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Seltsam
Stille auf der Ebene
Stille auf der Ebene
Gigantisch ragten die gläsernen Türme vor ihm auf. Das Licht, das aus tausend Quellen zu scheinen schien, brach sich hundertfach in ihnen.
Der Himmel war so weit weg, er schien unerreichbar und doch konnte man seine Endlichkeit erahnen.
Die weite Ebene, auf der die gläsernen Türme ruhten, war völlig flach. Nicht eine einzige Erhebung durchbrach diese Melancholie der perfekten Ebenheit.
Er konnte den Horizont überblicken, und sogar noch darüber hinaus.
Dort wo die Dunkelheit herrschte und das Ungewisse sein Reich geschmiedet hatte.
Er bewegte sich rasch an den Türmen vorbei, die ihm mit einem Male bedrohlich erschienen, da ihm nicht klar wurde, welchen Sinn es gehabt hätte, diese Monumente der Ewigkeit zu erschaffen.
Jedes Leben auf dieser Erde bekannte sich zur Furcht vor den Dingen, deren Sinn es nicht verstand und die in ihrer Größe das bloße Vorhandensein einer höheren Macht anzudeuten drohten.
Als er die beiden Türme hinter sich gelassen hatte und sein Blick in Richtung des Horizontes schweifte, wurde er auf ein weiteres seltsames Gebilde aufmerksam.
Ein Gebäude, von den Ausmaßen, als könnten Riesen darin wohnen, tauchte vor ihm auf.
Die Außenwände dieses Bauwerkes schienen aus einem ihm völlig unbekannten, sehr glatten Material zu bestehen. Es war tiefschwarz und das Licht, das ihn umgab, wurde von diesem seltsamen Baustoff fast völlig absorbiert.
Er betrachtete dieses Gebäude eine Zeitlang, bis er sich sicher war, dass von ihm keine Bedrohung ausging.
Dann nahm er die Beine in die Hand und lief – ohne sich noch einmal umzuschauen – an diesem Palast der Einsamkeit vorbei.
Ja- nun war er glücklich. Vor ihm tauchten nun keine weiteren Absurditäten auf, die ihn in seinem unabwendbaren Willen beschränkt hätten, dieses Feld der Monotonie noch heute zu durchqueren.
Er wollte vor Einbruch der Dunkelheit wieder zu Hause sein, was nicht ganz einfach war, denn die Dunkelheit konnte in dieser seltsamen Gegend binnen einer Sekunde über ihn hereinbrechen.
Dieser Gedanke ließ ihn frösteln, denn er wußte, dass es ohne das Licht der Mehrfachsonne völlig Aussichtslos war, diese Ebene zu durchqueren.
In der Schwärze der Nacht, da begannen nämlich die Veränderungen. Ganze Gebäude verschwanden, wurden in den Nachthimmel gesogen. Dafür erschienen neue Monumente, die völlig unabsehbar vor einem auftauchen konnten.
Er hatte einmal vernommen, dass ein Anderer sich vor langer Zeit einmal unversehens unter einem dieser Bauwerke wiedergefunden hatte.
Diese Erfahrung war nur von äußerst kurzer Dauer und sie beendete auch das Leben dieses bedauernsvollen Fremden. Nein – so etwas sollte ihm heute nicht passieren. Er hatte daheim viele Mäuler zu stopfen, und er hatte nicht vor, die in ihn gesetzten Erwartungen zu enttäuschen. Er rannte und rannte, als ob der Teufel hinter ihm her sei, aber nichts geschah. Es vergingen träge Minuten und der Weg schien immer länger zu werden, als er mit einem Mal ein Geräusch vernahm.
Es war wie ein Rauschen, das zunächst leise, dann aber immer lauter wurde und schließlich zu einem ohrenbetäubenden Krach verkam, der den ganzen Himmel auszufüllen schien.
Nun war sie da – Die Angst.
Er rannte. Kopflos und ohne auf seinen zarten Körper Rücksicht zu nehmen. Er wußte, diese Melodie bedeutete
nichts Gutes. Er spürte Instinktiv, dass eine ungeheuerliche Gefahr von diesem Geräusch ausging.
Dieses Zischen schien nun überall zu sein – kein Ausweg mehr.
Ein letztes Mal hob er den Kopf und blickte in die Höhe – dann war es aus.
Ein Schlag durchdrang ihn, als ob die ganze Welt auf ihn gefallen sei. Dann kam die Dunkelheit – die immerwährende Nacht – er war gescheitert.
An diesem Abend war Christoph schon etwas früher nach Hause gekommen. Alles war schiefgelaufen.
Sandra hatte ihm mitgeteilt, dass seine Vermutungen, sie würde ihn mit seinem besten Freund betrügen, der Wahrheit entsprachen.
Dann war sein verdammter Wagen nicht angesprungen und er hatte eine Menge Geld für die völlig überteuerte Taxe ausgegeben.
Und schließlich kam er Heim und stellte fest, dass er im ganzen Haus das Licht angelassen hatte – was ihm bei seiner überstürtzten Abfahrt am frühen Abend noch gar nicht aufgefallen war.
Kaum hatte sich die Tür hinter ihm geschlossen, da fiel sein Blick auf den Wohnzimmertisch, auf dem das schwarze Schmuckkästchen stand, in welchem sich der Ring befand, den er Sandra heute eigentlich für den ewigen Bund anbieten wollte.
Die Gläser hatte er auch schon bereitgestellt – nun – sie würden wohl heute nicht mehr benötigt werden.
Gerade, als er im Begriff war sich hinzusetzten, erblickten seine Augen dieses widerliche Insekt, dass mitten über den Tisch lief.
Nein – für heute war er mehr als bedient. Er ergriff die Zeitung, die zusammengefaltet auf der breiten Couch
lag, holte kurz aus und schlug zu.
Seltsam dachte er. Manchmal ist das Schicksal schon eine komische Sache. Man ackert und ackert und denkt man wäre da an etwas dran. Dann – mit einem Schlag – ist alles vorbei.