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Sein letzter Job
Der gelbe Sand schien überall zu sein. Die Sonne brannte erbarmungslos auf den Marktplatz herunter und die dicht aneinandergedrückten Händlerstände spendeten nur wenig Schatten.
Neben der Hitze machte Byrik die hohe Schwerkraft Vothas zu schaffen. Er überflog mit raschen Blicken die einzelnen Stände, wusste aber, dass er das, was er suchte, dort nicht finden würde.
Es tauchten immer mehr Gestalten auf. Byrik hätte nicht sagen können, woher sie kamen. Sie schienen aus dem staubigen Boden gekrochen zu sein. Viele sahen für seinen Geschmack jedenfalls schwer danach aus. Söldner, Piraten, Gesindel. Auf jeden Fall niemand, dem er vertrauen wollte.
Er ging weiter über den Marktplatz, spürte den Sand zwischen seinen Zähnen. Der Geruch von Tabak vermischte sich mit dem von geschmortem Fleisch und ein duzend anderen, so dass ihm leicht übel wurde. Misstrauische Blicke folgten ihm. Meist nur kurz, doch immer lange genug, um sich auffällig zu fühlen. Er lief gebückter, schneller. Dabei blieb er mit seinem Ärmel am Schnabel eines sitzenden Swirfi hängen, der erschrocken seine Nackenfedern aufstellte und etwas wie `Arrh! Faertgi ard grugter ´ klapperte.
Byrik lief wortlos weiter.
Schließlich erreichte der erschöpfte Nermane - etwas abseits - eine schmale Gasse, die von zwei niedrigen Ziegelbauten gebildet wurde. Der Schatten dort tat gut. Er setzte sich auf eine breite Stufe, die in eines der Gebäude führte und atmete tief durch.
„Hey, pss…duda?“ hörte Byrik eine winzige Stimme. Er blickte sich um. Da sah er auf dem Dach gegenüber ein kleines Wesen, das ihn lustig angrinste. Sein Kopf war nicht größer als Byrik’s Faust, ein Arm war dünn und verkümmert, der andere überproportional kräftig. Es hielt sich mit den Zehen der stämmigen Beinchen geschickt an der Dachkante fest und die fahle Haut flatterte am Hals, bei jedem der kurzen Atemzüge.
„Ja?“ antwortete Byrik.
„Ah, kannst also doch sprechen“, stellte das Geschöpf fest. „Ich bin hier noch nie ’nem Nermanen begegnet. Du bist doch Nermane, oder?“
Byrik nickte zögernd. „Und wer bist du?“
Das kindliche Ding drehte den Kopf zur Seite: „Hab dich beobachtet. Du suchst doch was, stimmt’s? Ich kenn’ mich hier aus... sag schon.“
Byrik stand auf und klopfte sich den Schmutz so gut es ging von der Hose. „Für das, was ich suche, bist du noch etwas zu jung, schätze ich.“ Doch als er wieder nach oben sah, fand er nur ein leeres Dach.
Plötzlich öffnete sich die Türe hinter ihm. „Hea! Burukati atremi pocka!” Vor ihm stand ein riesiger Gallilop, der unmöglich durch diese Gasse gekommen sein konnte. Er hielt eine rostige Partikelwaffe in der dreifingrigen Hand, richtete sie aber nicht auf Byrik. Der ging langsam einen Schritt zurück und hob einhaltend die Hände. „Ich... ähh... wollte nicht...“ Der Gigant machte mit seinem baumstammartigen Arm eine scheuchende Bewegung und gurgelte: „Arkursha!“ Byrik verschwand um die nächste Ecke.
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„Ich hab’ ’nen Nermanen getroffen“, erstattete Vellas Bericht, „ich denke, er sucht dich.“
„Ist er allein?“, wollte Macarat wissen.
„Ich denke schon.“
„Wieso hast du ihn dann nicht hergelotst?“
„Weil mir ein Gallilop dazwischen kam.“
Vellas erntete ein missmutiges Knurren. „Finde heraus, ob er eine Gefahr ist. Wenn nicht, bring ihn her!“
„Was soll an einem Nermanen denn schon gefährlich sein“, brabbelte Vellas, als er sich aus dem Fenster schwang.
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Byrik lief aufmerksam durch das Labyrinth aus Gässchen. Die Schlichtheit der Gebäude ließ ihn immer mehr daran zweifeln, dass seine Informationen bezüglich des Objekts richtig waren. Er konnte sich nicht mal vorstellen, dass sich auf einem so unbedeutenden Himmelskörper überhaupt ein Gen-Händler niedergelassen haben sollte, geschweige denn einer, mit solch brisanter Ware. Aber es war nun mal seine Aufgabe, das rauszufinden.
Nachdem er den letzten Schluck aus seiner Wasserflasche genommen hatte, griff er nach seinem Hüftbeutel, um den Tracer herauszuholen. Doch er war nicht da. Byrik stutzte. Nein, er hatte ihn mitgenommen, er war sich sicher. Klar, den Weg zum Schiff würde er auch so wiederfinden, allerdings hatte er im Tracer auch einen groben Plan der Siedlung gespeichert, den er jetzt gut gebrauchen könnte. Nach kurzer Überlegung, zum Schiff zurück zu gehen, um einen neuen Tracer zu holen, entschied Byrik, sich zuerst das Zentrum genauer anzusehen.
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Macarat lehnte sich in seinen Sessel zurück. Seit in der vergangenen Nacht zwei Kühlaggregate ausgefallen waren, hatte er mehr Verluste gemacht, als er bis jetzt auf diesem gottverlassenen Planeten verdient hatte.
Aber wenn Vellas recht hatte, würde das ja vielleicht doch kein so schlechter Tag werden. „Ein Nermane, der sich den weiten Weg nach Votha gemacht hat, ist bestimmt nicht hier, um ein paar aufgeputschte Gemüsesamen zu kaufen“, dachte er. Ja! Der wollte mehr, das spürte Macarat. Oder zumindest verstand er es, sich das einzureden.
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Die Stimmen, die vom Marktplatz zu hören waren, wurden mit jedem Schritt lauter, und Byrik hoffte, dort eine Möglichkeit zu finden, seine Wasserflasche wieder aufzufüllen. Er erreichte den offenen Platz und versuchte, sich gleich etwas zu orientieren. Vor ihm erstreckte sich der chaotische Markt, umgeben von einem Halbrund aus Steinhütten, aus dem er gerade gekommen war. Zu seiner Rechten schien der weniger bescheidene Teil des Wüstenortes zu liegen, dort sollte er als nächstes weitersuchen. Nicht weit links von ihm befand sich die Gasse, in der er auf den Gallilop gestoßen war. Da saß auch wieder das kleine graue Etwas, und blickte suchend umher. Es drehte sich zu ihm um und sprang sogleich geschickt über ein paar Dächer, schwang sich einarmig vom Letzten und landete vor Byrik.
„Da bist du ja“, begann Vellas.
„Was willst du von mir, Kleiner?“
Vellas schmunzelte. „Die Frage, die ich mir gestellt habe, war: `Was will ein Nermane wohl an einem Ort wie diesem?´ Die Antwort ist einfach: Gene! Besondere Gene, um genau zu sein.“
Er machte eine kurze Pause, um Byriks Reaktion abzuschätzen. „Dann hab ich mich aber noch gefragt, `wie kann es sein, dass ein einfacher Nermane so schnell Wind davon bekommen hat, dass es hier überhaupt einen Gen-Händler gibt?´ “
Jetzt schmunzelte Byrik. „Manchmal bläst der Wind im Universum eben stärker, als viele es für möglich halten.“
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Das Büro von Macarat wurde in glühende Farben getaucht, als er mit einem Mal erwachte. „Was für ein Traum“, dachte er und wischte sich den Schweiß von der stoppeligen Stirn. Sofort sank er zurück in seinen Sessel, um weiter zu dösen, doch er wurde durch ein schwaches Klopfen an seiner Tür davon abgehalten. „Ja! Was ist denn?“ brummte er in tiefem Bass. Die Türe öffnete sich, erst behutsam, dann schlagartig, und eine bewaffnete Kitronerin sprang herein, feuerte zweimal auf Macarats Brust und setzte sich auf seinen Schreibtisch. „Hallo Macarat. War gar nicht so leicht, dich hier zu finden.“
Sie lächelte in furchterfüllte Augen. „Hey, keine Angst, ich werd’ dich nicht umbringen. Ich hab dich nur gelähmt, um mich besser mit dir zu unterhalten, verstehst du? Und soll ich dir was sagen? Ich hab noch ne gute Nachricht für dich: Deine Schulden sind mit sofortiger Wirkung erlassen. Alle! Nachricht vom Boss.“
Macarat versuchte etwas zu sagen, doch bis auf etwas Speichel kam nichts aus seinem Mund. „Sch sch sch...“ machte die Kitronerin, „is ok, ehrlich.“ Sie hopste gewandt vom Schreibtisch, ging zur Tür und blieb kurz stehen, um sich nochmals umzudrehen. „Ach ja, als ich gerade sagte, ich werd’ dich nicht umbringen.“
Macarat wippte hilflos hin und her.
„Da hab ich gelogen.“
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Byrik und Vellas liefen rechts am Markt vorbei und unterhielten sich weiter.
„Und du sagst, dein Boss hat alles an Genen, was man sich vorstellen kann?“, fragte Byrik.
„So ziemlich alles. Aber wir sind gleich da.“
Sie gingen in eine breite Passage, dann links. Nach einigen Schritten blieb Vellas stehen, öffnete die Tür zu seiner Rechten, und sie traten ein. Innen war es überraschend kühl. Vellas bat Byrik kurz unten zu warten und ging dann die Wendeltreppe nach oben. Dort angekommen sah er, wie am Ende des Ganges die Tür zu Macarats Büro halb offen stand. Er runzelte die Stirn, dann sah er eine Person zur Tür treten. Diese drehte sich im letzten Moment noch mal um, sagte etwas und ein Schuss fiel. Sofort ließ Vellas einen verratenden Schrei los und noch bevor er sich in Sicherheit bringen konnte, schnellte die Tür zurück, ein zweiter Schuss ertönte, und er sank tot zu Boden. „Natürlich! Wo Macarat ist, ist sein Helferchen Vellas nicht weit“, lachte die Killerin. Zufrieden hüpfte sie über ihr letztes Opfer, tanzte die Treppen hinunter und verließ ihren heutigen Arbeitsplatz.
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Als Byrik den ersten Schuss gehört hatte, zog er - wie in einer Bewegung - seinen Plasmastrahler, wich seitlich von der Wendeltreppe weg und rollte sich dann weiter hinter einen Stapel alter Kisten. Ein zweiter Schuss fiel, und er hörte eine helle Stimme. Gleich darauf hüpfte jemand die Treppe herunter. Byrik erkannte durch einen Spalt nur eine schemenhafte, schmale Gestalt, die bestgelaunt aus der Hütte tapste. Er wartete noch einen Moment, lief dann hinauf und sah Vellas tot daliegen. Im Büro fand er einen toten Tiplot, vermutlich Macarat, aber keine Hinweise auf das Objekt. Links vom Schreibtisch befand sich eine schlecht gepanzerte Tür, die leichtem Plasma-Beschuss nichts entgegenzusetzen hatte. Dahinter war, wie Byrik schon vermutete, ein kleines Gen-Labor, das aus zwei Tischen, sechs Kühltanks und jeder Menge notdürftiger Gerätschaften bestand. Alles andere als professionell. Vier der Kühltanks waren zudem seit einiger Zeit inaktiv, was Byrik äußerst seltsam fand. Die darin aufbewahrten Proben waren allesamt nicht mehr zu gebrauchen. In den noch aktiven Tanks befand sich, bis auf ein paar recht mutige Kreuzungsversuche, nichts Außergewöhnliches. Er fand einen kleinen Tracer, ein recht altes Modell, mit dem es aber immerhin möglich war, in der näheren Umgebung einen Vita-Scan durchzuführen. Nichts. Keine Spur vom Objekt.
„Doch kein so großes Angebot hier“, murmelte Byrik und schaltete die zwei Tanks ab.
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Die Sonne war gerade untergegangen, als Byrik sein Schiff erreichte. Er überlegte, ob er den Start besser auf den nächsten Tag verschieben sollte, da er doch sehr erledigt war. Er öffnete die Einstiegsluke, ging hinein und versuchte, eine Verbindung zu seinem Chef aufzubauen.
Byrik drohte gerade einzunicken, als ihn die Stimme seines Chefs davor bewahrte: „Konnten sie das Objekt eliminieren, Byrik?“
„Äh, es gab kein Objekt Sir.“
„Dann lag’ unser Informant wohl falsch.“
„Offensichtlich, Sir.“
„Also gut, kehren sie, sobald es möglich ist, zur Base zurück, sie haben sich etwas Urlaub verdient.“
„Okay, danke Si..“
Die Verbindung war beendet.
Byrik streckte sich, als sich plötzlich ein fremder Arm fest um seinen Hals schlang. Er versuchte sich zu befreien, bis er das Messer an seiner Kehle spürte. Schräg über ihm kam ein fedriger Kopf zum Vorschein.
„Ich dachte schon, du kommst gar nicht mehr“, klackte eine Stimme. Da begriff Byrik. Er hatte seinen Tracer bei dem Zusammenstoß mit dem Swirfi verloren, so hatte der sein Schiff gefunden und musste nur noch darauf warten, bis er zurück kam, um die Luke zu öffnen.
„Weist du, hätte nie gedacht, mal Besitzer eines so schicken Raumschiffes zu sein.“