Sequenz
Sequenz
Ein Gebet für die Wilden im Herzen, gefangen in Käfigen
*
Gefangene Rosenblätter, aufgewühlt, durcheinandergewirbelt und zeitweise auch komprimiert - in Luftschächten.
Am Ende war es nur die Zeit, die sie in Einmachgläsern zu halten versuchte; die schönen, violettfarbenen Erinnerungen, die sie sporadisch zu berühren vermochten, wenn die Nacht dunkel war und die Luft kalt.
Das Unverständnis, auf das sie stieß, verwandelte sich in
Resignation.
Tauchte in aggressive Untertöne, die kreischend gelb in groteskes Rot verschwammen.
Sie konnte das Ufer nicht erreichen. Die Menschen waren ihr fremd.
Dabei sah sie die Menschen und aus den Augenwinkeln beobachtend stand sie an ihrer Plexiglaswand und hinterließ Fingerabdrücke; die Silhouetten der anderen nachzeichnend.
Wenn der Himmel im hoffnungslosen Grau verschwand, verlor sie sich analog dazu im Treibsand - ein dumpfes Gefühl, wie eine zu schnelle Aufzugfahrt vom elften in den zweiten Stock.
Den Dialog mit sich selbst hatte sie allmählich aufgegeben.
Der Dialog mit anderen machte sie morsch und müde. Ein Pingpongspiel, das einen gewinnen lassen sollte und letztendlich beide verlieren ließ, weil es damit endete, dass keiner mehr etwas sagte.
Blasenartige Worthülsen, die den Intellekt zum kognitiven Sektoren
der rechten, mit Defiziten gebrannten Hirnhälfte kanalisierten, oft
auch schon im Keim erstickt wurden.
Ihre Gefühle interessierten niemanden, außer vielleicht ihren Psychiater, der sich zwangsweise dafür zu interessieren hatte, des stinkenden Geldes wegen.
Sie hatte nicht sterben wollen,
sie wollte einfach nur schweigen und dem Plätschern der blattlosen
Welt zuhören und die Zeit, die ein Farbenspektrum in den vakuumverschlossenen Einmachgläsern abgab, anschauen...
*
Als sie eines Morgens aufwachte und aus dem obligatorischen
Fenster ihrer Seele blickte, bemerkte sie den Regen, den sanften, tröpfelnden, blaue Gebirgsketten streifenden Nieselregen, der zu dieser Jahreszeit lau war und sie lief in den Garten Gottes, um die
elektrisierte Luft zu inhalieren und die Erdbeerfrösche zu küssen.
Es nieselte warme Kirschblüten, die ihren kalten Körper bedeckten.
Und in der Abenddämmerung konnte man sehen , wie Krokodilstränen
ihre Wange herunter rollten und einen silbernen Schimmer
auf ihrem Ebenbild hinterließen, bevor sie sich in ihre Hände gruben, in
denen sie Kirschblüten zerrieb.
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quod me nutrit me destruit
[ 10.05.2002, 22:29: Beitrag editiert von: josephine ]