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Septembersonne

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26.10.2002
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Septembersonne

Sommerhitze hatte den Hügel auf der anderen Seite des Tales in mattes Gelb verdorrt. Jetzt, mit der Septembersonne kehrte das Grün zurück, jeder Tag malte neue Farbkleckse auf das Land. Vereinzelt lagen noch aufgerollte Strohballen auf den Feldern. Schon bald würden auch die verschwunden sein, dachte Hans, während er im Rahmen der Terrassentür das Bild dieser wieder auflebenden Landschaft betrachtete.
Mittagssonne strömte unaufhörlich in das Zimmer, die weis getünchten Wände warfen Licht und Hitze zurück. In der Mitte des Raumes ein eichener Schreibtisch, außer einem Stuhl das einzige Mobiliar.
Hans wandte sich wieder dem Schreibtisch zu. Stapel von Manuskripten waren darauf verteilt, einzelne, beschriebene Blätter, überall Zettel mit Notizen und ein überquellender Aschenbecher. Dazwischen Bücher, geschlossene und aufgeschlagene.
Immer wieder hob er den Kopf und starrte durch die Terrassentür während er die Gedanken durch seine Geschichte wandern ließ.
Mit dem Handrücken wischte er sich den Schweiß von der braun gebrannten Stirn. Seit Stunden brütete er über seinen Aufzeichnungen. Sein braunes, mittellanges Haar hatte er währenddessen zerzaust, das nass geschwitzte Hemd in die Ecke geworfen, viele nur halbgerauchte Zigaretten in den Aschenbecher gedrückt. Es war einer dieser Tage, an denen ihm die Worte gelangen. Zeit hatte sich für ihn aufgelöst.
Vor einem Jahr war er angekommen, an diesem Ort, den er schon aus seinen Kindheitsträumen kannte. So hatte er ihn sich vorgestellt, wenn er in seinen Träumen in die Zukunft gereist war; dann kehrte ein besonderes Gefühl in ihm ein, das ihn nie wieder verlassen hatte. Es formte ein Bild in sein Innerstes das ihm mit der Zeit vertraut wurde. Ein halbes Leben reifte diese Prophezeiung in ihm, hier, in Casale Marittimo, sollte sie sich erfüllen.
In Gedanken versunken griff Hans nach seinem Campari und ging hinaus auf die Terrasse. Es dauerte einen Augenblick, ehe sich seine Augen an das kräftige Licht gewöhnten. Sein Blick wanderte hinunter, auf die satten Olivenhaine, bald würde auch dort die Ernte beginnen, er schaute hinüber zur Küste, deren Verlauf er über viele Kilometer, von Cecina bis nach San Vincenzo verfolgen konnte. Und wenn er über das Meer schaute, konnte er an schönen Tagen die Insel Elba sehen.
Anfangs nannten ihn die Menschen von Casale „Il Stragnero“, den Fremden. Als sie ihn dann besser kannten, zeigten sie ihm die Herzlichkeit, die den Bewohnern dieses Landstriches auf so typische Weise eigen ist. Wenn er zwischen den rustikalen Häusern hinauf zur Dorfbar ging, das kam beinahe täglich vor, fühlte er immer wieder Bilder vergangener Zeiten, von Landsleuten mit Eselskarren, wie sie einstmals durch die verschlungenen Gassen fuhren, von spielenden Kindern, Marktfrauen auf dem Kircheplatz und Edelleuten auf ihren Rössern. Dann meinte er die Seele dieses alten Ortes zu erkennen.
Er hatte sich arrangiert mit der Bescheidenheit, die ihm das Leben an diesem Ort abforderte. Mit jedem Anspruch den er losgelassen hatte, gewann er ein Stück Freiheit hinzu, füllte sein Innerstes mit neuem Sinn. Seit seiner Ankunft in Casale war kein Tag vergangen, an dem er sein Glück nicht gewürdigt hatte.
Zufrieden sankt Hans in den Schaukelstuhl auf der Terrasse und ließ den Tag in seinen Gedanken nochmals entstehen.
Heute, schon früh am Morgen war er mit einer Gruppe Touristen unten, am Golf von Barrarti gewesen und hatte die Reisegruppe zu der alten Etruskerhochburg Poppulonia hinauf geführt. Alle waren begeistert gewesen von dem herrlichen Blick hinüber nach Elba und hinunter auf den Golf. Er wusste, wie man Führungen gestaltet, gebannt hatten sie auf seine Lippen geschaut und waren neugierig seinen Erzählungen gefolgt. Dass Erntezeit ist, hatte er gedacht und das Interesse der Teilnehmer genossen. Erntezeit für die Früchte, die in tausend Läuterungen in ihm gewachsen waren.
Noch immer hielt er das Glas in seiner Hand. Als wollte er dem blauen Himmel zuprosten, streckte er sie in die Höhe. Eine Weile betrachtete er die Sonnenstrahlen, die sich funkelnd im Rot des Campari brachen. Er war angekommen in seinem neuen Leben. Keine zwei Seelen in seiner Brust, kein Zweifel, nur die Gewissheit, dass er den richtigen Weg gegangen war.

„Ciao Aans!“ Es war Noe, der Wirt des l’Erba voglio, seinem italienischen Gaumen mochte das Wort Hans nicht recht gelingen. Von der Terrasse seines Restaurants winkte er herüber. „Come stai, was machst du?“
„Was ich immer tue, ich genieße den Tag“ rief Hans zurück und hob sein Glas. „Salute, Noe.“
Carlo, der junge Koch kam dazu.
„Oh, Aans! Bella Giornata, e`?“ rief er herüber. Hans mochte diesen sympathischen, immer freundlichen jungen Mann. „Beinahe noch ein Junge,“ dachte er. „Aber keine Touristin ist vor ihm sicher.“
„Buona Sera, Carlo. Was gibt es heute?“
„Lasagne, ganz frisch. Soll ich eine Portion für dich reservieren?“
„Frische Lasagne! Gute Idee, aber es wird etwas später, o.k.?“
„O.k..“ sagte Carlo und verschwand mit einem „Ciao ciao“ wieder im Restaurant. Hans war diese immer wiederkehrende Szene vertraut. Er liebte diese kleinen Gespräche über die Terrassenbrüstung, während Noe die Tische auf der Terrasse des Restaurants für die Abendgäste vorbereitete.
„Habe schon gehört, der Ausflug war wieder ein Erfolg.“ sagte Noe und erzählte von den lobenden Erwähnungen seiner Hotelgäste, die an der heutigen Führung durch Poppulonia teilgenommen hatten.
„Schön, freut mich, wenn es bei den Leuten ankommt. Heute war die Sicht nach Elba grandios. Die Insel schien zum greifen nahe zu sein.“
„Gestern hatte ich einen Anruf aus Deutschland“ sagte Noe. „Der Typ, der vor dir in deinem Haus wohnte ist wieder hier, er hat für morgen Abend einen Tisch reserviert. Komm herüber, wenn du Lust hast, dann mache ich euch bekannt.“
„Auf jeden Fall habe ich darauf Lust, ich werde kommen“
„Allora,“ rief Noe, „wir sehen uns dann!“ und folgte Carlo.
Die Saison war beinahe zu Ende. Jetzt sah man nur noch vereinzelt Autos mit deutschen Kennzeichen auf den Strassen. In ein paar Wochen wird Noe sein Restaurant schließen und erst zur nächsten Saison wieder öffnen. So machten es viele, die mit Tourismus zu tun hatten. Auch Hans freute sich auf die ruhigere Zeit. Noch zwei, drei Führungen, dann würde er endlich mehr Zeit finden; bis zum nächsten Frühjahr, wenn der Strom der Touristen wieder einsetzt, wollte er sein Manuskript fertiggestellt haben.
Dazwischen Besuche von Freunden, das war es, worauf er sich besonders freute.

 

Hallo Johann, sehr gut haben mir die Beschreibungen gefallen, zu Anfang der Geschichte. Der Darsteller spielt hier ein wenig den Reiseführer! Es wird mit der Zeit allerdings etwas langweilig, jedenfalls für mich, das mag damit zusammenhängen, dass sich nur schwer Bilder in mein Gedächtnis brennen wollen, zudem kenne ich die Gegend nicht. Aber schreiben kannst du schon, sie , also die story, hat auf keinen fall verdient, so sang und klanglos zu verschwinden.

Liebe grüsse Archetyp

 

Hallo Archetyp, besten Dank. Die Story war nicht als Kurzgeschichte geplant, sie ist ein Auszug aus einem größeren Skript. Vielleicht kommt es daher, dass es mit der Zeit langweilig wirkt. Dennoch, ich werde es unter diesem Aspekt nochmals anschauen.
Grüße, Jahann A.

 

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