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Sechs im Wolf

fvg

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07.09.2010
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Sechs im Wolf

Es endete mit einer offenen Haustüre, umgestoßenen Möbeln und einer zerbrochenen Waschschüssel. Außerdem heulte irgendwer in der Wanduhr. Oder, so endete es wenigstens beinahe …

Sechs Augenpaare gewöhnen sich langsam an die Dunkelheit. Sie ist anders als bekannte Dunkelheiten, verfügt aber über eine hohe Luftfeuchtigkeit und riecht nach Kohl.
Es bleibt noch eine Weile still, weil sich alle erst vom Schock erholen müssen, aber dann meckert plötzlich eine Stimme: „Ich kann nicht glauben, dass der doofe Wolf uns gefressen hat.“
„Ja, genau,“ schließt sich ein entrüstetes Blöken an. „Wir hatten schließlich so gute Verstecke!“
„Es ist einfach nicht fair!“ jammert jemand anderes.
„Man darf doch nicht einfach im Kleiderschrank nachgucken. Nie guckt jemand im Kleiderschrank nach!“ grollt der Nächste.
Ein kollektives Seufzen echot im Magen des Wolfes.
„Ich hätte mich hinter der Gardine verstecken sollen. Da hätte er mich sicher nicht gefunden!“
Eine zeitlang hängt jeder seinen eigenen Gedanken nach. Dann stellt jemand die Frage: „Sind wir eigentlich vollzählig, Brüder? Lasst uns mal durchzählen.“
„Eins.“ ruft Nummer Eins.
„Zwei.“ ruft Nummer Zwei.
„Drei.“ ruft Nummer Drei.
„Mäh.“ ruft Nummer Vier.
„Fün…“ will Nummer Fünf rufen, hält aber skeptisch inne. „Äh, Nummer Vier?“
„Ja?“
„Du bist gar kein Geisslein, oder? Du bist ein Schaf.“
Nummer Vier, der eigentlich ein Schaf ist, scharrt verlegen mit den Hufen. „Hätte ja klappen können.“
„Vier.“ ruft Nummer Vier (der Echte).
„Fünf.“ ruft Nummer Fünf.
„Sechs.“ ruft Nummer Sechs.
Dann hört man nichts mehr, abgesehen von den Schritten des Schafes, das sich rasch entfernt.
„Nummer Sieben, du müsstest jetzt eigentlich sieben sagen.“ erklärt Nummer Eins sachdienlich, aber es folgt keine Antwort.
„Ich glaube Nummer Sieben fehlt.“ entfährt es Nummer Sechs panisch, worauf alle entsetzt blöken, denn Geisslein sind Herdentiere.
Sie rufen alle gleichzeitig: „Nummer Sieben, wo bist du?“
Ein Husten antwortet von irgendwoher, und nach einer erwartungsvollen Pause kommt ein alter Mann mit schäbiger Jacke aus der Finsternis geschlurft.
„Ich kenne keinen Nummer Sieben.“ sagt er, fügt aber noch traurig hinzu: „Aber habt ihr vielleicht einen kleinen Jungen gesehen? Er ist aus Holz.“
Als die Geisslein ihn entgeistert anstarren, schüttelt er hoffnungslos den Kopf und geht weiter.
„Wer war'n das?“ fragt eins der Geisslein argwöhnisch, während sie dem Alten hinterhersehen.
Die Brüder konzentrieren sich wieder auf ihre eigene Misere.
„Tja. Das war's wohl.“ bemerkt Nummer Zwei mit Würde.
„Wir werden alle sterben!“ kreischt Nummer Drei hysterisch.
„Nein!“ sagt Nummer Eins mit fester Entschlossenheit. „Wir sterben nicht. Weil Nummer Sieben fehlt.“

Bevor der Wolf einschlief, hatte er das Gefühl irgendeinen grundlegenden Fehler begangen zu haben. Außerdem tat ihm der Bauch weh.

Die anderen fünf richten ihre Blicke auf Nummer Eins.
„Etwas ist nicht richtig.“
„Dass es hier nach Kohl riecht, stimmt's?“ sagt Nummer Fünf wissend.
Nummer Eins würdigt diese Aussage keines Kommentars. „Es hängt mit der Zahl zusammen. Sechs ist falsch. Sieben ist richtig!“
Die anderen schauen sich verständnislos an und murmeln aufgeregt.
„Überlegt doch nur. Sieben Berge!“ triumphiert Numer Eins.
Keine Reaktion.
„Dahinter wohnen die sieben Zwerge!“ Was natürlich gar nichts erklärt. „Ist doch vollkommen logisch!“
„Da ist was dran!“ pflichtet Nummer Sechs bei, und die übrigen nicken, wenngleich noch ziemlich unsicher.
„Und dann haben wir da noch die Siebenmeilenstiefel. Vergesst mir die sieben Raben nicht. Sie-ben auf einen Streich. Das ist wichtig.“
„Hört, hört!“ ruft Nummer Vier gewichtig.
„Ein altes Volkslied sagt irgendwas über sieben Brücken. Mann soll drüber gehen, oder so.“
„Also ich weiß nicht, ob das zählt.“ überlegt Nummer Fünf, aber die anderen überschreien seine Bedenken.
„Genau! Genau!“
„Und das waren erst die äußeren Indizien!“ ereifert sich Nummer Eins. „Jetzt wenden wir uns den Zeichen hier drinnen zu. Seht da!“ Er deutet auf einige abgenagte Kolben, die vor ihm auf dem Boden liegen. „Die sieben Maislein!“
Eins der Geisslein hustet.
„Die sind tot, weil es sieben waren. Für uns sieht die Sache anders aus. Oder da!“
Sieben ausgelöffelte Fruchtbecher lehnen an der fernen Magenwand. Neben ihnen ausgebleichte Zipfelmützen.
„Die sieben Fruchtzwerge!“
Eins der Geisslein rollt mit den Augen.
„Sie sind alle da! Erdbeer. Banane. Himbeer. Birne. Der Geschmack, den ich nicht erkennen kann. Brombeer. Und sogar Vanille-Kirsch! Tot.“
„Nicht Vanille-Kirsch!“ schluchzt Nummer Drei und schlägt die Hufe vors Gesicht.
„Ja, schrecklich, ich weiß. Und da drüben!“ Widerwillig folgen die anderen seiner Geste.
„Skelette in Cowboykleidung? Lass mich raten, die Glorreichen Sieben?“ sagt Nummer Zwei lahm.
Jawohl. Und natürlich das hier! Siebenbürgen!“ Nummer Eins zeigt auf etwas Undefinierbares.
„Also langsam wird’s albern.“ ruft Nummer Sechs.
„Ja, nicht wahr!“ entgegegnet Nummer Eins geheimnisvoll. „Womit meine Theorie bewiesen wäre!“
Die Geisslein brummen überzeugt. Dann sagt Nummer Fünf endlich das, was alle denken: „Äh - was willst du uns eigentlich mitteilen?“
Nummer Eins guckt ungläubig. „Was ich euch mitteilen will? Nichts hört mit sechs auf. Es endet mit sieben!“
„Oh, na dann.“
„Nicht Vanille-Kirsch.“ schnieft Nummer Drei.
Nummer Vier setzt zu einer empörten Widerlegung an: „Das ist doch lächerlich! Das ist ... wo kommt plötzlich das Licht her?“

Die Muttergeiss staunte nicht schlecht als sie den Wolf aufschnitt. Neben den sechs Geisslein kletterten ebenfalls ein alter Mann mit schäbiger Jacke und ein Schaf aus der geöffneten Bauchhöhle. Da sie aber wusste, dass entsprechender Unfug nun einmal ein wesentliches Stilmittel von Märchen darstellt , zuckte sie nur altersmilde mit den Achseln und begann damit, dem schlafenden Wolf Wackersteine in den Magen zu füllen.
Es endete damit, dass sie sorgfältig darauf achtete, dass es sieben waren.

 

Hallo fvg,

ich fands lustig. Dann ist das Thema vielleicht doch nicht so schwer ... obwohl - warum sollte man dieses Märchen gleich nochmal nicht erzählen? Aber egal.

Sie ist anders als bekannte Dunkelheiten, verfügt aber über eine hohe Luftfeuchtigkeit und riecht nach Kohl.

Nach Kohl ist schön! Und lustig.

Es bleibt noch eine Weile still, weil sich alle erst vom Schock erholen müssen, aber dann meckert plötzlich eine Stimme: ...

Ich würds drehen - Es bleibt noch eine Weile still, bis alle sich vom Schock erholt haben, dann meckert wer: ...

„Ja, genau.“ schließt sich ein entrüstetes Blöken an.

Wörtliche Rede :teach::

Geht der Satz weiter, wird kein Punkt in der Rede gesetzt - ? und ! dagegen schon. An die Rede fügt sich ein Komma an und erst dann darfst Du weitersprechen äh schreiben.

„Ja, genau“, schließt sich ein entrüstetes Blöken an.

„Man darf doch nicht einfach im Kleiderschrank nachgucken. Nie guckt jemand im Kleiderschrank nach!“ grollt der Nächste.

Hehe.

Ein kollektives Seufzen erschallt im Magen des Wolfes.

Seufzen und erschallen find ich ne komische Kombi.

„Du bist gar kein Geisslein, oder? Du bist ein Schaf.“

Lustig

Nummer Vier, der eigentlich ein Schaf ist scharrtKOMMA verlegen mit den Hufen.

„Ich kenne keinen Nummer Sieben.“ sagt er, fügt aber noch traurig hinzu: „Aber habt ihr vielleicht einen kleinen Jungen gesehen? Er ist aus Holz.“

Oooh ...

„Das es hier nach Kohl riecht, stimmt's?“ sagt Nummer Fünf verschwörerisch.

Streich doch das verschwörerisch. Es will da nicht hin ;).

„Ein altes Volkslied sagt irgendwas über sieben Brücken. Mann soll drüber gehen, oder so.“

Hehe.

Mit der Erkundung der Lage im Inneren hat es ein klein wenig zähen Charakter. Schau mal, ob da nicht was weg könnte.

Eins der Geisslein hustet.
„Die sind tot, weil es sieben waren. Für uns sieht die Sache anders aus. Oder da!“

Das zum Beispiel.

„Ja, schrecklich, ich weiß. Aber es klappt nur, weil sie sieben sind! Und da drüben!“ Widerwillig folgen die anderen seiner Geste.
„Skelette in Cowboykleidung? Lass mich raten, die Glorreichen Sieben?“ sagt Nummer Zwei lahm.
Jawohl. Sogar die Glorreichen Sieben. Und natürlich das hier! Siebenbürgen!“ Nummer Eins zeigt auf etwas Undefinierbares.

Das dicke würd ich auch zur Diskussion stellen. Der Leser weiß ja, in welche Richtung es zielt und braucht dann nur noch Stichworte.

Es endetet damit, dass sie sorgfältig darauf achtete, dass es sieben waren.

Schön das Du das Märchen erzählt hast, ich hatte meinen Spaß dran. Und jetzt helfe ich dem alten Mann den kleinen Jungen suchen, geht doch nicht ...

Besten Gruß Fliege

 

Hallo Fliege,

ich wollte gerade das endetet korrigieren, und jetzt sehe ich, dass du das schon für mich erledigt hast. - danke.

Danke auch für das Lesen, Lustig gefunden haben und Anmerkungen machen. An Einiges davon habe ich mich gehalten ;).

Lg fvg

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Felix,

gefällt mir gut. Musste desöftern lachen, insofern hier bei Humor sehr gut aufgehoben. Kurz ist sie auch. Und märchehaft. Alle Vorgaben erfüllt ;)

„Ich kenne keinen Nummer Sieben.“ sagt er, fügt aber noch traurig hinzu: „Aber habt ihr vielleicht einen kleinen Jungen gesehen? Er ist aus Holz.“
Sehr gefreut habe ich mich über diesen Geppetto-Gag!

„Sie sind alle da! Erdbeer. Banane. Himbeer. Birne. Der Geschmack, den ich nicht erkennen kann. Brombeer. Und sogar Vanille-Kirsch!"
Der fehlende Fruchtzwerggeschmack ist meines Erachtens nach Binse oder Balm oder Binse-Balm, aber ganz sicher bin ich mir aber da auch nicht.

Den Titel finde ich schön zweideutig, zumindest beim Hören ;)

Sehr gern gelesen.

LG svg

 

Hey svg,

dann bleibt mir nur noch danke zu sagen fürs Lesen und Lachen, aber auch fürs gern gelesen und gut gefallen haben.
Das freut mich.

Der fehlende Fruchtzwerggeschmack ist meines Erachtens nach Binse oder Balm oder Binse-Balm, aber ganz sicher bin ich mir aber da auch nicht.

Ganz vielleicht ist er aber auch Bamse-Bär, wer weiß ;).

Lg

fvg

 

Hallo fvg!

ich fands lustig. Dann ist das Thema vielleicht doch nicht so schwer ... obwohl - warum sollte man dieses Märchen gleich nochmal nicht erzählen? Aber egal.
Da kann ich mich Fliege anschließen … bis auf … ich will es mal so sagen, hättest du (oder irgendjemand) die Aufgabe wirklich hundertprozentig umgesetzt, hätte ich den jeweiligen Text löschen müssen! :D

Dein Märchen gefällt mir, der Dialog ist lustig, wird auf höchst niedliche Weise geführt und die Argumentation des Geißleins Eins ist wahrlich überzeugend.

„Jawohl. Und natürlich das hier! Siebenbürgen!“
:bonk::rotfl:
Hochwertiger Nonsens!

Lieben Gruß

Asterix

 

Hallo fvg,

starker Anfang! Meine Lieblingsstelle war:

„Man darf doch nicht einfach im Kleiderschrank nachgucken. Nie guckt jemand im Kleiderschrank nach!“ grollt der Nächste.

Der ausufernde Dialog mit den Fruchtzwergen und dem alten Mann mit der schäbigen Jacke war für meinen Geschmack zuviel des Guten. Der Hinweis, dass nichts bei sechs aufhört, macht es ein Stück besser.
Einen Logikfehler habe ich entdeckt: Im Bauch des Wolfes ist es doch dunkel, oder? Hier:
Die anderen fünf richten ihre Blicke auf Nummer Eins.

Sehr mochte ich das Ende, ob seiner Skurrilität: Es müssen sieben Wackersteine sein. ;)

Beste Grüße,

Berg

 

Hrhr,

hat mich vollauf unterhalten. Gelungene Schmunzler in super Tempo bei angemessener Länge. Was will man mehr?

Wir hatten schließlich so gute Verstecke!“
„Es ist einfach nicht fair!“ jammert jemand anderes.
„Man darf doch nicht einfach im Kleiderschrank nachgucken. Nie guckt jemand im Kleiderschrank nach!“ grollt der Nächste.
:lol:

Einer versucht sich sogar krampfhaft an sein Survivaltraining bei der Army zu erinnern.
das ist die einzige missglückte Stelle. Auch wenn du ausscherst mit deinen Gedanken, so bleibt es doch irgendwie im märchenhaften Setting. Das hier passt da mal gar nicht rein. UNnötig und unwitzig

Ansonsten sehr gern gelesen

grüßlichst
weltenläufer

edit: Den Gag mit Pinocchio hast du aber geklaut, oder? *gradnichtdraufkommwoher*

 

@Asterix

hi,

danke fürs Lesen.

Hochwertiger Nonsens!

Was will ich mehr. Über dieses Lob freue ich mich sehr :).

Lg

fvg

@Berg

auch dir danke fürs Lesen.

Der ausufernde Dialog mit den Fruchtzwergen und dem alten Mann mit der schäbigen Jacke war für meinen Geschmack zuviel des Guten. Der Hinweis, dass nichts bei sechs aufhört, macht es ein Stück besser.

Kann ich schon verstehen. Ich hab vielleicht ein bisschen dick aufgetragen. Aber zu meiner Verteidigung, mit Absicht ;). Und ich steh ja drauf :D.

Ja, das mit dem Logikproblem stimmt wohl. Aber im Bauch eines Wolfes kann Logik schon mal hintenüber fallen. Allerdings zur Not hab ich auch dafür eine Erklärung parat - äh ... Geislein haben sehr gute Augen. Echt, dass sind die Eulen der Natur, ähem, nach den Eulen natürlich :).

Lg

fvg

@Weltenläufer

Danke für die netten Worte und schön, dass es dir gefallen hat.

das ist die einzige missglückte Stelle. Auch wenn du ausscherst mit deinen Gedanken, so bleibt es doch irgendwie im märchenhaften Setting. Das hier passt da mal gar nicht rein. UNnötig und unwitzig

Ich habe darüber nachgedacht, und anfangs wollte ich es drinlassen, weil es so dermaßen unnötig ist, dass ich es fast schon schön fand. Aber dann nach noch mehr Nachdenken: du hast ja recht. Ist gestrichen.

Den Gag mit Pinocchio hast du aber geklaut, oder?

Ich schwöre, nein (und wenn, dann total unbewusst, dann entschuldige ich mich dafür bei wem auch immer ;))!

Lg

fvg

 

Hi AbraCadaver,

danke fürs Lesen der Geschichte und schön, dass sie dir gefallen hat.

Was die Unterhaltung betrifft. Ich helfe gern :D.

Lg

fvg

 

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