Wirkungen kennen. Vor ein paar Jahren war er als alter Mann im Schlaf gestorben. Seraina vermisste ihn immer noch.
Thomas schlief in Serainas Armen selig weiter. Sie streichelte die winzigen Finger und war fasziniert von dem kleinen Wunder, dass sie in ihren Armen hielt. . Sie betrachtete das winzige kugelrunde Gesicht, von blonden Locken eingerahmt. Die Nasenflügel der winzig kleinen Stupsnase bewegten sich leicht mit jedem Atemstoss. Das kleine Herz schlug kräftig und Seraina spürte, dass er gesund war, freute sich schon darauf ihn aufwachsen zu sehen.

Ein paar Wochen später war Seraina gerade dabei Holz für den bevorstehenden Winter zu hacken als sie hörte dass ein Auto vor ihrem Haus parkte. Das konnte eigentlich nur Larissa sein. Seraina hatte sie gebeten sie zu besuchen, sie wollte unbedingt mit ihr über ihre neu entdeckten Fähigkeiten sprechen.
Seraina legte die Axt zur Seite und machte sich auf den Weg Richtung Vordertüre. Larissa war gerade dabei auszusteigen. Sie hatte immer ein paar Kerzen für Seraina dabei, doch diesmal lud sie einen riesigen Korb aus. Seraina lief überrascht auf sie zu.
„Hallo Larissa, wie geht es dir? Lass dir helfen“
Gemeinsam trugen sie den Korb in Serainas Küche und stellten ihn auf den Tisch.
„Seraina, lass dich ansehen. Du wirkst etwas verunsichert auf mich, obwohl ich eine Erweiterung deines Bewusstseins deutlich wahrnehmen kann. Was ist den geschehen?“
„Du weisst doch dass Lauras Geburt nicht leicht war. Ich habe ihr geholfen.“ Seraina erzählte Larissa alles was geschehen war. Durchlebte noch einmal die Angst um Laura. Das ganze war noch sehr präsent für sie.
„ Nun bin ich verwirrt. Ich weiss nicht ob ich die Gabe zu heilen auch bei anderen Menschen anwenden kann und soll. Wie soll ich jemandem erklären was ich mache, ich verstehe es ja nicht einmal selbst. Und was ich alles heilen kann oder nicht weiss ich auch nicht. Im Moment habe ich das Gefühl dass ich meine Position in der Welt verloren habe und allein dastehe. Und kann ich diese Erinnerungsströme bewusst herbeiführen? Gibt es noch mehr Menschen wie uns und kann ich mit ihnen Kontakt aufnehmen? Das sind alles Fragen die mich beschäftigen.“
Larissa lächelte ihr zu „Jetzt beruhige dich erst Mal Seraina. Was du da entdeckt hast ist eine wunderbare und sehr seltene Gabe. Wie du sie nutzen kannst musst du wohl alleine herausfinden. Es ist sehr schade dass dich deine Mutter dabei nicht führen kann. Ich kann dir jedoch helfen dich in deinen Erinnerungen zurecht zu finden. Du musst aber sehr vorsichtig mit deinen Kräften umgehen Seraina. Du hast ja bereits bemerkt, dass du sehr viel Energie aufwenden musst um auf sie zuzugreifen.“
Larissa suchte aus dem Korb vier Kerzen heraus und stellte sie nach den vier Himmelsrichtungen ausgerichtet auf den Tisch. Dann bereitete sie eine Räucherschale vor und legte ein paar getrocknete Pflanzen hinein. Durch den Duft und die Kerzen entstand bereits eine besondere Stimmung. Larissa nahm Serainas Hände und sah diese ernst an. „Ich werde dich jetzt bei deiner Reise durch die Zeiten begleiten und hoffe, dass du einige Antworten finden kannst. Ich halte meinen Geist jedoch hier und wecke dich auf wenn ich merke dass die Anstrengung zu gross wird. Vertraue mir, so kannst du dich völlig treiben lassen. Wenn du dich auf eine Frage konzentrierst sollte eine Erinnerung auftauchen die dich der Antwort näher bringt.“
Seraina hatte Larissa gespannt zugehört. Sie hatte ein wenig Angst und fragte sich ob sich das erlebte wirklich so einfach wiederholen liess. Würde sie Antworten finden? Wollte sie diese Antworten? Was, wenn ihr nicht gefiel was sie zu sehen bekommen würde?
„Vertrau mir Seraina. Und vor allem: Vertraue dir selber“
Seraina atmete tief ein und schloss die Augen. Auf welche Frage sollte sie sich konzentrieren?
Hatte mein Vater auch eine magische Gabe?
Sie hielt Larissas Hände fest und konzentrierte sich auf die Frage, versuchte sich zu entspannen. Es geschah gar nichts. Seraina war enttäuscht. Warum funktionierte es nicht? Sie nahm Ihre Umgebung wahr: die warmen Hände Larissas, die Duftmischung die sie immer ausstrahlte, das Ticken ihrer Uhr das leise aus der Küche klang. Der Wind der der sachte an den Fensterläden rüttelte.
Moment – vorhin war es doch noch völlig windstill? Seraina schlug die Augen auf und merkte dass sie –diesmal ohne es überhaupt zu bemerken, ohne den Sturm der vorbeifliegenden Erinnerungen – abgetaucht war in früher Erlebtes. Sie fand sich in einer Wohnung wieder die sie nicht erkannte. Erstaunt blickte sie sich um. Sie fühlte sich unsicher und spürte sofort die sanfte Verbindung die immer noch zu Larissa bestand.

Früher
Seraina blickte sich um und der Raum kam ihr auf seltsame Weise vertraut vor, obwohl sie sich sicher war hier noch nie gewesen zu sein. Es roch nach dem Feuer welches sie im Kamin brennen sah und aus der Küche hörte sie eine Frau leise summen. Offenbar befand sie sich in einem Wohnzimmer welches direkt an die Küche angrenzte. Es wurde von einem riesigen alten Einbauschrank beherrscht und es standen noch einige Stühle und Sessel um den Kamin herum. Der Boden bestand aus Dielenbrettern und sah bereits etwas mitgenommen aus. Trotzdem wirkte das Wohnzimmer gemütlich. Es hatte Decken auf den Sesseln, neben dem Kerzenhalter auf dem kleinen Tischchen lag ein Buch und auf einem der Sessel entdeckte Seraina eine Schlafende Katze. Auf einmal hörte sie lautes Gepolter und eine andere Katze schoss aus einem angrenzenden Zimmer, zischte an Seraina vorbei und verschwand in der Küche. Zwei Jungen folgten ihr lachend. Der erste rannte an Seraina vorbei ohne irgendeine Reaktion. Der zweite Junge folgte ihm dicht auf dem Fuss, blieb aber im Wohnzimmer plötzlich stehen und sah sich um. Seraina war erstaunt. Nahm er etwa ihre Präsenz wahr? Konnte das sein? Sie versuchte den Jungen genauer betrachten, da drehte er sich zu ihr um und sah sie unverwandt an.
Unwillkürlich wich Seraina einen Schritt zurück.
„Daniel, los komm“ ertönte eine Frauenstimme aus der Küche. Der Junge wandte sich von Seraina ab und ging zögernd auf die Küche zu.
Seraina war verwirrt, sie kannte den Namen, ihr Onkel hiess so. Aber wie konnte sie in eine Erinnerung abtauchen in der er noch so klein war?
Die Szene verschwamm vor Serainas Augen.
Diesmal rauschten Bilder an ihr vorbei, schon fast wie gewohnt und ohne dass sie eines wirklich wahrnehmen konnte.Der Bilderlauf verlangsamte sich und sie sah ihren Vater als erwachsenen Mann, fast so wie sie ihn in Erinnerung hatte.

1980
Er wiegte ein Baby im Arm und sang leise Schlaflieder. Sie kannte das Zimmer. Es war das Schlafzimmer ihrer Eltern in welchem auch sie und ihre Schwester geschlafen hatten als sie noch klein waren. Jetzt stand erst ein Babybettchen neben dem Grossen Doppelbett. Es hatte einen hübschen Überzug mit Schmetterlingen darauf und war aus dunklem Holz.
Serainas Mutter trat ins Zimmer und legte ihren Arm sanft um ihren Vater. Die Wärme zwischen den beiden war spürbar und sie sahen glücklich auf ihr Kind. Als das Baby eingeschlafen war legten sie es ins Bettchen, setzten sich auf die Bettkante ihres Bettes und sprachen leise miteinander.
Plötzlich begann das Baby zu weinen. Ihre Mutter stand sofort am Bett und sah ihren Vater fragend an. „Nichts schlimmes, sie hat wieder Bauchkrämpfe.“ Er hielt sich selbst die Hand auf den Bauch „ich spüre es ganz deutlich“ Serainas Mutter lächelte. „Diese intensive Bindung zwischen euch ist wirklich erstaunlich“ „Ja, bisher hatte ich immer geglaubt, der Einzige aus unserer Familie zu sein ohne Gabe“ er zwinkerte seiner Frau zu. „Ich bin so glücklich dass ich diese enge Verbindung zu ihr habe. Ich bin gespannt wie sich das weiter entwickelt.“
Ihr Vater hatte also auch eine Gabe. Aber bezog sich die nur auf sie? Oder hatte er sie einfach erst jetzt entdeckt? Hing diese Gabe mit ihrer Fähigkeit zusammen sich in andere hineinzuversetzen? Und hiess das, dass ihre Schwester auch eine Gabe hatte?
Seraina schossen alle diese Fragen gleichzeitig durch den Kopf. Erneut wirbelte sie durch einen Strom von Bildern.

Heute
Als Seraina die Augen aufschlug sass sie wieder mit Larissa am Tisch. Sie fühlte sich schwach und immer noch etwas schwindelig.
„Hast du mich zurückgeholt?“
„Nein Seraina, du hast den Weg zurück selber gewählt. Offenbar unbewusst, aber es war Zeit. Du merkst ja selber wie viel Energie diese Reisen kosten. Aber wo warst du? Du warst sehr lange weg.“

Sanft rauschte der Wind durch die dichte Krone. Es war angenehm warm, entspannt sass Seraina unter ihrer Linde. Verträumt sah sie zu wie sich immer mehr Blätter von der Baumkrone lösten und langsam zu Boden schwebten. Wieder einmal ein wunderschöner Tag zum Nachdenken. Es roch nach Regen, und immer mehr dunkle Wolken zogen sich am Himmel zusammen. Dies konnte Seraina nicht erschüttern. Sie versank wieder in ihren Gedanken und bemerkte die ersten paar Regentropfen nicht einmal.
Das Gespräch mit Larissa hatte lange gedauert und sie dazu angeregt sich sachte auf ihre neue Situation einzulassen. Sie hatte magische Gaben. Ja genau, sie verwendete bereits die Mehrzahl. G a b e n. Was bedeutete dies für sie?
„Wer bin ich?“ diese Frage stellte Seraina laut an sich selber. Und wie zur Antwort frischte der Wind auf. Es war nicht das erste Mal, dass sie sich diese Frage stellte. Es war ja nicht so, dass sie unglücklich war. Sie fühlte sich wohl in ihrem Heim, im Umgang mit Laura und Larissa. Freute sich über ihren Neffen der nun schon einen Monat alt war. In dieser kurzen Zeit hatte sich viel verändert. Oder? War sie noch dieselbe? Wohin entwickelte sie sich? Seit sie sich entschieden hatte, die Stadt hinter sich zu lassen, hatte sie sich doch grundlegend verändert – oder? War es nicht vielmehr so, dass sie mehr zu sich selber gefunden hatte? Sie war immer noch die selbe, spürte immer noch die selben Unsicherheiten in sich. Und doch hatte sich ihre Persönlichkeit gefestigt. Sie nahm sich selbst und ihrer Umgebung viel bewusster war und reagierte dementsprechend manchmal anders als früher. Und doch glaubte sie nicht, sich so sehr verändert zu haben wie das auf ihre ehemaligen Arbeitskollegen gewirkt hatte.
Sie war gestern in der Stadt und hatte kurz in ihrem alten Büro vorbeigeschaut. Einfach so, weil sie Lust hatte die Menschen dort wieder zu sehen. Dies war ein spontaner Entschluss gewesen. Aber kaum hatte sie das Büro betreten, bereute sie ihre Entscheidung bereits. Eine Mischung aus Neid und Mitleid schlug ihr entgegen. Sie war nicht mehr in der Welt der leistungsorientierten und vermeintlich erfolgreichen Gesellschaft. Aber dann veränderte sich die Situation plötzlich. Klara, ihre direkte Tischnachbarin trat auf Seraina zu und freute sich wirklich sie zu sehen. Sie plauderten ein wenig, belanglos, und doch bemerkte Seraina wie sich die Stimmung entspannte. Ihre Kollegen nahmen wohl ihre Entspannung wahr und reagierten darauf. Auf einmal nahmen fast alle an ihrer Unterhaltung teil, fragten nach Serainas Wohlbefinden und erzählten ihr was sie in er Zwischenzeit so alles verändert hatte.
Als Seraina das Büro wieder verliess, waren über zwei Stunden vergangen. Sie fühlte sich wohl und war glücklich darüber, dass sie trotz allem einen entspannten Umgang Miteinander pflegen konnten.
Seraina nahm nun den Regen auf ihrer Haut wahr, der immer stärker wurde. Sie atmete tief ein, genoss ganz bewusst das Gefühl der Regentropfen, nahm all die Geräusch um sich herum wahr. Wie die Tropfen auf die Blätter fielen, auf den Boden, das Rauschen des Windes. Sogar die Präsenz einiger Tiere nahm sie währ. Ein paar Meter rechts von ihr befand sich ein Kaninchenbau.
Sie machte sich auf den Heimweg. In dieser Nacht würde es noch einen Sturm geben, danach werden wahrscheinlich kaum noch Blätter an den Bäumen sein, der Winter naht in riesen Schritten...

 
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Hallo SimoneHegi,

herzlich Willkommen hier im Forum.
Ich hoffe, du bist überhaupt noch da, hat halt ziemlich lange gedauert, bis endlich mal einer sich deiner Geschichte angenommen hat. Ist wohl die Sommerzeit.

Erst mal vorweg, man merkt deiner Geschichte an, dass du das Schreiben als Hobby sehr ernst nimmst.
Da gibt es nicht nur verblüffend wenige Rechtschreibfehler, aber noch eine Menge fehlende Kommata, da gibt es auch eine Geschichte, der man das Nachdenken über Aufbau und Charaktere anmerkt. Und die zu schreiben mit Sicherheit Mühe gekostet hat. Meinen Respekt dafür.

Über den Anfang habe ich mich gefreut, eine junge Frau ist sehr naturverbunden. Da sind ein paar schöne Formulierungen drin.
Dann kommt eine Rückschau, die die Erklärung dafür liefert, warum sie aus der Stadt weggegangen ist. Was mir da gut gefallen hat, das ist die tanzende Larissa. Das ist eine hübsche Idee. Aber gleichzeitig bleibt das alles sehr distanziert, wie überhaupt deine Charakterisierungen.

Mal ein Beispiel:

Gerade KOMMA als sie sich wieder einmal begann zu fragen KOMMA ob sie die Einzige war KOMMA die dieses Gefühl geniessen konnte, sah sie Larissa. Seraina sah ihr aufmerksam zu und bemerkte an den Reaktionen der wenigen Menschen welche durch den Stadtpark hetzten, dass diese Larissa für verrückt hielten: trotz Regen stand sie barfuss unter einem Baum und sang laut vor sich hin. Sie trug einen langen dunkelblauen Rock, dessen Saum bereits Schlammspuren aufwies. Um die Hüfte hatte sie eine Kette mit Metallverzierungen geschlungen, welche bei jeder Bewegung klimperten. Ihre langen, rabenschwarzen Haare hatte sie im Nacken zu einem Knoten zusammengebunden, aus welchem sich schon einige Strähnen gelöst hatten. Larissa nahm Serainas Gegenwart sofort wahr und kam auf sie zu. Obwohl Seraina erschrak, spürte sie doch instinktiv, dass sie dieser Frau vertrauen konnte.
„Hallo, mein Name ist Larissa. Ich spüre dass du die Einzige hier bist, die mich nicht für komplett verrückt hält“. Larissa lächelte und Seraina fühlte sich in ihrer Gegenwart sofort wohl. „Komm mit, wir trinken eine Tasse Tee zusammen“
Seraina zögerte nur einen Moment. Sie vertraute ihrer Einschätzung der Menschen noch nicht ganz, trotzdem wollte sie sich die Chance in dieser Stadt jemanden wir Larissa kennen zu lernen nicht entgehen lassen.

Im ersten Satz ist etwas verutscht:
als sie sich wieder einmal zu fragen begann muss es heißen
Dann schreibst du, dass S. sie sieht und ihr zuschaut. Aber wobei denn? Das will man als Leser wissen. Bei dir kommt das erst, nachdem du geschrieben hast, dass die Menschen sie für verrückt halten. Das sind ja einfach Behauptungen, die du dem Leser sozusagen "aufdrängst", er will das aber sehen, seine eigenen Rückschlüsse ziehen. Das heißt, ich würde die S. hier duch den Park laufen lassen, kurz die Natur genießen, wie du es auch gemacht hast, dann aber fällt ihr eine Menschenmenge auf. Was machen die, wie reden die, worauf beziehen die sich? Sie bleiben trotz Regen und Stress stehen und beäugen eine für sie eigenartige Frau. Und dann lässt du deine S. mit der L quatschen. Aber: In ihren Dialog muss auch ein bisschen Power rein, und vorher, wie sieht das denn aus, wenn Larissa Serainas Gegenwart sofort wahrnimmt? Woran merkt man das denn? Zieht sie die Nase hoch und schnüffelt oder nimmt sie Blickkontakt auf? Wie läuft sie, warum erschreckt S.? Und woran bemerkt der Leser, woran sieht er es, dass S der fremden Frau instinktiv vertraut?
Du darfst dazu nicht so sehr berichtend schreiben. Sondern eher wie eine Kamera, die das was die Personen deiner Geschichte tun, aufzeichnet. Lass den Leser an ihren Gefühlen, an dem, was sie riechen und schmecken, teilhaben. das bringt die Personen näher an den Leser ran.

Damit also die Geschichte so wird, dass sie den Leser wirklich mitreißt, man sich mit deiner Seraina identifizieren kann und mit ihr mitfühlen kann, die Geschichte als solche stringenter und spannender wird, muss sich doch einiges ändern.

Deine Idee, die hinter deiner Geschichte steckt, ist die Ichfindung einer telepathisch begabten Frau, die ihren Fähigkeiten nicht vertraut.
Das alles dauert jedoch ganz schön lang, viele Probeme, dass sie sich selbst nicht traut, wiederholen sich. Ich habe mich beispielsweise gefragt, ob du die Larissa wirklich brauchst.
Oder ob du sie nicht in einer Rückblende einführen kannst. Aber das kann man wahrscheinlich so oder so lösen.
Dann ist es so, dass die Ichfindung ja von der Sorge um die Schwester geprägt und geleitet ist. Aber das Motiv, dass sie ganz schnell und drängend zum Vollbesitz ihrer Kräfte kommen muss, damit die Schwester gerettet werden kann, as solltest du viel stärker ausbauen. Und da ist dann der Schwager. Warum hat der ausgeprägte Fahigkeiten, rührt aber keinen Handschlag? Der faule Kerl? Das wird nicht klar, wiederspricht sich irgnedwie.
Damit da nicht nur so ein ganz normaler Selbstwerdungstrip in der Geschichte vorkommt (das finde ich persönlich nicht spannend genug, um den Leser wirklich zu tragen) könntest du die Findung ihrer Gabe mit einem Konflikt verbinden, z. B., dass die Fähigkeit bei der Ausübung ihr Kraft raubt, sie an den Rand des Todes bringt (kennst du Deadzone von Stephen King? Da kommt so was vor) oder sie in ihren Visionen etwas realisiert, was sie zu Schwester oder Schwager in einen Konflikt bringt. Dann wäre die Geschichte auf diesen Konflikt zuzuschneiden. Das könnte dann eine sehr interessante Sache werden.

Wie auch immer, ohnehin könntest du sehr viel noch kürzen. Einzelne Sätze, ich meine sogar ganze Abschnitte.
Und natürlich an den Charakteren arbeiten.

Das alles ist am Anfang furchtbar schwer und wahrscheinlich hast du das Gefühl, dass das ja eine Menge Zeug ist, was man da beherrschen muss. Mir geht das heute noch so. :D Aber das wird trotzdem mit der Zeit, man muss nur seinen eignen Maßstab finden. Alle hier haben mal angefangen und ihre Probleme gehabt, ich glaube, es ist langwieriger, andauernder Prozess, dieses Schreiben, das niemlas so ganz beendet ist, aber es macht Spaß. Und das nötige Quäntchen Ernsthaftigkeit, das hast du glaube ich sowieso.

Ich wünsche dir viel Vergnügen hier beim Schreiben und Lesen und Überarbeiten und Kommentieren.
Viele Grüße
Novak

 

Hi Novak,

Vielen Dank für deinen Kommentar! Damit kann ich wirklich arbeiten, es gibt tatsächlich noch viel zu tun :)
Ich habe beim Durchlesen selbst bemerkt, dass bei den Dialogen irgendwas fehlt, jetzt kann ich es mit deinen Tipps noch einmal versuchen.
Mit den Kommas hatte ich schon immer meine liebe Mühe. Die fehlen mir meist nicht einmal beim Lesen ;)
Gruss
SimoneHegi

 

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