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- Anmerkungen zum Text
Das hier ist mein kleiner Beitrag zum Projekt "Wir gegen Rassismus". Ich habe mal versucht, Eure Rückmeldungen aus den letzten Texten zu nutzen und einen Spannungsbogen und Konflikte einzubauen.
Uber Feedback würde ich mich freuen.
Sein Kampf
Der Baseballschläger neben dem alten Sofa war umgefallen. Wie so oft. Der Holzgriff hatte schon erste Spuren in der vergilbten Blumentapete hinterlassen. Quer durch eine stilisierte Blüte in altrosa verlief eine lange, gebogene Schramme, wie ein verrutschtes Komma. Sven hatte nicht einmal mehr den Kopf gehoben. Acht Adlerbräu lagen leer und durcheinander auf Omas altem Couchtisch. Wie ein Kränzchen beim Kegeln. Nur in der neunten Flasche war noch ein kleiner Rest.
Die Hand hatte länger durchgehalten als der Kopf, aber ein paar Minuten nach dem ersten Schnarchen war die Flasche doch gefallen und lag jetzt tropfend auf den aufgeweichten Resten einer Packung Pizza Pilze. Das „Stein“ von Steinofen war schon völlig durchnässt. Draußen rollte der erste Donner an, während sich im vergessenen Flachbild-Fernseher die Kommentatoren gegenseitig erklärten, warum Deutschland verloren hatte. Die EM war für Deutschland endgültig aus und vorbei. Svens Abend auch. „Football is coming home. It‘s coming home.“ Die Schlachtgesänge der englischen Fans verfolgten ihn in sein eigenes alkoholgeschwängertes Walhalla, wo er mit den gefallen Kriegern früherer Zeiten becherte. Bechern wollte. Aber sein Trinkschädel hatte ein Loch und so kam er nie bis zum Gelage. Grimmige Walküren in rot-weißen Trikots sperrten ihn stattdessen in einen Keller mit verblassten Tapeten, wo er unendliche Reihen alter Metfässer schrubben musste. Die grimmigste der Walküren sah ein bisschen aus wie Oma Mechthild. Das machte alles nur noch schlimmer.
Der nächste Morgen begann mit einem Bienenschwarm in Svens Kopf. Es dauert fast eine Minute, bis er realisierte, wo er war und dass sein Handy vibrierte. Mühselig griff er danach. »Hmmnja ... ?« Das hatte ein forsches Ja sein sollen. Die Zunge war scheinbar auch noch nicht richtig wach. Er stützte den schweren Kopf in die andere Hand.
»Sven, bist Du das?« Blöde Frage, eigentlich. Wer sollte sonst drangehen?
»Mensch Thorben, es ist mitten in der Nacht.« Svens Stimme klang wie das berüchtigte Reibeisen, auch wenn die Zunge langsam wieder wach wurde. »Warum rufst Du an?« Seine Kehle war trocken, der Kopf brummte immer noch.
»Schwachkopf«, klang es aus dem Hörer. »Mach mal die Rolläden hoch, es ist fast elf.“ Wahrscheinlich rollte Thorben am anderen Ende der Leitung deutlich mit den Augen. Im Hintergrund war plötzlich Gelächter zu hören. Die Kameraden schienen auch schon da zu sein. »Du bist ja immer noch besoffen.«
Damit hatte er recht. Sven hatte immer noch heftige Probleme, in die Senkrechte zu kommen. »Iss doch auch egal«, gab er zurück. Gleichzeitig versuchte er, die letzte Flasche von gestern zu greifen. Vielleicht war ja noch ein Schluck drin. Die Hand war noch nicht mit den Augen gleich geschaltet. Auf jeden Fall griff Sven daneben und die Flasche rollte unter das Sofa.
»Reiß Dich zusammen!« Thorbens Tonfall war jetzt hart. »So was will ich nicht von Dir hören. Ist das klar?« Irgendwie schaffte er es wieder mal in einem Satz streng und fürsorglich gleichzeitig zu klingen. »Wir zählen heute Abend auf Dich. Treffen im Klubhaus um acht. Also schwing Deinen müden Arsch unter die Dusche. Ein Kamerad darf sich nicht vernachlässigen. Klar?« Wieder weckte Thorben irgendwo in Sven ein Fünkchen Selbstachtung. Wo auch immer dieser Funke gestern Abend gewesen war. »Lauf heute die große Runde! Und ich will eine Zeit unter 75 Minuten sehen, wenn Du nachher kommst.“
»Ok. Verstanden.« Sven war noch immer nicht wirklich wach, aber er begann sich für gestern Abend zu schämen.
»Gut. Und sei pünktlich! Wir haben einen Auftrag: Wir müssen Bimbos erschrecken.«
»Ich werde da sein.« Sven hatte es inzwischen auf die Beine geschafft und das Fenster geöffnet.
»So will ich das hören. Also dann … Für Ruhm und Ehre!« Thorben legte auf.
Sven schaute sich um. Die Flaschen auf dem Tisch und die Pizzaschachtel waren leicht aufzuräumen. Die Fenster hätten schon länger mal geputzt werden müssen. Die abgewohnten Möbel, der fleckige Teppich und die verblasste Tapete würden warten müssten, bis er endlich wieder Arbeit hatte. Trotzdem nahm Sven sich vor, ab jetzt mehr auf Ordnung zu achten. Oma würde sich im Grab umdrehen, wenn sie ihre alte Wohnung sehen würde. Er sammelte die Flaschen ein, warf den Pizzakarton in den Müll und wischte kurz über den nassen Dielenboden. Oma hätte sicher schon vor Wochen gebohnert. An Oma zu denken war nicht mehr ganz so schmerzhaft wie früher. Immerhin.
Sven ging ins Bad, putzte sich den Geschmack nach schalem Bier aus den Zähnen, ließ sich kurz kaltes Wasser über den Kopf laufen und zog seine Sportsachen an. Zwei Energieriegel aus dem Schrank und eine Trinkflasche am Gürtel vervollständigten sein Outfit. Als er die Haustür hinter sich geschlossen hatte und die ersten Schritte gelaufen war, ließ der Kopfschmerz langsam nach. Er lief aus dem Dorf, vorbei am alten Sportplatz und in die Felder. Das Korn wurde langsam reif und die Ähren hingen schwer. Der Boden war noch nass und rutschig, trotzdem versuchte er sein Tempo zu halten. Erst oben am Hügel, bei den drei Kreuzlinden, wo er den Blick weit streifen lassen konnte, gab Svens Gehirn wieder frei, was er vorher nur im Tran gehört hatte: »Bimbos erschrecken« hatte Thorben gesagt.
Sven wurde heiß, als ihn die Erkenntnis traf. Die Hitze brannte hinter dem Brustbein, quoll nach oben und ballte sich in der Kehle. Hier in Breiten-Steinach gab es keine Schwarzen. Nur das Ehepaar Fikadu vom Supermarkt und ihre Tochter Katija. Das konnte nicht sein. Bitte nicht. Nicht die Fikadus. Der Gedanke verfolgte ihn, während er zum Waldrand abbog. Bitte nicht. Bitte nicht. Dann führte sein Weg in das Dämmerlicht unter den Bäumen.
Eineinhalb Stunden später stand Sven im Bad. Er war völlig ausgelaugt und seine Muskeln schmerzten trotz der heißen Dusche. Den Gedanken an heute Abend und seine Befürchtungen hatte er für den Moment irgendwo in seinem Hinterkopf begraben. Sich ganz auf das Laufen konzentriert. Einatmen, ausatmen, Laufen. Am Ende hatte die Smartwatch 72:24:10 angezeigt. Persönliche Bestzeit. So richtig freuen konnte er sich trotzdem nicht. Er wischte kurz über den Spiegel und betrachtete unzufrieden sein Spiegelbild. Die blonden Locken, auf die er früher so stolz gewesen war, standen ungebändigt in alle Richtungen. »Bald siehst Du aus, wie so ein linksversiffter Grüner«, hatte einer der Kameraden gefrotzelt. Abschneiden? Geld für den Friseur hatte er keins. Wachsen lassen? Nur ein bisschen stutzen? Zögernd griff Sven nach dem Barttrimmer. 2,4 Zentimeter waren die längste Einstellung. 0,1 die kürzeste. Erst langsam, dann energisch rasierte er sich die Haare kurz. Die Locken fielen über die Schultern nach unten und sammelten sich um seine Füße auf dem alten Fliesenboden. Der Spiegel begann schon wieder zu beschlagen. Leichte Schlieren zogen sich wie Nebel über das Glas und das Gesicht hinter dem Nebel erschien ihm finster und fremd.
Fünf Jahre war es her, dass der letzte Supermarkt geschlossen hatte. Unrentabel. Danach hatte das kleine Gebäude am Dorfplatz lange leer gestanden. Die Fenster mit Zeitungspapier zugeklebt, das langsam vergilbte. Die Ecken hatten schon angefangen sich zu rollen, als vor einem Jahr eine Familie aus Weinheim einen neuen kleinen Markt eröffnet hatte. Seitdem waren die Dörfler gespalten. Die einen waren froh über die Einkaufsmöglichkeit. Getränke, Konserven, Brot und Gemüse. Es gab alles, was der Odenwälder so braucht. Die anderen regten sich auf. »Was wollen die Schwarzen hier?«
Papa Fikadu war wirklich tiefschwarz. Der dunkelhäutigste Mensch, den Sven je gesehen hatte. »Der kommt aus Eritrea«, hieß es. Er hatte erst mal nachschlagen müssen, wo das war: Ostafrika, am Roten Meer. Eingezwängt zwischen Sudan und Äthiopien. Lauter Namen, die sie alle nur aus dem Fernsehen kannten. Dort war Krieg. Deshalb war Papa Fikadu geflohen. Seine hübsche Frau hatte er in Deutschland kennengelernt. Im Flüchtlingslager. Und Katija war hier geboren. Katija. Sven seufzte bei dem Gedanken. Das schönste Mädchen an seiner Schule. Und eine der wenigen, die immer freundlich zu ihm gewesen war. Selbst wenn er mal wieder in uncoolen Klamotten in die Schule gekommen war. Jetzt, wo die Eltern den Supermarkt hatten, war sie nach Berlin gegangen, studierte irgendwas mit Biologie. Sie war nur noch selten in Breiten-Steinach.
Sven wuchtete die beiden leeren Kisten Adlerbräu aus dem Kofferraum und trug sie über die Straße. Vor der Tür zögerte er. Das Unbehagen war wieder da. Eigentlich wäre er Katijas Eltern heute lieber nicht begegnet. Aber das Pfandgeld würde ihn über den Abend retten, falls sie nachher noch was trinken würden. Also öffnete er die Tür und trug die Kästen zum Leergutautomaten. Er duckte sich dabei. Nur an der Kasse kam er nicht vorbei. Er brauchte das Geld. Die letzten Schritte waren irgendwie besonders schwer. Muss der Muskelkater sein, dachte er und fand sich selbst nicht überzeugend.
»Hallo Sven. Schön, dich zu sehe.« Mama Fikadu lächelte ihn an. Dann zog sie die Augenbrauen hoch. »Was ist passiert mit Deine Frisur?«
Sven murmelte irgendwas von Friseur und teuer. Der Kloß in seinem Bauch war wieder da. Die XXL-Version, die auch in der Kehle steckt. »Bimbos erschrecken – Bimbos erschrecken«. Wie ein Echo im Kopf hörte er Thorbens Stimme.
Mama Fikadu legte den Kopf schief. »Wie schade«, sagte sie mit ihrer hellen Stimme. »Deine Locken ware so hübsch.« Wie immer rollte sie das ‚R‘ ein wenig. Und dann, nach einer kurzen Pause: »Jetzt Du siehst fast aus wie eine von diese Schlägertype.« Sie schüttelte den Kopf, während sie den Pfandbon aufspießte und ihm das Geld auszahlte. »Das würde Katija nicht gefallen.«
Jetzt war der Kloß so heiß, dass er es nicht aushielt. »Sorry … muss los«, presste er heraus. »Tschüss.« Er rannte fast aus dem Laden. Das schlechte Gewissen schnürte ihm die Kehle zu. »Bimbos erschrecken!« Der Kloß in der Brust hörte nicht mehr auf. Auch nicht, nachdem die Ladentür mit einem Bimmeln hinter ihm ins Schloss gefallen war. Sven riss die Tür seines alten Golf GTI auf und ließ sich schwer atmend in den Sitz fallen. Den Marktplatz und die Burg dahinter nahm er kaum wahr. Dort, hinter der alten Burg türmten sich neue Gewitterwolken auf, wie finstere Giganten.
Die Luft war immer noch schwül, die Gewitter hatten sich noch immer nicht entladen, als Sven kurz vor acht vor dem Sportplatz parkte. Er blickte kurz über den Platz und zwischen den bewaldeten Hügeln hinaus auf die Rheinebene. Sonst liebte er diese Aussicht, blieb oft stehen, um sie zu genießen. Heute erreichte ihn all das nicht, obwohl die Szene beeindruckend und aufwühlend war. Die Sonne hing schon tief und kämpfte mit den Wolkenmassen. Rot, violett und dunkles Grau warfen ein unwirkliches Licht über die Landschaft und spiegelten sich in den Fenstern am Klubhaus.
Die meisten der Kameraden waren schon da, als Sven die alte Tür öffnete. Es gab johlende Begrüßungen und ein paar Daumen hoch für die neue Frisur, bevor er sich auf seinen Stammplatz in der Ecke setzte. Thorben grinste ihm zu und fragte nach der Zeit.
»72:24.«
»Na also«, gab Thorben zurück. »So muss das sein! Du kannst stolz sein auf dich«
Dann fing er mit dem an, was er immer die ‚Marschbefehle‘ nannte. Er redete über Heimatstolz und dass ‚die da Oben‘ das Land verraten hätten und ähnliches. Und obwohl Sven nicht wirklich zuhörte, merkte er, wie er wacher wurde. Endgültig wach wurde er in dem Moment, als Thorben wieder anfing, von den „Bimbos“ zu reden, die sich in ihrem Dorf breit gemacht hätten.
»Wir wollen hier keine Schwarzen.« Er hatte sich in Rage geredet. »Die sollen bleiben, wo sie herkommen.« Von den anderen kam Zustimmung. Einige waren nicht mehr ganz nüchtern, das war deutlich zu hören und verstärkte die Stimmung noch einmal.
»Aber die sind doch nett.« Sven konnte selbst nicht ganz glauben, dass er das wirklich gesagt hatte. Leise, aber hörbar. Die Kameraden schauten ihn verblüfft an. »Die Schwarzen sind immer nett und korrekt. Und wir können den Markt gut gebrauchen. Wo sollen wir denn sonst einkaufen?« Er war aufgestanden. Sein Gesicht brannte, die Kehle war ihm eng, aber er wollte kein Feigling sein.
Thorben schaute ihn an. »Du verteidigst die Bimbos, Sven? Echt jetzt?« Er wirkte schwer enttäuscht. »Gerade Du? Hast Du vergessen, dass ein verdammter Nigger Deine Oma umgebracht hat? Was würde Oma Mechthild sagen, wenn sie hören könnte, dass Du ihre Mörder in Schutz nimmst? Sie würde sich im Grab umdrehen.«
Svens Beine wurden weich und er ließ sich kraftlos auf den alten Sessel fallen. Er hatte Thorben enttäuscht. Und was noch schlimmer war: Er hatte Oma Mechthild enttäuscht. Der Onkologe in Heidelberg war wirklich ein Schwarzer gewesen. Die Versicherung hatte es nicht zugeben wollen, aber Sven war sich sicher gewesen, dass der Arzt seine Oma auf dem Gewissen hatte. Er hatte bei der letzten Krebs-OP geschlampt und ihm die letzte Stütze genommen, die er noch hatte.
Er fühlte sich elend wie nie. »Nein«, presste er mühsam heraus. »Wie sollte ich das vergessen?«
Thorben kam zu ihm und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Wir müssen etwas tun gegen diese Umvolkung. Erst ersetzen sie unsere Ärzte, dann unsere Ladenbesitzer und am Ende nehmen sie uns unsere Ehre weg und unser Land. Willst Du das?« Sven schüttelte den Kopf. »Dürfen wir das zulassen«, wandte er sich an die anderen? Seine Stimme war laut und einfühlsam zugleich.
»Nein. Niemals. Das lassen wir nicht zu.« Einige Kameraden waren aufgesprungen. »Ich höre Euch nicht? Dürfen wir das zulassen?« Jetzt waren alle auf den Beinen, schlugen mit den Fäusten auf die Tische und brüllten ihre Wut und ihre Ablehnung in die Luft.
Thorben nutzte diese Wut, kanalisierte sie. Er erklärte ihnen, wie die Aktion ablaufen sollte, wie den Bimbos Angst eingejagt werden sollte. »Am Ende werden sie sich verziehen und uns in Ruhe lassen. Wir müssen unser Land vor den Schwarzen und Moslems schützen.«
Sven dachte an die Jesus- und Marienbilder im Pausenraum der Fikadus und an das kleine silberne Kreuz an Katijas schlankem Hals. Aber er sagte nichts. Er saß nur in der Ecke und fühlte sich beschissen, während draußen vor den alten Fenstern die ersten schweren Tropfen auf den Rasen schlugen.
Dreißig Minuten später war aus den ersten Tropfen ein Inferno geworden. Als wollte der Himmel selbst Angst und Schrecken verbreiten. Grelle Blitze irrlichterten über und unter den dunklen Wolken. Die einzelnen Blitze waren kaum noch zu unterscheiden. Der Donner hatte sich zu einem mahlenden Grollen gesteigert, immer wieder von Krachen durchbrochen. Der Sturm fegte den Regen fast waagerecht über den Dorfplatz. Die drei dunklen Autos vor dem Supermarkt waren kaum noch zu erkennen. Und niemand sah die acht vermummten Gestalten, die langsam ausstiegen. Sie duckten sich im Regen ein wenig zusammen, zogen die Schultern hoch, schwarze Helme verdeckten die Gesichter. Ein kurzes Kommando und sie stürmten brüllend auf den Supermarkt zu. Selbst in der tiefen Finsternis zwischen den Blitzen waren die Baseball-Schläger nicht zu übersehen, mit denen sie Schaufenster und Ladentür zertrümmerten. Dann sprangen sie in den Markt und begannen ein Regal nach dem anderen zu zertrümmern. Eine der Gestalten sprühte Verwünschungen an die Wand.
Die Neonröhren blinkten kurz auf und wurden hell. »Hee, was macht Ihr da?« Isaia Fikadu stand am Hintereingang, die Hand noch am Lichtschalter und wollte den Laden betreten. Seine Frau hielt seinen Pullover und versuchte, ihn wegzuziehen, die Augen voller Angst. »Hört auf damit. Was haben wir Euch denn getan?«
Für einen Moment war es still im Markt. Irgendwo rollte eine Dose gegen die Wand. Einer der Schläger klappte sein Visier hoch. Das Gesicht war von einer Sturmhaube bedeckt. Seine Stimme war trotzdem zu hören. »Du. Gehörst. Nicht. Hier. Her.«, sagte er leise. Dann beschrieb er mit dem Schläger eine routinierte Acht nach der andren in der Luft. Der Schläger wurde immer schneller während er auf Isaia zu ging.
»Nein! Nur erschrecken hatten wir gesagt.« Trotz der Vermummung war Svens Stimme deutlich zu hören.
Der Anführer stoppte. Er drehte den Kopf und fixierte Sven durch das geöffnete Visier. »Verräter.« Thorbens Stimme war voller Verachtung. »Um Dich kümmern wir uns später. Schau zu!« Er ließ den Baseballschläger sinken, drehte sich auf dem linken Fuß, verlagerte sein Gewicht und traf Isaia Fikadu mit der Spitze des rechten Stiefels direkt unter dem linken Rippenbogen. Der sackte röchelnd zusammen und fiel rückwärts gegen ein Regal. Die anderen standen wie erstarrt.
Thorben hob den Baseballschläger über den Kopf. Genau in diesem Moment schlug der Blitz in den Giebel des Supermarktes ein. Der Donner kam ohne Verzögerung. Ein ohrenbetäubendes Bersten erschütterte den Raum, gefolgt von einem reißenden Knistern. Blaue Entladungen zogen sich an den Fensterrahmen entlang. Eine der Gestalten wurde zur Seite gerissen und ging zu Boden. Die anderen versuchten vergeblich, die Hände vor die Ohren zu halten. Einige waren in die Knie gesackt.
»Wow. Fast wie im Kino.« Thorben hatte sich als erster erholt, schnippte theatralisch ein imaginäres Staubkorn von seiner Schulter und hob noch einmal den Schläger. Dabei drehte er den Kameraden den Rücken zu, um sich ganz auf Isaia Fikadu zu konzentrieren.
Sven wusste selbst nicht, woher die Entscheidung gekommen war. Er reagierte einfach. Er schnellte drei Schritte vorwärts und warf sich mit voller Wucht gegen Thorbens Rücken, umklammerte ihn dabei mit den Armen. Die Wut der letzten Jahre trieb ihn an und er hebelte er den unvorbereiteten Thorben übergangslos von den Beinen. Thorben fiel nach vorne, verlor den Baseballschläger und schlug mit dem Helm schwer auf die alten Bodenfliesen. Dort blieb er regungslos liegen.
Sven rappelte sich auf, griff nach dem Schläger und drehte sich um. »Das hier ist jetzt vorbei«, schrie er und ging auf die restlichen Kameraden zu, den Schläger drohend erhoben. »Geht!« Er schlug dem nächsten der Gestalten auf die Hand, worauf der die Spraydose fallen ließ und zurück wich. »GEHT!«. Als er sich dem zweiten zuwandte, drehte der sich um und lief los. Erst zögerlich, dann schneller liefen auch die anderen aus dem Laden, als draußen die ersten Blaulichter auftauchten.
Ein letzter Blitz schlug krachend in die Turmspitze der alten Burg. Dann wurde es still.
Als die ersten Beamten den Laden stürmten, ließ Sven den Baseballschläger fallen.