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Seelenfrieden

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09.04.2003
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Seelenfrieden

Während er Doro telefonisch erklärte, weswegen er es nicht nötig fand seine Entscheidung zu begründen, reinigte er mit einem Pfeifenreiniger den Lauf. Als sie hörbar in Tränen ausbrach, hatte er bereits das Magazin eingeführt und lud langsam und leise durch. Später würde er sich an die Worte Doros, die er in diesem Moment kaum wahrnahm, erinnern und ein kurzes Lächeln würde über sein Gesicht huschen, bevor er auf immer verschwand. Doch war dieser Moment noch nicht gekommen.
Nach der Beendigung des Telefongesprächs zog er sich an. Seine Wahl fiel auf eine schwarze Anzugshose, ein weißes Hemd, das er locker über seine Hose trug, eine schwarze Motorrad- Lederjacke und weiße Turnschuhe. Seine Smith & Wesson Modell 4006TSW verstaute er in einem Tarnhalfter, den er parallel zur Wirbelsäule am Rücken trug.
Seine Gedanken schweiften ab, während er im Auto saß und lauthals mitschrie, als sein Autoradio „Shine On You Crazy Diamond“ von Pink Floyd spielte. Was war der Sinn hinter dem Ganzen? Würde sich seine Meinung über die Menschheit heute ändern, würde er erkennen, warum sie versagt hatte?
Es regnete. Es regnete, als er durch die Stadt fuhr, vorbei an zahllosen Discount- Supermärkten, Kopiergeschäften, Matratzenhändlern, gastronomischen Betrieben, Fotostudios und Elektronikfachgeschäften. Es regnete, als er auf der Standspur der Autobahn an im Stau gefangenen Pendlern vorbeifuhr. Es regnete, als er nach zweistündiger Fahrt über verschiedene Landstrassen schließlich sein Ziel erreichte.
Er begutachtete die Anwesenden. Sie alle waren ausschließlich in schwarz- weißer Kleidung gekommen, in unterschiedlichen Modestilen zwar, aber doch alle in schwarz- weiß. Die Diskussionsrunde begann mit einem Monolog über die Erfolgsbilanz, gehalten von einem Buchhalter, dessen einzige Aufgabe darin bestand dieses zu tun. Seine gesamte Existenz war für diesen Augenblick entworfen, es gab kein davor oder danach.
Die Mitarbeiterin für Public- Relations fuhr anschließend mit einer Rede über die öffentlichkeitswirksame Präsentation dieser Ergebnisse fort, deren Intention auf vollständige Verschleierung der Ergebnisse abzielte. Nach dieser Rede war auch ihre Existenz einem Sinn zugeführt und somit verschwand auch sie aus dem allgemeinem Gedächtnis.
Es folgte eine Diskussion der Aktionäre. Hierbei ging es um Gewinne und Verluste, Profitausschüttung und Subventionen, Steuerbetrug, Korruption und Bestechung. Sie alle sprachen mit von Herzen kommender Leidenschaft fürs Geld, mit Leidenschaft für das Geschäft und aus Habgier. Kleinere Aktionäre forderten mehr Mitsprache, größere mehr Demut. Heuchlerei war der Gott dieser Menschen und das Kapital ihre einzige Religion. Doch war auch ihre Zeit vorbei, als die Diskussion ihr Ende fand und mit ihr der Sinn des Ganzen in die Abgründe zurückkehrte, aus dem er für diesen Zweck hervorgekommen war.
Der Gewerkschaftsmann erläuterte anschließend die Maßnahmen für eine grundlegende Ruhigstellung der Angestellten. Er warb für den Erhalt der Kurzarbeitsregelungen, die die Angestellten weiterhin als Zeichen für eine wirtschaftliche Krisensituation des Betriebes erkennen würden. Der Status quo müsse erhalten bleiben, erklärte er abschließend und verschwand als verblassende Vision einer sozialen Marktwirtschaft.
Jetzt nahm er das Wort auf, der Geschäftsführer. Er sprach ins Leere, denn alle Vorredner waren nur noch als leere Hüllen anwesend und somit wurden seine Worte des Dankens von niemanden vernommen. Dies hielt ihn nicht davon ab, seinerFreude über den Zusammenhalt aller und das gute Ergebnis Ausdruck zu verleihen. Er sprach in dem Wissen, dass er hiernach noch da sein würde, er erfreute sich an seinen didaktischen Meisterleistungen und an seinem Charme. Nach seiner Rede setzte er sich und schaute jede einzelne leere Hülle nocheinmal genau an, bevor er sich zurücklehnte und tief einatmete.
Eine Gestalt, die dem Geschäftsführer nicht aufgefallen war, erhob sich aus der Mitte der seelenlosen Körper und verharrte regungslos an diesem Platz. Der Geschäftsführer blickte die Gestalt verwirrt an und fragte:
>Wer sind sie? Warum sind sie hier?
Die Gestalt griff an ihrer Jacke vorbei zu der verborgenen Pistole, zog diese aus den Halfter und entlud das Magazin in den verdutzt schauenden Geschäftsführer, welcher daraufhin seinen Lakaien in die Nicht- Existenz folgte.
Die Gestalt setzte sich wieder hin, ein kurzes Lächeln huschte über ihr Gesicht. Dann verschwand sie für immer.

 

seelenfrieden passt irgendwie zu deiner Geschichte, obwohl seelenfrieden dadurch zu erlangen einer andere Person grundlos zu schaden irgendwie psychopathisch ist!? Vielleicht tue ich damit dem Mörder unrecht und er hatte einen Grund, den er nur doro nicht nannte. in einer etwas abstrakten weise finde ich deine Geschichte sehr gelungen.

 

Vielen Dank für deinen Eintrag.
Tatsächlich hast du, glaube ich, recht damit, dass es psychopathisch ist, seinen Seelenfrieden durch einen Mord zu erlangen. Andererseits hat der Mörder nur, wie die Redner vor ihm, sein Schicksal erfüllt (vielleicht nur nach seiner Vorstellung, vielleicht aber auch im "großen Plan"). Man könnte auch sagen, er sei ja nicht der einzige gewesen, der seinen Seelenfrieden fand, weil die Redner diesen ebenfalls fanden...
Ich glaube, dass es Auslegungssache ist, wie man die Geschichte zusammen mit dem Titel deutet, hierzu muss halt jeder seine eigene Interpretation finden, ich kann und möchte hierzu nichts genaues sagen.

Schön, dass dir die Geschichte gefallen hat.

 

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