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Seduction Plus

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01.04.2019
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Seduction Plus

Es war vierzehn Uhr an einem Donnerstag und Wolf stand in einer kurzen Schlange vor der Kasse der Douglas Parfümerie im Arkaden Einkaufszentrum. Vor ihm standen zwei junge Paare und sie stritten darüber, wo sie nach dem Einkauf essen gehen sollten. Die Frauen verbündeten sich miteinander und lobbyierten für Mellow’s, einen kleinen Laden am Südende der Arkaden, gerade breit genug, dass zwei Personen aneinander vorbeigehen konnten, der Suppen und orientalische Vorspeisen verkaufte. Die Männer argumentierten mit vollem Körpereinsatz gegen diesen Vorschlag. Dabei erinnerten sie an ein Tandem Fußballer, die mit der Entscheidung des Schiedsrichters unzufrieden waren. Die Argumentation der Männer gegen diesen Laden fußte primär auf der Angst, nicht satt zu werden.
Wolf stand auf der Seite der Männer. Er war bereits mehrfach in seiner Mittagspause dort essen gegangen und hatte sich jedes Mal anschließend einen Donut auf dem Weg zurück in die Filiale besorgt. Niemand leidete gerne Hunger, besonders kein Mann nach einem Nachmittag voller Chanel und Thierry Mugler.
Er hörte nicht mehr länger zu, sondern schaute gedankenverloren durch den Laden. Vor seiner Brust baumelte sein Seduction Plus Store Ausweis, der an einem dunklen Nylonband befestigt war.
Natascha hatte ihn gebeten, ein Parfüm für sie abzuholen. Sie waren nun seit fast zwei Jahren zusammen. Wolfs erste längere Beziehung in einer Ewigkeit. Vor zwei Wochen hatten sie beschlossen zusammenzuziehen. Natascha hatte ihre Wohnung bereits gekündigt. Wolf hingegen nicht. Jedes Mal wenn er sich darum kümmern wollte, fand er einen Grund es nicht zu tun. Jeden Abend im Bett bevor Natascha ihre Beißschiene einsetzte, befragte sie ihn danach. Wolf gab ihr jedes Mal einen Kuss auf die Stirn, die nach Creme roch und versprach ihr, es am nächsten Tag zu erledigen. Das ging für eine Weile gut, bis es begann an ihm zu nagen. Schließlich log er sie an. Dadurch fühlte er sich nicht besser, aber es verschaffte ihm Ruhe. Und oft war es diese Ruhe, nach der sich Wolf verzehrte.
Wolf konnte sich heute keine lange Mittagspause leisten, aber Natascha diese Bitte abzuschlagen, kam ebenso wenig in Frage. Und so stand er nun zwischen Männern, die weite Hemden trugen und weiße Tester hielten und Frauen in lockeren Stoffhosen, die ihren Teint mit den unterschiedlichen MakeUp Farben abglichen und wartete.
Die Seduction Plus Filiale zu leiten, war schon an normalen Tagen anspruchsvoll, aber an Sommertagen wie heute war der Ansturm immens. Sie waren unterbesetzt, weil sich Alicia, die für heute eingeteilt war, ihr Handgelenk gebrochen hatte, weil sie auf ihrem Longboard eine tote Taube übersehen hatte und geradewegs in die nächste Böschung gefahren war.
Die Schlange bewegte sich und die beiden Paaren verließen Arm in Arm und in Reihe und Glied den Laden. Scheinbar in Richtung Mellows. Wolf seufzte und ging an die Kasse, dabei roch er zwischen Armani und Chanel auch etwas Schweiß und fragte sich, ob es sein eigener war. Der Sommer machte ihm mehr zu schaffen, als ihm lieb war.

Es war bereits halb drei, als Wolf den Laden verließ. Er musste dringend in die Filiale zurück. Er hatte seinen besten Freund und einzigen männlichen Kollegen Jeremy gebeten, den Laden zu schmeißen. Wolf liebte Jeremy wie einen kleinen Bruder. Als Mitarbeiter war er jedoch kaum zu gebrauchen. Wolf hoffte, dass Jeremy es schaffte, in seiner Abwesenheit ausnahmsweise keinen Kündigungsgrund zu generieren.
Das Einkaufszentrum war zu dieser Uhrzeit bis zum Anschlag gefüllt. Eine bunte Masse drängelte sich zwischen künstlichen Palmen und gläsernen Schaukästen aneinander vorbei. Hier und da lief einem Kind ein bunt bestreuseltes Eis die Hand hinunter, während die Eltern im Hintergrund wild in ihrem Patagonia Rucksack nach Tüchern wühlten. Wolf stand an einer dunklen Metallreling im dritten Obergeschoss und schaute hinunter bis ins Erdgeschoss. Wenn man von hier herunter fiel, dann war es das, dachte er. Bevor er zurück konnte, musste er noch zu CopyCopyCopy, um ein paar Dokumente zu drucken. Die Dokumente waren auf einem kleinen USB-Stick, den er in seiner Hosentasche aufbewahrte. Die in Plastik gehüllte Platine fühlte sich an, wie ein altes Bleigewicht, das man von Apotheker Waagen kennt. Auf der Platine befanden sich zwei Kündigungsschreiben, eines für seine Wohnung und eins für seine Stelle als Verkaufsleiter von Seduction Plus, den einzigen Job, den er seit seinem abgebrochenen Jura-Studium länger behalten hatte.
Die Ladenfläche des Copyshops war nicht größer als drei bis vier handelsübliche Umkleiden, die man aus einem H&M kannte. Der Raum hatte sich durch die permanent ratternden grauen Druckkästen trocken aufgeheizt. Die einzige Mitarbeiterin war eine junge Frau in einem kurzen weißen Rock, weißem engen Top und weißen Turnschuhen. Sie sah aus, als käme sie direkt von einem Tennisplatz. Wolf ging zu einem der Drucker und spürte dabei ihre Blicke auf seinem Rücken.
Natürlich funktionierte der Drucker nicht und Wolf schaute auf das kleine weiße Ziffernblatt seiner Modeschmuck-Uhr. Alle Seduction Plus Mitarbeiter wurden angewiesen, soviel vom Sortiment zu tragen, wie es ihre Körper zuließen. Es waren weitere fünfzehn Minuten vergangen. Wolf klopfte dem Drucker zaghaft auf die Flanke, als wäre er ein Araber Hengst nach einem langem Ausritt, dann tippte er ein paar mal auf die feuchte Plastikfolie, die auf dem Display klebte. Es passierte nichts und er fühlte sich in die Zeit seines Studiums zurückversetzt. Langsam wuchs in ihm das Gefühl, einfach gehen zu wollen. Einer seiner ehemaligen Dozenten hatte ihn einmal in der Bibliothek getroffen und ihm gesagt, er sähe aus, als würde er permanent darüber nachdenken, die ganze Bibliothek abzufackeln. Dann fragte er ihn mit welchem Strafmaß er dabei rechnen musste. Wolf hatte keine Antwort auf diese Frage. Ein halbes Jahr später bewarb er sich bei Seduction Plus. Er stellte sich vor, den Drucker in Brand zu setzen.
Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als plötzlich die Tennis spielende Verkäuferin neben ihm stand und ihm Hilfe anbot. Sie roch frisch geduscht, was bei diesem Klima wirklich bemerkenswert war. Wolf machte einen Schritt zur Seite und die junge Frau übernahm. Sie tippte kurz auf dem Display herum, dann hatte sie das Problem identifiziert.
“Kein Papier mehr”, sagte sie, “Ich gehe was holen, dauert nicht lange, Momentchen.”
Ihre Stimme war farbenfroh und voller Leben. Sie tänzelte in den hinteren Teil des Ladens. Wolf schaute ihr hinterher. So jemand gehört nicht in einen Copyshop, dachte Wolf. Sie verschwand im hinteren Teil.
Wolf starrte auf das leuchtende Display. Er konnte auf der Plastikfolie Schlieren von den schwitzigen Fingern erkennen, die zeigten, welche Bewegung der letzte Benutzer gemacht hatte.
Ihre Finger mussten sehr schmal sein, schloss er aus den dünnen Furchen. Es war dieser kurze Moment, in dem er sich der jungen Frau sehr nahe fühlte. Im hinteren Teil des Raumes, hinter dem Tresen entdeckte er einen Rockzipfel hin und her wackeln. Sie suchte etwas auf dem Boden. Er schaute noch einmal auf die Uhr. Bald drei. Er zog den USB aus dem Drucker und verließ den Laden. Die Dokumente konnte er auch später noch drucken.

Seduction Plus war eines dieser Fashion-Franchises, das von einer Gruppe Mitzwanziger Marketer konsequent durchgestylt und präzise auf ihre Zielgruppe zugeschnitten wurde. Die Kunden wurden dort abgeholt, wo sie standen: Irgendwo und irgendwann zwischen dem nächsten unverbindlichen Date und dem letzten Brotback-Kurs. Unzählige Marketing-Awards in Form von vergoldeten Tieren dokumentierten den Erfolg. Zusätzlich verbreiteten sich die Filialen in der Welt des Einzelhandels wie ein multiresistentes Virus in einem Krankenhaus.
Einkaufszentren schossen in der Stadt bereits seit Jahren überall aus dem Boden, um die hässlichen architektonischen Altlasten, wie aus der Mode gekommene Innenstadt Hallenbäder mit dem neuen Versprechen von nachhaltigem Konsum zu überdecken. Seit zwei Jahren eröffnete jedoch keines dieser Zentren ohne mindestens eine dieser Filialen. Die Arkaden Filiale war brandneu, grober Betonboden, hohe Decken, hier und da einer Couch aus den 60er und an den Wänden Takashi Murakami Kunstdrucke.

Der Eingang in dieses Einkaufsparadies war eine breite Glaswand mit einer großen Doppeltür in der Mitte, die bei diesem Wetter permanent geöffnet war. Vom Eingang ging es links in die Male-Area und rechts in die Female-Area. Auf dunklen Kleiderstangen hing die aktuelle Sommermode. Im Gegensatz zu den Fashion-Discountern waren die Gänge breit. Zwei frisch verliebte Paare konnte ohne Probleme Arm in Arm aneinander vorbei schlendern. An den meisten Kleidungsstücken baumelten kleine grüne Etiketten, die jedem Kunden authentisch die nachhaltige Produktion vermitteln sollten.
Wolf machte drei Schritte in den Laden, da stand bereits Jule vor ihm. Ihr Store-Ausweis war vollkommen verdreht und hing auf ihrem Rücken.
“Wo warst du denn?”
“Musste was erledigen.”
“Das nächste Mal wenn du weg bist, überlässt du mir die Leitung und nicht diesem Neandertaler.”
Während Jule redete, fummelte sie wild ihren Ausweis zurecht. Als Wolf sie einstellte, war sie zurückhaltend und schüchtern und bekam kaum ein Wort heraus. Sie hatte damals ein kleines Stück Plastik auf ihrem Unterarm unter dem sich ihr erstes Tattoo verbarg. Mittlerweile ist ihr gesamter linker Arm voll mit Motiven. Sie hatte ihm mal erzählt, dass ihre Eltern Milchbauern seien. Mittlerweile passte das alles nicht mehr zusammen, fand Wolf.
“Ach und”, fügte Jule an, “Natascha hat angerufen. Ihr habt um Sechs eine Besichtigung. Die Adresse habe ich dir aufgeschrieben.”
Wolf holt sein Telefon aus der Hosentasche, das Display war schwarz, Akku leer.
“Danke”, sagte er und meinte es auch so.
“Und noch eine Sache, Natascha hat mir gesagt, dass sie erst nur Jeremy erreicht hat und der sie jedes Mal einfach weggedrückt hat. Nur dass du das weißt.”
Wolf meinte etwas Schadenfreude in Jules Augen zu erkennen, dann kehrte diese ihm den Rücken zu und machte sich wieder an ihre Arbeit. Wolf stand nur da. Aus den kleinen JBL Boxen, die in den Raumecken hingen, dröhnte BonezMC. Jeremy hatte auch die Playlist geändert. Es dauerte also nur wenige Minuten, bis Wolf bereute, seinem Freund die Verantwortung übergeben zu haben. Wolf suchte die Verkaufsfläche nach Jeremys Kopf ab, erfolglos. Er vermutete ihn im Pausenraum und machte sich auf den Weg.

Der Pausenraum war nicht mehr als eine freigeräumte Ecke des Lagerraums, in der die Kartons aufeinander gestapelt und zur Seite geschoben wurden, um Platz für einen kleinen improvisierten Tisch zu schaffen.
“Your best YOU” - dieser Schriftzug war in geschwungenen Lettern, sich wiederholend, wie eine CNN-Newsticker-Laufschrift in schwachem Rosa auf jeden Karton gedruckt. Der universale Appell, dem sich die Millenials so verpflichtet fühlten. Auf dem Tisch lagen Inventarlisten, zwei alte Kaffee-Becher in denen angetrocknete Kaffeereste bereits aufgeplatzt waren und eine bunte Mischung, mit unterschiedlichen Marken bedruckter Kugelschreiber. Dazwischen lag eine mit Wasabi und Sojasauce verschmierte Plastikschale, die einst Sushi enthalten haben musste. Neben der Plastikverpackung wippten Jeremys Sneaker rhythmisch zur Musik vor und zurück. Er war tief in sein Handy vertieft und schien Wolf nicht zu bemerken.
Wolf schob seine Füße vom Tisch und stellte ihn zur Rede. Dabei gab er sich Mühe wie sein Vorgesetzter zu reden und nicht wie sein Freund.
Es war egal wann man mit Jeremy redete, oder wo man auf ihn traf, er hatte immer etwas proletenhaftes an sich. Als sie erst kurz befreundet waren, hatte Wolf ihn einmal darauf angesprochen. Jeremy schob es jedes mal auf die Hip-Hop Magazine, die er als Kind gelesen hatte.
Er war sich wie immer keiner Schuld bewusst, sondern grinste nur. Ein Grinsen, das mehr verbarg als es zeigte.
“Willst du nicht auch meine Seite der Geschichte wissen?”, fragte Jeremy.
“Schieß los.”
“Es gibt keine Geschichte. Punkt. Ist nichts los gewesen, während du weg warst.”
“Das soll ich dir glauben?”
“Ich habe die Musik geändert, aber was solls? Morgen ist es halt wieder die Alte. So einfach ist das. Kein Stress.”
Bei diesen Worten streckte er seine Hände in die Luft. Jeremy war oft wie ein kleines Kind, wenn es bei etwas Verbotenem erwischt wurde. Wenn er wusste, dass er erwischt wurde, gab er eine Kleinigkeit zu, um von dem Rest abzulenken.
“Hat Natascha angerufen?”
Jeremy schüttelte den Kopf. Jeden Tag quälte er Wolf aufs Neue mit seiner Ignoranz. Jeremy hasste Natascha. Wolf vermutete, weil er der Meinung war, dass Natascha ihm den Spielgefährten stahl. Unrecht hatte er damit nicht. Früher waren sie fast jeden Abend gemeinsam unterwegs. Aber Natascha gefiel nicht wie er war, wenn er Zeit mit Jeremy verbrachte. Also verbrachte er immer weniger Zeit mit ihm. So war es nun mal. Wolf wünschte sich, dass Jeremy es langsam verstehen würde.
“Ich sollte dich endlich feuern”, sagte Wolf.
Jeremy lachte nur, denn er wusste, dass ihm nichts passieren würde.
“Was bleibt dir denn dann noch hier ohne mich?”
Wolf dachte für einen kurzen Moment darüber nach, besonders viel wollte ihm nicht einfallen.
“Bereit für eine Überraschung?”, fragte Jeremy.
Wolf nickte und Jeremy schob die Plastikschale etwas zu Seite. Auf dem schmierigen Tisch klebten zwei Tickets. Es waren Konzerttickets.
“Heute Abend im Bunker. Wir zwei, wie früher.”
Wolf machte einen Schritt zurück.
“Nein”, sagte er, “Natascha und ich schauen uns heute Abend eine Wohnung an.”
“Weißt du wie viel ich für die bezahlt habe?”
“Du hättest mich ja vorher fragen können.”
“Dann hättest du sofort nein gesagt. Komm schon Wolf, man. Du musst dich auch mal wieder um deine Freunde kümmern.”
Das letzte Mal war Wolf vor etwa einem Monat mit Jeremy unterwegs. An diesem Abend hatte er eine andere Frau geküsst. Es war kein kurzer Kuss, der von Reue begleitet wurde. Es war ein langer Zungenkuss, der ihn neugierig machte. Er dachte oft an diesen Kuss und dann schämte er sich.
Er wusste nicht, was er sagen sollte. Die Entscheidung wurde ihm abgenommen, als plötzlich Julia in den Pausenraum gestürmt kam. Ihr Kopf war hochrot, was nicht nur an dem Wetter lag. Sie richtete sich direkt an Wolf und ignorierte Jeremy vollständig.
“Ich muss mit dir reden. Sofort.”
Wolf bemerkte, dass sie versuchte leise zu reden. Es gelang ihr nicht.
“Nicht hier”, fügte sie hinzu. Wolf ließ den Kopf hängen. Er wusste, dass es um Jeremy ging. Dieser stand mit verschränkten Armen in der Ecke und zuckte mit den Schultern.
Wolf folgte Julia in die Küche, die sich zwischen Lager und der Verkaufsfläche befand. Die Küche war nicht mehr als ein schmaler gefliester Streifen mit einer Pantryküche, die nach kaltem Discounter Kaffee und Aloe Vera Seife roch. Julia stellte sicher, dass sie alleine waren und dann erzählte sie, was passiert war. Wolf hörte aufmerksam zu und spürte, wie langsam Wut in ihm aufstieg.
“Du weißt, dass ich mich nicht einfach bei einer Lappalie beschweren würde”, begann Julia. Julia stand in der Ecke des Raumes und lehnte an die Wand. Ihre dünnen, sehnigen Arme hatte sie vor ihrer Brust verschränkt. Sie schaute Wolf nicht in die Augen, sondern betrachtete abwechselnd die Spüle und den Boden.
“Ich habe heute die neuen Shirts eingeräumt, da stand plötzlich Jeremy hinter mir. Er wollte an mir vorbei und dann habe ich eine Hand einem meinem Arsch gespürt und…”
Wolf unterbrach sie. Er konnte sich denken, wie es weitergehen würde. Er hatte mit vielem gerechnet, aber nicht damit.
“Du musst nicht weiter reden. Ich verstehe schon.”
“Ich will aber”, sagte Julia.
“Er hat sich ganz nah an mir vorbeigedrückt, mit seiner Hüfte, sodass ich seinen Penis spüren konnte.”
Die Wut in Wolf wuchs weiter. Wut und Ekel.
“Und dann hat er mich gefragt, ob ich Single bin.”
Wolf fehlten die Worte. Zu seiner Verwunderung überraschte es ihn nicht sonderlich. Er fühlte sich schuldig und verantwortlich. Julia schaute weiter auf den Boden. Er war der Grund, dass ihr sowas passierte, weil er Jeremy einfach alles durchgehen ließ.
“Es tut mir wirklich Leid Julia. Das ist meine Schuld.”
Julia schaute auf.
“Was wirst du tun?”
“Ich werfe ihn raus.”
“Willst du was trinken?”, fragte Wolf.
Julia schüttelte den Kopf.
“Du kannst Feierabend machen, wenn du möchtest. Und wenn du darüber hinaus noch Zeit brauchst, sags mir einfach.”
Wolf ging zurück in den Pausenraum. Die Sommerhitze wurde immer drückender, vielleicht würde es noch gewittern. Der Pausenraum war leer und Wolf fand Jeremy schließlich im Female-Bereich. Mit breitem Stand und verschränkten Armen stand er vor einer Kundin und plapperte vor sich hin. Es war eigentlich immer dasselbe mit Jeremy, entweder machte er Pause, oder verwickelte die weiblichen Besucher in ein Gespräch.
Wolf schnappte ihn sich, entschuldigte sich bei der Kundin und führte in aus dem Laden. Jeremy machte nur große Augen und lächelte unsicher. Er schien nicht zu ahnen, worum es ging. Direkt neben dem Laden führte eine kleine Tür in einen schmalen Raum für die Angestellten des Einkaufszentrums. Auf der anderen Seite des Raumes führte eine Tür hinaus.
Wolf schob Jeremy durch die Tür nach draußen. Die Sonne stand noch immer hoch am Himmel und wärmte die Südseite bereits seit Stunden auf. Die Erde zwischen den Pflastersteinen war ausgetrocknet und das einst grüne Unkraut blass und braun. Jeremy zog eine Packung blaue Gauloises aus seiner Hosentasche und steckte sich eine Zigarette an. Er hielt Wolf die Packung hin. Wolf schüttelte den Kopf.
“Seit wann nicht mehr?”, fragte Jeremy.
“Halt die Klappe”, sagte Wolf und berichtete ihm von dem Gespräch mit Julia.
Jeremy stand nur da, zog an seiner Zigarette und schaute an Wolf vorbei.
“Sie lügt”, sagte er schließlich.
Wolf betrachtete seinen Freund ganz genau. Dabei fiel ihm auf, dass es so wie immer war, seitdem sie sich kennengelernt hatten. Er bekam nie beim ersten Versuch die Wahrheit von ihm. Er bekam jedes Mal erst die Version, die am besten für Jeremy war. Und irgendwann die nächstbeste.
“Ich werde dich rauswerfen”, sagte Wolf.
Jeremy warf die Zigarette auf den Boden und trat drauf.
“Du machst Witze.”
“Gib mir schon mal deinen Ausweis, du wirst den Rest der Zeit Urlaub machen. Den brauchst du dann nicht mehr.”
Wolf streckte die Hand aus. Jeremy packte seinen Ausweis und macht einen Schritt zurück.
“Das kannst du nicht machen! Du glaubst dieser Geschichte einfach? Einfach so?”
“Gib mir deinen Ausweis”, wiederholte Wolf.
“Was ist los mit dir?”
Wolf ging auf Jeremy zu.
“Schau mich an und sag mir, dass du die Wahrheit sagst.”
Jeremy zögerte, dann schaute er Wolf in die Augen. Seine Augen waren tiefgrün. Das Grinsen war verschwunden. Jeremy schien zu verstehen, wie ernst es war. Vielleicht das erste Mal in sehr langer Zeit. Das erste Mal hatte er das Gefühl, die Wahrheit zu bekommen.
“Der Job ist alles, was ich habe”, sagte Jeremy.
“Warum verhältst du dich dann immer wie ein riesen Arschloch?”
“Für euch ist das leicht zu sagen. Ich bemerke das gar nicht. Ich bin einfach, wie ich bin. Ich denke da gar nicht soviel drüber nach.”
“Vielleicht solltest du damit mal anfangen.”
“Ich wünschte du hättest niemals Natascha kennengelernt.”
“Sie hat damit nichts zu tun.”
“Früher warst du nicht so.”
“Ich war schon immer so.”
Jeremy schüttelte den Kopf.
“Ich glaube nicht, dass sie die Richtige für dich ist.”
Wolf spürte den USB-Stick in seiner Hosentasche, er schien zu glühen und sich langsam in seinen Oberschenkel zu brennen. Vielleicht war es aber auch nur die brennende, gelbe Kugel am Himmel, die es ihm langsam unwohl in seiner Kleidung machte.
Jeremy zog das Nylonband über seinen Kopf und überreichte Wolf den Ausweis.
“Ich weiß nicht, was mit mir los ist”, sagte er, “Ich will einfach nur Ich sein, aber scheinbar hassen mich die Leute.”
Wolf nahm den Ausweis, wickelte ihn in das Band ein und steckte ihn in seine Hosentasche.
“Die Leute hassen nicht wer du bist. Ihnen gefällt bloß nicht, was du tust.”
“Wo ist der Unterschied?”
Jeremy steckte sich eine weitere Zigarette an.
“Denke einfach mal nicht nur an dich.”
“Wie machst du es? Immer das Richtige zu tun?”, fragte Jeremy.
“Tue ich nicht.”
“Warum hast du Julia das angetan?”, fragte Wolf.
“Ich weiß nicht”, sagte er, “Es ist einfach passiert.”
Wolf wusste nicht, was er dazu sagen sollte.
“Bleiben wir Freunde?”, fragte Jeremy schließlich.
Auch darauf hatte Wolf keine Antwort, also zuckte er nur mit den Schultern. Jeremy nickte abwesend und schaute gedankenverloren in den blauen Himmel.

Sie gingen gemeinsam zurück in die Filiale, Jeremy packte seine Sachen und verschwand. Julia war auch bereits weg. Es war besser, dass sie sich nicht mehr über den Weg liefen, dachte Wolf. Mittlerweile war es fünf und Wolf übergab die Store Leitung an Jule. Vor der Besichtigung mit Natascha, wollte er noch zum Copyshop, um die Dokumente zu drucken.
Der Laden war noch immer so leer wie am Nachmittag, aber mittlerweile etwas kühler. Die junge Angestellte stand noch immer hinterm Tresen und blätterte in einem Magazin. Sie erkannte Wolf und zeigte auf den Drucker in der Ecke.
“Jetzt wieder mit Papier.”
Wolf steckte den USB-Stick ein und navigierte sich durch das Menü. Er konnte seinen Stick nicht finden, also fragte er nach Hilfe. Sie huschte schnell zu ihm herüber.
“Warum sind die Dinger so kompliziert?”, fragte Wolf.
“Sind sie eigentlich gar nicht”, sagte sie und drückte zweimal auf dieselbe Taste.
“Wie viele Exemplare?”, fragte sie.
Wolf betrachtete sie. Sie erinnerte ihn an eine Schauspielerin, dessen Name ihm nicht mehr einfallen wollte. Er brauchte von beiden jeweils zwei Exemplare. Die Worte wollten ihm jedoch nicht über die Lippen gehen.
“Ich glaube ich habs mir anders überlegt”, sagte Wolf, “Ich kann das auch später drucken.”
Er zog den Stick wieder raus.
“Spielst du eigentlich Tennis?”, fragte er.
Sie lachte.
“Das ist neu. Nein und auch noch nie darüber nachgedacht.”
Komisch, dachte Wolf. Ihr fiel der Store-Ausweis auf.
“Du arbeitest oben in dem Klamottenladen, oder?”
Wolf nickte.
“Mir gefallen die Sachen. Ich habe auch einiges von euch.”
Wolf schaute auf die Uhr, halb sechs. Wenn er jetzt losgehen würde, würde er es noch pünktlich zur Besichtigung schaffen.
“Arbeitest du gerne dort?”, fragte sie.
“Sehr gerne”, sagte Wolf und fühlte, dass es die Wahrheit war. Er arbeitete gerne dort und er mochte seine Wohnung. Ihm gefiel sein Leben.
“Ich habe auch mal überlegt mich zu bewerben und zu wechseln, das hier ist… ”, sie schaute sich um, “…nur gut fürs Geld, aber noch nicht mal das, wirklich.”
“Wenn du willst gebe ich dir eine kleine private Führung. Nach Feierabend natürlich.”
Er dachte an Jeremy.
“Du hast Glück, wir haben eine freie Stelle.”
“Ich muss noch bis halb sieben. Passt es dir noch etwas zu warten?”, fragte sie.
“Ich habe heute nichts mehr vor”, sagte er, “Ich warte draußen und genieße noch etwas die Sonne.”

Mittlerweile war es draußen etwas kühler. Wolf suchte sich einen Platz auf einer Bank, die vor dem Eingang stand. Die Holzplanken waren warm. Der Akku seines Handys war noch immer leer und mittlerweile war es sechs. Er dachte an Natascha, dann an den Kuss aus der Bar, an die Verkäuferin aus dem Copyshop und an Jeremy. Er wusste genau so wenig wie jeder andere, was richtig, oder was falsch war. Aber war das schlimm? Musste man immer wissen, was richtig war? Darauf hatte er keine Antwort.
Es dauerte noch eine Weile bis das Mädchen aus dem Copyshop vor ihm stand. Er stand auf.
“Wie heißt du eigentlich?”, fragte Wolf.
“Lily”, antwortet sie.
Wolf lächelte.
“Freut mich, Lily”, sagte er, “Ich heiße Wolf.”
Dann gingen sie gemeinsamen zurück in das Einkaufszentrum, vorbei an einer großen Seduction Plus Reklame mit den Worten:
Your best You.

 
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Hola @tbrak,

ich finde in Deinem Profil zwei Dinge, die für mich nicht zusammenpassen wollen:

Als blutiger Anfänger bin ich auf der Suche nach …
und
Meine Geschichten gibt es hier: littleghosts

Demnach bist Du schon ein ausgefuchster Schreiber, kokettierst aber als ‚blutiger Anfänger‘?

… und neuen Wachstumsfeldern.
:confused: Keine Ahnung, was ich mir hierunter vorstellen soll. Oder doch? Du bist mit der Leimrute unterwegs, um neue Leserlein einzufangen? In einem solchen Forum gibt‘s ja einige von denen:D.

Na ja, jedenfalls habe ich Deinen Text gelesen. Eigentlich mehr aus Neugier, denn bis auf einen Winzkommentar fehlt jede Resonanz. Was ist da los?
Am Titel kann es nicht liegen – den finde ich sehr gelungen. Da will man doch herausfinden, was es damit auf sich hat, schließlich kennt jeder dieses unergründliche Gefühl.
Der Plot hingegen, die (Münz-)Geschichte selbst, hat sich mir nicht erschlossen.
In meinem Fall entstand eine Distanz zwischen Leser und Handlung, gleich zu Beginn:
Wolf ißt nachts Käse, schwankt schon, dass er sich festhalten muss, beim zweiten Bier ohne Schnapes (!), ist urplötzlich wieder okay und verlässt das Haus, in dem Natascha süß weiterschläft.
Er wird länger wegbleiben, doch sie wird schon durchschlafen (hoffe ich).
Ich lese noch von einer Barfrau Lily in Reizwäsche, die Bier aus der Flasche trinkt. Rülps. Die muss keinen Umsatz bringen mit Rotkäppchen alias Champagner, sondern säuft Flaschenbier. Und kann während der Arbeitszeit einfach mal so für ein paar Stunden abhauen.

Einen Teil der Dialoge fand ich gut – ohne ‚sagte fragte meinte‘, sondern kurz und bündig, trotzdem war immer klar, wer sprach. Doch unterm Strich hat mich der Text nicht berührt: Ein unnötiger Mord, Figuren ohne Innenleben. Emotionen null. Und das wiederum ließ den Text ziemlich lang erscheinen, aber das ist nur meine Privatmeinung.

Du bist mE. nicht Schreibwerkstatt-Mitglied geworden des Schreibens wegen (was Du schon beherrschst), sondern – vielleicht eine haltlose Unterstellung meinerseits – der neuen Wachstumsfelder wegen, oder?
Aber vielleicht lesen wir bald etwas von Ruan und Tara und freuen uns. Bis dahin!

José

 

Hallo @Billi und @josefelipe :)

Danke, dass ihr euch beide die Zeit genommen habt, die Geschichte zu lesen! :)

Freu mich sehr, dass sie dir gefällt Billi :)

@josefelipe Sorry, wenn mein Profil für etwas Verwirrung sorgt. Den Text hatte ich gar nicht mehr so auf dem Schirm - den habe ich ganz zu Beginn, als ich das Forum entdeckt habe geschrieben. Ich glaube ich bin definitiv kein "blutiger" Anfänger mehr, trotzdem ein Anfänger und keineswegs ein ausgefuchster Schreiber. Ich bin hier auch nicht auf "Leserfang" - sondern habe einfach nur ein Seite gebaut, die mir hilft mich an Veröffentlichung (ist scary seinen Stuff zu zeigen :shy:) zu gewöhnen und Feedback zu bekommen und sie der Vollständigkeit auch hier in mein Profil eingesetzt (für jeden, der möchte). Was ich mit Wachstumsfelder damals meinte, weiß ich nicht mehr, aber was ich heute darunter verstehe, bringt uns direkt zu deinem Feedback:

Ich möchte lernen, Leute mit meinen Texten emotional zu erreichen und eine Verbindung zu schaffen (und ultimativ natürlich zu unterhalten). Deshalb sehr schade, dass ich das bei dir nicht geschafft habe.

Ein paar Dinge, die ich vermutlich nicht deutlich genug beschrieben habe: Lily ist nicht die Barfrau, sondern einfach nur ein Besucher, so wie Wolf auch und die Bar der Treffpunkt.

Was die Handlung (Münzen etc.) betrifft, ging es mir darum die Geschichte eines Mannes zu erzählen, der in seiner Beziehung unzufrieden ist, sogar eine Affäre hat, aber nicht mutig genug ist eine Entscheidung zu treffen, sondern versucht beides zu behalten und damit alle enttäuscht. Das mit den Münzen fand ich cool, weil es zeigt, dass es bereits ein ritualisiertes Ding ist zwischen ihm und Lily. Und vielleicht etwas interessantes über Wolfs Charakter aussagt, weil er immer etwas von seinen Abenteuern mit ihr in sein Leben mitnehmen möchte.

Ich bin insgesamt noch etwas ungeübt in Autoren-Feedback, aber ich meine zu verstehen, was dir fehlt. Bei dem Mord bin ich mir auch unsicher, weil diese Geschichte tatsächlich auch ohne diesen funktionieren würde.

Jetzt kommen wir wieder zu dem Punkt Wachstumsfeld und damit schließt sich der Kreis :D :

Ohne Innenleben. Das würde ich sehr gerne ändern und ich glaube zu wissen, wie es in meinen Charakteren aussieht (und hatte gehofft, dass davon zumindest etwas ankommt). Aber leider scheint mir das nicht gelungen zu sein - und deswegen bin ich sehr wohl des Schreibens wegen hier. Wie bekomme ich das besser hin?

Ich habe schon das Gefühl, dass es bei mir entweder zu versteckt oder am Rande ist, oder zu on-the-nose. Und oft möchte ich immer auch einiges an Plot oder "Konzept" haben und habe das Gefühl nicht so wie Zeit für Innenleben zu haben... ich glaube man merkt, ich bin etwas ratlos :D

Vielleicht hast du ja einen Tipp für mich! Auf jeden Fall danke ich dir, dass du dir die Zeit genommen hast! :)

 
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Hallo @tbrak,

ich hab dir mal vor allem Kleinkram rausgesucht, s.u. Muss auch wer machen. Die Geschichte hatte für mich so was Hartes, Tristes, das ich ihr stellenweise nicht ganz abkaufen konnte bzw. das aufgesetzt auf mich gewirkt hat. Oder nein, nicht stringent, nicht durchgehend. Ich hab's einfach nicht zusammenbekommen, von den Beschreibungen und den Dialogen her und ich hab auch mehrmals gelesen, um zu sehen, woran das jetzt genau liegt, dass ich das so lese.

Am Anfang hatte ich ein Mittzwanziger-Paar vor Augen, Studenten meinetwegen, dann geht das so ins Milieumäßige, mit der Spelunke und dem schnellen GV für zwischendurch und dann kommt ihr Ex und es gibt Gewalt und ein Messer und am Ende ist einer tot. Kommt in den besten Familien vor, dann aber meist nach jahrzehntelanger Ehe und man fragt sich, was sich da wohl aufgestaut haut. Bei Jüngeren geht's recht oft um eine bestimmte Klientel, Alkohol, Kleinkriminalität, Sozialhilfe. Klingt versnobt, sorry, aber ich meine so marginalisierte Leute halt, bei denen Gewalt mitunter ein normaler Teil des Lebens ist.

“Dein Handgelenk scheint ja doch ganz gut zu funktionieren”
Das ist so ein Punkt, wie die Leute reden, das ist meist sehr korrekt, ein "Fick dich" hier und da ändert das nicht. Ich weiß, das ist eine Gratwanderung, wenn alle die ganze Zeit "Haste, Weißte, Verstehste" klingt das schnell nach akademisch geschultem Schriftsteller, der versucht, sich die Sprache der einfachen Leute vorzustellen, aber für mich ist das so ein Punkt, warum ich da gedanklich nicht so richtig ins fiese Stadtviertel komme, in dem Frauen ihren gewalttätigen Ex abstechen.

Der Unruhestifter prügelte auf die Treppenhaustür ein.
"Unruhe stiften" hört man wohl auch eher selten von jemandem, für den auf die Fresse hauen völlig normaler Lösungsansatz bei Konflikten ist. Klingt eher wie einer, dem der Nachbar zu wenig Rasen mäht.

Ich habe heute Abend keine Geduld. Du wirst jetzt aufstehen und dich von hier verpissen. Du wirst diese Frau nie wieder belästigen. Und dann wirst du nie wieder darüber nachdenken hier aufzutauchen. Haben wir uns verstanden?
Das mochte ich auch nicht, das ist mir zu Hollywood. Der starke Beschützer. Und ich steig immer noch nicht recht dahinter, wer Wolf ist.

Das heißt nicht, dass mir nichts gefallen hat. Ich hab nur eben das Beziehungsgeschichten-Gedöns nicht mit dieser Bluttat unter einen Hut gebracht. Diese Welt hier, die ist so aus Versatzstücken zusammengebracht, die einzeln funktionieren, aber für mich ergibt das kein zusammengehöriges Ganzes. Wäre es meine Geschichte, würde ich die Gewaltschraube zurückdrehen, ohne Messer, ohne Toten, und es bei einer blutigen Nase belassen, die vielleicht auch eher im Affekt passiert. Und ich würde dem Wolf bei der Konfrontation mit dem Ex die Coolness nehmen.

Seine Armbanduhr, die er vor zwei Wochen von Natascha zum dritten Jahrestag geschenkt bekam
bekommen hatte

Dann setzte er sich in Bewegung.
Klingt nach Maschine.

Es war nur zu erkennen, wenn man wusste, dass es dort lag.
Mag an mir liegen, aber ich krieg hier'n Knoten im Hirn.

Dann hielt er einen Moment inne. Nichts regte sich. Dann schickte er ab
"Etwas abschicken" gibt's meine ich nur.

unangenehm laut auf der Tischplatte vibrierte. Wolf reagierte schnell, hob es von der Tischplatte

schwarze Boots
Stiefel.

Wolfs Blick wanderte mehrfach zwischen dem Tisch und dem Eingang hin und her
hin und her wandern steckt mehrfach drin, ausdrücklich drauf hinweisen würde man wohl eher im umgekehrten Fall: Vom Tisch zum Eingang und wieder zurück.

und Wolf versuchte sie so gut es ging zu
und Wolf versuchte, sie so gut es ging zu

Sie wurde durch das nervtötende Rattern eines alten Kühlschranks ersetzt.
unnötig

Dann verpiss dich doch, Wolf”, sagte er.
Ist klar, wer redet

Was ist mit dir denn los man?
, Mann

Wie zwei Boxer im Klinch
Clinch

Die fast weiße Klinge
Sehe ich nix. Angemalt, die Klinge?

Nachttisch Schrank
zusammen. Oder nur Nachttisch. Dass es einer mit Schubladen ist, wird klar, wenn er die aufzieht.

Wolf brauchte einige Moment
einen

Klinch
Clinch ... auffälliges Wort, lieber nur ein Mal.

Die Schachtel stellte er zwischen Natascha und sich auf das Bett und nahm den Deckel ab. Die Schachtel war randvoll mit silbernen Münzen gefüllt.

Grüße
JC

 

Hey @Proof !

Vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar! Ich kann alle deine Punkte sehr gut nachvollziehen...

Ich habe mich die Woche noch mal an die Geschichte gesetzt und dabei gemerkt, dass ich viel weniger über die Charaktere (und die Welt/Szenario) weiß, als ich dachte. Dementsprechend finde ich deinen Kommentar in Bezug auf die fehlende Stringenz und nicht ganz zu greifende Einordnung total passend und nachvollziehbar. Ich habe das Meiste leider nur sehr oberflächlich (oder gar nicht) beschrieben, was glaube ich zu einem Großteil daran liegt, dass ich es noch nicht besser weiß und erst jetzt im Prozess herausfinde.

Ich werde versuchen die Charaktere, die Welt und auch den Konflikt ganz klar zu bekommen und dann die Geschichte neu zu schreiben. Hoffentlich gelingt es mir dann, eine etwas glaubwürdigere und stringentere Geschichte zu schaffen.

Danke!

 

Das ist sicherlich Geschmackssache, aber ich finde, der Text würde durch kürzen sehr profitieren. An sich fand ich es schon spannend, wie er nachts das Bett verlässt, in die Bar geht etc - aber ich fand es teilweise zu langatmig und habe deswegen auch nicht alles gelesen.
Beispiel: Die Bad- und Anzieh-Aktivitäten ganz am Anfang müssen vllt nicht so ausführlich beschrieben werden. Erst das Parfüm, dann die Brillenputztücher, das Shirt, usw ...
Auch das Gespräch mit Lili könnte durch kürzen, denke ich, profitieren.
Den Schreibstil an sich finde ich aber gut. Nur mir passiert zu wenig.

 

Hey Hey @Billi @josefelipe @Proof @Wohlstandskrankheit

Ich habe die überarbeitete Version eingestellt, vielleicht habt ihr ja Lust noch einmal reinzulesen. Ehrlich gesagt hat sich die Geschichte ganz schön verändert - aber so ist das manchmal denke ich...

Die Kernmotive sind immer noch vorhanden - ein Stück weit. Insgesamt ist die Geschichte jetzt in einer Art, in der ich sonst nicht so viel schreibe und damit auch ein kleines Experiment. Würde mich sehr über Feedback freuen!

T

 

Also. Ich finde diese Version nicht so spannend. Etwas aufgebläht. Ich würde sagen setze eine Prämisse und schmeiß alles raus, was du mit dieser nicht beweisen kannst, oder schreibe einfach einen neuen Text. Mach den Wolf interessanter. Kein Mensch tätschelt nach fünfzehn Minuten einen Kopiere wie einen Araberhengst, wenn dieser nicht funktioniert, sondern schmeißt ihn verdammt nochmal durch die Scheibe. Dann kommt auch noch ein Mädel und füllt nur Papier hinein. (Gähn) Hau rein und lass es Krachen. Der Name Wolf verspricht mehr.
Viel Spaß.

 

Hey @Billi

Danke für dein Feedback und deine Zeit!

Ja - Mhm. :D Also ich selbst habe sehr gemischte Gefühlte zu dieser Version (und auch zu der letzten) und dein Eindruck bestätigt mir das so ein bisschen. Einigen gefällt sie gut/besser, einigen gar nicht oder schlechter. Aber das ist wohl bei jedem Text so. Schwierig finde ich, dass ich selbst so gar nicht richtig sagen kann, wie ich ihn finde :hmm:

Insgesamt könnte das alles ein Indikator sein, dass ich mich vielleicht genug an Wolf abgearbeitet habe und bereit für etwas Neues bin (und vielleicht auch einfach Distanz brauche). Und damit könnte dein Vorschlag einfach einen neuen Text zu schreiben, goldrichtig sein.

Diese Geschichten machen mich wahnsinnig! Aber gut noch mal deine Meinung zu hören.

Zumindest habe ich das Gefühl an diesen Versionen irgendwie gewachsen zu sein, das ist schon mal gut.

Danke dafür!

 

@tbrak Genau, das mit dem Wachsen hast du schön gesagt. Das Talent hast du. Lass das Alte los und probier das Neue. Gib bloß nicht auf. Hau rein.

 

Hola @tbrak,

Du schriebst mir auf meinen Kommentar:

… ich bin etwas ratlos
:D
Vielleicht hast du ja einen Tipp für mich!
Hehe, obwohl ich den hatte, hab ich ihn für mich behalten – denn es wäre genau jener gewesen, den Dir auch @Billi zukommen ließ:

… schreibe einfach einen neuen Text.

In der Tat! Du kannst backen wie ein Weltmeister – einen verhunzten Kuchen rettest Du nicht mehr. Ab in die Tonne! Grundbarmherziger, was habe ich da schon alles hineingetreten! Von den verschlissenen Nerven ganz zu schweigen:sconf:.

Immerhin beruhigend zu sehen, wie sich die Dinge, wenn man ihnen ein bisschen Zeit lässt, ganz automatisch in die richtige Richtung entwickeln. Und es kann nur so sein, dass – mit oder ohne Anstoß von außen – das etwas Solides wird, weil es von Dir kommt. Ideen von anderen umzusetzen, fühlt sich für mich wie Auftragsarbeit an (deshalb könnte ich nie an Copywrite teilnehmen).

Aber alles gut; Du sagst:

Insgesamt könnte das alles ein Indikator sein, dass ich … … bereit für etwas Neues bin (und vielleicht auch einfach Distanz brauche). Und damit könnte dein Vorschlag einfach einen neuen Text zu schreiben, goldrichtig sein.
Hallelujah! Goldrichtig – Du sagst es! Die Zeit ist reif für einen neuen Text.

Dazu meine besten Wünsche, lieber tbrak, und gutes Gelingen!
José

PS:

tbrak: Zumindest habe ich das Gefühl an diesen Versionen irgendwie gewachsen zu sein, das ist schon mal gut.
Fabelhaft. Und das ist nicht nur ein Gefühl – das ist so.

 

Hey @josefelipe

Danke auch noch mal für deinen Kommentar! Ich fühle mich definitiv ermutigt, etwas Neues zu beginnen.

Also würde ich sagen: bis zum nächsten Text!

Danke euch :)

T

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @tbrak,

du hattest mich markiert und ich dachte erst huh, kennen wir uns? Wolf, da hat's dann geklingelt. Ich tue mich schwer damit, die Geschichte als Überarbeitung zu lesen, weil sie ja im Grunde komplett neu ist. Die Namen sind geblieben, aber auch einige hinzugekommen. Der Kern ist auch noch da, sagst du, irgendwas mit Beziehung. Wobei ich mich an den hier am klarsten hervortretenden Konflikt - mit Jeremy - nicht erinnern kann. Oder soll das der Typ sein, der abgestochen wird? Wie gesagt: Ich hab's als neue Geschichte gelesen, nicht als Überarbeitung.

Zunächst hatte ich Schwierigkeiten, reinzukommen. Das M(ario Barth)-Wort will ich mal nicht benutzen, aber die Beobachtungen zu Männern und Frauen stolpern mir schon gefährlich Richtung Theke.

Es war vierzehn Uhr an einem Donnerstag und Wolf stand in einer kurzen Schlange vor der Kasse der Douglas Parfümerie im Arkaden Einkaufszentrum. Vor ihm standen zwei junge Paare und sie stritten darüber, wo sie nach dem Einkauf essen gehen sollten. Die Frauen verbündeten sich miteinander und lobbyierten für Mellow’s, einen kleinen Laden am Südende der Arkaden, gerade breit genug, dass zwei Personen aneinander vorbeigehen konnten, der Suppen und orientalische Vorspeisen verkaufte. Die Männer argumentierten mit vollem Körpereinsatz gegen diesen Vorschlag. Dabei erinnerten sie an ein Tandem Fußballer, die mit der Entscheidung des Schiedsrichters unzufrieden waren. Die Argumentation der Männer gegen diesen Laden fußte primär auf der Angst, nicht satt zu werden.
Hinzu kommt, dass das in diesem Tonfall von Glossen oder Kolumnen in der Zeitung geschrieben ist. So "gewitzt". Das ist einfach nicht mein Humor. Hier hab ich gedacht: Bei allem Genösel am Vorgänger, vom Sound insgesamt - eher dunkel und verregnet - hat der mir wesentlich besser gefallen.

Dann aber diese Jeremy-Geschichte. Mit Bekannten oder gar Freunden oder einfach nur Leuten, mit denen man sich (zu) gut versteht und auch privat mal was unternimmt, zusammenzuarbeiten, geht dir früher oder später auf den Sack. Dieses Regel- und speziell Hierarchiewerk der Arbeitswelt - oder des Gefängnisses, der Bundeswehr, irgendeine Organisation/Institution, in der man sich nicht oder nur bedingt freiwillig aufhält - kommt dir "draußen" absurd vor, und so verwischen Welten miteinander, die aus zwischenmenschlicher Sicht lieber getrennt bleiben sollten. Zu diesem speziellen Thema hab ich noch keine Geschichte gelesen, da fand ich's interessant, dass das jemand angeht.

Der Prot kann als Vorgesetzter also mehr als gut mit Jeremy, dessen Problem ist, dass er sich nicht benehmen kann. Gute Prämisse. Problem:

Wolf liebte Jeremy wie einen kleinen Bruder.
Der spätere Konflikt hat kaum Gewicht, weil der Text dieses gute Verhältnis nicht zeigt, sondern nur in diesem Satz ein einziges Mal behauptet. Später wirkt es sogar lustig oder auch zynisch, wenn der Prot Jeremy rausschmeißt, danach an ihn denkt und ihm als erstes einfällt: Wir haben eine Stelle frei - wo er ihn doch "liebt wie einen Bruder".

Niemand leidete
litt

besonders kein Mann nach einem Nachmittag voller Chanel und Thierry Mugler.
Das sind so Stellen ...

beschlossen zusammenzuziehen. Natascha hatte ihre Wohnung bereits gekündigt. Wolf hingegen nicht. Jedes Mal wenn er sich darum kümmern wollte,
en, zusammenzuziehen / Jedes Mal, - Kommata und Koppeln würde ich mal nachschlagen, gibt diverse Stellen im Text:

bis es begann an ihm zu nagen
bis es begann, an ihm zu nagen

MakeUp Farben
Makeup-Farben

Arkaden Einkaufszentrum.
Arkaden-Einkaufszentrum.

etc.

Mellows
Du hast zwei unterschiedliche Schreibweisen im Text.

Dann fragte er ihn mit welchem Strafmaß er dabei rechnen musste. Wolf hatte keine Antwort auf diese Frage. Ein halbes Jahr später bewarb er sich bei Seduction Plus.
ihn, ... Ich weiß, dass das nicht wörtlich gemeint ist, sondern als Bild dafür, dass er mit dem Studium hinterher ist, weil es ihn vermutlich nicht sonderlich interessiert. Trotzdem hat sich das für mich komisch gelesen. Weiß ich gerade nicht, da schmeiß ich hin.

ein multiresistentes Virus in einem Krankenhaus.
Geht's da nicht immer um Keime, multiresistente Keime?

Wolf suchte die Verkaufsfläche nach Jeremys Kopf ab,
Mag auch daran liegen, dass ich mich dem Horror verschrieben habe.

Dazwischen lag eine mit Wasabi und Sojasauce verschmierte Plastikschale, die einst Sushi enthalten haben musste.
Diesen Zusatz nach dem Komma finde ich unnötig erklärend.

“Er hat sich ganz nah an mir vorbeigedrückt, mit seiner Hüfte, sodass ich seinen Penis spüren konnte.”
Einige Dialoge, gerade in Zusammenhang mit der Belästigung, kommen mir nicht realistisch vor, eher wie eine recht steife (kicher, kicher) Beschreibung dessen, was passiert ist.

Warum hast du Julia das angetan?”,
Hier auch. Das ist so episch, als hätte er seine Freundin nach zehn Jahren mit zwei Kindern für die achtzehnjährige Praktikantin verlassen. "Hast du ernsthaft Julia begrapscht?"

Willst du was trinken?”,
Er spricht davor auch, der Absatz verwirrt.

Das kannst du nicht machen! Du glaubst dieser Geschichte einfach?
"Alter, ich musste vorbei und da ist es nun mal eng, die erzählt doch Scheiße!"

Für euch ist das leicht zu sagen. Ich bemerke das gar nicht. Ich bin einfach, wie ich bin. Ich denke da gar nicht soviel drüber nach.
Hier ist er extrem schnell extrem einsichtig und fasst sich selbst so zusammen, wie der Autor ihn wahrscheinlich im Kopf skizziert hat.

Viele Grüße
JC

 

Hey @Proof !

Auch noch mal ein großes DANKESCHÖN an dich, dass du noch mal wieder reingeschaut hast. Grundsätzlich bin ich erst mal bei dir: denke es als neue Geschichte zu verstehen, ist sinnvoll. Für mich sind sie natürlich durch den Entstehungsprozess miteinander verknüpft, aber (jetzt mit noch mehr Abstand) sind es doch schon sehr unterschiedliche Geschichten.

Ich finde dein Feedback auf jeden Fall hilfreich!

Einige Dialoge, gerade in Zusammenhang mit der Belästigung, kommen mir nicht realistisch vor, eher wie eine recht steife (kicher, kicher) Beschreibung dessen, was passiert ist.

Gerade dieser und folgende Kommentare zu den Dialogen. Mir fällt auch auf, dass die Tonalität aller Charaktere schon sehr gleich ist und dadurch zum Teil sehr unrealistisch.

"Alter, ich musste vorbei und da ist es nun mal eng, die erzählt doch Scheiße!"

Gerade das ist noch mal sehr aufschlussreich.

Hinzu kommt, dass das in diesem Tonfall von Glossen oder Kolumnen in der Zeitung geschrieben ist. So "gewitzt". Das ist einfach nicht mein Humor. Hier hab ich gedacht: Bei allem Genösel am Vorgänger, vom Sound insgesamt - eher dunkel und verregnet - hat der mir wesentlich besser gefallen.
Den Punkt fand ich auch noch mal sehr interessant. Der Text war schon ein kleines Experiment für mich, weil ich bewusst diese Tonalität gewählt habe. Aber wie ich schon in meinen letzten Kommentaren geschrieben habe: Wie ich das finde, weiß ich noch nicht so richtig. Es macht schon Spaß in der Art zu schreiben, aber für mich persönlich fühlt es sich nicht sonderlich natürlich an. So ein bisschen so, als würde ich ein Kostüm tragen und so tun, als wäre ich diese Art von Autor. :D

Insgesamt fühlt sich die Geschichte fremd für mich an. Und das finde ich interessant, besonders in Kombination mit deinen Beobachtungen zu der falschen Tonalität der Charaktere und den teilweise sehr oberflächlichen Beschreibungen -> vielleicht ist auch viel an der Geschichte einfach noch fremd für mich und ich habe noch nicht tief genug in die Charaktere geschaut, um etwas Vertrautes zu schreiben oder zu entdecken. Die Geschichte ist schon noch sehr stark im Klischee und sehr konstruiert. Zumindest fühlt es sich für mich so an.

Immer noch ein kleines Rätsel. Aber danke(!), dass du mir geholfen hast, wieder etwas mehr zu verstehen.

T

 

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