Seine letzten Worte
Erlöst von allem Leid.
Erleichtert von aller Last.
Befreit von dem, was andere aus ihm gemacht haben.
Und erfreut darüber, was er aus anderen machte, lag er allein, in aller Ruhe auf der letzten Station seines erfüllten Lebens.
Vieles hatte er erreicht und geschafft.
Doch immer war es ihm nicht genug. Noch viel mehr hätte er machen können. Er wollte. Aber später. So viel Zeit war noch um dies und das zu erledigen. Nun ist auch diese Zeit vorbei und er wünschte sich, er hätte sich das ein oder andere Mal ein wenig mehr ermutigt.
Allein lag er in seinem Bett.
Angeschlossen an diese neue Technik, von der er nichts verstand.
Keine Nachkommen.
Keine Familie.
Auch keine Freunde. Alle hatte er überlebt.
Allein lag er in diesem dunklen Zimmer. Abwartend auf das, wonach er sich seit kurzem schon richtig sehnte.
Es war nichts mehr zu tun.
Unerreichbare Ziele hatte er sich noch gesetzt. Er wusste, dass es schon keine Vision, sondern mehr eine Art Wunsch oder Traum war.
Die Tür öffnete sich langsam. Endlich wieder ein Lichtstrahl vom Flur. Sollte sich doch noch jemand für in interessieren.
Die Krankenschwester. Mehrere Wochen brachte sie ihm etwas zu Essen. Überprüfte regelmäßig die Geräte und half im seine Medizin einzunehmen. Doch es war schon spät. Sie hätte schon zu Hause sein müssen.
Sie hörte ihm zu, als er seine letzten Worte sprechen sollte.
„Mach was draus.“, sprach er mit seiner alten, erschöpften Stimme.
Den ganzen Abend saß sie noch bei ihm und hoffte noch etwas zu hören. Doch es wurde Zeit zu gehen. Für sie und für ihn.
Viel Zeit war bis heute vergangen, dachte sie sich und versuchte sich noch einmal zu erinnern. Sie hatte den Rat des alten Mannes nicht wirklich befolgt. „Mach was draus.“ Was sollte das schon bedeuten?
Man kann nun auch nicht mehr tun, als das, wozu man geschaffen ist.
Doch erst jetzt wurde ihr bewusst, dass diese drei Worte mehr als ein guter Rat waren.
Ein Wegweiser, der nicht den direkten Weg zum Ziel, aber den Pfad dorthin weisen sollte, wo das Ziel nicht mehr weit von entfernt war. Dieses Ziel sollte ihr selbst überlassen sein.
Eine Träne entsprang in ihrem alten Auge und lief über so manche Falte bis hin zum Kinn. Ihre Tochter nahm ein Taschentuch und wischte sie weg. Es war ruhig im Zimmer, wo sich ihre ganze Familie traf um von ihr Abschied zu nehmen.
Doch da öffnete sich ihr Mund und erklang mit drei wundervollen Worten, wonach sich ihre ganzen Nachkommen nun richten würden. Dies wünschte sie sich vom ganzen Herzen bevor sie endgültig für immer Schweigen sollte.
Sie gingen und ihre Tochter dachte oft an den Rat ihrer Mutter.
Doch mehr als ein Versuch sich danach zu richten, sollte es nicht werden.
Man könne es nun schließlich mal probieren.
Aber nicht jetzt.
Dafür war noch Zeit genug…
[ 05.05.2002, 15:43: Beitrag editiert von: McLoo ]