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Sein letztes Ultimatum?

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07.07.2002
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Sein letztes Ultimatum?

“So geht’s nicht weiter.” sagte Herr Braun.
“Sie haben seit meiner letzten Inspektion nichts verbessert. Sie ignorieren alle meine Ratschläge. Dabei habe ich genug Erfahrung, das können Sie mir glauben. Ich weiß, was die Kundinnen wollen.”
Die Frau, die Herr Braun gerade angefaucht hatte, bewegte sich nicht und hielt den Mund.
“Das hier wünschen sich die Kundinnen sicher nicht!” sagte Herr Braun.

Er ging zu einem Regal, auf dem ein paar Damenpullover lagen und strich über das Brett. Dicker Staub wirbelte im fahlen Licht auf.
“Sie müssen den Putzfrauen ausrichten, dass die sich mehr Mühe geben sollen. Ich sage so was ungern, aber wenn sich das hier nicht bessert, fliegt ihr alle raus.”
Er stellte sich der Frau gegenüber, die immer noch bewegungslos blieb und schwieg.
“Sie sagen nichts, weil Sie wissen, dass ich Recht habe! Mit der Taktik versuchen Sie es immer wieder! Aber das wird Sie nicht retten.”

Herr Braun ging zu einem Drehständer mit grauen Blusen und bewegte ihn. Der Abteilungsleiter schaffte es, den Ständer einmal um seine Achse zu drehen, dann brach der obere Teil des Ständers mitsamt der Kleider ab und landete auf dem verschmutzten Boden. Mehr Staub wirbelte in einer Wolke auf.
“Sehen Sie sich das an. Wenn das einer der Kundinnen passiert. Sollten Sie nicht der Technik Bescheid sagen? Es reicht!”

Er wischte sich den Dreck vom Ärmel und ging zu der Frau zurück. Er schaute ihr in die Augen. Sie blieb starr und erwiderte Brauns Blick nicht. Mattes Licht fiel auf ihre bleichen roten Haare.
“Sie tun wie immer so, als ginge Sie das alles nichts an, nicht wahr?” fragte Herr Braun.

Er lief zur Kasse herüber, nahm einen kleinen Kalender aus Karton, kehrte zurück und baute sich vor der Frau auf.
“Ich hasse dieses Theater. Ich hasse Drohungen. Was meinen Sie, wie ich mich dabei fühle?” Er hielt den Kalender vor ihr Gesicht und tippte auf den September.
“Das ist mein letztes Ultimatum. Bei meiner nächsten Inspektion will ich kein Staubkorn mehr finden. Die Putzfrau schmeißen Sie raus, wenn die nicht spurt. Die Technik hat bis dahin alle Kleiderständer zu reparieren. Die müssen so stabil sein, dass ich mich da drauf setzten könnte.”
Er kam noch näher an ihr Gesicht heran.
“Wenn Sie sich nicht bemühen, wenn Sie nicht alle meine Vorschläge hundertfünfzigprozentig befolgen, dann ...”
“Herr Braun!” wurde er durch einen Mann im Hintergrund unterbrochen.

“War doch klar, dass wir den hier finden. Wie kommt das eigentlich, dass das Deckenlicht immer noch funktioniert?” fragte ein zweiter Mann.
Sie bahnten sich einen Weg durch umgestürzte Kleiderständer und verschobene Regale. Der erste Mann schulterte seine Maschinenpistole und steckte seine Taschenlampe in den Gürtel.

“Das ist die Damenabteilung, meine Herren. Die Herrenabteilung ist dort drüben. Wenn Sie bitte dort rüber gehen wollen?” sagte Herr Braun mit gelernter Freundlichkeit.
“Wenn Sie bitte mit uns kommen wollen.” sagte der andere Mann mit sarkastischem Unterton. Er hielt seine MP im Anschlag und blickte sich um.
“Wir fühlen uns nicht besonders wohl hier, in diesem alten Kasten.”
“Wissen Sie eigentlich, dass ich es leid bin, jedes Mal meinen Arsch zu riskieren, um Sie in Ihre Luxusanstalt zurückzubringen?” fragte der Erste und packte Herrn Braun am Arm.
“Diese Altstadtruinen sind nämlich ziemlich gefährlich."
“Wart´s ab. Wir holen den bald wieder aus seinem alten Kaufhaus raus.” sagte der Zweite. “Seine Familie kann sich das leisten. Geld müsste man haben.”

Die beiden Angestellten der Nervenheilanstalt nahmen Herrn Braun in die Mitte, checkten ihre Waffen und beteten für einen sicheren Weg nach Draußen.
Herr Braun ließ den Kalender fallen. Der Kalender flog auf den verstaubten Teppich, und etwas von dem Staub landete auf der Zahl 2021.
“Dann lass uns losgehen!” sagte einer der Männer.
Es war Angst in seiner Stimme zu hören.

Herr Braun warf einen letzten Blick auf die rothaarige Schaufensterpuppe. Seine Angestellte wirkte immer noch desinteressiert und würde auch diesmal nicht auf ihn hören. “Die wird sich warm anziehen müssen, bei meiner nächsten Inspektion.” dachte Herr Braun und führte die beiden Kunden in die Herrenabteilung.


copyright 2002 Daniel Alfred

 

Hi Daniel,

hehe! Richtig lustig.

Kann auch garnicht viele Vorschläge machen.
Meiner Meinung nach sollte aber die (etwas verzerrte) Wahrnehmung vom Herrn Braun die ganze Geschichte lang beibehalten werden. Da es ja vermutlich die ersten Kunden nach langer Zeit sind, könnte er ihnen ruhig mehr Zeit widmen. :D

“Wenn Sie sich nicht bemühen, wenn Sie nicht alle meine Vorschläge Hundertfünfzigprozentig befolgen, dann ...”
“Herr Braun!” wurde er durch einen Mann im Hintergrund unterbrochen.
Eventuell ist einem Profi das auch peinlich, wenn die Kunden soetwas miterleben müssen ;)
...
dann würde für ihn das Gerede der Beiden keinen Sinn machen, was er aber gewöhnt ist
...
und er kann ihnen nicht einmal verübeln, dass sie in dem Bau Angst haben. Bei der Putzfrau! :D

 
Zuletzt bearbeitet:

Danke für die Antwort.

Herrn Braun habe ich mich Absicht das Wort abgerissen, als die beiden Angestellten der privaten Nervenheilantalt in der Kaufhausruine auftauchen, um ihn zurückzubringen.

Der Bruch, der plötzliche Rollenwechsel in der Erzählung soll den Leser spüren lassen, dass etwas mit Herrn Braun und der Situation, in welcher der "Abteilungsleiter" sich befindet, nicht stimmt.


Gruß

D. Alfred

 

Hallo Danalf,

die Geschichte ist prima. Der letzte Absatz könnte vielleicht sogar weggelassen werden. Warum brauchen die Wärter Maschinenpistolen? Welche Gefahr bergen die Altstadtruinen?

Tschüß... Woltochinon

 

Hallo!
Keine Science-Fiction Story meine ich. Eher für die "Seltsam-Rubrik", oder? Einen "Zuführdienst" gibt es heutzutage auch. Ansonsten ok.
Tschüss Gerd

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo an Woltochinon + Herrn Kemme

Vielen Dank für Eure Kritiken.

Es IST Science Fiction. Eure Kommentare haben mir gezeigt, dass ich in einer neuen Fassung mehr auf die Umstände eingehen muss, die aus Herrn Brauns Kaufhaus eine Ruine gemacht haben.

Das Kaufhaus liegt in der Mitte unseres Jahrhunderts in einer verslumten Innenstadt. Allerdings hat das nicht die "klassische" Atombombe bewirkt. Der Handel ist in die billigere Peripherie der Großstädte abgewandert, wenn er überhaupt noch offline betrieben wird.

Die Gebäude der Einkaufpassage in der Story sind wegen ihrer Unwirtschaftlichkeit aufgegeben worden. Wurden sie am Anfang noch als Sozialprojekt genutzt, bewohnen sie jetzt Gangs, Obdachlose und mittellose, psychisch Kranke.

Die Polizei kontrolliert diese Slums, indem sie sie einfach abriegelt. Das ist kurzfristig die billigste Lösung. Jeder, der sich in die Altstadt hineinwagt, tut das auf eigene Gefahr.

In einer neuen Fassung werde ich diese Punkte mehr betonen.

Gruß
D.Alfred

 

Hallo Danalf, hallo Forum!
Du schilderst mehr eine heruntergekommene Ghettosituation. Science-Fiction wäre mehr zukunftsbezogen und wissenschaftsorientiert. Wobei sicherlich jeder Text in mehrere Rubriken eingeordnet werden könnte.
Tschüß Gerd

 

Hi Danalf!
Meiner Meinung nach ist die Story SF; der Schluss impliziert schließlich, dass etwas geschehen sein muss, das das Betreten des Gebiets zur Gefahr macht. Außerdem ist da noch das Kalenderblatt.

Die Story selber: Nett! So richtig zum schnell Drüberlesen, wobei das natürlich bedeutet, dass man sie - wie einen guten Unterhaltungsfilm ohne Anspruch - gleich wieder "vergisst" und nicht eingehender darüber nachdenken muss.
Grundsolide Unterhaltung eben.
Eine Anmerkung hätte ich noch:

zB bei:

“So geht’s nicht weiter.” sagte Herr Braun.

gehört der erste Punkt weg und nach dem Anführungszeichen folgt ein Komma. Das zieht sich im Text durch, bitte bei Gelegenheit korrigieren.

 

Hallo Rainer,
na, du hast aber Ansichten. Kalenderblätter mit Jahreszahlen der Zukunft, könnten bei Geschichten x-beliebiger Kategorien genannt werden und schon wäre es eine SF-Story? Wobei ich die Einordnung in die Kategorien nicht überbewerten will und permanente Rechthabereien ablehne.
Tschüß Gerd

 

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