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Seelentrinker

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31.10.2009
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Seelentrinker

"Was meinst du?"
Ihre Freundin warf rasch einen Blick zu dem Jungen hinüber, der etwas weiter weg am Fenster saß, zusammengekauert, das Gesicht halb hinter den Händen verborgen.
"Mhm. Tatsächlich frage ich mich, wie du da irgendwelche Zweifel haben kannst. Schau dir doch mal die Energieströme an. Der Kerl ist der reinste Vampir."
"Soll ich...?"
"Klar sollst du. Du hast es als erste zur Sprache gebracht, er gehört dir."
Sophie seufzte. Nicht, dass sie je darum gebeten hatte, sowas als außerschulische Aktivität aufgebrummt zu bekommen.

Das es getan werden musste, war Sophie von dem Tag an eingeleuchtet, da sie zum ersten Mal gesehen hatte, was unter dem Schleier der physischen Welt verborgen lag. Es waren aufwühlende und vielfach unangenehme Erkenntnisse gewesen, und wäre Marie nicht für sie da gewesen, nun...
Bis heute hatte Sophie sich nicht wirklich daran gewöhnen können.

Als es läutete, hechtete der Junge als erster hinaus. Sophie fragte sich, ob sie ihn in dieser Pause bereits beobachten sollte, um ihre Vorgehensweise zu planen. Sie fühlte sich ein wenig überrumpelt. Andererseits: Je schneller sie es hinter sich brachte, desto besser. Für sie und für alle anderen.
So kramte sie rasch ihre Sachen zusammen und stopfte sie in die Tasche.
"Maria, kommst du...?"
Maria, die gerade mit einem anderen Mädchen gesprochen hatte, blickte fragend auf, nickte dann aber.
Gemeinsam gingen sie raus auf den Flur und schlenderten zur Kantine.
"Schau, da drüben ist er", meinte Maria, als sie ihre Tabletts erhalten hatten. "Gehen wir da drüben hin, da haben wir einen guten Winkel."
Sophie nickte dankbar.
"Ich fasse es immer noch nicht, dass wir sowas... Militärisches machen müssen."
"Ruhig Blut. Du gewöhnst dich schon noch daran. Denke ich."
Maria hatte gut reden. Ihre "Karriere" hatte bereits in der Grundschule angefangen. Sie hatte alle Zeit der Welt gehabt.

Sie ließen sich einige Tische weiter nieder. Der Junge saß allein, schlang sein Essen hurtig hinunter und schien in ständiger Fluchtbereitschaft zu sein.
Jetzt sah auch Sophie die Ströme wieder ganz deutlich. Die frohen, kraftvollen Wellen, die von den meisten Menschen ausgingen, manche etwas stumpf, andere voller Wirbel. Die weitaus meisten waren von spirituellen Wehwehchen und Parasiten geplagt, aber doch lebensbejahend. Gesund, im weitesten Sinne des Wortes.
Und dann war da dieser Typ. Seine Aura glich einem rostigen Ausguss, der die Energiefelder um sich herum aufsog. Hin und wieder zuckte es darin, und winzige, giftige Pfeile wurden auf andere Menschen abgefeuert. Dazu kam noch, dass er versuchte, so etwas wie eine Schale zu bilden, eine schützende Kugel, die ihn einhüllen sollte, aber immer wieder verblasste und in sich zusammenfiel.
"Ziemlich eklig, was?" , meinte Maria zwischen zwei Gabeln Reis. "Mach dir keine Sorgen, der sieht nicht besonders schwierig aus. Seine Aura zeigt vor allem eines: Er hält sich für was unglaublich tragisches - und ist in Wirklichkeit ziemlich mickriges Ungeziefer."
"Das ist aber gemein."
"Stimmt aber, nicht wahr? Du musst eine professionelle Perspektive darauf haben."

Plötzlich flogen einige Essensreste durch die Gegend. Eine Gruppe von Burschen aus ihrer Klasse hatte angefangen, den Jungen mit der giftigen Aura zu bewerfen.
"Wetten, der bleibt jetzt in den Haaren hängen?"
"Top!"
Der Brocken blieb hängen. Mit einer ruckartigen Bewegung wischte der Junge ihn weg.
"Na, wer ist der große Meister?"
"Sehr schön Tobi, wirklich sehr schön. Aber pass mal auf, jetzt werde ich ihm das Essen ein wenig würzen...
Als die Kantinenaufsicht in eine andere Richtung sah, schickten sich die Knaben an, ihre Würfe so zu planen, dass sie einen hohen Bogen machten und dann mitten auf dem fraglichen Teller landeten.
Der Junge mit der Schale wurde rot und sank ein wenig in sich zusammen. Er wagte es gar nicht erst, sich nach den Angreifern umzusehen. Was noch viel wichtiger war, seine ganze Aura schien sich zu sträuben wie das Fell einer Katze. Mit zitternden Händen schob er die widerlichen Brocken beiseite, die in seinem Essen gelandet waren, und versuchte, seine Mahlzeit schnell hinter sich zu bringen. Nur: Immer dann, wenn er kurz davor war, sich halbwegs wieder einzukriegen, kam der nächste Schauer. Natürlich war das sorgsam abgepasst. Seine Augen schienen feucht zu werden, und seine Aura nahm eine bläuliche Färbung an. Würde er etwa anfangen zu flennen?
"Hans! He, Hanskopf! Hähähähänschen! Brauchst du nochwas? Bist du auch rundum zufrieden?"
"He, Hans, sag doch was! Wie sollen wir denn was schönes zubereiten, wenn wir kein Feedback bekommen?"
"Hans? Ha-hans! He? He! Hier drüben! Na komm, zeig uns dein zartes Antlitz!"
Endlich hielt er es nicht mehr aus, stand auf und versuchte, möglichst würdigen Schrittes sein halb volles Tablett zurückzutragen und die Kantine zu verlassen. Was ihm natürlich nicht die Abschiedssalve esparte.

Die Mädchen hatten dies unbehaglich mitverfolgt.
"Na bitte. Das dürfte dich doch davon überzeugen, einzugreifen."
"Sie spüren es auch, oder?"
"Aber sicher. Jedes Lebewesen kriegt irgendwo mit, was auf der spirituellen Ebene vor sich geht. Was du gerade gesehen hast war eine Art Immunreaktion. Was wie ein Angriff ausgesehen hat war in Wirklichkeit sowas wie Verteidigung. Der Versuch, sich dem zu entledigen, was den freien Fluss der Energie behindert..."
"Aber so funktioniert das nicht..."
"Nein, Sophie. Du weißt, wie es wirklich geht."
"Aber wie soll ich das anstellen? Ich habe das nur einmal gemacht.. zweimal... und das... das waren wirklich andere Umstände..."
"Lass dir was einfallen. Weißt du was? Wir regeln das jetzt gleich. Komm."
Maria pickte das letzte Salatblatt auf, und dann machten sie sich auf den Weg.

"Pass auf, so wie ich dieses Hänschen einschätze, verkriecht er sich gerade irgendwo. Es sollte also ein Klacks sein..."
"Und wie soll ich dann..."
"Relax, Mädchen! Ist doch alles ganz natürlich..."
"Ganz natürlich... wenn ich das schon höre..."
"Natur ist mehr, als die meisten Menschen glauben... Hier lang."
Sie traten auf den Pausenhof hinaus, und dann zu den Randbereichen, da, wo zwischen dem Hof und der Mauer, welche die Schule von der Straße trennte, eine dichte Hecke wucherte. Wie Spürhunde auf einer Fährte, so ließen sie sich von den hässlichen Spuren leiten, welche die Aura des Jungen hinterlassen hatte.
"Da drin hat er sich verkrochen? Ganz allein?"
"Was hast du erwartet. Unser Hänschen ist halt ein Original."
"Du erwartest doch nicht allen ernstes..."
"Na und ob. Das ist doch die perfekte Gelegenheit. Hopp."
"Dann gib mir Sichtschutz. Ich habe keine Lust, dass man mir nachsagt, ich würde in meinem Mußestunden in Hecken herumkriechen..."
"Bin dir wie immer einen Schritt voraus."
"Du nerfst."
"Das sind die Privilegien gegenüber Newbies. Jetzt setz' deinen hübschen Hintern in Bewegung."
"Bäh! Wenn ich nur wüsste, wo du all die gute Laune herhast..."
Leise fluchend nahm Sophie eine geduckte Haltung an und bahnte sich wie eine Wachtel einen Weg durch das Dickicht.
Sie entdeckte Hans einige Meter entfernt, wo er an die Mauer gelehnt war und lustlos in seiner Schultasche kramte, vielleicht, um etwas zum Lesen aufzustöbern.
"Hans!"
Es war recht spektakulär zu sehen, wie er zusammenzuckte. Aus seiner Aura konnte man zweierlei herauslesen: Zunächst einmal, dass er im Grunde immer gewusst hatte, dass seine einsamen Rückzugsorte nicht wirklich sicher waren. Und außerdem, dass er nie erwartet hätte, dass es ein Mädchen sein würde, dass ihm nachstieg. Außer in seinen wildesten Träumen, versteht sich.
"Hm?"
Er ließ die Schultasche sinken und versuchte krampfhaft, Haltung anzunehmen. Er schwitzte.
"Hans, komm' bitte her."
Mist. Er schien etwas zu ahnen. Auf seiner sowieso stets recht aufgewühlten Aura sprossen Flecken von Panik. Der Sinn, der alle Menschen mit der spirituellen Welt verbindet, wenn auch manche stärker als andere, lief jetzt bei Hans auf vollen Touren. Er spürte, wie dicht und kraftvoll Sophies Aura war- fordernd. Gnadenlos.
"W-was willst du?"
"Das wirst du gleich sehen..."
Nein, anscheinend sah er es schon jetzt. Ohne eine weitere Sekunde zu verlieren sprang er auf, brach durch die Hecke und stürzte über den Schulhof davon.
"VERDAMMT! Oh, Maria..."
"Totaler Sichtschutz, Sophie. Beeil dich, lange kann ich das nicht aufrecht erhalten. Schnapp dir das Hänschen."
"Ich hasse Verfolgungsjagden..."
"Machst du Witze? Ich wünschte, ich hätte etwas Poppkorn dabei..."
Sophie verkniff sich die Antwort, riss sich zusammen und begab sich auf die Verfolgung.
Ohne nach links und rechts zu sehen hechtete sie dem deutlichen Kondensstreifen von Hans' Aura hinterher.
"Hans! Bleib stehen!"
Schon war er im Gebäude verschwunden. Doch Sophie blieb ihm dicht auf den Fersen.
Er hechtete die Treppe hinauf. Wofür Sophie ihn innerlich verfluchte.
"Hans, das hat keinen Sinn! Du machst es uns nur schwieriger!"
Das schien Hans momentan bereits vollkommen auszureichen. Schon war er in der zweiten Etage. Was hatte er nur vor? Er lief doch bloß in eine Sackgasse. War er wirklich so dumm? Oder wollte er etwa durch ein Fenster...
Sophie biss sich auf die Unterlippe und versuchte, den Gedanken aus ihrem Kopf zu verdrängen.
Ganz oben angekommen hielt sie einen Moment inne, um Luft zu schnappen. Um herzhaft zu keuchen, genauer gesagt. In der Aufregung hatte sie ihre Verbindung zur unteren Ebene verloren.
Sie entsann sich, was Maria ihr beigebracht hatte, atmete tief ein und versuchte, ihr Inneres wieder zu beruhigen. Ohne ihre Jagdsinne war sie schließlich nur ein durchschnittlich sportliches Mädchen, das planlos fremden Menschen hinterherlief.
Langsam kehrten die Energieströme in ihr Blickfeld zurück. Da! Einige Fetzen von Hans' giftiger Aura flatterten noch in der sommerlichen Brise, die durch die Fenster hereinkam, die man zum Lüften offen gelassen hatte. Die Fährte führte Sophie direkt in eines der Klassenzimmer. Sie befürchtete das Schlimmste. Konnte er wirklich so weit gegangen sein? Hatte sie ihm eine so große Angst eingejagt, oder war er so verzweifelt gewesen?
Mit mulmigen Gefühl im Magen öffnete sie die Tür.
Und atmete erleichtert auf. Zumindest war er nicht gesprungen. Sie spürte ihn in diesem Raum. Sie spürte ihn sogar etwas zu sehr: Alles war mit seiner Aura gefüllt wie mit Nebel, als wäre er wie ein kopfloses Huhn von einer Ecke in die andere gerannt. Wo steckte er bloß?
"Hans?"
Sie stieß einen spitzen Schrei aus, als er plötzlich unter einem der Tische hervorkam und an ihr vorbei aus der Tür sprang, wobei ihre Schultern schmerzhaft aneinanderstießen.
"Aua..."
Fassungslos sah sie ihm hinterher. Er war auf den Weg ins zweite Treppenhaus, auf den Weg nach unten. Er versuchte offensichtlich, ihre Ausdauer zu strapazieren, bis ihm etwas besseres einfiel. Wenn es nach ihm ging, konnten sie noch eine ganze Weile hoch und runter rennen. Er mochte in Sport eine Niete sein, doch er blieb trotz aller gegenteiligen Indizien so etwas wie ein männliches Wesen.
"Blödmann! Verdammter Blödmann!"
Sophie stampfte mit den Fuß auf, dankbar, dass sie niemand sehen konnte. Naja. Fast niemand.
"Du bist so süß, weißt du das?"
Ihre erfahrenere Kollegin schlenderte herein und streckte sich wie eine Katze.
"Maria! Warum hältst du ihn nicht auf? Hilf mir doch ein bisschen!"
"Ich finde, das ist eine ganz vorzügliche Übung für dich. Außerdem habe ich genug mit der Tarnung für unsere kleine Operation zu tun. Keine Angst, er wird dir schon nicht entkommen. So oder so nicht. Aber streng' dich etwas mehr an. Man braucht dafür STIL, Sophie. Es muss ganz smooth gehen..."
"Selber smooth. Ach, das kotzt mich doch alles an..."
Und damit machte sie sich wieder auf die Socken. Im Klassenzimmer blieb eine zufrieden kichernde Maria zurück.

Einen Moment lang dachte sie, dass sie seine Spur verloren hätte. Die Mittagspause neigte sich dem Ende zu.
Da vernahm sie eine angstvolle Vibration aus dem Anbau der Turnhalle, wo die ganzen Geräte aufbewahrt wurden. Sie legte ihr Ohr an die Tür des Schuppens. Keine Frage, Hans hatte sich hier versteckt und harrte vermutlich zitternd zwischen Fußbällen und Turnböcken seines Schicksals.
Was ahnte er tatsächlich von dem, was vor sich ging? Sah er sie als eine Art Rachedämon, der sich auf seine Fersen geheftet hatte, um ihn zu strafen? Das tat Sophie weh- denn das war nicht allzu weit von der Wahrheit entfernt. Sie versuchte, diesen Gedanken zu verscheuchen. Sie wusste, was sie tat, warum sie es tat. Wen sie damit schützte. Das war es, was ihr immer wieder die Kraft gegeben hatte, sich auf diese verrückten Abenteuer einzulassen. Das hatte ihr geholfen, das Unglaubliche hinzunehmen, und ihr Leben einem selbst den Eingeweihten nur schwer begreiflichen Zweck zu weihen.

Dummerweise ließ sich die Tür von der Hofseite her nicht öffnen. Er musste durch die Turnhalle hineingelangt sein.
Sie ging um das Gebäude herum, und tatsächlich, die Tür zur Halle war nicht abgeschlossen.
Sophie trat ein. Es erstaunte sie immer wieder, wie erhaben die olle, sozialistische Sporthalle wirkte, wenn sie ganz leer war. Wenn es nichts gab als die Lichtstrahlen, die wie Scheinwerferlicht durch die großen Fenster fielen, und die Staubflocken, die in ihrem Schein tanzten. So hatte sie fast etwas von einer Kathedrale.
Sie zog ihre Schuhe aus, denn der Boden war gerade erst neu verlegt worden und sollte höchstens mit Turnschuhen betreten werden. Auf Socken schlich sie an der Seite der Halle entlang bis sie den Seitenflur erreichte, der zu den Umkleidekabinen und zum Geräteschuppen führte.
Vor der Schuppentür atmete sie noch einmal tief durch. Diesmal würde sie sich nicht überrumpeln lassen.
Sie trat ein und schloss die Tür gleich wieder hinter sich.
"Hans? Wo versteckst du dich?"
Sie spürte, wie seine Aura voller Schreck aufloderte. Er saß hinter einem Kiste voller Basketbälle.
"Ich weiß wo du bist. Komm hervor."
Sie konnte spüren, wie seine Gedanken rasten. Jäger wie sie konnten keine Gedanken lesen, aber wenn man ein Gespür für die Aura hatte, kam man dieser Kunst manchmal doch ziemlich nahe. Es war offensichtlich, dass er wieder einen Ausbruch versuchen würde, nicht weniger stümperhaft als der erste. Nur, dass sie diesmal dazugelernt hatte. Hans war offenbar nicht besonders kreativ, wenn man ihn unter Stress setzte. Und unter Stress war er, oh ja.
Außerdem hatte Sophie den Verdacht, dass Hans trotz seines Rufes als Streber nicht besonders klug war. Offensichtlich, denn sonst befände er sich jetzt nicht in dieser Lage.
"Es gibt keinen Ausweg, Hans. Komm."
Wie sie es vorausgesehen hatte sprang der Junge hervor und hechtete auf sie zu. Doch sie hatte seine Kraft unterschätzt. Er drückte sie mit der Schulter beiseite. Sie packte seinen Arm, um ihm einige Lähmungswellen einzuflößen, zu sehr viel mehr war sie in ihrem jetzigen Entwicklungsstadium noch nicht fähig. Das saß, aber trotzdem konnte er sie von der Tür abdrängen und in die Halle gelangen. Sophie stöhnte auf und sprang hinterher. Wie lange sollte das jetzt noch so weitergehen?

Nicht lange. Hans humpelte zum Ausgang, die Lähmung hatte anscheinend seine rechte Körperhälfte erfasst. An der Tür aber stand Maria mit verschränkten Armen.
"Maria! Danke..."
"Wozu hat man Freunde. Nun denn, ich lasse euch zwei mal allein..."
Mit diesen Worten ging sie nach draußen und schloss dieTür hinter sich. Ein leises Knacken verriet, dass sie den Ausgang mit einem Vibrationssiegel versehen hatte.
Hans blieb in der Mitte der Turnhalle stehen und ließ die Schultern sinken.
"Hans?"
Er drehte sich zu ihr um und wich einige Schritte zurück.
"Es ist vorbei. Du hättest nicht so viel rennen müssen."
"Aber warum?" fragte Hans, die Stimme schwer vor Traurigkeit.
"Hans... Es muss nun einmal sein. Du verstehst das doch?"
"Habe ich das wirklich verdient? Ich habe mir nichts davon ausgesucht! Warum ausgrechenet ich, und nicht die anderen?"
"Du bist nicht wie die anderen, Hans. So ist das nun mal. Vielleicht ist es nicht deine Schuld, aber das ändert nichts."
"Bin ich halt anders! Tanze ich halt nicht nach den Regeln! Ich sehe nicht ein, warum ich mir irgendwas gefallen lassen muss!"
Beunruhigende Bewegungen tauchten in seiner Aura auf. Ein Wirbel bildete sich, der immer mehr an Kraft gewann. Er begann sogar, an Sophies eigener Energie zu zerren.
"Spürst du es, Hans? Spürst du, was du tust? Was du die ganze Zeit getan hast? All der Kummer, die Verzweiflung, all die Verachtung für die anderen Menschen, die einfach nur leben wollen..."
"Ich habe niemals irgendwem etwas getan!"
"Das ist nicht wahr, und das weißt du. Du machst dir nur selbst etwas vor. Bitte. Versuch bitte, zu verstehen."
Hans schniefte, verdeckte sein Gesicht mit der Hand und knetete seine Stirn. Es war offensichtlich, dass er um keinen Preis weinen wollte. Nicht hier, nicht jetzt, nicht vor einem Mädchen. Selbst, wenn es so ein furchteinflössendes Mädchen war.
Sophie entspannte sich, als sie sah, dass der Wirbel sich auflöste. Er hatte aufegegeben.
Wie eine Raubkatze war sie auf leisen Pfoten immer näher geschlichen, bis sie schließlich so nahe war, dass sie ihre Hand ausstrecken und sie auf die seine legen konnte, die nach wie vor an sein Gesicht gepresst war. Das brachte das Fass zum Überlaufen.
Sophie hatte noch nie einen Jungen dieses Alters weinen sehen. Es war schön und schrecklich zugleich.
"Schhh... Schhh... Jetzt ist ja alles gut... Ich bin ja da..."
Der Knoten hatte sich gelöst. Von jetzt an war alles ganz einfach.
So, wie Maria es ihr beigebracht hatte, konzentrierte sie sich auf die Energieströme in ihrem Körper und begann, mit entspanntem Bauch zu atmen.
"Schhh... alles ist gut..."
Dann begann sie, ganz sanft mit dem Mund zu saugen. Sie sah, wie seine Aura sich erst sträubte, doch dann begann sie, sich ganz wie willenloser Rauch zu verhalten. Langsam sog sie die Aura auf. Wie immer in solchen Momenten verlor sie jegliches Zeitgefühl.
Schließlich hatte der Geist des Jungen seinen Körper verlassen. Die nun leere, ausgesaugte Hülle plumpste auf den Boden der Turnhalle.
Sophie fühlte sich trunken, ihr Leib war schwer mit all dem fremden Karma, dass sie in sich aufgenommen hatte.
Sie beugte sich herab, um den leblosen Körper in eine etwas würdigere Position zu rücken. Sie wischte Rotz und Tränen beiseite. Dies war kein Moment, um zimperlich zu sein.
Das Gesicht war noch warm. Das Herz schlug, und der Atem floss so stetig wie eh und je. Dennoch war es jetzt eine Leiche.
Niemand zuhause.
Sie betrachtete ihn noch eine Weile nachdenklich, dann ging sie zum Ausgang, zog ihre Schuhe an und klopfte an der Tür, um Maria zu deuten, dass sie das Siegel entfernen konnte.

Maria sah sie fragend an. Doch gleich darauf grinste sie hämisch.
"Alles gut gelaufen, wie ich sehe. Dein Bauch ist kugelrund und voll mit Hans. Wünsche eine angenehme Verdauung."
"Du bist wirklich scheußlich."
"Ach Kind, ich mache dies schon zu lange, um noch irgendeine Zurückhaltung an den Tag zu legen. Er hat dir doch keinen Ärger gemacht?"
"Nein, nein. Er war ganz brav..."
"Im Grunde hätte er ein ganz lieber Kerl sein können, hm?"
Sophie nickte und streichelte geistesabwesend ihren Bauch.
"Geh nachhause und ruh' dich aus, um das hier zu... verarbeiten. Ich werde sagen, dass du dich ganz plötzlich krank gefühlt hast..."
"Wenn es geht, denke dir nicht schon wieder so eine peinliche Krankheit aus wie letztes Mal..."
"Komm schon! Das war doch lustig!"
"Ich mein's ernst. Tu das noch einmal und ich quittiere den Dienst."

Doch das war eine glatte Lüge. Denn Maria konnte auf dem Gesicht ihrer Freundin sehen, dass sie es auch spürte. Das Gift, mit dem Hans die Flüsse der Kraft vergiftete hatte, war verschwunden. Die Energie strömte wieder frei und lebensfroh, sprang von Mensch zu Mensch, von Aura zu Aura, begleitete sie durch alle Höhen und Tiefen des Lebens, all die täglichen Momente des Glücks und des Kummers. Und dieses Gefühl, die Menschen vom Alpdruck einer dunklen Aura befreit zu haben, sodass die Welt wieder freier atmen konnte, dieses Gefühl war der Grund, warum sie beide den geheimen Kampf weiterführen würden, was auch immer geschehen würde.

 

Hallo, neustrasbourg!

Hm, "Seelentrinker", ein interessanter Titel in meinen Augen, umso mehr bin ich von dem Text enttäuscht.
Die Idee selbst hat mich an verschiedene Animes erinnert: Mädchen in Schuluniformen jagen böse Geister, Dämonen etc.

Nun zum Text: Er ist langweilig, weil zu lang!
Ich hab mir darüber Gedanken gemacht, was man wohl streichen könnte, - ist nur eine Meinung:

1. Der zweite Absatz, denn er sagt nur das aus, was man im Laufe der Geschichte auch so versteht - Sophie ist eine Anfängerin.

2. Die Kantine: Der Junge wird mit Essen beworfen, und seine Aura wird beschrieben. Die Essensschlacht ist sowieso fehl am Platze in meinen Augen und seine "böse Aura" könntest du ja auch während der Verfolgung beschreiben, oder als die zwei Mädchen ihn in seinem Versteck finden. An dieser Stelle wird auch klar, dass der Junge ein Außenseiter ist.

3. Die Verfolgung: Lass doch den Jungen sofort in die Sporthalle reinlaufen, vielleicht befinden sie sich gerade in der Nähe. Die Jagd quer über den Schulhof ist unspektakulär.

4. Der letzte Absatz ist nur für eine Erklärung gut, die eigentlich nicht sein muss.

Anderes:

Lass den Jungen doch etwas Böses tun, so bleibt es für mich total verborgen, warum er für diese Welt ein Feind ist. Okay, der hat diese giftigen Ströme und so, jedoch wäre es besser, wenn du beschreiben könntest, was er mit ihnen anstellt.

Im Übrigen benutzt das Wort "hechten" zu oft, da gibts sicherlich Synonyme für.

Zitat:
Dann begann sie, ganz sanft mit dem Mund zu saugen. Sie sah, wie seine Aura sich erst sträubte, doch dann begann sie, sich ganz wie willenloser Rauch zu verhalten. Langsam sog sie die Aura auf.
Doppelungen - sind immer unschön!

Du hast noch einige Fehler im Text, wenn du mal drüber schaust wird du sie sicherlich finden.

Hoffe, konnte dir helfen!

mfg
Geert

PS: Noch was, ich würde die Geschichte mehr in Richtung Fantasy als Horror einordnen, - Horror kommt überhaupt nicht auf!

 

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