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Sein bester Freund
Sein bester Freund
Niki hieß eigentlich Nikolas, aber jeder nannte ihn kurz Niki. Niki war schon ein großer Junge. Er war schon fast sechs Jahre alt und würde bald zur Schule gehen. Seine Mama, sein Papa und er waren neu in der Stadt. Der Papa hatte hier eine Arbeit gefunden, und so waren sie hierher gezogen.
Wie auch an den vergangenen Tagen, war er mit seiner Mama in den nahen Park gegangen. Der Spielplatz dort war super. Da gab es einen Bolzplatz, alle möglichen Schaukeln, Karussells und Sandkästen, die in ihrer Mitte sogar ein Gerüst mit einem Kettenaufzug hatten. Und dann war da noch die riesig lange und haushohe Rutsche. Niki hatte keine Angst sich da hinunter zu stürzen, so wie die kleinen Kinder, bei denen immer die Mamas dabei sein mussten.
Am liebsten aber spielte er Lokführer. Eine richtige, alte Dampflok stand neben einer dicken Dampfwalze. Die Lok war grün, gelb und rot angemalt. Früher war sie schwarz und im Kohlebergwerk gefahren. Das stand auf einem Schild, das neben dem Einstieg angebracht war. Seine Mama hatte es ihm vorgelesen, denn er war ja noch nicht in der Schule.
Auch heute waren keine anderen Kinder in seinem Alter da. Es war Ferienzeit. Die waren wohl alle verreist. So ganz alleine machte ihm das Spielen keinen richtigen Spaß. Von oben, vom Führerhaus der Lok aus, sah er einem Hund zu, der wild mit einem Ball über die Spielwiese sauste. Es war ein großer Hund mit braunen Flecken, so groß wie der Rex, der Schäferhund von Herrn Franz, dem Kioskbesitzer.
Er war aus der Lok geklettert, um noch einmal zur Rutsche hinüber zu gehen. Kurz bevor er den Fuß des Rutschberges erreichte, rollte von schräg hinten ein Ball an ihm vorbei. Als er sich umdrehte stand da der Hund, den er vorher beobachtet hatte. Der drehte seinen Kopf hin und her und wedelte mit dem Schwanz.
„Was guckst du so?“, fragte Niki, „hol' dir deinen Ball. Ich tue dir nichts.“
„Ich hab’ doch keine Angst vor einem kleinen Jungen“, hörte Niki und sah sich verwirrt um. Aber es war niemand in der Nähe. So ging er zum Ball und kickte ihn in Richtung auf den Hund zu.
„Danke“, war nun zu vernehmen.
Ungläubig blickte Niki den Hund an.
„Du hast nicht gerade ‚danke’ gesagt oder?“, stotterte er.
„Klar doch, habe ich gesagt. Hat dir deine Mama nicht beigebracht dich zu bedanken, wenn du etwas bekommst?“
„Ja, aber du bist ein Hund“, brachte Niki heraus.
„Oh, ich habe vergessen mich vorzustellen“, entschuldigte der sich, „ich heiße Flecki. Ist ein dummer Name, ich weiß, aber leider nicht zu ändern.“
Niki stand wie angewurzelt da und sagte: „Hunde können nicht reden; nein, nein, nur Menschen sprechen miteinander.“
Flecki hob seinen Kopf und sah Niki kopfschüttelnd an.
„Sehe ich aus wie ein Mensch?“, fragte er und beantwortete sich seine Frage selbst, „nein, ich bin kein Mensch. Ich bin ein Hund.“ Zur Bestätigung bellte er laut.
„Und“, fragte er weiter, „hast du damit ein Problem?“
Niki überlegte nicht lange und lachte: „Kein Problem, wollen wir zusammen spielen?“
Statt einer Antwort schubste Flecki den Ball so stark mit seiner Schnauze an, dass er weit in die Spielwiese hineinrollte. Beide sausten hinterher. Rauf und runter ging es dann immer dem Ball nach. Mal erreichte Flecki ihn zuerst, ein anderes mal war Niki der Sieger.
„Du bist ein klasse Spieler“, lobte Niki und war erschöpft stehen geblieben.
„Du bist aber auch nicht schlecht“, antwortete Flecki mit heraushängender Zunge, „für einen Menschen zumindest.“
„Sollen wir Eisenbahn spielen gehen?“, fragte Niki.
„Hast wohl keine Puste mehr?“, spottete Flecki.
„Hi, hi“, kicherte Niki, „das musst du gerade sagen, deine Zunge hängt doch schon im Gras!“
Für einen Augenblick stutzte Flecki und legte den Kopf auf die Seite.
„Bei uns Hunden ist das normal“, sagte er ernst, „das hat nichts mit der Puste zu tun. Wir Hunde können nur über unsere Zunge schwitzen.“
„Ganz schön blöd oder?“, fragte Niki mitleidig.
„Wieso blöd? Das ist klasse! Stell dir mal vor, bei mir wäre das wie bei euch Menschen. Ich müsste mein Fell ausziehen wie ein verschwitztes T-Shirt und es in die Waschmaschine packen.“
Niki platzte heraus vor Lachen. Er stellte sich vor, wie Flecki nackt im Waschsalon vor der Maschine saß und auf sein Fell wartete.
„Richtig peinlich wäre es aber erst“, grinste er, nachdem er sich ein wenig beruhigt hatte, „wenn dabei dein Fell einlaufen würde, wie mein Lieblingspullover, den Mama aus Versehen mit in den Trockner gesteckt hat.“
Wieder brüllte Niki los vor Lachen. Es war so schlimm, dass ihm Tränen über die Wangen kullerten, und er sich an seiner eigenen Spucke verschluckte.
Er hielt sich immer noch den Bauch, als drei ganz große Jungen auf ihn zu gerannt kamen. Die waren bestimmt schon zehn Jahre alt oder sogar elf. Schon von Weitem rief der Pummelige mit der schwarzen Kappe: „He, das ist unser Ball. Gib den sofort zurück!“
Niki stand stocksteif da vor Schreck. Er hatte doch nichts Böses gemacht, er wusste nicht, dass es ihr Ball war. Der Kleinste von den Dreien bückte sich und hob den Ball auf. Prüfend drehte er ihn zwischen den Händen und klemmte ihn schließlich unter den Arm. Im Weggehen hob er die Faust und schimpfte: „Und wenn wir diesen Köter erwischen, der kann was erleben!“
Als nichts weiter geschah, und die Drei weit genug weg waren, atmete Niki erleichtert aus.
„Flecki!“, rief er und hielt sich sofort erschrocken die Hand vor den Mund, aus Angst die Burschen könnten ihn doch noch hören.
„Flecki?“, kam es nun fast flüsternd über seine Lippen, „Flecki, wo bist du?“
Der steckte seinen Kopf aus dem nahen Gebüsch, äugte kurz nach rechts und links und kam herangetrottet.
„Musste mal eben zu meinem Lieblingsbaum, habe heute viel getrunken. Du verstehst? War mal gerade das Bein heben.“
Niki sah ihn mit zusammengezogenen Augenbrauen so ernst an wie er konnte.
„Verdrückt hast du dich. Den Ball hast du von den Jungs gemopst“, und mit erhobenem Zeigefinger fuhr er fort, „so was darf man nicht machen!“
„Ich?“, tat Flecki ganz unschuldig, setzte sich und hob die Nase, „ich klaue doch nicht. Der Ball hat da so einfach herumgelegen, ganz alleine. Ich habe ja auch nur damit gespielt; nach Hause mitgenommen hätte ich den natürlich nicht.“
Niki hockte sich neben seinen neuen Freund und streichelte ihn.
Eine Zeitlang schwiegen beide. Dann fragte Niki: „Was für ein Hund bist du eigentlich? Ich meine, der Rex, der Hund von Herrn Franz, ist ein Schäferhund. Was bist du?“
„Den Rex kenne ich“, wich Flecki der Frage aus, „ich besuche ihn öfters. Er ist aber schon sehr alt und will nicht spielen, liegt lieber den ganzen Tag faul in der Sonne.
„Und was bist du jetzt?“ Niki blieb hartnäckig.
„Mein Herrchen sagt immer“, kam es zögernd, „mein Herrchen sagt ich sei ein Windhundgedackelterpudelspitz“.
„Wao! Das habe ich zwar noch nie gehört, klingt aber richtig toll.“ Niki nickte anerkennend.
„Na ja, ist eigentlich gar nicht so toll.“ Mit eingezogenem Kopf schaute der Hund nach oben. „Eigentlich bin ich nichts Richtiges, weißt du, eher so eine Mischung aus allem Möglichen.“
„Quatsch!“, sagte Niki und legte einen Arm um Fleckis Schultern, „du bist ein richtig toller Hund und mein bester Freund.