Schwiegermutters Geburtstagsfeier
Der Tag hatte böse angefangen. Schon am frühen Morgen hatte nichts geklappt. Manchmal wird ein Tag, der schlecht begonnen hat, im Lauf der Stunden noch ganz erträglich. Diesmal aber wurde es immer schlimmer. Der Abend schließlich versprach alles in den Schatten zu stellen.
Es war der Tag, an dem Schwiegermutter Geburtstag hatte. Sie war verwitwet und ihr einziger Liebling – mal abgesehen von ihrem Schoßhund Malus – war ihr Herbert, mein Mann. Also musste ihr Geburtstag heute Nachmittag bei uns gefeiert werden.
Im Büro war dicke Luft. Vielleicht, weil Freitag, der dreizehnte war. Unser Azubi kam wieder mal viel zu spät und hatte eine Ausrede, die dümmer war als es jeder Anstand erlaubt. Der Chef hatte es mitgekriegt, war puterrot angelaufen und brüllte den Azubi an, dass dieser ganz bleich wurde und anfing zu heulen. Da hatte er die Belegschaft auf seiner Seite und der Chef den schwarzen Peter. Den gab er dann an mich weiter. Ausnahmsweise wollte ich an diesem Tag schon um zwei Uhr gehen, das war mir sogar vom Chef persönlich genehmigt worden. Ich hatte meinen Kram zusammengepackt und zupfte gerade meine Frisur in Form, als der Chef hereinplatzte. „Halt, Frau Meyer, Sie können jetzt nicht gehen“. „Aber Sie haben doch…“. „Ich habe gesagt, Sie können nicht gehen. Wir haben Kunden als dem Senegal, die sich verspätet haben. Sie müssen bleiben und das Verhandlungsprotokoll schreiben“. Also musste ich wegen dieser zwei Senegalesen bis kurz vor fünf im Büro sitzen. Ich war auf hundertachtzig, ließ mir aber nichts anmerken. Der Chef war sauer, als ich ging. Das war mir dann auch egal.
Ich musste schnell noch zum Supermarkt und hetzte dann nach hause. Da wartete schon Schwiegermutter, das Geburtstagskind, und ich hatte den Blumenstrauß vergessen. Zum Glück hatte Herbert den Kuchen aufgetaut und unsere zehnjährige Tochter Ina Kaffee gekocht und den Tisch gedeckt. Die vorwurfsvollen Blicke von Herbert und seiner Mutter fand ich total deplaziert, ich schwieg aber, weil Geburtstag war. Wir tranken ganz gemütlich Kaffee, bis Ina das Milchkännchen auf den Boden fallen ließ. Herbert rastete aus und beruhigte sich erst wieder, als ich ihm sagte, Malus habe die Milch aufgeschleckt und das Kännchen sei gar nicht kaputt.
Als ich das Abendessen aufgetragen hatte – ich hatte mir große Mühe gemacht und ein thailändisches Hühnergericht mit exotischen Gewürzen gekocht – klingelte das Telefon. Eine Frau mit penetranter Stimme verlangte nach Herbert. Der war gerade auf der Toilette und ich sagte ihr, er sei nicht zu sprechen. Daraufhin kreischte sie mich an, ich gab es ihr zurück, dann ging es hin und her, doch als sie behauptete, die Freundin von Herbert zu sein, verschlug es mir die Sprache. In diesem Moment kam Herbert herein und nahm mir den Hörer weg. Schwiegermutter schaute mich entsetzt an und fragte, ob mir schlecht sei, ich sei so blass. Ich konnte nichts herausbringen, setzte mich in den Fernsehsessel und hörte, wie Herbert am Telefon kämpfte. „Nun hör doch auf… beruhige dich doch…nein, das geht nicht…was, ein Kind,...bis du sicher? …nein, heute wirklich nicht, wir haben Familienfeier… Schluss jetzt…“. Mir wurde schwindelig. Herbert war hoch erregt, als er den Hörer auflegte. Er schaute mich an. „Hast du eine Freundin, und kriegt sie ein Kind von dir“? fragte ich schrill. „Mein Gott, Hilde, lass uns darüber ein andermal reden“, sagte er und wandte sich ab. „Wie, ihr kriegt ein Kind“? fragte Schwiegermutter. Sie verstand nicht. “Was, wir bekommen ein Baby“, fragte Ina freudig. „Bist du denn schwanger, Mama“? „Nein“, sagte ich genervt. „Papa, sag du es mir, kriegen wir ein Baby“?
„Nein, hört auf damit“, rief Herbert ungehalten. „Wir feiern Geburtstag und sonst nichts“.
Die Stimmung war futsch. Selbst Schwiegermutter hatte unerwartet keinen Appetit mehr, obwohl sie sonst immer gern und reichlich aß. Sie sah mich prüfend an und wollte plötzlich nach hause. Ich packte ihre Geschenke in eine Plastiktüte, füllte eine große Portion Hühnerfrikassee in einen Behälter, legte ihn in die Tüte und verabschiedete mich wortkarg. Herbert und Ina fuhren sie nach hause. Kaum war ich allein, rannte ich auf die Toilette und musste mich mehrfach übergeben, bis nur noch Magensäure kam. Ich fühlte mich hundeelend, verkroch mich ins Bett und heulte. Als Herbert und Ina zurückkamen, hatte ich mich etwas beruhigt.
Wir schickten Ina ins Bett, erstaunlicherweise gehorchte sie. Sie fühlte wohl das herannahende Gewitter.
Das Gespräch mit Herbert war ebenso unerfreulich wie aufhellend.
Zäh und mürrisch gestand er, dass er seit einem halben Jahr eine Freundin hatte, so eine Sekretärin aus seinem Betrieb. Sie behauptete, von ihm schwanger zu sein. Er behauptete, sie sei hysterisch und spinne.
Für mich wurde schnell klar, dass ich mich aus dieser Ehe zu verabschieden hätte. Ina würde bei mir bleiben. Es war bitter, sehr bitter, aber irgendwie fühlte es sich auch befreiend an.
Soll er doch zukünftig mit dieser hysterischen Person herumzanken.